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Wir haben bereits im ersten Kapitel bemerkt, daß die römischen Lebensbedingungen dem Sklavenwesen den natürlichsten und verhältnißmäßig berechtigtesten Spielraum boten. Demgemäß war dort diese Einrichtung, wie Blair sich in seiner »Sklaverei bei den Römern« ausdrückt, »in ihrem Wirkungskreis ausgedehnter und in ihren Einzelheiten systematischer herausgearbeitet« als sonstwo. Schon aus diesem Grund verdient das römische Knechtschaftswesen ein näheres Eingehen – aber auch aus jenem andern, daß aus der Sklavenklasse, wie die Römer sie in den von ihnen unterjochten Ländern organisirten, sich das moderne Proletariat geschichtlich entwickelt hat.
Von der späteren römischen Sklaverei ist jene zu unterscheiden, die Mommsen »die alte, einigermaßen harmlose« nennt und unter deren Walten der Landwirth den Boden zusammen mit seinem Sklaven bebaute oder, wenn der Grundbesitz ein zu großer war, den Knecht als Verwalter oder als Halbpächter auf ein Einzelgehöft setzte. Obgleich die Römer durch die frühen Siege über ihre italienischen Nachbarn viele Sklaven erhielten, wurden ihrer nur wenige auf den kleinen Anwesen jener Zeiten verwendet. Aber die Vergrößerung des Grundbesitzes in den Händen der Patrizier rief, im Verein mit der durch die Eroberungspolitik erheischten beständigen Abwesenheit zahlreicher Bürger, einen lebhaften Bedarf an Sklavenarbeit hervor, welchen die Gefangennahme beträchtlicher Feindesmengen immer mehr befriedigte. Von den einschlägigen Zahlen geben die folgenden Daten aus der letzten Zeit der Republik und dem ersten Jahrhundert des Kaiserthums einen Begriff. Wie Livius berichtet, wurden in Epirus nach den Siegen des Aemilius Paullus 150 000 Gefangene verkauft und zu Aquae Sextiae und Vercellae 90 000 Teutonen nebst 60 000 Kimbern gefangen genommen. Einmal verkaufte Cäsar in Gallien 63 000 Gefangene auf einmal. Strabo erzählt, daß Augustus im Lande der Salassen 44 000 Gefangene machte. Durch Josephus Flavius wissen wir, daß den Römern in dem Krieg gegen die Juden 97 000 Sklaven zufielen, obgleich bereits große Mengen durch Hungersnoth, Strapazen und in den Arenakämpfen zu Grunde gegangen waren.
Da aber, wie Hume nachgewiesen hat, die Sklaverei auf die Fruchtbarkeit ungünstig einwirkt, genügten selbst die vielen Kriege nicht zur Deckung des Bedarfs, weshalb man einen regelrechten Sklavenhandel einführte, der, weil er auf erbarmungsloser Menschenjagd beruhte, eine gänzliche Entartung der ursprünglichen Einrichtung bedeutete, welche wesentlich mit der Eroberungspolitik zusammenhing. Nach Strabo verkauften die Seeräuber große Massen von Sklaven auf dem Hauptmarkte zu Delos und dasselbe geschah, wenngleich nicht mehr so offen, auch nach der Expedition des Pompejus. In Rom fand eine planmäßige Sklaveneinfuhr statt – theilweise aus Afrika, Spanien und Gallien, hauptsächlich jedoch aus Asien, namentlich Bithynien, Galatien, Kappadozien und Syrien. Man bezahlte für die Ein- oder Ausfuhr einen Hafenzoll, der für Eunuchen ein Achtel, für andere ein Vierzigstel betragen zu haben scheint, und vom Verkauf eine Abgabe von zwei bis vier Prozent.
Der Sklavenbedarf wurde auch noch aus den folgenden, freilich viel unergiebigeren Quellen gedeckt. Gewisse Gesetzesverletzungen setzten die Schuldigen der Strafe aus, zu Sklaven degradirt zu werden und als solche in den öffentlichen Bergwerken und Steinbrüchen arbeiten zu müssen. Ursprünglich durfte der Vater seine Kinder verkaufen. Der Gläubiger konnte seinen zahlungsunfähigen Schuldner zu seinem Knecht machen oder ihn als solchen außerhalb der Stadt (» trans Tiberim«) veräußern. Die Knechtung vieler Schuldner, die in Folge von Verlusten durch feindliche Raubzüge oder durch die eigene Militärdienstleistung Wucherern in die Hände gefallen waren, führte 493 v. Chr. zu einem Aufstand auf dem Heiligen Berg. Das im Jahre 326 v. Chr. erlassene pötelische Gesetz beschränkte endlich das Deckungsrecht des Gläubigers auf das Vermögen des Schuldners und verbot die Ankettung des letzteren unbedingt; trotzdem sprachen nach Livius noch zur Zeit der punischen Kriege die Gerichte die Person manches Schuldners dem Gläubiger zu.
Es gab sowohl öffentliche als auch private » servi«. Die behördlichen Dienststellen waren anfänglich durchweg in den Händen Freier. Später jedoch erhielten Sklaven die untergeordneten Posten, wie z. B. die von Boten, Gerichts- und Tempeldienern, Gefangenwärtern u. s. w. Bei der Ausführung öffentlicher Bauten – Straßenbau, Kanalreinigung, Erhaltung der Wasserleitung u. s. w. – fanden sie ebenfalls ausgedehnte Verwendung, und zwar nicht nur in Rom selbst, sondern auch in Provinzstädten und Dörfern.
