Friedrich Maximilian Klinger
Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt
Friedrich Maximilian Klinger

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

6

Faust und der Teufel kamen morgens in Mainz an, und stiegen bei Fausts Wohnung ab. Sein junges Weib fiel ihm, mit einem hellen Freudenschrei, um den Hals, herzte ihn, und brach dann in wehmütige Tränen aus. Die Kinder hingen sich lärmend an seine Knie, durchsuchten begierig seine Taschen, ob er ihnen etwas mitgebracht. Der alte graue Vater nahte sich mit zitternden Knien, und reichte dem Sohn traurig die Hand. Fausts Herz bewegte sich, er fühlte seine Augen naß, er bebte, und sah zornig nach dem Teufel. Als er seine Frau fragte, warum sie weinte, antwortete sie schluchzend: »Ach sieh doch, Faust, wie die Hungrigen in deinen Taschen nach Brot suchen, wie kann ich dies ohne Tränen ansehen! sie haben lange nichts gegessen, wir waren so unglücklich, alle deine Freunde haben uns verlassen, aber nun ich dich wiedersehe, ist mir, als erblickte ich das Angesicht eines Engels. Ich und dein Vater haben noch mehr um dein-, als um unsertwillen gelitten. Wir hatten so fürchterliche Träume und Erscheinungen; wenn sich meine von Tränen müden Augen schlossen, sah ich dich gewaltsam von uns gerissen, und alles war so finster und schreckend.« –

Faust. Dein Traum, Liebe, geht eines Teils in Erfüllung. Sieh, dieser Herr will die Verdienste deines Mannes belohnen, den sein hartes Vaterland mißkannte und verstieß. Ich habe mich ihm verbunden, eine lange und weite Reise mit ihm zu machen.

Der alte Faust. Mein Sohn, bleibe im Lande und nähre dich redlich, sagt die Schrift.

Faust. Und sterbe Hungers, ohne daß man sich deiner erbarmt, sagt die Erfahrung.

Die Mutter jammerte noch kläglicher, die Kleinen schrien um Brot. Faust winkte dem Teufel, der einen Diener herauf rief, welcher bald darauf einen schweren Kasten herein schleppte. Faust öffnete den Kasten, und warf einen schweren Sack voll Gold auf den Tisch. Da er den Sack aufmachte, und das Gold schimmerte, verbreitete sich Heiterkeit auf die traurigen Gesichter. Hierauf zog er schöne Kleider und Kleinodien aus dem Kasten, und übergab sie seinem Weibe. Die Tränen verschwanden, die Eitelkeit leckte sie weg, wie die Sonnenhitze den Tau, und Munterkeit goß sich über das Angesicht des jungen Weibs. Der Teufel lächelte, und Faust murrte in seinen Bart: »O Zauber des Golds! Magie der Eitelkeit! ich kann nun wegreisen, ohne daß es andre Tränen, als Tränen der Verstellung kosten wird. – Nun, Weib, sieh, dies sind die Früchte meiner Reise, sag, ist es nun besser, daß ich im Lande mit euch allen darbe?«

Die junge Frau hörte nichts, sie stund mit den schönen Kleidern und Kleinodien vor dem Spiegel, und versuchte alle die Herrlichkeiten. Die kleinen Mädchen hüpften um sie herum, bewunderten sie, nahmen die Putzstücke, die sie weglegte, und ahmten die Mutter nach. Indessen brachte ein Diener ein volles Frühstück, die Kleinen fielen darüber her, schrien und jauchzten. Die Mutter hatte den Hunger vergessen.

Fausts Vater sagte seinem Sohn leise: »Hast du dies alles auf eine redliche Art erworben, so laß uns Gott danken, mein Sohn, und des Bescherten genießen. Ich habe seit einigen Nächten schreckliche Gesichter und Ahndungen gehabt, doch ich hoffe, sie kommen von unserm Kummer her.«

Diese Anmerkung des Alten wollte tief in Fausts Seele sinken; aber die Freude, seine Kinder so gierig und vergnügt essen zu sehen, zu bemerken, wie freundlich und dankbar sein ältester Sohn und Liebling nach ihm blickte, der Gedanke, ihrem Elend abgeholfen zu haben, der Mißmut über das Vergangene, der innere Zug nach Genuß, dämpften die Aufwallung. Der Teufel legte noch eine Summe zu dem Golde, beschenkte die junge Frau mit einem edeln Halsschmuck, gab jedem der Kinder etwas, und versicherte die Familie, er würde Fausten reich, gesund und glücklich zurückbringen.


 << zurück weiter >>