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(Diese Abhandlung wurde gelesen in der öffentlichen Versammlung der Akademie zu Berlin den 24. Jan. 1823.)
Wenn man den Einfluß betrachtet, welchen seit Jahrhunderten die erweiterte Erdkunde und wissenschaftliche Reisen in entfernte Regionen auf das Studium der Natur ausgeübt haben, so erkennt man bald, wie verschiedenartig derselbe gewesen ist, je nachdem die Untersuchung auf die Formen der organischen Welt oder auf das tote Erdgebilde, auf die Kenntnis der Felsarten, ihr relatives Alter und ihre Entstehung gerichtet war. Andere Gestalten von Pflanzen und Tieren beleben die Erde in jeglicher Zone: sei es wo in der meergleichen Ebene die Wärme des Luftkreises nach der geographischen Breite und den mannigfaltigen Krümmungen der isothermen Linien oder wo sie fast scheitelrecht, an dem steilen Abhange der Gebirgsketten, wechselt. Die organische Natur gibt jedem Erdstrich seinen eigenen physiognomischen Charakter; nicht so die unorganische, da wo die feste Rinde des Erdkörpers von der Pflanzendecke entblößt ist. Dieselben Gebirgsarten, wie gruppenweise sich anziehend und abstoßend, erscheinen in beiden Hemisphären vom Äquator an bis zu den Polen hin. In einem fernen Eilande, von fremdartigen Gewächsen umgeben, unter einem Himmel, wo nicht mehr die alten Sterne leuchten, erkennt oft der Seefahrer, freudig erstaunt, den heimischen Tonschiefer, die wohlbekannte Gebirgsart des Vaterlandes.
Diese Unabhängigkeit der geognostischen Verhältnisse von der gegenwärtigen Konstitution der Klimate mindert nicht den wohltätigen Einfluß, welchen zahlreiche, in fremden Weltgegenden angestellte Beobachtungen auf die Fortschritte der Gebirgskunde und der physikalischen Geognosie ausüben; sie gibt diesen Wissenschaften eine eigentümliche Richtung. Jede Expedition bereichert die Naturkunde mit neuen Pflanzen- und Tiergattungen. Bald sind es organische Formen, die sich an längst bekannte Typen anreihen und uns das regelmäßig gewebte, oft scheinbar unterbrochene Netz belebter Naturbildungen in seiner ursprünglichen Vollkommenheit darstellen, bald sind es Bildungen, welche isoliert auftreten, als entkommene Reste untergegangener Geschlechter oder als unbekannte, Erwartung erregende Glieder noch zu entdeckender Gruppen. Eine solche Mannigfaltigkeit gewährt freilich nicht die Untersuchung der festen Erdrinde. Sie offenbart uns vielmehr eine Übereinstimmung in den Gemengteilen, in der Auflagerung verschiedenartiger Massen und in ihrer periodischen Wiederkehr, welche die Bewunderung des Geognosten erregt. In der Andeskette wie in dem Zentralgebirge Europas scheint eine Formation gleichsam die andere herbeizurufen. Gleichnamige Massen gestalten sich zu ähnlichen Formen: in Zwillingsberge Basalt und Dolerit, als prallige Felswände Dolomit, Quadersandstein und Porphyr, zu Glocken oder hochgewölbten Domen der glasige, feldspatreiche Trachyt. In den entferntesten Zonen sondern sich gleichartig, wie durch innere Entwickelung, größere Kristalle aus dem dichten Gewebe der Grundmassen ab, umhüllen einander, treten in untergeordnete Lager zusammen und verkündigen oft als solche die Nähe einer neuen, unabhängigen Formation. So spiegelt sich, mehr oder minder klar, in jedem Gebirge von beträchtlicher Ausdehnung die ganze unorganische Welt; doch um die wichtigen Erscheinungen der Zusammensetzung, des relativen Alters und der Entstehung der Gebirgsarten vollständig zu erkennen, müssen Beobachtungen aus den verschiedensten Erdstrichen miteinander verglichen werden. Probleme, die dem Geognosten lange in seiner nordischen Heimat rätselhaft geschienen, finden ihre Lösung nahe am Äquator. Wenn die fernen Zonen, wie schon oben bemerkt ward, uns nicht neue Gebirgsarten liefern, d. h. unbekannte Gruppierungen einfacher Stoffe, so lehren sie uns dagegen die großen, überall gleichen Gesetze enthüllen, nach denen die Schichten der Erdrinde sich wechselseitig tragen, sich gangartig durchbrechen oder durch elastische Kräfte gehoben werden.
