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II.
Die Sklaverei im alten Griechenland.

Zu Homers Zeiten stand die Knechtschaft in Griechenland bereits in voller Blüthe. Wie wir aus der »Ilias« wissen, wurden die Kriegsgefangenen Δμῶς, der bei Homer übliche Ausdruck für Sklave, stammt von der Wurzel δμα (daher δαμάω) und bedeutet eigentlich einen im Krieg überwundenen und dadurch der Freiheit beraubten Mann. Bei Homer findet sichΔοῦλος nicht, wohl aber das weibliche δούλη und Ableitungen von δοῦλος, wie δούλιος und δουλοσύνη. entweder als Sklaven fortgeführt oder verkauft oder gegen Lösegeld freigegeben. Zuweilen wurden in eroberten Städten oder Bezirken die Männer umgebracht und die Weiber mitgenommen. Nicht selten entführten Piraten Freie und verkauften sie in anderen Gegenden als Sklaven, wie Eumäus in der »Odyssee«. So kam es, daß gar mancher Sklave von gleichem Rang war wie sein Herr, welcher seinerseits wußte, daß ihn oder seine Angehörigen einmal dasselbe Schicksal treffen könnte.

Bei Homer lernen wir die Einrichtung in keiner sonderlich schlimmen Form kennen, denn »alle Klassen standen« wie Grote bemerkt, »in Geschmack, Bildung und Gemüth so ziemlich auf Einer Stufe.« Die männlichen Sklaven fanden Verwendung beim Ackerbau und in der Viehzucht, während die weiblichen dem häuslichen Gesindedienst, einschließlich der Anfertigung von Gegenständen der Hausindustrie, oblagen. Oft genossen einzelne Knechte das Vertrauen des Herrn, der ihnen diesfalls wichtige Verrichtungen übertrug. Diese Bevorzugten wurden nach längerer Dienstzeit durch Schenkung von Häusern und Grundstücken belohnt. Grote's Ansicht, daß die Sklavinnen schlimmer daran waren als die Sklaven, erscheint uns lediglich in dem Falle der » aletrides« begründet, welche die häuslichen Mehlmühlen betrieben und zuweilen von rücksichtslosen Herren überarbeitet wurden. Manchmal beschäftigte man in der Landwirthschaft auch arme Freie als Miethlinge. Diese, fast ausschließlich von Kleingrundbesitzern gemiethet, werden in der »Odyssee« als eine sehr bemitleidenswerthe Klasse bezeichnet, und das ist begreiflich, denn sie hatten nicht, wie die Sklaven, einen Schutzherrn, der sie ernährte, sondern waren auf den Zufall angewiesen und lebten daher von der Hand in den Mund. Wenn Homer das Loos des Durchschnittssklaven ebenfalls als ein bitteres hinstellt, so geschieht es wohl, weil er gewöhnlich – und das war, wie wir alsbald sehen werden, in den eigenthümlichen Zeitumständen begründet – an einen Sturz aus glücklichen Verhältnissen denkt. In der »Odyssee« (XVII, 322) giebt er seiner Würdigung des mit der Sklaverei zumeist verbundenen sittlichen Herunterkommens beredten Ausdruck.

Am wichtigsten jedoch ist es, das griechische Sklavenwesen in der geschichtlichen Zeit zu studiren, von der wir viel urkundlich belegte Kenntniß haben, namentlich in Athen, wo die Hauptarbeit der griechischen Kultur ihre Vollendung fand. Die in mancher Hinsicht eigenartigen Verhältnisse Spartas müssen abgesondert betrachtet werden. – Die Quellen der Sklaverei bei den Griechen waren die folgenden:

1. Geburt und damit verknüpfte Erblichkeit. Da es weit weniger Sklavinnen als Sklaven gab und kluge Herren die Erlaubniß zur Verbindung zwischen beiden Geschlechtern nicht so sehr aus Spekulationssucht als zur Belohnung für gute Dienste ertheilten, war diese Quelle nicht sehr ergiebig. Im allgemeinen kam der Ankauf eines Sklaven billiger zu stehen als der Unterhalt eines solchen von der Geburt bis zum Eintritt der Arbeitsfähigkeit.

