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VIII.
Die Abschaffung der Negersklaverei.

Bereits während der letzten Stadien der erfolgreichen Bewegung zur Aufhebung des Sklaven handels hatte sich eine andere einschlägige, noch wichtigere Reform vorzubereiten begonnen – die Beseitigung der Sklaverei selbst in den überseeischen Besitzungen der europäischen Staaten.

Großbritannien.

Als der englische Sklavenschacher aufhörte, verschlimmerten sich die Mißbräuche in diesem Handel bei den anderen Völkern, die denselben weiterbetrieben. Infolge der Thätigkeit der britischen Kreuzer bemühten sich die Händler, auf jeder Fahrt möglichst viele Sklaven fortzuschleppen; und stand ihnen die Wegnahme bevor, so verübten sie die ärgsten Greuel, um die schwarze Ladung loszuwerden. Da die Kreuzer einen Teil des Erlöses der gefangenen Sklavenschiffe erhielten, hatten sie ein Interesse daran, daß die Neger an Bord gebracht wurden – statt ihre Einschiffung nach Kräften zu verhindern. So sollen denn dreimal so viel Schwarze als zuvor aus Afrika fortgeführt worden sein und zwei Drittel gingen unterwegs zu Grunde! Es zeigte sich auch, daß die Abschaffung des britischen Sklavenhandels die erwartete Besserung des Looses der westindischen Neger nicht herbeiführte. Die Agenten, welche die Pflanzungen verwalteten, hatten andere Interessen als ihre Herren, die entweder auswärts lebten oder in ihrer Habgier die Gebote der Menschlichkeit mißachteten. Nach dem Aufhören der Einfuhr wurden die vorhandenen Sklaven so überarbeitet, daß ihre Zahl schleunig abnahm. Während es 1807 in Westindien noch 800,000 gab, zählte man 1830 nur noch 700,000. Es erwies sich immer klarer, daß die Wurzel des Uebels nur durch die Abschaffung der ganzen Einrichtung ausgerottet werden könne. Gleichzeitig erwachte infolge der vieljährigen öffentlichen Besprechung der Uebelstände des Sklavenhandels das Gewissen des Publikums genügend, um die Gesetzlichkeit und Berechtigung der Sklaverei selbst in Frage zu ziehen.

1821 hatte sich Wilberforce an Thomas Fowell Buxton mit der Bitte gewendet, diese neue Frage im Parlament aufzuwerfen. Zwei Jahre später entstand schon eine Antisklaverei-Gesellschaft und am 5. Mai 1823 beantragte Buxton im Unterhause, die Sklavereizustände der britischen Besitzungen in Betracht zu ziehen. Er und seine Mitarbeiter planten damals die allmählige Beseitigung der Sklaverei durch Schaffung eines Uebergangszustandes; die vorhandenen Sklaven sollten in eine Art Hörigkeitsverhältniß treten und ihre nach einem bestimmten Datum geborenen Kinder sollten als freigeboren anzusehen sein. Das Haus verwarf diese Vorschläge und nahm den Canning'schen Antrag an, dieselben durch die Londoner Regierung den Kolonial-Gesetzgebungen zur Durchführung empfehlen zu lassen und sie nur dann direkt durchzuführen, wenn die Kolonien sich dessen weigern würden. Blos hinsichtlich der Insel Trinidad, die eine Kronbesitzung war und kein eigenes Parlament hatte, wurde ein direktes Verfahren beschlossen. Das britische Ministerium legte den Kolonialbehörden eine Reihe wohldurchdachter Reformpläne vor, die aber bei den Pflanzern allgemeinem Widerstand begegneten. Auf Demerara machte man den vergeblichen Versuch, den Negern das Eintreffen der Regierungsverordnungen zu verheimlichen; die Sklaven hatten etwas läuten gehört, verweigerten, da sie glaubten, sie hätten die Freiheit erlangt, die Arbeit und leisteten, als Zwang angewendet wurde, offenen Widerstand. Man verkündete das Standrecht und unterdrückte die Ruhestörungen mit großer Strenge. Diese Thatsache und die schlimme Behandlung des Missionars Smith, der sich der Schwarzen angenommen hatte – der Fall wurde von Brougham mit großem Geschick behandelt – erzeugten in England lebhaften Unwillen gegen die Pflanzer.

Dennoch machte die Frage im Parlament Jahre lang nur geringe Fortschritte, obgleich Buxton, Brougham, William Smith, Lushington, Mackintosh, Derman und Andere den Kampf wieder aufnahmen, nachdem eine gewisse Zeit verflossen war, die man den Kolonialparlamenten zur Durchführung der ihnen empfohlenen Maßregeln gelassen hatte. 1828 erfolgte in den Ansiedlungen die gesetzliche Gleichstellung der freien Farbigen mit den übrigen Bürgern. 1830 erhielt das öffentliche Gewissen im Mutterland einen kräftigen Anstoß durch die Agitation des Anti-Sklaverei-Vereins. Da dieser erkannte, daß die Pflanzer keine Lust hatten, die künftige Befreiung der Schwarzen anzubahnen, entschloß er sich zur Herbeiführung der gänzlichen Aufhebung der Sklaverei. Anfänglich fuhr die Regierung fort, zuzuwarten und auf Reformen zu bestehen; allein 1833 nahm das Kabinet Grey die Sache ernstlich in die Hand und setzte den Aufhebungs-Entwurf am 7. August ohne sonderliche Schwierigkeiten durch. Die Pflanzer erhielten Entschädigungen im Gesammtbetrage von zwanzig Millionen Pfund Sterling. Es wurde ein Uebergangsstadium in Gestalt einer siebenjährigen Freiheits-Lehrlingsfrist geschaffen, während welcher die Sklaven bei Prügelstrafe verpflichtet sein sollten, drei Viertel jedes Arbeitstages für ihre Besitzer zu arbeiten, wogegen diese sie kleiden und ernähren mußten. Alle Kinder unter sechs Jahren wurden sofort frei und hatten Anspruch auf Unterricht in der Sitten- und der Religionslehre. Viele Politiker hielten die Verzögerung der vollständigen Emanzipation für unklug. Auf Antigua führte man die letztere sofort durch, ohne daß die Ruhe irgendwie gestört worden wäre; im Gegentheil, das Weihnachtsfest 1833 war seit zwanzig Jahren das erste, an dem die öffentliche Ordnung ohne Verkündigung des Standrechts erhalten blieb. Nach einigen Jahren faßte trotz heftigen Widerstandes der Regierung das Haus der Gemeinen einen gegen die Fortdauer des Uebergangsstadiums gerichteten Beschluß. Sobald dies bekannt wurde, wollten die Sklaven durchaus nicht mehr für ihre Herren arbeiten, und so sahen sich die Kolonialparlamente genöthigt, die Lehrlingsfrist um zwei Jahre abzukürzen und den Negern die Freiheit bereits im August 1838 zu schenken.