Die Privatknechte eines reichen Römers wurden gewöhnlich in die »ländliche Familie« und die »städtische Familie« ( familia rustica, familia urbana) getheilt. An der Spitze der ersteren stand der » villicus« – ein Sklave, den man heirathen ließ, damit sein Weib ihm beistehe und ihn zugleich an seine Pflichten fessele. Ihm untergeordnet waren die verschiedenen Gruppen von Arbeitern: die Ackersleute, die Viehzüchter, die Hirten, die Stallknechte, die Meiereileute, die Maurer, die Kleidermacher, die ländlichen Sportgehilfen des Herrn und dergleichen mehr. Auf jedem Gut befand sich ein Sklavengefängniß ( ergastulum) und einzelnen Sklaven oblag die Bestrafung der Vergehen ihrer Genossen. Zur » familia urbana« gehörten Alle, welche den Hausdienst versahen, sei es in der Küche, beim Ankleiden, bei Tische oder im Bade, sei es hinsichtlich der Reinhaltung der Wohnung oder bezüglich der Vergnügungen des Herrn und seiner Gäste. Es gab Tänzerinnen und Sängerinnen, ferner Begleiter des Herrn und Begleiterinnen der Herrin außer Hause. Manche wurden wegen ihrer Anmuth und Schönheit als Ehrenwachen, andere wegen ihrer Stärke als Sesselträger oder wegen ihrer Flinkheit und ihres guten Gedächtnisses als Gala-Boten u. s. w. verwendet. In größeren Häusern fehlte es auch nicht an Sklaven, welche die Dienste von Aerzten, Sekretären, Bibliothekaren, Abschreibern, Pergamentmachern, Lehrern, Erziehern, Vorlesern, Buchhaltern, Rechnungsführern, Geschäftsvermittlern u. s. w. versahen. Kluge Patrizier, wie Atticus oder Crassus, erzogen auserlesene Mitglieder ihrer »städtischen Familie« sorgfältig für solche höhere Beschäftigungen. Die komischen und tragischen Schauspieler, die Pantomimenspieler, die Mitwirkenden im Zirkus und die Gladiatoren waren zumeist Sklaven. Die Gladiatoren entnahm man den Angehörigen der kriegerischsten Rassen: Samniten, Gallier, Thrakier. Es kam vor, daß Spekulanten – und unter diesen befanden sich hochstehende Männer – ganze Gladiatoren Truppen hielten, um sie zu vermiethen.
Fragen wir, wie viele Sklaven ein einzelner Herr zu haben pflegte, so finden wir in der römischen Litteratur keine bestimmten allgemeinen Angaben. Wohl aber haben Petronius und andere Autoren Mittheilungen über mehrere besondere Fälle gemacht. Dieselben sind zwar gewiß übertrieben, allein einige beglaubigte Beispiele und verschiedene mittelbare Andeutungen lassen annehmen, daß die reicheren Männer sehr große Sklaven-»Familien« besaßen. In dieser Beziehung gestatten u. a. die Kolumbarien mancher großen Häuser – so auch desjenigen der Livia – weitgehende Schlüsse. Vettius bewaffnete, wie wir aus Diodor's »Fragmenten« wissen, vierhundert seiner eigenen Knechte, ehe er sich auf die Empörung einließ, die dem zweiten Sklavenkrieg voranging. Die Knechte des Pedanius Secundus, die trotz eines angedrohten Entrüstungsaufstandes des Pöbels allesammt niedergemacht wurden, weil sie während der Ermordung ihres Eigenthümers unter dessen Dach weilten, waren nach Tacitus vierhundert an Zahl. Plinius erzählt uns in seiner »Naturgeschichte«, daß der Freigelassene Cäcilius, der unter Augustus lebte, letztwillig 4116 Sklaven hinterließ.
Was die Gesammtzahl der Sklaven in Rom oder in Italien betrifft, so ist es kaum möglich, eine annähernd genaue Schätzung zu machen. Gibbon spricht in seinem berühmten »Verfall und Untergang des römischen Reichs« die Vermuthung aus, Rom habe unter Claudius mindestens ebenso viele Sklaven gehabt wie Freie. Doch dürfte Blair, der Verfasser der »Sklaverei bei den Römern«, im Rechte sein, wenn er meint, daß dies zwar wahrscheinlich hinsichtlich einer früheren Zeit richtig war, daß es aber unter Claudius weit mehr Knechte als Freie gegeben habe; er nimmt ein Verhältniß von drei zu eins an für die Zeit zwischen der Eroberung Griechenlands (146 v. Chr.) und der Herrschaft des Alexander Severus (222-235 n. Chr.) Hiernach wären die Ziffern unter Claudius gewesen: 6 944 000 Freie und 20 832 000 Sklaven.
Ursprünglich verlieh das römische Gesetz dem Herrn unbeschränkte Gewalt über Thun und Lassen, Leben und Tod seiner Knechte. Angesichts des Wesens der patria potestas kann das nicht Wunder nehmen. Der Sklave durfte dem Gesetz nach keinerlei Eigenthum besitzen; was immer er erwarb, gehörte dem Herrn. In der Wirklichkeit aber gestattete ihm dieser, einen Theil des Arbeitsvertrags oder etwaige Nebenverdienste und Ersparnisse als » peculium« (Sondervermögen) für sich zu behalten. Da der Knecht einen Theil des Besitzes des Herrn bildete, konnte dieser mit jenem keine Verträge schließen; auch durfte er ihn nicht wegen Diebstahls verklagen, denn was der Knecht etwa nahm, war eben nur an einen andern Ort gebracht, und konnte nicht als gestohlen betrachtet werden. Die Verbindungen zwischen männlichen und weiblichen Sklaven galten nicht für Ehen, sondern nur für eine Art Konkubinat, » contubernium« genannt, das zwar geduldet wurde, dem jedoch der Herr jederzeit ein Ende machen durfte, wenn er wollte. Daher rührte es, daß selbst die ärgste Untreue zwischen Sklaven und Sklavinnen vom Gesetz nicht als Ehebruch anerkannt werden konnte. Immerhin scheint aber die Praxis milder gewesen zu sein; sie sah das Beisammenleben für eine Ehe an und auf der Bühne, auf Grabsteinen, ja selbst in Gesetzen wurden Sklaven und Sklavinnen häufig »Gatte und Gattin« genannt.
