Rudyard Kipling
Indische Erzählungen
Rudyard Kipling

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Vorwort.

Zu den gelesensten Autoren Englands und Amerikas gehört Rudyard Kipling, den wir mit diesem Bändchen kleiner Erzählungen in den Bücherschatz einführen. Jedes neue Werk von ihm ist ein Ereignis in seinem engeren Vaterlande, und man geht nicht fehl, wenn man die Stellung, die er bei dem englisch lesenden Publikum einnimmt, mit der eines Boz Dickens vergleicht. Selbst die Erfolge eines Mark Twain, eines Bret Harte treten gegen die zurück, die Rudyard Kipling errungen. Diese Popularität, deren sich der Schöpfer der »Plain tales of the hills« erfreut, ist um so überraschender, als der Dichter noch in jugendlichem Alter steht; er zählt erst 34 Jahre und hat doch schon die Staffel des Ruhmes erklommen.

Im Jahre 1865 wurde Kipling in Bombay geboren, kam aber sehr frühzeitig nach England und kehrte zu 17 Jahren nach Indien zurück, nachdem er sich geweigert hatte, eine englische Universität zu beziehen. In Lahore, wo sein Vater lebte, trat er nach seiner Rückkehr in die Redaktion der »Civil and Military Gazette« ein und veröffentlichte hier seine ersten Erzählungen, die später unter dem Titel »Schlichte Geschichten aus Indien« in Bandform erschienen. Auch zwei seiner späteren Werke: »The Story of Gadbys«, und »Black and White« sind zuerst in Lahore erschienen. – Gegen Ende des Jahres 1886 begann man in England auf den jungen Schriftsteller aufmerksam zu werden, der in so auffallender Weise von den ausgetretenen Pfaden des Familien- und Kriminalromans abwich, und es wagte, seine eigenen Wege zu wandeln. Im Jahre 1888 schied er aus der Redaktion der »Civil and Military Gazette« und ließ sich, nachdem er größere Reisen durch Indien, Birma, China, Amerika gemacht, in London nieder, wo er seinen großen Roman »The light that failed« schrieb. Im Jahre 1892 verheiratete er sich und reiste mit seiner Gattin nach Japan, um sich kurz darauf in New-York niederzulassen, das er von Zeit zu Zeit verließ, um nach England zu reisen.

In Deutschland wurde Kipling eigentlich erst durch das bekannte Telegramm des Kaisers populär, der zu den begeisterten Verehrern des Dichters gehört, und der Gattin desselben seine Teilnahme anläßlich der schweren Erkrankung Kiplings, von der dieser übrigens vollständig genesen ist, aussprach. Wie ein weitschallendes Echo wirkte dieses Telegramm auch in deutschen Landen, und Rudyard Kipling zählt seit jenen Tagen, da Wilhelm II. seiner Begeisterung für den genialen Schilderer indischen Volkslebens so beredten Ausdruck verlieh, auch in Deutschland zahlreiche Verehrer seiner Kunst.

So glauben auch wir, keinen Fehlgriff gethan zu haben, wenn wir aus seinem besten Werke – den mit Recht den Titel: »Schlichte Geschichten aus Indien« führenden Erstlingswerken eine Reihe charakteristischer Schöpfungen auswählten, die das Schaffen des Dichters voll und ganz widerspiegeln und seine Eigenart, vornehmlich seinen feinen, trockenen Humor dem deutschen Leser besser und schärfer vor Augen führen, als seine späteren, umfangreichen Werke.

Wilhelm Thal.

 


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