Andere Länder.

Das Beispiel Großbritanniens wurde allmählig von den übrigen europäischen Staaten nachgeahmt, und einige amerikanische hatten die Emanzipation bereits früher bewerkstelligt. Die 1848er Provinzialregierung veranlaßte die sofortige Befreiung der Sklaven in den französischen Besitzungen. 1858 kam ein Gesetz zu Stande, wonach alle Sklaven portugiesischer Unterthanen nach zwanzig Jahren frei werden sollten und inzwischen eine Art Vormundschaftswesen eingeführt wurde. Demgemäß hörte die Sklaverei in den portugiesischen Ansiedlungen am 29. April 1878 gänzlich auf. Die Holländer gewährten ihren Negern die Gleichberechtigung im Jahre 1863. Einige der spanischen Kolonien Amerikas hatten die Sklaverei bei ihrer Losreißung abgeschafft. Die Republik Mexiko bewirkte die Aufhebung am 15. September 1829. Die Regierung von Buenos-Ayres verfügte, daß alle nach dem 31. Januar 1813 geborenen Sklavenkinder frei seien. In Kolumbien wurden die nach dem 16. Juli 1821 geborenen Negersprößlinge an ihrem 18. Geburtstag frei.

Ein äußerst wichtiges Ereignis war die 1839 hauptsächlich durch die Bemühungen Joseph Sturge's und William Allen's erfolgte Gründung der »Britischen und Ausländischen Antisklaverei-Gesellschaft«, die sich die allgemeine Abschaffung der Sklaverei und des Sklavenhandels zum Ziel setzte, und zwar lediglich durch sittliche, religiöse, friedliche Mittel. Der Verein, der sich streng an diese Regel hielt, hat die Oeffentlichkeit hinsichtlich aller einschlägigen Vorgänge auf dem Laufenden erhalten, häufig Gesuche an die Regierungen gerichtet und in wichtigen Fällen durch Entsendung von Untersuchungs-Ausschüssen eingegriffen.

Vereinigte Staaten.

Die bedeutendsten unter den Schöpfern der nordamerikanischen Union waren grundsätzlich gegen die Sklaverei. Washington schenkte seinen Sklaven letztwillig die Freiheit und äußerte Jefferson gegenüber, es sei »einer seiner sehnlichsten Wünsche, die Sklaverei in diesem Lande gesetzlich beseitigt zu sehen.« Einmal schrieb er, dieses Ziel sei seiner Mitwirkung jederzeit sicher. John Adams erklärte, gegen die Sklavenhalterei Abscheu zu hegen und zu wünschen, daß »alle gebotenen Schritte zur gänzlichen Ausrottung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten gethan werden.« Franklin, Madison, Hamilton und Patrick Henry verwarfen das Prinzip der Sklaverei ebenfalls. George Mason aus Virginia sagte: »Die Sklaverei steht der Kunst und der Industrie im Wege. Wenn von Sklaven verrichtet, wird die Arbeit von den Armen verachtet. Die Sklaven verhindern die Einwanderung von Weißen und beeinflussen die Sitten in verderblicher Weise. Jeder Sklavenhalter ist ein kleiner Tyrann.« Er spricht auch von der »Imbezilität«, die von einem sklavenerfüllten Lande unzertrennlich sei. Jefferson bemerkte, daß er angesichts dieser Einrichtung »für sein Land zittere, wenn er bedenke, daß Gott gerecht sei.« Er sah das Ende klar voraus, als er in seiner »Selbstbiographie« anläßlich der Erwähnung eines älteren, von ihm herrührenden Vorschlags, in Virginia die Sklaverei allmählig abzuschaffen, 1821 schrieb: »Die öffentliche Meinung will noch jetzt nichts davon hören, aber der Tag ist nicht fern, an dem sie sich's gefallen lassen muß, wenn nichts Schlimmeres eintreten soll. Nichts ist so sicher, wie daß diese Menschen frei sein werden.« Auf dem ersten Kongreß der Vereinsstaaten nach der Zurückziehung der britischen Truppen beantragte er – es war am 1. März 1784 – daß in keinem Vereinsstaat »nach dem Jahre 1800 Sklaverei oder sonstiger unfreiwillige Dienst gestattet werde, es sei denn in der Strafrechtspflege.« Diese Bestimmung wurde nicht angenommen.

In der Versammlung, welche 1787 zu Philadelphia die Verfassungsfrage endgültig regelte, erklärten sich die »Väter der Republik« gegen die Sklaverei, doch bestanden die Staaten Georgia und Süd-Karolina auf der Anerkennung der Einrichtung als auf einer Vorbedingung des Anschlusses an die Union; ja, dem Bundesvertrag mußte sogar die Verpflichtung zur gegenseitigen Auslieferung flüchtiger Sklaven einverleibt werden. Aber aus der Verfassung blieben die Worte »Sklave« und »Sklaverei« fort (»denn« – so schrieb Madison – »wir wollten das Eigenthumsrecht an Menschen nicht ausdrücklich anerkennen«) und es wurde bestimmt, daß die Gesetzgebung nach Ablauf von zwanzig Jahren den auswärtigen Sklavenhandel verbieten dürfe. Theils schon vor, theils bald nach der Bildung der Union hatten die nördlichen Vereinsstaaten die Sklaverei entweder abgeschafft oder deren allmählige Aufhebung angebahnt; doch hatte dies zur Folge, daß die Sklaven aus den Nordstaaten auf die Märkte der Südstaaten gebracht wurden.