2. Verkauf oder Aussetzung von Kindern durch deren freie Eltern. Nur in Attika war der Verkauf verboten; Solons Gesetzgebung beschränkte das Verkaufsrecht der Eltern auf Fälle, in denen eine Tochter sich durch eine regelwidrige Verbindung entehrt hatte. Infolge der Aussetzung, die blos in Theben nicht gestattet war, »In Theben bestand ein Gesetz, das die Aussetzung von Kindern untersagte und den Vätern gestattete, unter dem Druck der größten Armuth ihre Neugeborenen vor Gericht zu bringen, welches diese an kauflustige Bürger abtrat. Der Käufer mußte sich verpflichten, das Kind zu erhalten, wogegen er das Recht erhielt, es nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit als seinen Sklaven zu betrachten.« (Grote, »Griechenland«, 2. Theil, 3. Kap.) wurden zuweilen junge Mädchen einer erniedrigenden Knechtschaft unterworfen, wie wir aus den Komödien von Terenz und Plautus wissen, die nicht etwa römische, sondern griechische Sitten schildern.

3. Wirkung der Gesetze. So z. B. wurde in Athen bis zum Auftreten Solons der zahlungsunfähige Schuldner ein Sklave seines Gläubigers. Auch gelangten Freigelassene und Metöken (ansässige Ausländer), wenn sie die ihnen vom Staat auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllten, zum Verkauf; desgleichen Ausländer, die sich in gesetzwidriger Weise die Rechte von Bürgern angemaßt hatten.

4. Kriegsgefangenschaft. Durch diese wurden nicht nur Asiaten und Thrakier Sklaven; in den vielen Kriegen zwischen den einzelnen griechischen Staaten – festländischen und kolonialen – machten Griechen auch ihre eigenen Landsleute zu Knechten. So leisteten Spartaner zu Tegea Sklavendienste und Gelon verkaufte das ganze gemeine Volk von Hybla-Megara nach auswärts. In Platäa, Skione und Melos wurden die Weiber zu Sklavinnen gemacht und die Männer niedergemetzelt oder deportirt. Auf Samos und nach dem Scheitern der Expedition in Sizilien gelangten Athener zum Verkauf. Im Kampf der Parteien zu Korkyra verurtheilte jede Partei, sobald sie die Oberhand gewann, die andre zum Tode oder zur Knechtschaft. Kallikratidas sprach sich gegen die Knechtung von Griechen durch Griechen aus, handelte jedoch wider seinen eigenen Grundsatz, während Epaminondas und Pelopidas diesem treu blieben. Philipp von Mazedonien verkaufte seine olynthischen Gefangenen und nach der Einnahme von Theben durch Alexander den Großen sollen dreißigtausend Weiber und Kinder verkauft worden sein.