Maßte sich ein Sklave an, ins Heer einzutreten oder ein Staatsamt zu übernehmen, so erlitt er die Todesstrafe. Anders als durch Folterung konnte er nicht als Gerichtszeuge vernommen werden. Wurde ein Herr angeklagt, so durfte er seine Sklaven als Zeugen zur Tortur anbieten oder die Sklaven anderer zum gleichen Zweck vorladen lassen. Wurde ein Sklave durch die Folterung verletzt oder getödtet, so erhielt sein Herr von dem betreffenden Zeugenführer eine angemessene Entschädigung. Ein Knecht durfte seinen Herrn nicht gerichtlich anzeigen, ausgenommen wegen Ehebruchs, Blutschande und Verletzung heiliger Dinge oder Orte, in späterer Zeit auch wegen Hochverraths. Einem angeklagten Knecht war die Anrufung des Beistandes der Tribunen versagt und im Verurtheilungsfall wurde er schwerer bestraft als ein Freier. Verfiel er der Hinrichtung, so erlitt er den Tod am Kreuz oder durch die Axt, während bei Freien das Schwert oder der Abgrund zur Anwendung gelangten. Auf Grund des aquilischen Gesetzes, welches im Punkte der Tödtung, Verwundung oder Verletzung den Sklaven auf gleichen Fuß mit dem Rindvieh stellte, hatte der Herr in solchen Fällen Anspruch auf Schadenersatz. Das cornelische Gesetz bestrafte die Ermordung eines Sklaven genau so wie die eines Freien; wer jedoch einen eigenen Knecht umbrachte, blieb straflos.
Wie Xenophon, befürwortet auch Columella ein gewisses Maß von Freundlichkeit im Umgang mit den landwirthschaftlichen Sklaven. Cato genoß dieselben Speisen und Getränke wie seine Knechte und ließ deren Kinder durch seine eigene Gattin säugen. Letzteres that er, damit diese Kinder eine besondere Liebe zur herrschaftlichen Familie mit einsaugen; überhaupt verlor er bei seinem ganzen Verkehr mit seinem Gesinde nie seinen Nutzen aus dem Auge. So z. B. gestattete er das contubernium, ließ sich aber aus dem peculium dafür bezahlen. Columella hielt den aus der Geburt von Sklavenkindern zu ziehenden Gewinn für einen hinreichenden Grund zur Ermuthigung solcher Verbindungen, und er meinte, daß man fruchtbare Sklavinnen mit der Freilassung oder wenigstens mit Ermäßigung ihrer Arbeitsverpflichtungen belohnen sollte. Varro empfahl die Erlaubniß zur Ehe, weil diese für gutes Betragen und treue Dienste Gewähr biete. Es kam zuweilen auch vor, daß kluge oder humane Herren zum peculium ihrer Sklaven Beiträge leisteten.
Viele Patrizier besuchten ihre Besitzungen nur selten und überließen ihre »ländliche Familie« der Willkür des villicus. Die ungeheure Ausdehnung der Latifundien würde es übrigens den Grundeigenthümern selbst dann, wenn sie gewollt hätten, unmöglich gemacht haben, alle ihre Sklaven zu kennen. Im Laufe der Zeit wurde eine wirksame Ueberwachung derselben auch durch Aufseher bereits schwierig; deßhalb führte man den Gebrauch von Ketten ein, die nicht nur tagsüber während der Arbeit, sondern auch Nachts im ergastulum, wo die Leute schliefen, getragen werden mußten – eine Unsitte, die Plinius als eine Schmach für die Landwirthschaft bezeichnete und verdammte. Häufig dürfte auch das Leben der städtischen Sklaven, namentlich der für Spekulanten arbeitenden Handwerker, wenig beneidenswerth gewesen sein. Noch zu Ovids Zeiten kam es in Rom vor, daß in Privathäusern die Thorhüter gefesselt waren. Dagegen erfreuten sich in der »städtischen Familie« die Lieblinge des Besitzers einer recht guten Behandlung; ja, sie übten einigen Einfluß auf ihn aus, was dazu führte, daß sie von den anderen Sklaven, falls sie ihre Fürsprache benöthigten, umschmeichelt und beschenkt wurden. Zweifellos fehlte es nicht an vielen Beispielen wahrer gegenseitiger Zuneigung und wir kennen aus der Geschichte der Bürgerkriege Fälle, in denen Sklaven ihren Herren so treu ergeben waren, daß sie zu deren Rettung das eigene Leben opferten. Die nicht im Hause arbeitenden, sondern als Bootführer, Werkstättenleiter oder Buchhalter u. s. w. beschäftigten Sklaven genossen naturgemäß ein größeres Maß von Freiheit. Dagegen waren die der Kuppler und der Fechtmeister wahrscheinlich meist ebenso unglücklich wie erniedrigt.
Die leichteren Strafen, welche die häuslichen Knechte von ihren Herren erhielten, bestanden gewöhnlich in persönlicher Züchtigung oder in Versetzung aufs Land, die schwereren in Verwendung bei der Stampfmühle oder in Verbannung nach den Bergwerken und Steinbrüchen, wo sie – nach den vorhandenen Schilderungen der egyptischen Gruben in vorrömischer Zeit zu schließen – unter dem Walten der Ruthe und der Aufsicht von Soldaten halbnackt und gefesselt arbeiteten. Die Republik erlaubte den Herren, ihre Sklaven im Amphitheater mit Raubthieren kämpfen zu lassen. Mancher Patrizier verstümmelte oder kreuzigte einzelne seiner Knechte. Seneca erzählt, daß Vedius Pollio, der unter Augustus lebte, über die kleinsten Versehen – auch die unabsichtlichen – seiner Leute so zornig war, daß er diese den Lampreten seines Fischteiches vorwerfen ließ. Wenn solche Mißbräuche der Herrenmacht sehr selten vorkamen, so lag das nicht immer an der Menschenfreundlichkeit der Herren, sondern mehr an ihrem Eigennutz. Dieser Beweggrund, der den Sklaven häufig von Nutzen war, gereichte ihnen zum Nachtheil, wenn sich ihre Erhaltung in Folge Krankheit oder Altersschwäche nicht mehr lohnte. Cato rieth den Landwirthen, ihre alten und ihre kranken Ochsen und Sklaven zu verkaufen. Oft wurden kranke Sklaven auf der dem Aeskulap geheiligten Tiber-Insel ausgesetzt; erholten sie sich, so durften nach einer Verordnung Claudius' ihre Besitzer sie nicht zurückfordern.