Durch welche Mittel und Maßregeln es der außerordentlich beharrlichen Sklavenhalterpartei gelang, ihren Einfluß innerhalb der Union stetig zu vergrößern, können wir nur in knappen Zügen andeuten. Sie bemühte sich unablässig, neuer Gebiete habhaft zu werden, aus denen sich neue Sklavenstaaten machen ließen, deren Vertreter im Kongreß-Senat berufen waren, die Macht der Partei nicht nur zu erhalten, sondern noch zu vergrößern.

Das Gebiet Louisiana, das nachträglich in die vier Staaten Louisiana, Kansas, Arkansas und Missouri getheilt wurde, war 1804 den Franzosen abgekauft worden. Ohne im Interesse der Sklavenhalterpartei gemacht worden zu sein, kam diese Erwerbung ihr zu Gute. In dem Gebiet gab es bereits Sklaven und die Pflanzer führten die Einrichtung auf der Westseite des Mississippi ein, sodaß sie 1818 in die Lage kamen, die Aufnahme von Missouri als Sklavenstaat in die Union zu verlangen. Da beide Parteien das neue Gebiet für einen besonders wichtigen Ansiedlungs-Mittelpunkt hielten, entspann sich zwischen den gegnerischen Grundsätzen ein scharfer Kampf, der 1820 damit endete, daß Missouri als Sklavenstaat in den Bund aufgenommen wurde, jedoch unter der Bedingung, daß in Zukunft die Sklaverei nicht über 36° 30' nördl. Breite ausgedehnt werde.

Der nächste bemerkenswerthe Fortschritt der Sklavenhalter war die Besitznahme von Texas. 1824 – drei Jahre nach der Losreißung von Spanien – entstand der Mexikanische Staatenbund, dem auch Texas angehörte, woselbst die Sklaverei herrschte; die neue Verfassung jedoch untersagte die Einfuhr weiterer Sklaven und sorgte für die allmählige Beseitigung der Sklaverei. Die Führer der nordamerikanischen Sklavenhalterpartei warfen ein Auge auf das schöne Land, weil sie es für ein zur Ausdehnung der Einrichtung geeignetes Objekt ansahen. Da Mexiko noch auf schwachen Füßen stand, wagten sehr viele Bewohner der nordamerikanischen Südstaaten, die Verfassung offen zu verletzen, indem sie nach Texas übersiedelten und ihre Sklaven mitbrachten. Santa Anna, der Präsident von Mexiko, schaffte sehr zur Unzeit das Bundessystem ab und ersetzte es durch eine Einheitsrepublik, zu deren Provinzen er die Bundesstaaten machte. Texas erklärte sich unabhängig, besiegte Mexiko und wurde eine selbständige Republik, deren Verfassung die Sklaverei guthieß, weil die nordamerikanischen Pflanzer das Uebergewicht hatten. Diese verlangten die Aufnahme des Landes in die Vereinigten Staaten und schmiedeten allerlei Ränke, um ihren Zweck zu erreichen. Dies geschah 1845 nach geheimen Verhandlungen des Präsidenten Tyler.

Nun brach zwischen Texas und Mexiko ein Krieg aus, für den man nicht einmal einen passenden Vorwand vorbrachte. Der wirkliche Beweggrund der Machthaber von Texas war die Ergatterung neuer Gebiete behufs Erweiterung der Macht der Sklavenhalterpartei. Mexiko, welches abermals unterlag, ließ jeden Anspruch auf Texas fahren und verkaufte diesem (1848) Neu-Mexiko und Kalifornien. Das bildete den Ausgangspunkt einer ernsteren Behandlung der Frage des Ausschlusses der Sklaverei aus den sogenannten »Gebieten« – im Gegensatz zu Staaten – der Union, einer Frage, um die sich der Streit zwischen den beiden Parteien zunächst drehen sollte.

Schon 1846 war die »Wilmot'sche Klausel« auf's Tapet gekommen, welche die Schaffung einer gesetzlichen Bestimmung forderte, wonach in keinem von Mexiko an die Union fallenden Gebiete die Sklaverei gestattet sein sollte; aber dieser Vorschlag war verworfen worden. In Oregon, einer anderen Neuerwerbung, wurde die Sklaverei im Jahre 1848 verboten; allein Neu-Mexiko und Kalifornien blieben in Folge von Meinungsverschiedenheiten ohne Neu-Organisation. Jetzt erstand die »Freiboden-Partei«, die die Sklaverei in den »Gebieten« untersagt wissen wollte, sich aber gegen die Einmischung des Bundes in das Sklavenwesen der »Staaten« wendete. Inzwischen kräftigte der ungeheure Zufluß europäischer Einwanderer, die theils in den Städten des Nordens blieben, theils nach dem Westen strömten, die freien Gemeinwesen zu Ungunsten der sklavenhaltenden. Insbesondere nach Kalifornien ergoß sich wegen der Gold-Entdeckungen eine gewaltige Menschenmenge, die, weil größtentheils aus Europa und den nördlichen Unionsstaaten kommend, diesem Staat ein vorwiegend antisklavenhalterisches Gepräge verlieh.

1850 schlug Henry Clay ein Kompromiß vor, das noch in demselben Jahre angenommen wurde. Danach fand Kalifornien mit seiner freien Verfassung Aufnahme in den Bund als Staat, während Neu-Mexiko und Utah eine Organisation als »Gebiete« erhielten; im »Distrikt« Columbia – dem Sitz der Bundeshauptstadt Washington – hörte der Sklavenhandel auf und für die ganze Union erlangte ein strenges Sklavenflüchtlingsgesetz Geltung. Dieses Kompromiß hatte den Zweck, den Frieden zwischen den Parteien herbeizuführen, beschleunigte aber in Wirklichkeit den Ausbruch der Krise. Das Flüchtlingsgesetz reizte die Bevölkerung der Nordstaaten zum Widerstand durch seine harten Bestimmungen und seine rücksichtslose Handhabung, vor allem jedoch durch das Verlangen, daß alle »guten Bürger« zu seiner Durchführung die Hand bieten und dadurch, daß es eine Anerkennung des Prinzips der Sklaverei Seitens der ganzen Union in sich schloß. So wurde denn im Norden gar mancher flüchtige Sklave unter Anwendung von Gewalt und Aufruhr vor dem Wiederergreifen geschützt und die Parlamente vieler Nordstaaten nahmen Gesetze an, die geeignet waren, die Handhabung des Flüchtlingsgesetzes zu erschweren oder unmöglich zu machen.