Bei dem eben geschilderten Gewinn, den das geognostische Wissen aus Untersuchungen zieht, welche große Länderstrecken umfassen, darf es uns nicht befremden, daß eine Klasse von Erscheinungen, die ich hier vorzugsweise behandle, lange um so einseitiger betrachtet worden ist, als die Vergleichungspunkte schwieriger, man könnte fast sagen mühevoller, aufzufinden waren. Was man bis gegen das Ende des verflossenen Jahrhunderts von der Gestalt der Vulkane und dem Wirken ihrer unterirdischen Kräfte zu wissen glaubte, war von zwei Bergen des südlichen Italiens, dem Vesuv und dem Ätna, hergenommen. Da der erste zugänglicher ist und (wie fast alle niedrigen Vulkane) häufiger auswirft, so hat ein Hügel gleichsam zum Typus gedient, nach welchem man sich eine ganze ferne Welt, die mächtigen aneinandergereihten Vulkane von Mexiko, Südamerika und den asiatischen Inseln, gebildet dachte. Ein solches Verfahren mußte mit Recht an Virgils Hirten erinnern, welcher in seiner engen Hütte das Vorbild der Ewigen Stadt, des königlichen Roms, zu sehen wähnte.
Allerdings hätte eine sorgfältigere Untersuchung des ganzen Mittelmeeres, besonders der östlichen Inseln und Küstenländer, wo die Menschheit zuerst zu geistiger Kultur und edleren Gefühlen erwachte, eine so einseitige Naturansicht vernichten können. Aus dem tiefen Meeresgrunde haben sich hier, unter den Sporaden, Trachytfelsen zu Inseln erhoben: dem azorischen Eilande ähnlich, das in drei Jahrhunderten dreimal, fast in gleichen Zeitabständen, periodisch erschienen ist. Zwischen Epidaurus und Trözene, bei Methone, hat der Peloponnes einen Monte nuovo, den Strabo beschrieben und Dodwell wieder gesehen hat: höher als der Monte nuovo der Phlegräischen Felder bei Bajä, vielleicht selbst höher als der neue Vulkan von Xorullo in den mexikanischen Ebenen, welchen ich von mehreren tausend kleinen, aus der Erde herausgeschobenen, noch gegenwärtig rauchenden Basaltkegeln umringt gefunden habe. Auch im Becken des Mittelmeeres bricht das vulkanische Feuer nicht bloß aus permanenten Kratern, aus isolierten Bergen aus, die eine dauernde Verbindung mit dem Inneren der Erde haben: wie Stromboli, der Vesuv und der Ätna. Auf Ischia am Epomäus und, wie es nach den Berichten der Alten scheint, auch in der Lelantischen Ebene bei Chalkis sind Laven aus Erdspalten geflossen, die sich plötzlich geöffnet haben. Neben diesen Erscheinungen, welche in die historische Zeit, in das enge Gebiet sicherer Traditionen fallen und welche Carl Ritter in seiner meisterhaften Erdkunde sammeln und erläutern wird, enthalten die Küsten des Mittelmeeres noch mannigfaltige Reste älterer Feuerwirkung. Das südliche Frankreich zeigt uns in der Auvergne ein eigenes geschlossenes System aneinandergereiheter Vulkane: Trachytglocken, abwechselnd mit Auswurfskegeln, aus denen Lavaströme bandförmig sich ergießen. Die lombardische seegleiche Ebene, welche den innersten Busen des Adriatischen Meeres bildet, umschließt den Trachyt der Euganeischen Hügel, wo Dome von körnigem Trachyt, von Obsidian und Perlstein sich erheben: drei auseinander sich entwickelnde Massen, welche die untere Kreide und den Nummuliten-Kalk durchbrechen, aber nie in schmalen Strömen geflossen sind. Ähnliche Zeugen alter Erdrevolutionen findet man in vielen Teilen des griechischen Kontinents und in Vorderasien, Ländern, welche dem Geognosten einst reichen Stoff zu Untersuchungen darbieten werden, wenn das Licht dahin zurückkehrt, von wo es zuerst über die westliche Welt gestrahlt, wenn die gequälte Menschheit nicht mehr der wilden Barbarei der Osmanen erliegt.
Ich erinnere an die geographische Nähe so mannigfaltiger Erscheinungen, um zu bewähren, daß der Kessel des Mittelmeeres mit seinen Inselreihen dem aufmerksamen Beobachter alles hätte darbieten können, was neuerlichst unter mannigfaltigen Formen und Bildungen in Südamerika, auf Teneriffa, oder in den Alëuten, der Polargegend nahe, entdeckt worden ist. Die Gegenstände der Beobachtungen fanden sich allerdings zusammengedrängt; aber Reisen in ferne Klimate, Vergleichungen großer Länderstriche in und außerhalb Europa waren nötig, um das Gemeinsame der vulkanischen Erscheinungen und ihre Abhängigkeit voneinander klar zu erkennen.