Im Gegensatz zu den spartanischen Heloten wurden die römischen Sklaven nicht durch planmäßige Einschüchterung zum Gehorsam gezwungen, aber in der Spätrepublik und der ersten Kaiserzeit bildete ihre große Anzahl einen Gegenstand ewiger Besorgnisse. Einen kräftigen Beleg zu dieser Angst, welche in Tacitus' »Annalen« lebhaft hervorgehoben ist, finden wir in dem Gesetz, auf Grund dessen man die Sklaven des Pedanius Secundus (s. weiter oben) umbrachte – ein Gesetz, das wahrscheinlich unter Augustus entstand und unter Nero ausgestaltet wurde. Die römische Geschichte kennt viele Sklavenverschwörungen und mehrere furchtbare Sklavenaufstände. So wissen wir von einer Verschwörung im Jahre 500 v. Chr., einer andern anno 419 v. Chr., einer dritten unmittelbar vor dem Seegefecht von Mylä, einer vierten in der Zeit zwischen den Schlachten am trasimenischen See und bei Cannä; 198 v. Chr. kam ein Sklavenkrieg beinahe zum Ausbruch, zwei Jahre später gab es in Etrurien und nach weiteren elf Jahren in Apulien Erhebungen.
Das Anwachsen der Latifundien machte die Sklavenmassen immer größer und gefürchteter. Die Arbeit Freier wurde entmuthigt. Cato, Varro und Columella waren darüber einig, daß – mit Ausnahme ungesunder Gegenden, bezw. einzelner großer Unternehmungen – die Arbeit von Sklaven der freien vorzuziehen sei. Cicero und Livius sprechen vom Verschwinden des freien Plebs aus den Landbezirken und seiner Ersetzung durch Trupps von Sklaven, die auf Latifundien arbeiteten. Die Politik der Gracchen und ihrer volksparteilichen Nachfolger wendete sich gegen diese Herabminderung der freien Arbeiterbevölkerung. Ihre Gegenmittel bestanden in Agrargesetzen und umfassenden Ansiedlungsversuchen. Doch konnte eine solche Politik nicht wirksam durchgeführt werden, solange nicht die Zivil- und die Militärgewalt in den Händen eines volksthümlichen Staatslenkers vereinigt war; und selbst als diese Vorbedingung durch die Einführung des Kaiserthums erfüllt wurde, erwiesen sich jene Mittel als zur Beseitigung des Uebels unzureichend.
Die schlimmsten Formen nahm die Bodenknechtschaft in Sizilien an, wohin ihre besonders harten Merkmale, wie Mommsen muthmaßt, von den Karthagern verpflanzt worden sein dürften. Demgemäß kamen die ersten ernstlichen Sklavenaufstände denn auch in Sizilien zum Ausbruch; durch das Elend der armen Teufel hervorgerufen, wurden sie durch das Räuberunwesen gefördert und erleichtert, welches die Herren ermuntert haben sollen, um an den Unterhaltskosten der Sklaven zu sparen. Die Erhebung unter dem syrischen Wahrsager Eunus (133 v. Chr.) konnte Rupilius nur schwer unterdrücken. Nachdem einige kleinere Empörungen in Italien geglückt waren, brach unter der Führung von Trypho und Athenio der zweite sizilianische Aufstand aus, den Aquilius nach scharfen Kämpfen niederwarf. Sodann kam die Reihe an den von Spartakus organisirten Sklavenkrieg in Italien; da derselbe in eine ohnehin kritische Zeit fiel, stellte er die militärischen Hilfsquellen Roms auf eine harte Probe.
Während der nachmaligen Bürgerfehden bewarben sich beide Parteien um die Hilfe von Sklaven. Sogar Marius that dies, später selbst Catilina, der ihre Dienste allerdings nachträglich zurückwies. Clodius und Milo verwendeten bei ihren städtischen Unruhestiftungen Gladiatorenbanden und Cicero billigte das. Im ersten Bürgerkrieg waren in beiden Lagern Gladiatoren zu finden und die Mörder Julius Cäsars wurden von Gladiatoren aufs Kapitol gebracht. Antonius, Octavius und Sextus Pompejus bedienten sich ihrer im zweiten Bürgerkrieg. Auf dem ancyranischen Denkmal verewigte Augustus die Thatsache, daß er dreißigtausend Sklaven, die entflohen waren und gegen den Staat zu den Waffen gegriffen hatten, ihren Herren zur Bestrafung zurückgab. Unter Tiberius, nach dem Tode Caligulas und zur Zeit Neros machten sich unter den Sklaven drohende Bewegungen bemerkbar. Auch später stand das Kaiserthum in Gefahr, Sklavenaufstände ausbrechen zu sehen. Die Heere der einfallenden Goten wurden durch jene Goten verstärkt, die von Römern gefangen oder gekauft worden waren. Die gallischen Sklaven betheiligten sich fast vollzählig an dem Aufruhr der Bagauden und bei der Belagerung Roms durch Alarich schlossen sich diesem vierzigtausend Sklaven an.