Der nächste Schritt der Sklavenhalterpartei bestand in dem Widerruf (1854) des Missouri-Vergleichs von 1820. Die Organisation der »Gebiete« Kansas und Nebraska bildete damals noch eine schwebende Frage und P. A. Douglas legte einen Gesetzentwurf vor, der die Bestimmung von 1820, daß über 36° 30' nördlicher Breite hinaus die Sklaverei nicht eingeführt werden dürfe, »null und nichtig« erklärte. Die Sklavenhalter hatten den Missouri-Vergleich nach Möglichkeit zu ihrem Vortheil ausgenutzt und warfen ihn nunmehr in den Winkel, um ihn seitens der Bundesgesetzgebung durch die »Squatter-Souveränetät« ersetzen zu lassen, d. h. durch den Grundsatz, daß die Bevölkerung jedes »Gebietes« das Recht habe, ihre Einrichtungen nach eigenem Ermessen zu schaffen und zu regeln, mit anderen Worten: daß in allen »Gebieten« die Sklaverei eingeführt werden solle.

Zwischen dem Norden und dem Süden entspann sich alsbald ein Kampf um die Priorität der Besiedelung von Kansas. Die von beiden Seiten herbeiströmenden Ansiedler nahmen Konkurrenz-Verfassungen an und es brach ein kleiner Bürgerkrieg aus, der das Einschreiten von Bundestruppen nöthig machte. Schon, damals zeigte sich – obgleich Kansas erst 1861 Bundesstaat wurde – klar, daß seine endgültige Verfassung die Sklaverei ausschließen werde. Alle Gegner der sogenannten »Nebraska-Bill« vereinigten sich zu einer großen »republikanischen« Partei. Diese bestand aus den früheren Whigs, den Freiboden-Anhängern und den Freunden der Abschaffung der Sklaverei. Sie erklärte, daß weder das Bundesparlament (»Kongreß«), noch die lokalen Gebietsgesetzgebungen, noch irgend eine andere Körperschaft »dem Sklavenwesen in irgend einem der Gebiete ein gesetzmäßiges Dasein verleihen« könne, und sie bestand auf der unmittelbaren Aufnahme von Kansas als freier Staat in die Union.

Um ihren Machtkreis zu vergrößern, planten die Sklavenhalter auch die Einverleibung Kubas in die Vereinigten Staaten – eine Absicht, die von den Präsidenten Pierce und Buchanan begünstigt wurde. 1854 beriethen sich drei auswärtige Gesandte der Union über diesen Gegenstand und erließen sodann eine öffentliche Kundgebung – »Ostend-Manifest« genannt – des Inhalts, daß die Erwerbung Kubas vortheilhaft wäre und, falls Spanien nicht zum Verkauf bereit sein sollte, durch gewaltsame Annexion bewirkt werden müsse, um die »Afrikanisirung« der Insel zu verhüten. In Zentral-Amerika machten sich Freibeuterei-Versuche bemerkbar, die zwar von Privatpersonen ausgingen, aber für Geist und Ziele der Sklavenhalterpartei bezeichnend waren. Mancherseits wurde sogar die Wiedereinführung des ausländischen Sklavenhandels befürwortet.

Zu all diesen Streitursachen gesellte sich die gerichtliche Entscheidung in dem Falle des Negersklaven Dred Scott. Dieser war während seiner Militärdienstzeit von seinem Herrn aus Missouri nach dem Staate Illinois gebracht worden, in welchem die Sklaverei verboten war,, und später in ein »Gebiet« – den jetzigen Staat Minnesota – aus dem der Missouri-Vergleich die Sklaverei ausschloß. Nach Missouri zurückgebracht, wandte sich Scott an das maßgebende Gericht mit der Bitte, ihm die Freiheit zuzuerkennen, da durch seinen zeitweiligen Aufenthalt in sklavenfreien Staaten bezw. Gebieten die Ansprüche seines Herrn an ihn erloschen seien. Er gewann den Prozeß, allein das Oberste Bundesgericht entschied 1856 zu seinen Ungunsten. Er sei kein Bürger von Missouri, hieß es in der Urtheilsbegründung, und nach der Verfassung bilde ein Sklave überhaupt keine Person, sondern einen Besitzgegenstand, weshalb das Bundesparlament die Pflicht habe, den Eigenthümer in seinem Besitz »innerhalb jedes der Union angehörenden Gebietes« zu schützen, solange das »Gebiet« nicht zum »Staat« und dadurch selbständig werde. So ward denn durch diese Entscheidung das Bestreben der Gegner der Sklaverei, diese aus den »Gebieten« auszuschließen, als verfassungswidrig gestempelt.

Die Anmaßungen der rücksichtslosen Anhänger der Sklaverei hatten einen immer mehr erstarkenden Widerstand hervorgerufen, der auf tiefwurzelnden Ueberzeugungen beruhte. Die Hauptführer der Abschaffungsbewegung waren Benjamin Lundy (1789-1832) und William Lloyd Garrison (1805-1879). Letzterer gründete 1831 die Zeitschrift »Der Befreier« (» The Liberator«). Zwei Jahre darauf trat die Amerikanische Antisklaverei-Gesellschaft ins Leben. Diese und die Zeitschrift bezweckten die schleunige und gänzliche Aufhebung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten. Die hervorragendsten Dichter, Schriftsteller, Denker und viele Politiker stellten sich auf die Seite der Feinde der Sklaverei, so z. B. Charles Sumner, Wendell Phillips, Emerson, Longfellow, Bryant, Whittier, Whitman, Channing, James Russell Lowell, Lovejoy u. s. w. Die andere Partei machte verzweifelte Anstrengungen, die freie Meinungsäußerung über den Gegenstand zu verhindern; sie forderte, daß das Bundesparlament die einlaufenden Petitionen der »Abolitionisten« nicht einmal in Berathung ziehe, und sie ließen die sklavenfreundlichen Versammlungen durch lärmenden Pöbel sprengen. In den Sklavenstaaten verletzten die christlichen Kirchen ihre heiligste Pflicht, die der Menschenliebe, indem sich ihre Würdenträger für die Beibehaltung der schändlichen Einrichtung erklärten – unter dem Vorgeben, dieselbe werde von der Bibel gebilligt; zuweilen begünstigten sie sogar die zur »Vertheidigung« des Systems verübten Grausamkeiten.