5. Seeräuberei und Kinderdiebstahl. Die Raubzüge der Küstenpiraten bildeten eine beständige Gefahr. Der Pirat lebte vom Verkauf der Gefangenen oder von deren Auslösung. Wer einen Geraubten auslöste, dessen Sklave wurde dieser nach athenischem Gesetz auf so lange, bis er das Lösegeld in Baarem oder in Arbeit zurückzahlte. Die Kinderdiebe, die sich sogar in die Städte wagten, erzogen ihre Opfer zu Sklaven. Theils die Raubzüge der Feinde, theils die der Piraten setzten jeden Griechen der Gefahr aus, geknechtet zu werden; dieses Damoklesschwert schwebte, wie gesagt, über den Häuptern Aller. In Adam Smith's »Lehre von den sittlichen Empfindungen« (7. Theil, 2. Abschnitt) findet sich eine bemerkenswerthe Stelle in der er – anläßlich der Erläuterung des Ursprungs der Anschauung des Alterthums über »die Schicklichkeit des freiwilligen Todes bei gewissen Gelegenheiten« – auf das allgemein verbreitete Unsicherheits-Bewußtsein hinweist, das aus der Beschaffenheit und den Sitten der alten Griechenwelt hervorging: »Sämmtliche griechischen Freistaaten waren fast stets daheim von den wüthendsten Parteikämpfen zerfleischt und auswärts in die blutigsten Kriege verwickelt, in welchen man nicht blos Ueberlegenheit oder Herrschaft suchte, sondern danach strebte, den Feind entweder gänzlich zu vernichten oder – was ebenso grausam war – zu häuslichen Sklaven zu erniedrigen und, dem Vieh gleich, an den Meistbietenden zu verkaufen – Männer, Weiber, Kinder. Die Kleinheit der meisten dieser Ländchen ließ es jedem von ihnen möglich erscheinen, von demselben Unglück betroffen zu werden, das es selber so häufig seinen Nachbarn zugefügt oder zufügen gewollt hatte. Unter den damaligen regellosen Verhältnissen gewährte auch die vollkommenste Unschuld in Verbindung mit dem höchsten Rang und den größten Verdiensten um die Oeffentlichkeit niemandem die Sicherheit, daß er nicht früher oder später, selbst daheim und inmitten seiner Verwandten und Mitbürger, in Folge des Ueberwiegens irgend einer gegnerischen Partei zur grausamsten und schmachvollsten Strafe verurtheilt werden würde. Wurde er im Kriege gefangen oder wurde seine Stadt erobert, so mußte er sich auf noch Schlimmeres gefaßt machen ... Es war unmöglich, daß ein griechischer Held oder Vaterlandsfreund sich nicht im Geiste mit den verschiedenen bösen Wechselfällen vertraut mache, denen ihn, wie er genau wissen mußte, die Verhältnisse oft oder vielmehr immer aussetzten.«

6. Der Handel. Außer dem Verkauf von Sklaven in Folge von Eroberungen und anderen militärischen Operationen gab es einen regelrechten Sklavenhandel. Die »Waare« wurde hauptsächlich von Syrien, Pontus, Phrygien, Lydien, Galatien, Paphlagonien und vor allem von Thrakien geliefert. Auch aus Egypten, Aethiopien und Italien kam sie zuweilen. Die werthvollsten ausländischen Sklaven waren die asiatischen, weil sie sich am leichtesten lenken ließen und die »Künste einer luxuriösen Verfeinerung« am besten kannten; noch geschätzter aber waren die griechischen, und zwar vornehmlich für den Verkauf ins Ausland. Ionien und das eigentliche Griechenland versahen die kleinen orientalischen Despoten mit Musikantinnen, Tänzerinnen und Courtisanen. Athen hatte bedeutende Sklavenmärkte und der Staatsschatz erhielt eine Verkaufssteuer; allein die Hauptmärkte fanden auf Cypern, Samos, Chios und in Ephesus statt. Später wurde Delos ein so wichtiger Mittelpunkt des Handels, daß dort manchmal an einem Tage zehntausend Sklaven zum Verkauf gelangten.