Von den sittlichen Wirkungen der Sklaverei haben wir bereits im ersten Kapitel gesprochen. Was insbesondere Rom betrifft, so können wir nicht bezweifeln, daß die Einrichtung sehr viel zu den Unsauberkeiten beitrug, die das Privatleben entstellten, wie Juvenal, Martial und Petronius es schildern. Sie muß die Sittenverderbniß der Jugend mächtig gefördert haben, indem sie Selbstnachsicht, Verstellung und Hinterlist erleichterte und begünstigte. Der Lehrer, oft ein nichtsnutziger Knecht, wurde dem Kinde ein Schmeichler, später dem Knaben ein Berather und dem Jüngling ein Vertrauter, ein williges Werkzeug seiner Ausschweifungen. Die unwürdigen Dienste mancher verschafften ihnen bei ihrem Herrn einen ungebührlichen Einfluß, während andere die wehrlosen Opfer seiner Lüste wurden. Man lese einmal, in welchem Ton der freundliche, gutmüthige Horaz davon spricht, wie sehr die Sklaven den rohen Leidenschaften ihrer Besitzer ausgesetzt waren. Die verthierende Wirkung des Systems äußerte sich vielleicht am augenfälligsten in den barbarischen Darbietungen des Amphitheaters, an denen selbst Frauen so sehr Gefallen fanden, daß auch sie den Gladiator verdammten, wenn er außer Stande war, durch seinen verzweifelten Muth die Ansprüche des blutdürstigen Pöbels zu befriedigen. Damals erwiesen sich auch die politischen Folgen des Sklavenwesens als verhängnißvoll. Dieses führte zur Verachtung der freien Arbeit, sodaß nicht einmal mehr die Landwirthschaft geachtet wurde. Das Bestehen der auch in den Städten erfolgreich mit der freien Arbeit konkurrirenden Sklaverei vervielfältigte die Menge der Müßiggänger und Taugenichtse, die blos auf »Brod und Spiele« (» panem et circenses«) ausgingen, von den öffentlichen Vertheilungen, deren Einstellung die Kaiser unmöglich fanden oder von den Spenden reicher Leute lebten und, gleich den »gemeinen Weißen« der Vereinigten Staaten vor dem Bürgerkrieg, eine gefährliche Klasse bildeten, welche durch selbstische Begierden käuflich waren und sich stets bereit zeigten, an öffentlichen Ruhestörungen theilzunehmen.
Das griechische mit dem römischen Knechtschaftswesen vergleichend, betont Blair mit Recht, daß die große Ueberlegenheit des letzteren in der größeren Erleichterung und Häufigkeit der Freilassung bestand. »Kein römischer Sklave«, fügt er hinzu, »brauchte die Hoffnung aufzugeben, ein Freier und ein Bürger zu werden.« Man kannte zwei Arten der Freilassung: die » manumissio justa« (= »regelrechte Befreiung«) und die » minus justa« (= »minder regelrecht«). Von der ersteren gab es vier Formen: 1. Die Adoption; diese fand selten statt. 2. Die letztwillige Verfügung; sie ist schon in den Zwölf Tafeln anerkannt. 3. Der » census«, d. h. der zu Emanzipirende wurde dem Zensor vorgestellt und ins Verzeichniß der Bürger eingetragen; diese stets selten angewendete Form kam in nachvespasianischer Zeit überhaupt nicht mehr vor. 4. Der Freiheitsstab (» vindicta«); dieser Modus, der allerüblichste, bestand darin, daß der Herr den Sklaven mit den Worten »Du bist frei!« in Gegenwart des Prätors oder einer andern befugten behördlichen Person umdrehte, wobei diese oder ihr Ruthenbündelträger dem Freigelassenen einen Schlag mit dem Stab versetzte. Die manumissio minus justa geschah durch eine deutliche Willenskundgebung des Herrn, z. B. brieflich oder durch mündliche Aeußerungen im Freundeskreis oder dadurch, daß er dem Betreffenden die sogenannte Freiheitskappe (» pileus«) aufsetzte oder ihn zum Vormund seiner Kinder bestellte oder mittels irgend einer andern Förmlichkeit, die nach dem Gewohnheitsrecht als Andeutung des Befreiungswillens galt. Allein die » minus justa« war nicht im Rahmen des Gesetzes enthalten, daher unvollständig und prekär. Selbst noch nach Erlaß des Gesetzes der Julia Norbana (19 n. Chr.), welches die »minder regelrecht« befreiten Sklaven unter dem Namen »jüngere Lateiner« den lateinischen Ansiedlern gleichstellte, blieben sie nach Recht und Gesetz bis zu ihrem Tode Sklaven und konnten nicht über ihr Sonder-Eigenthum verfügen.
Der Freigelassene, der nicht durch Einwirkung des Gesetzes frei geworden, blieb ein Schützling (Klient) seines Herrn und beide waren durch die mit diesem Verhältniß verknüpften Verpflichtungen gebunden. Das gilt nicht nur von privaten Freigelassenen, sondern auch von denen des Staates, der Städte, der Tempel und der Körperschaften. Der Herr mußte den Klienten gegen jederlei Gewaltmißbrauch schützen, ihn vor Gericht vertheidigen, ihn bei Bedürftigkeit ernähren und, falls er minderjährig war, sein Vormund sein. Der Freigelassene nahm den Namen seines früheren Herrn an, dem er fortab Ehrerbietung ( obsequium) und Beistand ( officium) schuldete; der »Beistand« erstreckte sich in gewissen Nothfällen auch auf pekuniäre Leistungen. Die Vernachlässigung dieser Pflichten war strafbar – bei Hochgradigkeit selbst mit dem Verlust der Freiheit. Es lag im Belieben des Herrn, an die Schenkung der Freiheit Bedingungen zu knüpfen, wie etwa, daß der Emanzipirte auch ferner bei ihm wohne oder daß er ihm weiter diese oder jene Dienste leiste oder ihm eine Geldsumme bezahle. Doch schränkte der Prätor Rutilius am Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr. das Maß dieser Bedingungen gebührend ein und die späteren Rechtslehrer sowie die kaiserlichen Verfassungen zogen ihnen noch engere Grenzen.
Starb ein Freigelassener ohne Testament und ohne natürliche Erben, so erbte sein Schutzherr – der frühere Besitzer – das Vermögen. Letztwillig durfte der Freigelassene nur über die Hälfte seines Eigenthums verfügen, denn die andere Hälfte fiel dem Patron zu. Die Freigelassenen und deren Söhne genossen noch nicht alle bürgerlichen Rechte, erst die dritte Generation wurde Vollbürger. So hatte das knechtische Bevölkerungs-Element die Tendenz, mittels unablässigen Durchsickerns im Gesammtvolk aufzugehen.