Trotz alledem und alledem bekehrte sich die öffentliche Meinung immer mehr zu den Grundsätzen der »Abolitionisten«. In den Nordstaaten erregte Harriet Beecher-Stowe's Roman »Onkel Tom's Hütte«, der 1852 erschien, ungeheures Aufsehen, weil« er im erzählenden Gewand eine ergreifende Streitschrift gegen das Flüchtlingsgesetz bot. Es wurde bald klar, daß die Frage sich nicht ohne Waffengewalt werde lösen lassen. Die Kandidirung Abraham Lincoln's zum Präsidenten im November 1860 bildete das Signal für die Erhebung des Südens. Der entscheidende Schritt ging von Süd-Karolina aus, dessen Staatsparlament eine Volksversammlung einberief, die bereits im Dezember die Loßreißung des Staates vom Bund erklärte und Anstalten traf zu dessen Umwandlung in eine selbstständige Republik. Georgia, Alabama, Mississippi, Texas und Louisiana befolgten dieses Beispiel und thaten sich mit Süd-Karolina zu einer neuen Union zusammen, der sich nach dem Ausbruch des großen Bürgerkrieges noch die Staaten Arkansas, Virginia, Tennessee und Nord-Karolina anschlossen. Der neue Bund nannte sich »Die konföderirten Staaten«, gab sich eine vorläufige Verfassung und wählte Jefferson Davis zum Präsidenten.

Die Feindseligkeiten begannen mit einem Angriff der Konföderirten auf das Bundesfort Sumter. Damit fing der Krieg an, der vier Jahre dauerte und im April 1865 mit der Ergebung der Generale der Süd-Armee endete. Der Norden hatte die Waffen ursprünglich nur zur Aufrechthaltung der Union ergriffen, aber die Scharfsinnigen erkannten sofort – und alsbald sah es das ganze Volk ein – daß es sich in Wirklichkeit um die Abschaffung oder den Fortbestand der Sklaverei handle. M. H. Seward bemerkte schon 1858, daß der bevorstehende Zusammenstoß kein zufälliger, unnöthiger oder künstlicher sei, sondern »ein unvermeidlicher Widerstreit zwischen entgegengesetzten Kräften; die Vereinigten Staaten müssen früher oder später gänzlich ein Sklavenhalterbund oder gänzlich ein Land der freien Arbeit werden.« Und Lincoln sagte in demselben Jahre: »Entweder die Gegner der Sklaverei werden deren weitere Ausbreitung verhindern und deren schließliche Beseitigung anbahnen, oder ihre Anhänger werden dafür sorgen, daß sie in sämmtlichen Unionsstaaten – den alten wie den neuen, den nördlichen wie den südlichen – gesetzlich sein wird.«

War der Preis des Erfolges der Nordstaaten ein schrecklich hoher, so wurde er von den Ergebnissen des Sieges ausgewogen. Das öffentliche Leben Nord-Amerikas war von einem bösen Alp, einer reichen Quelle der Verderbnis befreit; Millionen Menschen, die bislang unterdrückt waren, erhielten Gelegenheit zu geistiger und sittlicher Ausbildung: die Entstehung eines großen Sklavenreichs, das ein arger Schädling der ganzen Menschheit geworden wäre, wurde auf immer unmöglich gemacht. Manche europäischen Politiker – auch Gladstone – faßten das Wesen der Krise völlig falsch auf. Ein Denker wie Carlyle trat heftig gegen den Norden auf, weil er die Abschaffung der Sklaverei für einen Ausfluß des allgemeinen zeitgenössischen Demokratie-Aufstandes hielt, der ihm verhaßt war, den er aber selber für unaufhaltsam erklärte. Er hätte besser gethan, die Sklavenfrage als einen Bestandtheil des Proletariats-Weltproblems zu behandeln, dessen überragende Wichtigkeit er immer wieder zu betonen pflegte. Die Schwachherzigen in den Vereinigten Staaten und anderswo waren gegen das vollständige Ausfechten des Kampfes und sprachen zu Gunsten eines Kompromisses, der den Bund in einen freiheitlichen und einen sklavenhaltenden Teil zerlegt haben würde. Selbst ein so bedeutender und ausgesprochener Freund der Antisklavereisache wie der englische Volkswirth Cairnes schreckte vor der Größe der Aufgabe zurück, die Union in ihrer Gänze wiederherzustellen. Aber das amerikanische Volk war weiser; es erkannte die Erneuerung des alten Staatenbundes als eine wesentliche Vorbedingung der Sicherung der schwebenden Ziele. Die Anschauung, daß die Union in ihrer jetzigen Ausdehnung sich nicht mehr lange halten könne, mag nicht unbegründet sein, allein damals war ihre Wiederherstellung nothwendig für die Befreiung und den nachherigen Schutz der Negerbevölkerung und für die Hinüberleitung der Südstaaten zu einer auf freier Arbeit beruhenden Gesellschaftsordnung.

Bereits im September 1862 hatte Lincoln öffentlich angekündigt, daß er den Sklaven in den aufständischen Staaten die Freiheit schenken werde, falls diese Staaten nicht binnen hundert Tagen die Waffen strecken. Demgemäß verkündete er die Emanzipation am Neujahrstag 1863. Er that es als Oberbefehlshaber der nationalen Streitkräfte, doch hatte es wenig praktische Wirkung, solange die Sklaverei gesetzlich war. Deshalb beschloß 1865, nach der Niederlage des Südens, die erforderliche Mehrheit der Bundesstaaten auf Anregung des »Kongresses«, die Verfassung dahin abzuändern, daß »es in der Union oder irgend einem, ihrer Gerichtsbarkeit unterstehenden Ort weder Sklaverei noch unfreiwillige Knechtschaft geben dürfe, es sei denn als Bestrafung für gerichtlich erwiesene Verbrechen.« 1868 erlangte eine zweite Ergänzung der Verfassung Geltung, wonach alle in den Vereinigten Staaten geborenen Personen – also auch die Freigelassenen und ihre Nachkommen – Bürger sowohl der Vereinigten Staaten als auch der Bundesstaaten seien, in denen sie ihren Wohnsitz haben; und eine dritte gewährleistete sämmtlichen Bürgern das Stimmrecht unter Beseitigung jeder mit »Rasse, Farbe oder früherer Knechtschaft« verbundenen Einschränkung.