Die Sklaven fanden theils im Hause Verwendung – als Stallknechte, Pflegerinnen, Dienstmädchen, Diener, Begleiterinnen Sowohl die Herren als auch die Herrinnen wurden aus ihren Ausgängen gewöhnlich von einem oder mehreren männlichen oder weiblichen Sklaven begleitet. Schon zu Homers Zeiten ließen sich die Frauen außerhalb des Hauses meist von zwei Mägden begleiten. In Athen brachte ein Knecht, der sogen. »Pädagog«, die Knaben des Hauses zur Schule oder ins Gymnasium. u. s. w., – theils besorgten sie den größten Theil der landwirthschaftlichen Arbeiten. In Attika wohnten die Gutsbesitzer ursprünglich – und vielfach bis zur Zeit des Perikles – auf dem Lande. Der peloponnesische Krieg rief eine Wandlung hervor, in Folge welcher die Herren in Athen lebten und den Betrieb der Landwirthschaft Sklaven überließen, bereit einem nicht selten die Leitung der ganzen Besitzung oder Farm anvertraut wurde. Auch in Handel und Gewerbe verdrängte die Sklavenarbeit allmählig die freie. Spekulanten pflegten Knechte unmittelbar als Handwerker oder als Vermittler von Handels- und Bankgeschäften zu verwenden und ihnen häufig wichtige Angelegenheiten und werthvolles Eigenthum anzuvertrauen; auch kam es oft vor, daß sie sie als Fabriks- oder Bergarbeiter, als häusliche Dienstboten, als Köche, Flötenspieler u. s. w. oder zu niedrigeren Zwecken vermietheten. Ferner gab es öffentliche Sklaven. Manche von diesen waren den Tempeln zugetheilt, denen Gläubige sie zum Geschenk gemacht hatten; so z. B. die Courtisanen, die zu Eryx (Sizilien) und Korinth die Rolle von hierodules (= »dem Heiligthum geweihte Sklaven«) spielten. Andere wurden bei den Gerichten, den Finanzbehörden ober den öffentlichen Arbeiten beschäftigt. Der Athener Polizei standen zwölfhundert sogenannte »Skythier« (Bogenschützen) zur Verfügung, während andere Sklaven in der Flotte und dem Heer als Arbeiter, zuweilen auch als Soldaten thätig waren.

Die Anzahl der Sklaven, die es in Griechenland oder auch nur in Athen gab, läßt sich nicht einmal mit annähernder Genauigkeit bestimmen. Athenäus, dessen Quelle Ktesikles war, behauptet, daß die im Jahre 309 v. Chr. von Demetrius Phalereus vorgenommene Zählung in Athen 21 000 Bürger, 10 000 Metöken und 400 000 Sklaven, in Korinth 460 000 und in Aegina 470 000 Sklaven ergab. W. Richter erklärt sich in seiner »Sklaverei im griechischen Alterthum« für die Richtigkeit dieser Schätzungen, die auch von Büchsenschütz in seinem werthvollen Werk »Besitz und Erwerb im griechischen Alterthum« als korrekt bezeichnet werden. Dagegen hält Hume in seiner berühmten Schrift »Die Bevölkerungsstärke der alten Nationen« die auf Athen bezüglichen Mittheilungen des Athenäus für ganz unglaubwürdig und meint, es sei »um eine Null zu viel da und die wirkliche Zahl habe gewiß nicht 40 000 überschritten.« Für ganz Attika nimmt Boeckh 365 000, Letronne 100 000 bis 120 000 an. Wallon's Schätzung, die auf sorgfältigen Studien beruht, welche die Darlegungen der beiden letztgenannten Gelehrten besonders berücksichtigten, war für ganz Attika wie folgt: im häuslichen Dienst 40 000, in den Bergwerken 10 000, in der Landwirthschaft 35 000, in Handel und Gewerbe 90 000; dazu kommen noch 6000 Greise, 20 000 Kinder unter zwölf Jahren, endlich die vorhin erwähnten »öffentlichen« Sklaven verschiedener Art. Wallon's Schlußergebniß ist, daß die Bevölkerung Attikas aus 188 000 bis 203 000 Sklaven, 67 000 Freien und 40 000 Metöken bestand. Somit kamen auf einen freien Eingeborenen 3 Sklaven. Die zweifellos übertriebenen Ziffern des Athenäus für Korinth und Aegina verwirft Wallon ebenfalls, und dasselbe thut Clinton. Man ist gänzlich außer Stande, die richtigen Zahlen zu ermitteln, die aber jedenfalls recht erheblich waren. Die nächstmeisten Sklaven hatten Megara, Chios und Rhodos; sehr viele gab es auch in Miletus, Phokäa, Tarent, Sybaris und Kyrene. Hierbei sind die Heloten Spartas, von denen wir alsbald sprechen werden, vorläufig außer Acht gelassen, weil ihre Verhältnisse andere waren als die der Sklaven in den übrigen Gemeinwesen Griechenlands.