Oft gereichte es einem Herrn zum pekuniären Vortheil, einen Knecht zu befreien, denn einerseits erlangte er einen »Klienten«, andererseits ermöglichte ihm die empfangene Zahlung den Ankauf eines Ersatzmannes. Selbstverständlich setzt diese Erwägung die Anerkennung des Rechts des Sklaven auf sein Sondereigenthum voraus; das gilt auch von Cicero's Feststellung, daß ein fleißiger Sklave in sechs Jahren genügend erwerbe, um seine Freiheit kaufen zu können. Augustus war gegen ein »Uebermaß« von Freilassungen eingenommen; vermuthlich hielt er den beträchtlichen Zuwachs an Bürgern für eine Quelle socialer Unbeständigkeit. Seinem Nachfolger empfahl er, dieselbe Politik zu befolgen. Die lex Aelia Sentia (etwa 3 n. Chr.) ordnete an, daß – seltene Fälle ausgenommen – kein unter zwanzig Jahre alter Herr einen Knecht freilassen und kein zu befreiender Knecht unter dreißig Jahre alt sein dürfe. Das Gesetz Furia Caninia (um 7 n. Chr.) bestimmte die Anzahl von Sklaven, denen man im Verhältniß zur Gesammtzahl des eigenen Besitzes letztwillig die Freiheit schenken könne und setzte als höchste Ziffer – ohne Rücksicht auf die Größe der Gesammtzahl – hundert fest.
Unter dem Kaiserthum stieg das Ansehen der Freigelassenen stetig. Sie konnten Ritter, Provinzgouverneure und Senatoren werden. Im kaiserlichen Haushalt erlangten sie Aemter, die sie thatsächlich an die Spitze von Verwaltungsabtheilungen brachten. Als unwürdige Beispiele in dieser Beziehung haben sich namentlich Pallas und Narcissus bekannt gemacht, und zweifellos gab es unter den Emanzipirten auch viele Nichtbeamte, die entweder die Aufdringlichkeit von Emporkömmlingen oder die gewissenlose Gemeinheit von Schmarotzern an den Tag legten. Aber andere verdienten die größte Hochachtung. Untergeordnetere Freigelassene bekleideten die kleineren Aemter des Verwaltungsdienstes, der Stadtkohorten und des Kriegsheeres; als die freie Arbeit wieder in Gunst kam, verlegten sie sich vielfach auf Handel, Gewerbe und höhere Berufe. Auch in der Literatur fehlten sie nicht; unter der Republik und in der ersten Kaiserzeit schrieben mehrere Emanzipirte geschichtliche und biographische Darstellungen. Zahlreiche andere lehrten Grammatik und andere Fächer; so Tiro, der Gehilfe Ciceros, oder Hyginus, der Bibliothekar Augustus'. Wohlbekannt geworden sind Livius Andronicus, Statius Cäcilius, Terenz, Publius Syrus, Phädrus, Epiktet u. s. w.
Im zweiten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung begegnen wir sowohl in der Gedankenwelt als auch in der Gesetzgebung einschneidenden Wandlungen hinsichtlich der Sklaverei. Schon Seneca hatte die Einrichtung vom Standpunkte der Vernunft und der Menschenfreundlichkeit betrachtet und er verdient, was immer man sonst von ihm halten mag, den Dank aller Zeiten für die gerechten und freisinnigen Grundsätze, die er auf die Sklaven anwendete (diese wollte er als »ergebene, bescheidene Freunde« behandelt sehen), namentlich aber für seine lebhafte Mißbilligung der Gladiatorenkämpfe und der sich in der Freude an ihnen äußernden Roheit des Publikums, während Cicero diese Kämpfe nur in schwachen Ausdrücken verurtheilt hatte. Seneca zeigte eine solche Wahlverwandtschaft mit dem Geiste des Christenthums, daß Tertullian schrieb: »Seneca, oft der unsrige.« Es herrscht die Ueberlieferung, er habe in persönlichen Beziehungen zum Apostel Paulus gestanden; doch spricht hierfür nichts als einige apokryphe Briefe. Ebenso wenig läßt sich nachweisen, daß er – wie manche Gelehrten, darunter Troplong in seinem Werke über den »Einfluß des Christenthums auf das römische Recht«, aus den häufigen christlichen Anklängen in seinen Schriften schließen wollen – einen Theil der heiligen Bücher des Urchristenthums gekannt und anempfunden habe. Aber, wie gesagt, erst im zweiten Jahrhundert machte der Sieg der sittlichen Ideen, wie in anderen Lebensgebieten, auch in diesem entschiedenere Fortschritte. Der Rathgeber Trajans, Dio Chrysostomus, war der erste griechische Schriftsteller, der das Prinzip der Sklaverei als einen Verstoß gegen die Naturgesetze erklärte. Ein ähnlicher Umschwung machte sich in der praktischen Staatskunst geltend. Die militärische Aufgabe Roms hatte ihre natürlichen Grenzen erreicht, auf die Zeit der Eroberungen war die der Verwaltung gefolgt und die Kaiser, welche erkannten, daß künftig die Ge- und Erwerbsthätigkeit überwiegen müsse, bereiteten die allmählige Beseitigung der Sklaverei vor, indem sie den Freigelassenen Ehren erwiesen, die Sklaven gegen ihre Herren in Schutz nahmen und die Einzelbefreiungen begünstigten.