Es geht indeß nicht an, zu glauben, daß hiermit die Stellung der Neger in der Union endgültig geregelt war oder ist. Die von Manchen erwartete Vereinigung der beiden Rassen durch Zwischenheirath dürfte eine Utopie sein. Der unabänderliche Farbenunterschied hält sie auseinander und verhindert ihre Verschmelzung. Nach allen Anzeichen wird einerseits die Verachtung und Abschließung der Weißen, anderseits die Eifersucht und Abneigung der Schwarzen fortdauern. Abgesehen von der traurigen Wirklichkeit, in der es nicht an zahlreichen peinlichen Zwischenfällen fehlt, ist es auch in der Theorie schwer, daran zu glauben, daß in einer modernen Industrie-Republik eine herrschende und eine in den Hintergrund gedrängte Kaste mit den gleichen verfassungsmäßigen Rechten auf die Dauer friedlich neben einander leben können. Blyden, der selber ein Neger war, schrieb in seinem Buch »Das Christenthum, der Islam und die Negerrasse«: »In den Vereinigten Staaten ist der Neger noch immer ein Fremdling – trotz des großen Fortschrittes der Negerfrage in freisinniger Richtung. Die Rechte und Vorrechte, die das Gesetz ihm gewährt, schützen ihn nicht gegen die Gebote der privaten oder der gesellschaftlichen Unduldsamkeit. Er sieht sich von einem industriellen, kommerziellen und politischen Wohlstand umgeben, an dem man ihn nicht theilnehmen läßt. Es berührt ihn peinlich, daß er von mancherlei gesellschaftlichen Ehrungen ausgeschlossen ist. Von der Zukunft hat er keine Ermuthigung zu erwarten. Weder er noch seine Kinder haben Theil an den seinen weißen Nachbarn und deren Kindern offenstehenden, an Ehren, Einkommen, Tugend und Ruhm reichen Laufbahnen.«

Auguste Comte beschäftigt sich in seiner »Positivistischen Politik« (1852) mit der amerikanischen Sklaverei, nennt sie eine große Anomalie, die »nicht gut enden könne« und regt als beste Lösung der Frage die Ausgestaltung des Negerstaates Haiti an; er schlägt vor, daß alle Westmächte zur Sühne für ihre dreihundertjährigen Verbrechen an den Negern größere Summen beitragen sollten zur Schaffung einer amerikanischen Inselheimat für die befreiten Nachkommen der verpflanzten Afrikaner. Andere wieder halten Afrika, für den besten künftigen Aufenthaltsort der freigelassenen Schwarzen und glauben, daß diese berufen sind, ihre dortigen Stammesgenossen zu zivilisiren. In dieser Hoffnung gründete die »Amerikanische Ansiedlungsgesellschaft« die, seither längst selbständig gewordene Negerrepublik Liberia, und man behauptet, daß viele Neger der südlichen Unionsstaaten »unter einem ruhelosen Heimathlosigkeits-Bewußtsein leiden, das erst dann aufhören wird, wenn sie den Boden betreten werden, der ihre Vorfahren trug.« Wie schon Jefferson Zur Zeit der Revision der Gesetze des Staates Virginia (1776-7) beantragten Jefferson und seine Freunde, die Sklaverei durch die Freilassung aller nach einem gewissen Datum geborenen Sklavenkinder allmählig abzuschaffen. Nachher sollten die Mädchen bis zum 18., die Knaben bis zum 21. Lebensjahr auf Staatskosten erzogen und in nützlichen Beschäftigungen unterwiesen werden, um sodann, mit »Waffen, Wirtschaftsgeräten, Werkzeug, Sämereien, Hausthieren u. s. w.« versehen, als Ansiedler an einen den Verhältnissen angemessenen Ort geschickt zu werden. Die Vereinigten Staaten müßten sie als ein »freies, unabhängiges Volk erklären und so lange schützen, bis sie genügend erstarkt wären.« An ihre Stelle würden weiße Einwanderer treten, die aus anderen Ländern kämen. Jefferson meinte, daß »die beiden Rassen, wenn gleichmäßig frei, nicht unter der gleichen Regierung leben könnten.« Eine allmählige »Expatriirung« hielt er für leicht möglich. vorhersah, wird die Würde und die freie Entwickelung der amerikanischen Neger in der That deren besondere Ansiedlung erfordern; doch kann und darf diese ihnen nicht aufgezwungen werden; verstände man es, den Plan in angemessener, verlockender Weise anzulegen, so würden sie ihn gewiß mit Freuden durchführen.

Cuba.

Das 1789 erlassene spanische Sklavengesetz gilt noch heute allgemein für sehr menschenfreundlich. Deshalb leisteten nach der Erwerbung Trinidads durch England die Gegner der Sklaverei Widerstand – und zwar mit Erfolg – als auf dieser Insel die Pflanzer das spanische Gesetz aufheben und das britische einführen wollten. Aber die milden Bestimmungen wurden in den spanischen Besitzungen so planmäßig und grell verletzt, daß ein genauer Kenner der cubanischen Verhältnisse, Dr. R. R. Madden, im Jahre 1840 erklärte, »auf Cuba sei die Sklaverei lebensvernichtender, gesellschaftsgefährlicher, gesundheitsschädlicher, glückzerstörender, für den Herrn erniedrigender und für die Sklaven entwürdigender als sonstwo auf der bewohnten Erde.« Und Cairnes schrieb 1862: »Bei der cubanischen Sklavenklasse finden wir die schlechteste Kost, die erschöpfendste, anhaltendste Arbeit, ja, die jährliche absolute Vernichtung vieler Sklaven durch die langsame Folter der Ueberarbeitung, des ungenügenden Schlafs und des Mangels an Erholung.« 1792 zählte Cuba 84,000, 1817 schon 179,000, zehn Jahre später 286,000 und 1843 sogar bereits 436,000 Sklaven. 1867 hatte Cuba 1,370,211 Bewohner, worunter 605,461 Farbige; von den letzteren waren 225,938 frei und 379,523 Sklaven.