Die Lage der athenischen Sklaven war im allgemeinen keine schlimme. Wie wir durch Demosthenes wissen, hegten diejenigen Barbaren, welche nach Athen Sklaven verkauften, für die Athener große Hochachtung, wenn sie erfuhren, mit welcher Milde jene von diesen behandelt wurden. Der berühmte Redner sagte, daß in Athen die Knechte freier sprechen durften als in manchen anderen Staaten die Bürger. Plautus hielt es mehr als einmal für nöthig, den Zuhörern seiner Stücke zu erklären, daß die Sklaven zu Athen sich einer Ungebundenheit und einer Fülle von Rechten erfreuten, die ein römisches Publikum überraschen mußten. Die Einführung des Knechts in seine häusliche Stellung war mit gewissen feststehenden Ceremonien verbunden. Er durfte – zwar nicht dem Gesetze nach, wohl aber in der Wirklichkeit – eigenes Vermögen ansammeln und auch seine Verheirathung fand im Gewohnheitsrecht Anerkennung. Von den öffentlichen Opferungen und heiligen Feierlichkeiten zumeist ausgeschlossen, konnte er an den häuslichen Festlichkeiten und an privaten Religionsversammlungen theilnehmen, ebenso an einzelnen Volksfesten, z. B. den Bacchusfesten; er hatte sogar seine eigenen besonderen Volksfeiertage (auch in mehreren anderen griechischen Städten) Bei den kretensischen Hermesfesten würden die Sklaven von ihren Herren bedient. Ein ähnlicher Gebrauch soll an einem troezenischen Feiertag geherrscht haben.. War er ein Grieche, so durfte er in die eleusinischen Geheimnisse eingeweiht werden. Die athenischen Sklaven wurden im Familiengrab ihrer Herren beerdigt, die ihnen zuweilen aus Dankbarkeit für gute Dienste sogar Denksteine errichteten. Oft lebten sie mit dem Oberhaupt oder den jüngeren Mitgliedern der Familie auf vertrautem Fuße; freilich dürfte diese Intimität nicht immer auf gegenseitiger Achtung oder Verehrung beruht haben, wie bei dem berühmten Verhältniß zwischen Eumäus und Odysseus, sondern oft auf frechem Sichvordrängen einerseits und einem Geist unwürdiger, durch gewisse äußerst niedrige Dienstleistungen des Knechts hervorgerufener Nachgiebigkeit anderseits.

Wie wir aus Aristophanes' und Plautus' Stücken wissen, wurde trotz der allgemeinen Milde der Behandlung nicht selten zur Ruthe gegriffen – selbst Haussklaven gegenüber. Den in Werkstätten beschäftigten Sklaven, deren Aufseher selber meistens Sklaven waren, erging es vermuthlich schlimmer als den häuslichen. Nur zu oft kettete man die landwirthschaftlichen Arbeiter an und behandelte sie nicht viel besser als die Zugthiere. Zuweilen versetzte ein Herr einen Haussklaven, mit dem er unzufrieden war oder dem er zürnte, in die Mühle oder das Bergwerk, wo die Arbeit natürlich viel schwerer war. Grausam behandelte Sklaven konnten in den heiligen Hainen, in den Göttertempeln und bei den Altären der Halbgötter Zuflucht suchen. Auch sonst gewährten die athenischen Gesetze dem Sklaven Schutz In der homerischen Zeit jedoch scheint der Herr unumschränkte Gewalt über Leben und Tod seiner Sklaven gehabt zu haben. Vergl. »Odyssee«, IV, 743 und XIX, 489.. Er durfte, wie Demosthenes berichtet, den Herrn wegen persönlicher Mißhandlung ebenso verklagen wie ein Freier und seine Tödtung durch einen Fremden wurde, wie uns Euripides belehrt, in derselben Weise geahndet wie die Ermordung eines Bürgers; erfolgte die Tödtung durch den eigenen Herrn, so mußte dieser religiöse Buße thun oder zeitweilig in die Verbannung gehen. Brachte ein Sklave seinen Herrn um, so durfte die Familie ihn nicht selber bestrafen, sondern mußte ihm vor Gericht den Prozeß machen. Hatte ein Knecht gerechte Ursache zur Beschwerde gegen seinen Besitzer, so konnte er begehren, verkauft zu werden. Erhob er Anspruch auf Freilassung, so gab ihm das Gericht einen Anwalt zur Seite und er durfte die Verkündigung des Urtheils unter dem Schutz eines Heiligthums abwarten.