Die Rechtslehrer, welche in Ermangelung einer anerkannten geistlichen Macht einstweilen die Aufgabe erfüllten, die praktische Moral beliebig festzustellen, bedienten sich der nützlichen Fiktion »Naturrecht« zur Abänderung der Voraussetzungen des Gesetzes und zur Auslegung zweifelhafter Urkunden. So z. B. schrieb Ulpian: »Nach dem Naturrecht sind alle Menschen gleich«, und Florentinus: »Die Knechtschaft ist eine Einrichtung des menschlichen Rechts«. Die allgemeine Tendenz sowohl der kaiserlichen Verfassungen als auch der Grundsätze der Gesetzgeber war der Freiheit günstig. Es wurde verboten, Kinder zu verkaufen, auszusetzen oder zu verpfänden. Eine Verordnung Diokletians untersagte, daß ein Freier sich selber verkaufe. Männer- und Kinderräuber unterlagen der Todesstrafe. Der zahlungsunfähige Schuldner stand nicht länger in der Gewalt seines Gläubigers. Der Sklavenhandel war zwar noch erlaubt, aber die sehr häufig vorgekommene grausame Verstümmelung von Knaben und Jünglingen wurde mit Verbannung oder mit Zwangsarbeit in den Bergwerken oder selbst mit dem Tode bestraft. Machte man den Kauf eines Sklaven rückgängig und gab diesen dem Verkäufer zurück, so mußte man auch seine Eltern, Brüder und die betreffenden Eheweiber wieder abtreten. Bei der Auslegung von Testamenten galt als Regel, daß durch die Theilung der Erbfolge die Mitglieder einer und derselben Familie nicht von einander getrennt werden sollen. In besonderen Fällen trat das Gesetz auch für die Sicherung des Pekuliums ein, wenngleich bezüglich des letzteren im allgemeinen die Theorie, daß es dem Herrn gehöre, vorläufig noch beibehalten wurde. Der Staat räumte den öffentlichen Sklaven das Recht ein, letztwillig über die Hälfte ihres Sondereigenthums zu verfügen. Privatpersonen gestatteten ihren Knechten zuweilen, noch mehr als die Hälfte zu vermachen, aber nur zu Gunsten von Sklaven desselben Besitzers. Hadrian nahm den Herren die Gewalt über Leben und Tod der Knechte und schaffte die unterirdischen Kerker ab. Antoninus Pius belegte den Herrn, der seinen eigenen Knecht ohne triftige Ursache umbrachte, mit derselben Strafe wie wenn er einen fremden Sklaven getödtet hätte. Schon unter Nero wurden die Gerichte verhalten, von Sklaven Klagen wegen Mißhandlung entgegenzunehmen und die in dieselbe oder wahrscheinlich sogar eine frühere Zeit fallende lex Petronia verbot den Herren, ihre Leute mit Raubthieren kämpfen zu lassen. Antoninus ordnete an, daß Sklaven, die in Folge besonders grausamer Behandlung vor Altären oder Kaiserbildnissen Zuflucht gesucht hatten, zu verkaufen seien. Bald geschah dasselbe bezüglich solcher Sklaven, die von ihren Besitzern zu ganz entwürdigenden Zwecken verwendet worden waren.
Mark-Aurel verlieh, um die Beziehungen beider Klassen öffentlicher zu machen, den Herren das Recht, ihre Knechte nach Belieben zu verklagen; er beseitigte jedoch nicht die Unfähigkeit des Sklaven, zu schwören. Die Vernehmung mittels Folterung blieb bestehen, aber die Herrscher und die Juristen schränkten die Anwendung der Folter ein; anderseits freilich vermehrten sie die Zahl der Verbrechen, wegen deren sie anwendbar sein sollte, um ein neues: die » majestas« (Götter- und Majestätsbeleidigung). Wegen gewisser Vergehen des Herrn durfte der Knecht eine Klage einbringen, wobei er von einem Sachwalter vertreten wurde. Man erleichterte die Freilassung, indem man manche alte Formalität abschaffte, Hindernisse aus dem Weg räumte und gesetzliche Schwierigkeiten im Sinne des Freiheitsprinzips löste. Die Macht, an die letztwillige Freilassung Bedingungen zu knüpfen, erfuhr Einschränkungen und die etwa gestellten Bedingungen wurden gegebenen Falls zu Gunsten des Sklaven ausgelegt. Der Kaiser konnte einem Sklaven mit Zustimmung seines Eigenthümers durch Ueberreichung eines Goldringes die Freiheit geben, und ein gesetzliches Verfahren, das man restitutio natalium nannte, verlieh die Vollbürgerschaft. Auch erlangte eine Bestimmung Geltung, wonach die Freiheit nicht einmal durch eine sechzigjährige Verjährung verwirkt werden konnte.
Das Anwachsen des Christenthums in der römischen Welt führte zu fernerer Hebung der Lage des Sklaven. Die humane Gesinnung, die das Christenthum damals erzeugte, förderte die Freundlichkeit der Behandlung so sehr, daß in ihr zum Theil die Keime der späteren gänzlichen Befreiung lagen. Wenn die Kirche die Sklaverei nicht sofort als Verbrechen brandmarkte und nicht auf ihrer unverzüglichen Abschaffung bestand, sondern sie sogar anerkannte (auch praktisch, indem geistliche Personen und Körperschaften Sklaven besaßen), so darf das nicht verwundern, denn diese Einrichtung gehörte, wie wir gesehen haben, zu den socialen, gesetzlichen und militärischen Grundlagen des römischen Staates und konnte, als die Vollendung der Eroberermission des letzteren sie überflüssig machte, nicht gut plötzlich ohne Umstände aus der Welt geschafft werden – so wenig wie das Gesellschaftssystem, zu welchem sie gehörte oder wie die allgemeinen Ideenkreise, die unter ihrem Einfluß Eingang gefunden hatten. Derlei ist nur durch allmählige Fortentwickelung zu erzielen. Daß der Zeitgeist sich auch schon vor dem Beginn der Einwirkung des Christenthums nach und nach änderte, ist durch die vorhin dargelegten Wandlungen in Gesinnung und Gesetzgebung erwiesen; hierzu hatte, abgesehen von politischen Umständen, die unter dem Walten des Friedens eingetretene Verfeinerung der Sitten genügt. Aber weder die letztere noch das Auftreten des Christenthums vermochte, sogleich kräftig an der Einrichtung selbst zu rütteln, denn diese wurzelte zu tief und war zu sehr mit der ganzen Gesellschaftsordnung verwachsen, als daß sie ohne ungemein ernste Störungen derselben und ohne verhängnißvolle Folgen für die Sklavenklasse selbst hätte radikal beseitigt werden können. Der Beseitigung mußte erst die Entstehung neuer socialer Verhältnisse vorausgehen; die Gesellschaft mußte, während sie bislang auf das Erobern eingerichtet war, auf das Vertheidigen der Eroberungen eingerichtet werden – ein Wechsel, der sich selbstverständlich nicht plötzlich vollziehen ließ. Allerdings konnte inzwischen vieles für die Milderung der einschlägigen Uebelstände geschehen, und zwar hauptsächlich mittels Einschärfung der gegenseitigen Pflichten und Ueberwachung des gegenseitigen Betragens durch moralische Einwirkung von unbetheiligter Seite – der Kirche. Diese Aufgabe nun hat das Priesterthum in jenen Zeiten unleugbar trefflich erfüllt. Den Einfluß der Sklaverei auf den Charakter konnten die Priester naturgemäß nicht gründlich ändern und die vom Heidenthum überkommenen Mißbräuche dauerten fort, aber jener Einfluß und diese Mißbräuche verloren wenigstens immer mehr an Ausdehnung und Stärke.