1870 nahm das spanische Parlament das Moret'sche Gesetz an – so genannt, weil das Zustandekommen dem damaligen Kolonien-Minister Moret y Prendergast zu danken war – das jeden Sklaven, der damals das 60. Lebensjahr zurückgelegt hatte oder es später zurücklegen würde, als frei erklärte und alle künftig geborenen Sklavenkinder als freigeboren hinstellte; diese Kinder sollten jedoch bis zum achtzehnten Jahr von den Besitzern ihrer Eltern auf eigene Kosten als Lehrlinge erzogen werden und ihnen Dienste leisten, die dem zarten Alter angemessen seien. Dieses Gesetz brachte eine große Umwälzung hervor. 1873 gab es noch eine halbe Million Sklaven (etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung). 1885 schrieb der dortige britische Generalkonsul Crowe: »Die Sklaverei stirbt rasch aus und in einem Jahre, höchstens zwei Jahren, wird es mit ihr gänzlich zu Ende gegangen sein, obgleich sie jetzt sehr mild ist.« Diese Voraussage ging in Erfüllung.

Die Pflanzer hatten nämlich jahrelang durch die Niedrigkeit der Zuckerpreise sehr gelitten, wie auch durch die schwere Besteuerung, die eine Folge des von 1868 bis 1878 dauernden cubanischen Aufstandes war. Daher sahen sich viele außer Stande, die drei Dollars zu erschwingen, welche das Gesetz als Monatslohn des Freigelassenen vorschrieb und in deren Ermangelung der Sklave sofort befreit wurde. Die bezüglich des Sklavenbesitzes eingetretene große Unsicherheit verringerte dessen Wert derart, daß zahlreiche freiwillige Emanzipirungen erfolgten. Diese Umstände führten zum Aussterben der Einrichtung, der die spanische Regierung im Oktober 1886 den Todesstoß versetzte, indem sie auf Grund eines Cortes-Beschlusses das Aufhören des Lehrlingswesens verfügte, welches durch das Moret'sche Gesetz geschaffen worden war. Die bislang Juntas (Aufsichtsbehörden) unterstandenen Freigelassenen wurden unter unmittelbaren Staatsschutz gestellt und so war auf Cuba alsbald jede Spur von Sklaverei verschwunden.

Brasilien.

1826 schloß Großbritannien mit Brasilien ein auf die Beseitigung des Sklavenhandels abzielendes Uebereinkommen, das aber trotz der englischen Kreuzer fortwährend übertreten wurde. 1830 erklärte der Kaiser von Brasilien den Sklavenhandel für Seeräuberei und mittels der »Aberdeen-Akte« (1845) erlangte England das Recht, in brasilianischen Gewässern verdächtige Fahrzeuge zu beschlagnahmen. Trotzdem wurden in Folge der Korruption der örtlichen Verwaltungsbehörden jährlich 54,000 Afrikaner als Sklaven nach Brasilien gebracht. Erst 1850 konnte der Handel gänzlich unterdrückt werden, was die Pflanzer und Grubenbesitzer als ein National-Unglück beklagten und was das Loos der »vorräthigen« Neger verschlimmerte, indem viele, die mit häuslichen Arbeiten beschäftigt waren, auf die Pflanzungen versetzt wurden. Doch muß anerkannt werden, daß die Sklaverei in Brasilien stets mildere Formen hatte als in den Vereinigten Staaten.

Im September 1871 nahmen die brasilianischen Kammern das auf die vollständige Beseitigung der Sklaverei abzielende »Rio-Branco-Gesetz« an. Die vorhandenen Sklaven sollten Sklaven bleiben – mit Ausnahme der der Regierung gehörenden, welche sofort die Freiheit erlangten –, doch wurde deren Freilassung erleichtert und alle nach Annahme des Gesetzes geborenen Sklavenkinder sollten frei sein unter der Bedingung, daß sie den Eigenthümern ihrer Mütter 21 Jahre lang dienen. Eine Klausel besagte, daß in jeder Provinz alljährlich ein Theil der gerichtlichen Strafgelder zur Befreiung der Sklaven durch Ankauf zu verwenden sei. Kaiser Pedro II. hatte schon 1864 seine Sklaven emanzipirt und nach der Verkündigung des Rio-Branco-Gesetzes befolgten viele Brasilianer sein Beispiel. Während es 1835 im Lande 2,100,000 Sklaven gab, wurde deren Zahl 1875 nur noch auf 1,476,567 geschätzt. Freilich sollen 1884 ihrer angeblich wieder drei Millionen gewesen sein, doch steht das nicht fest; es ist aber Thatsache, daß sich das Reich eine Zeitlang in sklavenfreie und sklavenhaltende Gegenden theilte; die Sklaverei konzentrirte sich namentlich zwischen Maranhão und São Paolo.

Im Jahre 1880 erhielt Joaquin Nabuco, der Führer der Antisklaverei-Bewegung, die Erlaubnis zur Einbringung eines Gesetzentwurfes, der die Beschleunigung der Emanzipation bezweckte und die endgültige Abschaffung der Sklaverei für den Neujahrstag 1890 in Aussicht nahm. Aber die Regierung leistete der Beratung dieses Entwurfs Widerstand, weil sie das Rio-Branco-Gesetz für ausreichend hielt und ihrer Ansicht nach die Lösung der Aufgabe befriedigende Fortschritte machte. Die nächste Maßregel war die Annahme (1885) der »Saraiva-Akte«, welche die Erwartungen der Freiheitsfreunde täuschte. Sie gewährte den Eigenthümern der zu befreienden Sklaven riesige Entschädigungen und begünstigte sie außerdem durch die Vorschrift, daß die Freigelassenen – ausgenommen die über 65 Jahre alten – ihnen drei Jahre lang gegen sehr geringe Entlohnung weiter dienen müssen. Die Gegner des Sklavenwesens setzten ihre Bemühungen fort und die öffentliche Meinung bekam die halben Maßregeln satt. Auch machte sich bei den Sklavenhaltern allmählig die Anschauung geltend, daß sie mit der freien Arbeit besser fahren würden und daß es daher am besten wäre, der Sklaverei rasch ein Ende zu machen. Eine entsprechende Regierungsvorlage, die im Mai 1888 eingebracht wurde, erlangte schleunigst Gesetzeskraft.