Gegen Sklavenaufruhr suchte man sich dadurch zu schützen, daß man es vermied, Personen von gleicher Nationalität und Sprache zusammenzubringen. Zur Verhütung der Flucht pflegte man im Verdachtfalle Ketten anzuwenden; nach erfolgtem Fluchtversuch wurde, behufs Erleichterung des Wiederfindens im Wiederholungsfalle, die Brandmarkung vorgenommen. Manche Staaten schlossen Verträge ab zwecks gegenseitiger Auslieferung flüchtiger Sklaven. Auch kannte man die Einrichtung gegenseitiger Versicherung gegen den Verlust von Sklaven durch Flucht. Wie groß die Neigung zum Entfliehen war, geht daraus hervor, daß während der Besetzung von Decelea durch die Spartaner zwanzigtausend Sklaven aus Athen entwischten, um sich den Spartanern anzuschließen. Auf Chios und in den Bergwerken von Laurion entstanden wiederholt furchtbare Empörungen.

Zur Erlangung gerichtlicher Zeugenaussagen wurden oft Sklaven und Sklavinnen mit Zustimmung ihrer Eigenthümer gefoltert. Dieses Verfahren empfahlen die meisten Redner als »ein sicheres Mittel«, der Wahrheit auf den Grund zu kommen; freilich sprachen dieselben Redner ganz anders, wenn es ihnen in den Kram paßte. In Aristophanes' »Fröschen« sind die verschiedenen Formen der Tortur aufgezählt. Erlitt der Gepeinigte Verstümmelungen oder schwere Verletzungen, so mußte die Person, welche die Folterung verlangt hatte, Entschädigung leisten, aber nicht dem Sklaven selbst, sondern seinem Herrn.

Der Knecht konnte aus seinen Ersparnissen ( peculium, Sondereigenthum) seine Freiheit erkaufen, falls er sich mit dem Herrn über die Höhe des Betrages zu einigen vermochte. Die Freilassung konnte auch durch letztwillige Verfügung oder durch öffentliche Kundmachung – im Theater, vor Gericht u. s. w. – oder durch Eintragung in ein öffentliches Verzeichniß erfolgen. In späteren Zeiten geschah sie zuweilen durch einen Scheinverkauf an bestimmte Gottheiten, durch den die Betreffenden aber nicht »dem Heiligthum geweiht«, sondern frei wurden. An die Freilassung knüpfte mancher Besitzer Bedingungen, wie daß der Emanzipirte lebenslänglich bei ihm oder einer andern von ihm festgesetzten Person bleibe oder daß er ihm bestimmte Dienste leiste oder ihm nach seinem Tode sein Vermögen abtrete u. s. w. Durch die Freilassung wurde der athenische Sklave dem Staat gegenüber ein Metöke, seinem Herrn gegenüber ein Schützling (»Klient«), sodaß er etwa in der Mitte stand zwischen Sklaverei und Vollbürgerthum. Verletzte der Freigelassene seine Pflichten gegen den Herrn in dessen Eigenschaft als »Patron«, so setzte er sich der strafgerichtlichen Verfolgung aus und wurde im Verurtheilungsfall wieder zum Sklaven. Wie der ansässige Ausländer, konnte auch der befreite Knecht nur durch die Stimmenmehrheit einer öffentlichen Versammlung von mindestens sechstausend Bürgern ein vollgiltiger Staatsangehöriger werden, und ein sogen. » graphe paranomon« vermochte selbst eine solche Abstimmung zu beseitigen. Sklaven, die der Oeffentlichkeit hervorragende Dienste geleistet hatten – wie z. B. jene, die bei Arginusae oder bei Chäronea fochten – wurden ohne weiteres zu Bürgern gemacht, und zwar gehörten sie dann zur Klasse der Platäer; in diesen Fällen erhielten die betreffenden Herren den Kaufpreis aus dem Staatsschatz. Aber auch sie erlangten nicht alle Bürgerrechte; diese fielen erst ihren Kindern zu, vorausgesetzt, daß dieselben einer bürgerlichen Mutter entsprossen. Groß scheint die Zahl der Freigelassenen in Athen nie gewesen zu sein.