Während die Kirchenväter mit den Stoikern des zweiten Jahrhunderts darin einig waren, die Sklaverei an sich für etwas in den Augen der Religion und der Sittlichkeit Gleichgültiges anzusehen, trat bei ihnen an die Stelle der Verachtung, welche die Stoiker den Sklaven oft zeigten, ein warmes Mitgefühl. Sie legten Verwahrung ein gegen das Halten übermäßig vieler Knechte in reichen Häusern aus bloßer Eitelkeit, gegen die Gladiatorenkämpfe Diese wurden durch die edle Selbstaufopferung des unter Honorius lebenden Mönchs Telemachus abgeschafft. Er warf sich einmal in die Arena, um die Gladiatoren zu trennen und wurde zwar vom Publikum gesteinigt, aber das Ereigniß führte zur Unterdrückung dieser Kämpfe. Tennyson hat den Fall in einem Gedicht geschildert. und gegen die Ueberlassung von Sklaven an die Theater, die häufig Lasterhöhlen waren. Auch ermunterte die Kirche die einzelnen Herren zur Freilassung ihrer Sklaven und trat für die Auslösung von Gefangenen ein. Ferner zeigte sich ihr Einfluß in der Gesetzgebung der christlichen Kaiser, welche mehrere der härtesten Züge der Einrichtung milderte. Diese Gesetzgebung war nicht immer gleichmäßig fortschrittlich; unter Konstantin dem Großen machte sich in manchen Punkten sogar ein Rückschritt geltend, wie z. B. in der – jedoch durch ein ewiges Rückkaufsrecht theilweise wettgemachten – Wiederermächtigung der Väter zum Verkauf ihrer Kinder und in der Erlaubniß, daß der Finder eines ausgesetzten Kindes dieses zu seinem Knecht mache: Bestimmungen, zu deren Rechtfertigung man die große Armuth, die damals herrschte, anzuführen pflegt. Viel stärker war der Einfluß des Christenthums auf Theodosius und am stärksten auf Justinian, dessen einschlägige Gesetzgebung wir kurz skizziren wollen.
Das römische Recht weigerte sich im allgemeinen noch immer, die Ehen zwischen Sklaven und Sklavinnen anzuerkennen; Justinian nun verlieh ihnen einen gesetzlichen Werth wenigstens nach der Freilassung, indem er den Kindern das Erbrecht gab. Verbindungen zwischen Sklaven und freien Mädchen oder zwischen Sklavinnen und freien Männern blieben noch lange verboten und wurden unter Umständen sogar mit grausamer Strenge bestraft. Aber Justinian bestimmte, daß die Verheirathung eines Herrn mit einem von ihm freigelassenen Weibe die von diesem als Sklavin geborenen Kinder legitim und zugleich frei machte und daß, wenn eine Sklavin bis zu ihrem Tode mit ihrem Besitzer im Konkubinat gelebt hatte, die betreffenden Kinder ebenfalls frei wurden. Als Zeuge vor Gericht unterlag der Sklave noch immer der Folterung, als Verbrecher trafen ihn schwerere Strafen denn den Freien, und klagte er seinen Herrn eines andern Verbrechens als des Hochverraths an, so ließ man ihn verbrennen; allein er konnte, wenn er gerichtlich Anspruch auf Freilassung erhob, seine Sache selber vertreten, wenn er keinen Sachwalter haben wollte. Die Sklavin war in den Augen des Gesetzes noch immer des Ehebruchs unfähig, doch bestrafte Justinian ihre Entführung ebenso mit dem Tode wie den Raub eines freigelassenen oder freien Mädchens. Die Tödtung des Sklaven durch seinen Herrn war schon lange als Mord bestraft worden, sofern der Tod nicht ein während der Züchtigung unabsichtlich zugefügter war und Konstantin behandelte sogar schon mehrere Arten grausamer Mißhandlung als Todtschlag. Die Kämpfe im Amphitheater wurden selbst noch unter Theodosius von den Staatsbehörden gestattet, wenngleich nicht mehr begünstigt und das Publikum erwartete diese Belustigungen noch immer von den Bewerbern um öffentliche Ehren. Am längsten behaupteten sich die Kämpfe zwischen Menschen und wilden Thieren – bis in die ersten Regierungsjahre Justinians hinein. Konstantin führte ein neues Freilassungsverfahren ein, das Geistliche in der Kirche vollzogen; später folgte die Bestimmung, daß kirchliche Personen ihre Knechte jederzeit durch bloße mündliche Willensäußerung emanzipiren konnten. Durch den Eintritt ins Priesterthum oder in ein Kloster wurde der Sklave ein Freier; die in diesem Punkte angeordneten Beschränkungen hatten nur den Zweck, Ungegerechtigkeiten oder Betrug zu verhindern. Justinian beseitigte die unter Augustus eingeführten persönlichen Bedingungen, die theils der freilassende Herr, theils der freizulassende Knecht zu erfüllen hatte; auch hob er jede Begrenzung der Zahl der gestatteten Freilassungen auf und schaffte alle Zwischenstufen zwischen Sklaverei und Vollbürgerthum ab. Wer einmal – gleichviel in welcher Weise immer – befreit war, wurde sofort Vollbürger, und wenn seinem Besitzer das Recht des Patronats auch ferner vorbehalten blieb, so geschah dies nur, weil andernfalls die Praxis des Emanzipirens nicht den Umfang angenommen haben würde, den sie annahm.