Arbeitereinfuhr in Kolonien.

In den Besitzungen mehrerer europäischer Staaten wurden nach der Unterdrückung des Sklavenhandels Versuche gemacht, diesen durch die Einfuhr von den niedrigeren Rassen angehörenden Arbeitern auf Grund langsichtiger Lohnverträge zu ersetzen. Dieses neue System artete stellenweise in eine Abart von Sklavenhandel aus. 1867 erfuhr die Welt von einem solchen Verkehr zwischen den Südsee-Inseln, Neu-Kaledonien und den Niederlassungen der Weißen auf Fidschi. Ursprünglich scheint es sich um wirklich freiwillige Verträge gehandelt zu haben, aber bald wandten die gewissenlosen Händler Betrug und Gewalt an. Man lockte die Eingeborenen unter falschen Vorspiegelungen auf die Arbeitsschiffe und behielt sie wider ihren Willen zurück, oder man ergriff sie am Ufer oder in ihren Kähnen und schleppte sie an Bord. Man erklärte ihnen die Natur ihrer Pflichten und Rechte aus dem ihnen aufgezwungenen Arbeitsverhältniß nicht genügend und miethete sie auf längere Fristen als die gesetzlich gestatteten. Der Wirkungskreis dieses neuartigen Schachers wurde bald erweitert. 1884 lenkte der berüchtigte Hopeful-Prozeß Angeklagt waren der Regierungsvertreter, der Anwerbungsagent und die Bemannung des Schiffes »Hopeful«. Der Kapitän und der Maat wurden wegen Mordes zum Tode verurtheilt und nachträglich zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. die öffentliche Aufmerksamkeit in hohem Maß auf den queensländischen Handel mit Südsee-Insulanern. Die Regierung ernannte einen Ausschuß zur Untersuchung des Verfahrens der Arbeitsschiffe bei der Anwerbung von Eingeborenen Neu-Guineas, des Luisiaden-Archipels und der D'Entrecasteaux-Inseln. Das Ergebniß der Untersuchung, in deren Verlauf fast fünfhundert Zeugen vernommen wurden, war die Enthüllung von Scheußlichkeiten und Niederträchtigkeiten, die denjenigen des früheren afrikanischen Sklavenhandels nur wenig nachstanden. Der Ausschußbericht besagte, daß namentlich die Laufbahn des »Hopeful« eine lange Reihe von Hinterlistigkeiten, Verräthereien, Menschenräubereien und Mordthaten bildete. Kein Wunder, daß die Inselbewohner es für ihre Pflicht hielten, sich für diese Schändlichkeiten an jedem Weißen zu rächen, dessen sie habhaft werden konnten.

Die Regierung von Queensland hatte bereits 1884 – also ein Jahr vor der Erstattung des erwähnten Ausschußberichts – eine gesetzliche Regelung der Lohnarbeiter-Einfuhr bewirkt. Nach Empfang des Berichts beschloß sie, die Ausgabe von Erlaubnißscheinen für die Einfuhr von kanakischen Arbeitern von Ende 1890 an gänzlich einzustellen. Allein die Pflanzer wendeten ein, daß der Mangel an farbigen Arbeitern die Zucker-Industrie zu Grunde richten würde und forderten die Bewilligung der Einfuhr auf eine längere Frist, »damit sich in den nördlichen Gegenden der subtropische Ackerbau und die Obstzucht besser entwickeln.« Demgemäß änderte der Premierminister Sir Samuel Griffiths seine Absicht und ließ die Einfuhr fortbestehen. Als 1892 ein einschlägiges Gesetz im queensländischen Parlament zur Annahme gelangte, versuchte man in England, die Zentralregierung zur Nichtbestätigung desselben zu veranlassen; indeß machte jene geltend, daß ein Veto denn doch eine allzu kräftige Maßregel wäre und um so weniger angezeigt, als man seit 1885 nichts mehr von schweren Mißbräuchen gehört hatte und die Schwarzen auf den queensländischen Plantagen freundlich behandelt wurden, obgleich nicht geleugnet werden konnte, daß ihre Sterblichkeit eine übermäßige war.

Kaum hatte das in Rede stehende Gesetz Rechtskraft erlangt, revidirte die queensländische Regierung die das Arbeitereinfuhrwesen betreffenden Bestimmungen in einer Weise, die, wie sich Lord Ripon ausdrückte, »vollständig und sorgfältig war und die Interessen der Mieth-Arbeiter sowohl an Bord als auch auf den Pflanzungen und bei ihrer Heimkehr schützte.« Hoffentlich werden diese Bestimmungen mit größter Wachsamkeit und Strenge durchgeführt; doch erheben sich in dieser Beziehung Zweifel, soweit es sich um Behörden handelt, deren Amtsleben großentheils von Personen abhängt, die an der Arbeitereinfuhr und ihrer Ausdehnung pekuniär interessirt sind. Mit Recht verlangt Sir Arthur Gordon, daß »die Ueberwachung der Anwerbung in die Hände von Beamten der Reichs-Regierung gelegt werde, die an verschiedenen Punkten der Westküste des Stillen Ozeans untergebracht sein und alle in ihrem Amtsbezirk angeworbenen Arbeiter vor deren Fortschaffung einem Verhör unterziehen sollten.«

Die ganze Geschichte der Einfuhr von Vertragsarbeitern in Kolonien lehrt, daß der von keiner angemessenen sittlichen Autorität in Schach gehaltene Industrialismus des neunzehnten Jahrhunderts, wenn nicht durch Staatsgesetze in Schranken gewiesen, in jenen Landstrichen ähnliches Unheil anrichten würde wie der europäische Unternehmungsgeist in den Zeiten von Cortez und Pizarro anderswo angerichtet hat.


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