Aristoteles hielt die Sklaverei für nothwendig, naturgemäß und unter dem Walten gerechter Verhältnisse für beide Theile wohlthätig. Angesichts der damaligen Gesellschaftszustände war diese Ansicht vom politischen Standpunkt auch richtig. Aristoteles empfahl den Herren den Grundsatz »Weder Mißhandlung noch Vertraulichkeit« und meinte, man müsse den Sklaven die Befreiung als Belohnung für ihre guten Dienste versprechen. Die von ihm verurtheilte Sitte, daß Griechen Landsleute zu Knechten hatten, verwarf Plato ebenfalls. Dieser findet sich in seinen »Gesetzen« mit der Sklaverei als mit einer zwar unangenehmen, aber nothwendigen Einrichtung ab und rieth den Herren, zu ihrer Sicherheit nur Angehörige verschiedener Völker zusammenzubringen und alle gut zu behandeln. Während er jedoch Härte gegen sie mißbilligt, begünstigt er ihre Verachtung als Klasse. Auch Xenophon scheint bei seiner Forderung, sie milde zu behandeln, nicht ihr Wohl, sondern den Nutzen der Herren im Auge gehabt zu haben. Die späteren Sittenlehrer Griechenlands kümmerten sich überhaupt kaum mehr um die ganze Einrichtung. Der Epikuräer scherte sich nicht um das Loos der Leute, deren Arbeit ihm zu Genuß und Ruhe verhalf; höchstens ging er so weit, mit ihnen freundlich umzugehen. Der Stoiker betrachtete den Zustand der Freiheit oder der Knechtschaft als einen rein äußerlichen Zufall, der dem Weisen gleichgiltig sei; er hielt es für unvernünftig, auf die eigene Freiheit stolz zu sein oder die eigene Knechtschaft zu beklagen; und gegen ganz unerträgliche Unbill sah er im Selbstmord einen stets zugänglichen Schutz.

Viele griechische Dichter predigten Menschlichkeit und betonten die Gleichheit der Rechte des Sklaven mit denen des Bürgers. Das berühmte horazische »Ich bin ein Mensch« ist eine freie Uebertragung nach Alexis und der Geist dieser Aeußerung durchweht viele Stellen der griechischen Dramen. Philemon erklärte im Gegensatz zu Aristoteles, daß nicht die Natur, sondern das Schicksal Jemanden zum Knecht mache. Der in allen Dingen human gesinnte Euripides erhob sich bezüglich der Sklaven über den allgemeinen Zeitgeist; er liebte es nach Paley, »ihre Treue, Ergebenheit, Duldungsfähigkeit, ihre Dankbarkeit für freundliche Behandlung und ihren Stolz auf ihren guten Ruf zu betonen ... Er läßt sie argumentiren, Anregungen geben, Rathschläge ertheilen, über die Thorheiten und Unbesonnenheiten ihrer Herren philosophiren.« Aber wir dürfen nicht glauben, daß selbst dieser freisinnige Neuerer an die Möglichkeit der Abschaffung einer in den Zuständen und Ideen seiner Zeit so tief wurzelnden Einrichtung dachte oder auch nur denken konnte.

