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Der Tanz und Kampf ums Weibchen! Wenn die Hirsche röhren, die Hunde sich beißen, die Gockelhähne sich nach den Augen hacken, dann ist das ganz derselbe elementare Naturtrieb, der die Männer zu verliebten Hanswursten, zu eifersüchtigen Nebenbuhlern, vielleicht zu Mördern macht. Stille Beobachter auf dem Schiffe, Leute, die schon in einer kühleren Gefühlssphäre waren, lächelten, wenn sie dem Tanze um das goldhaarige Kalb, die Sabine Sabina, zusahen. Selbst die jungen Damen waren für Sabine begeistert, während die älteren Jahrgänge, um die sich kein Mann mehr kümmerte, ihre Entrüstung über »diese Person« offen zur Schau trugen. Die wackeligsten Ehemänner wurden scharf überwacht; sämtliche jüngeren Personen masculini generis lagen Sabine zu Füßen.
Sabine war von einer reizenden Unparteilichkeit; sie flirtete mit allen. Dafür war sie eben Schauspielerin. Kann eine Schauspielerin vom Beifall eines einzigen Claqueurs leben? Nein, das ganze Haus muß widerhallen von tobendem Beifall! Die Schauspieler und Schauspielerinnen sind nicht so unheilbar größenwahnsinnig wie »moderne« Dichter, aber sie sind von einem Beifallshunger, gegen den der Hunger eines Wüstenlöwen, der eine Woche lang rein gar nichts zu fressen gefunden hat, nur als leichter Appetit anzusprechen ist.
O, diese göttliche Sabine Sabina! Das ganze Schiff beteiligte sich an den Huldigungen für dieses goldhaarige, junge Weib, mit den Ausnahmen, die schon erwähnt sind, den älteren Damen, den überwachten Ehemännern und den wenigen Abgeklärten. Ein junger Kellnerbursche ließ zweimal das Tablett fallen, da er sie sah. O, es ist schade, daß die wohltätige Einrichtung der Hexenprozesse abgeschafft ist. Sabine Sabina hätte auf den Scheiterhaufen gehört. Aber sie war sich ihrer moralischen Scheußlichkeit anscheinend gar nicht bewußt. Sie flirtete drauf los, als wenn das keine Schurkerei wäre, und da alle so toll hinter ihr her waren, fühlte sie ein Recht, alle auszulachen. Denn das eine steht fest: jeder verliebte Mann ist lächerlich und schon gar, wenn er herdenweise auftritt. Das weiß niemand besser als das Weib.
Es war eine sehr ausgiebige Mittelmeerreise geplant. Athen, dann durch den Kanal von Korinth, die Dardanellen, übers Marmarameer nach Konstantinopel. Den Weg zurück nach Smyrna, Jaffa, Ausflug nach den heiligen Städten Palästinas schließlich Alexandrien, Kairo, Nil, Pyramiden, Assuan.
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An den beiden Brucknersöhnen nagte die heimliche Sorge: das mitgenommene Reisegeld werde nicht auslangen. Diese Sorge war berechtigt, denn »da unten« ist ein teures Pflaster, selbst auf dem Wasser. Die Länder sind blutarm. Was sie produzieren können, sind Teppiche, Seidenwaren, Korinthen – sonst nichts! Die Leute leben in der Hauptsache vom Fremdenverkehr. Der Fremde muß ihnen Geld ins Land bringen. Niemand soll behaupten, daß Griechen, Armenier oder gar Türken von Haus aus unehrliche Leute sind, die meisten leben kümmerlich und ehrlich dahin, daneben aber blüht der Nepp. Anderwärts blüht er auch, Deutschland natürlich ausgenommen.
Ja, die Brucknersöhne hatten Sorgen. Sie vertrugen sich über Erwarten gut, ja sie liebten sich brüderlich. Jedem von ihnen hatte Sabine Sabina zugeflüstert: »Ich liebe nur dich!« Nun, so dachte Richard von Elmar: »Ach, wie wird er's ertragen?« und Elmar dachte von Richard: »Wenn er die Wahrheit erfährt, wird er sich das Leben nehmen. Retten kann ich ihn nicht, aber die letzten Lebenstage will ich ihm wenigstens so angenehm machen, wie ich nur irgend kann.« Edel war das gedacht.
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Sabine Sabina flirtete indes mit allen weiter. Am eifrigsten bemühte sich um sie der Kommerzienrat Bruckner. Und er verständigte sich mit dem Grafen Luwowsky, seinem Freunde und Begleiter. Luwowsky benahm sich Sabine gegenüber äußerst höflich, aber doch zurückhaltend. Das rechnete ihm Bruckner hoch an.
