Friedrich Maximilian Klinger
Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt
Friedrich Maximilian Klinger

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Der Teufel hatte ausgespäht, daß das Parlament über einen Fall richten würde, der so unerhört war, und die Menschheit so sehr beschämte, daß er es schicklich für seinen Plan hielt, Fausten zum Zuhörer davon zu machen. Die Sache war diese: Ein Wundarzt befand sich in der Nacht mit seinem treuen Diener unweit Paris auf der Landstraße. Er hörte in der Nähe das Winseln und Ächzen eines Menschen. Sein Herz zog ihn nach dem Orte hin, wo er einen lebendig geräderten Mörder antraf, der ihn um Gottes Willen bat, ihn zu töten. Der Wundarzt schauderte zurück, und als er sich von seinem Schrecken erholt hatte, fuhr der Gedanke durch seinen Sinn: ob es nicht möglich sei, diesen Unglücklichen, durch seine Kunst, wieder herzustellen. Er sprach mit seinem Diener, nahm den Mörder von dem Rade herunter, legte ihn sanft auf seinen Wagen, führte ihn nach seiner Wohnung, und unternahm seine Heilung, die glücklich vonstatten ging. Er hatte erfahren, daß das Parlament hundert Pfund dem zur Belohnung ausgesetzt hätte, der es anzeigen würde, wer diesen Mörder vom Rade genommen. Beim Abschied entdeckte er dem Mörder dieses, gab ihm Geld zur Reise, und riet ihm, sich ja nicht in Paris aufzuhalten. Das erste, was dieser Elende tat, war hinzugeben, seinen Wohltäter bei dem Parlament anzugeben, um die hundert Pfund zu erhalten. Die Wangen der Richter, die so selten erblassen, wurden bleich bei dieser Anzeige, denn er gestund grade zu, er selbst sei jener Mörder, den das Parlament auf der Stelle, wo er das Verbrechen begangen, hätte rädern lassen. Der Wundarzt wurde vorgefordert, und der Teufel führte Fausten in diesem Augenblick in die Galerie, da dieser erschien, ohne ihm vorher etwas von dem Vorfall zu sagen. Das Gericht meldete dem Wundarzt die gegen ihn vorhandene Anklage. Er, der seines Dieners gewiß war, leugnete sie standhaft. Man bedeutete ihm, sich zu bedenken, weil man Zeugen vorführen könnte, die ihn überführen würden. Er forderte die Richter dazu auf. Man öffnete eine Seitentüre, der Mörder trat kalt und frech herein, stellte sich vor ihn, und wiederholte seine Anzeige mit allen Umständen. Der Wundarzt schrie: »Was hat dich, Ungeheuer, zu diesem scheußlichen Undank gereizt?«

Mörder. Die hundert Pfund, wovon Ihr mir sagtet, da Ihr mich entließet. Glaubt Ihr, daß mir mit meinen gesunden Gliedern allein gedient sei? Ich ward für einen Mord gerädert, den ich um dreißig Pfund beging, soll ich nicht hundert durch eine Anzeige zu verdienen suchen, wobei ich selbst nichts wage?

Wundarzt. Undankbarer! Dein Winseln und Ächzen rührte mein Herz. Ich nahm dich schaudernd vom Rade, besorgte, verband und heilte deine Wunden, nährte dich mit eigner Hand, solange du deine zerschlagne Glieder nicht brauchen konntest, gab dir Geld, das du noch nicht verzehrt haben kannst, um heim zu reisen, offenbarte dir, um deinetwillen, die Bekanntmachung des Gerichts, und ich schwöre bei dem lebendigen Gott! hättest du mir dein teuflisches Vorhaben vertraut, ich wollte eher alles bis auf mein Hemde verkauft haben, dir die hundert Pfund auszuzahlen, damit der Menschheit dieses abscheuliche Beispiel von Undank ewig ein Geheimnis geblieben wäre. – Ihr Herren, richtet zwischen ihm und mir, ich erkenne mich der Anklage schuldig.

Präsident. Ihr habt die Justiz gröblich beleidigt, da Ihr den zu erhalten suchtet, den das Gesetz um der Sicherheit der Bürger willen verdammt hat; doch diesmal soll die strenge Gerechtigkeit schweigen, und die Menschheit allein zu Gerichte sitzen. Euch werden die hundert Pfund, und der Mörder werde noch einmal gerädert.

Faust, der während des Verhörs schnaubte und glühte, brach in ein schallendes Bravo aus, das die Galerie wiederholte. Der Teufel, welcher merkte, daß der letzte Eindruck den ersten verwischen wollte, führte ihn schnell zu einer andern Szene.


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