Mit den spartanischen Heloten war es, wie bereits flüchtig erwähnt, anders bewandt als mit den Sklaven in den meisten übrigen Gemeinwesen des Landes. Der Ursprung dieser Klasse bildet eine noch immer offene Streitfrage. Sie wurde als Eigenthum des Staates betrachtet, der ihre Dienste an die einzelnen Bürger abtrat, sich jedoch das Recht, sie freizulassen, vorbehielt. Alle häuslichen Dienstboten waren Heloten und sie bedienten ihre Herren auch bei den öffentlichen Mahlzeiten. Zumeist jedoch lebten sie als Hörige in kleinen Dörfern oder abgesonderten Gehöften und bebauten den Boden der spartanischen Grundbesitzer, denen sie einen nicht erhöhbaren Theil des Ertrags ablieferten. Sie hatten Heimstätten und Familien, konnten eigenes Vermögen ansammeln Plutarch berichtet, daß, als Kleomenes jedem Heloten, der fünf attische Minen erlegen würde, die Freiheit versprach, sechstausend Personen von diesem Anerbieten Gebrauch machten, sodaß fünfhundert Talente einliefen. und durften keinesfalls außer Landes verkauft werden, wenn überhaupt. Daß sie bei öffentlichen Arbeiten Verwendung fanden, unterliegt keinem Zweifel. Im Krieg dienten sie gewöhnlich als leichtbewaffnete Truppen und begleiteten als solche die schwerbewaffneten spartanischen oder periökischen Fußsoldaten (»Hopliten«); in besonders dringenden Fällen leisteten sie auch selber die Dienste von Hopliten. Gelegentlich wurden sie als Matrosen beschäftigt. Für gute Leistungen belohnte man sie zuweilen durch Freilassung; diese machte sie aber nicht zu Periöken, sondern reihte sie in die Klasse der » neodamodeis« ein, welche Klasse Xenophon als ein revolutionäres Bevölkerungselement bezeichnet. Eine andere Gruppe von Heloten hieß » mothakes« und umfaßte jene, die zusammen mit den Söhnen ihrer Herren erzogen wurden; sie waren, wie es scheint, persönlich frei, ohne jedoch – es sei denn in Folge besonderer Bewilligung – die Rechte von Bürgern zu haben. Wahrscheinlich gehörten zu dieser Gruppe auch die Söhne spartanischer Väter von helotischen Müttern.

In wirthschaftlicher Hinsicht dürfte die Lage der Heloten keine harte gewesen sein. Aber das von Grote als eine Erleichterung betrachtete Bewußtsein ihrer griechischen Abstammung wurde nach unsrer Ansicht im Gegentheil gewiß als eine große Bitterniß empfunden, abgesehen davon, daß es die Furcht vor den spartanischen Herren und den Haß gegen dieselben stets wach erhielt und die Beziehungen zwischen den beiden Klassen minder natürlich gestaltete als es diejenigen zwischen anderen Griechen und ihren fremden Sklaven waren. Die spartanischen Staatslenker trauten denn auch den Heloten als ganzer Klasse niemals recht; Thukydides erzählt, daß sie einmal zweitausend erlesene, militärisch besonders tüchtige Heloten insgeheim niedermetzeln ließen. Nach einer, übrigens nicht allgemeinen Glauben findenden Mittheilung Plutarchs erklärten die Ephoren den Heloten alljährlich den Krieg und pflegten von Zeit zu Zeit eine Anzahl junger Spartaner auszuwählen, die jene Heloten, die man für gefährlich hielt, umbringen mußten.

Wallon schätzt die Zahl der Heloten auf 220 000, die der Spartaner auf 32 000. Die thessalischen Penesten und die kretensischen Klaroten scheinen in ihren Verhältnissen den Heloten Lakoniens geähnelt zu haben. Von einzelnen kleinen Gemeinwesen Griechenlands lesen wir, daß ihre ganze Bevölkerung einer oder der anderen Gottheit – zumeist Apollo – leibeigen war und die Verpflichtung hatte, den betreffenden Tempeln Abgaben zu zahlen oder Dienste zu leisten.


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