»Also, lieber Freund, Sie wissen, daß Sie mir als Schwiegersohn sehr willkommen sind. Müssen es halt mit dem Mädel, der Irene, die ja einen schwierigen Kopf hat, ausmachen. Sie leidet an einer Psychose. Sie meint, ich sei verpflichtet, den famosen Brucknersöhnen, die sich hier sehr unnützer- und störenderweise an Bord herumtreiben, dreiviertel Millionen Goldmark zu schenken, nur weil sie Bruckner heißen und weil ich früher einmal ein Geschäft mit ihrer Mutter machte, ein Geschäft, das ich in gesetzlich völlig einwandfreier Weise – darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort – erledigt habe. Vor jedem Richter der Welt ist meine Sache gerechtfertigt. Aber das Mädel hat törichte, romantische Flausen im Kopfe. Die ihr auszureden, ist Ihre Aufgabe! Wenn Sie mein Schwiegersohn werden wollen, lieber Graf, dann werden Sie einsehen, daß wir keine Veranlassung haben, dreiviertel Millionen zu verschleudern. Der Zorn über das Mädel würgt mich. Sie hält dem Vater Moralpredigten, läuft fort, will als Tippfräulein leben, macht den Vater lächerlich vor der einheimischen Geschäftswelt – warte, du Kröte! Irene ist aufsässig gegen mich. Ich sage Ihnen das ganz aufrichtig, Herr Graf, wie ich mein Leben lang aufrichtig gewesen bin. Sie ist eine durchaus schwierige Person! Machen Sie, was Sie wollen, Herr Graf, heiraten Sie meine Tochter oder heiraten Sie sie nicht, fast möchte ich Ihnen als aufrichtiger Mensch das letzte empfehlen. Kommen Sie später nicht mit Klagen und Beschwerden an mich; ich habe Ihnen reinen Wein eingeschenkt.«
»Na schön, das ist Ihre Privatsache! Ich liebe auch, und zwar Fräulein Sabine Sabina, und ich will sie heiraten.«
Der Graf war überrascht.
»Sie wollen Sabine Sabina heiraten? Ernstlich heiraten?«
»Ja, was machen Sie ein so verdutztes Gesicht? Wegen des Altersunterschiedes? Was macht das? Ich bin ein kerngesunder, völlig unverbrauchter Mann. Ich will nicht nur heiraten, ich hoffe sogar, noch Kinder zu kriegen, so daß es mir dann gleichgültig sein kann, ob mir meine rebellische Tochter Irene ausrückt oder nicht. Donnerwetter, das wäre mir was! Ich lasse mir nicht mehr Moralpredigten von ihr halten und auf der Nase rumturnen. Aber ich will Ihnen ganz ehrlich sagen, lieber Graf, der tiefere Beweggrund ist meine grenzenlose Liebe für Sabine; ich würde sie lieben und heiraten, auch wenn von einem Zwist zwischen meiner Tochter und mir gar keine Rede wäre.«
Das Gesicht des Grafen Luwowsky war immer länger geworden.
»Könnte sich, Herr Kommerzienrat, Ihre Leidenschaft für Sabine Sabina nicht auch anders auswirken als gerade durch die Ehe. Künstler und Künstlerinnen sollen nicht heiraten.«
»Nun, ich bin kein Künstler. Sabinen werde ich nicht das mindeste in den Weg legen, ihre hohe Kunst weiter zu pflegen und zur edelsten Blüte zu entfalten. Im Gegenteil, ich werde ihr alle Hindernisse aus dem Wege schaffen. Wenn sie eine reiche, wohlgeschützte Frau, eine Dame der großen Gesellschaft ist, wie könnte sich dann je ein Intendant, Direktor, Regisseur oder solch ein Theaterpascha an sie ungebührlich heranmachen, wie sie es bei vermögenslosen Künstlerinnen, die auf eine Hungergage angewiesen sind, so leicht wagen? Ein königliches Leben soll Sabine Sabina durch mich haben, Ehre, Ansehen, Kunstfreiheit, Luxus, Bewunderung, Reisen, was will sie noch mehr?«
»Sie wird einen jüngeren Mann wollen.«
Zum ersten Male sah Kommerzienrat Bruckner seinen Freund Luwowsky feindselig an.
»Sie sagen das sehr trocken heraus, Herr Graf!«
»Ja, weil ich es aufrichtig meine. Hat sich Fräulein Sabina mit der Eheschließung schon einverstanden erklärt?«
»Nein, eine Sabine Sabina ergibt sich nicht so leicht. Doch ich darf mir schmeicheln, die besten Aussichten zu haben.«
»Herr Kommerzienrat, Sie haben mich Ihrer Freundschaft gewürdigt; die Frage, die ich jetzt an Sie stelle, richte ich an Sie mit dem Rechte des Freundes, der schließlich in ernster Angelegenheit zu ernstem Rate verpflichtet ist.«
»Warum so feierlich?«
»Weil es um Ihr Glück geht, Herr Kommerzienrat! Ist Ihnen schon aufgefallen, daß die beiden Brucknersöhne glühend in die schöne Sabine verliebt sind?« »Der Teufel hole sie!«
»Sie sind beide bildhübsche Kerle. Der Jüngere, der Literat, ist noch viel zu jung, auch zu weich in seinem Wesen, in seiner Schönheit; der andere aber, der Jurist, in seiner männlichen Herbheit und seiner kraftvollen, ebenmäßigen Körperlichkeit ist ganz das Ideal, das sich ein junges Weib wünscht.« »Hol' sie der Teufel!«
»Wen? Mich oder die beiden Brucknersöhne?«
»Meinetwegen alle drei!«
Kommerzienrat Bruckner stampfte zornig von dannen.