Der Sprachgebrauch, welcher oft den ersten irrigen Ansichten der Dinge Dauer und Ansehen verleiht, oft aber auch instinktmäßig das Wahre bezeichnet –, der Sprachgebrauch nennt vulkanisch: alle Ausbrüche unterirdischen Feuers und geschmolzener Materien; Rauch- und Dampfsäulen, die sporadisch aus den Felsen aufsteigen, wie bei Colares nach dem großen Erdbeben von Lissabon; Salsen oder feuchten Kot, Asphalt und Hydrogen auswerfende Lettenkegel, wie bei Girgenti in Sizilien und bei Turbaco in Südamerika; heiße Geiser-Quellen, die, von elastischen Dämpfen gedrückt, sich erheben; ja im allgemeinen alle Wirkungen wilder Naturkräfte, welche ihren Sitz tief im Innern unseres Planeten haben. In Mittelamerika (Guatemala) und auf den Philippinischen Inseln unterscheiden die Eingeborenen sogar förmlich zwischen Wasser- und Feuer-Vulkanen, Volcanes de agua y de fuego. Mit dem ersteren Namen bezeichnen sie Berge, aus welchen bei heftigen Erdstößen und mit dumpfem Krachen, von Zeit zu Zeit, unterirdische Wasser ausbrechen.
Ohne den Zusammenhang der soeben genannten Phänomene zu leugnen, scheint es doch ratsam, dem physischen wie dem oryktognostischen Teile der Geognosie eine bestimmtere Sprache zu geben und mit dem Worte Vulkan nicht bald einen Berg zu bezeichnen, der sich in einen permanenten Feuerschlund endigt, bald jegliche unterirdische Ursache vulkanischer Erscheinungen. Im gegenwärtigen Zustande der Erde ist freilich in allen Weltteilen die Form isolierter Kegelberge (die des Vesuvs, des Ätna, des Pics von Teneriffa, des Tunguragua und Cotopaxi) die gewöhnlichste Form der Vulkane; ich habe sie von dem niedrigsten Hügel bis zu 18 000 Fuß Höhe über der Meeresfläche anwachsen sehen. Aber neben diesen Kegelbergen findet man auch permanente Feuerschlünde, bleibende Kommunikationen mit dem Inneren der Erde, auf langgedehnten zackigen Rücken, und zwar nicht einmal immer in der Mitte ihrer mauerartigen Gipfel, sondern am Ende derselben, gegen den Abfall hin: so der Pichincha, der sich zwischen der Südsee und der Stadt Quito erhebt, und den Bouguers früheste Barometerformeln berühmt gemacht haben; so die Vulkane, welche in der zehntausend Fuß hohen Steppe de los Pastos sich erheben. Alle diese Gipfel von mannigfaltigen Gestalten bestehen aus Trachyt, einst Trapp-Porphyr genannt: einem körnigen, rissig-zerklüfteten Gesteine, zusammengesetzt aus Feldspatarten (Labrador, Oligoklas, Albit), Augit, Hornblende und bisweilen eingemengtem Glimmer, ja selbst Quarz. Wo die Zeugen des ersten Ausbruchs, ich möchte sagen das alte Gerüste, sich vollständig erhalten haben, da umgibt die isolierten Kegelberge zirkusartig eine hohe Felsmauer, ein Mantel, aus aufgelagerten Schichten zusammengesetzt. Solche Mauern oder ringförmige Umgebungen heißen Erhebungskrater: eine große, wichtige Erscheinung, über welche der erste Geognost unserer Zeit, Leopold von Buch, dessen Schriften ich auch in dieser Abhandlung mehrere Ansichten entlehne, unserer Akademie vor fünf Jahren eine so denkwürdige Abhandlung vorgelegt hat.
Mit dem Luftkreise durch Feuerschlünde kommunizierende Vulkane, konische Basalthügel und glockenförmige, kraterlose Trachytberge: letztere bald niedrig, wie der Sarcouy, bald hoch, wie der Chimborazo, bilden mannigfaltige Gruppen. Bald zeigt uns die vergleichende Erdkunde kleine Archipele, gleichsam geschlossene Bergsysteme, mit Krater und Lavaströmen in den Kanarischen Inseln und den Azoren, ohne Krater und ohne eigentliche Lavaströme in den Euganeen und dem Siebengebirge bei Bonn; bald beschreibt sie uns Vulkane, in einfachen oder doppelten Ketten aneinandergereiht, viele hundert Meilen lange Züge, entweder der Hauptrichtung der Gebirge parallel, wie in Guatemala, in Peru und Java, oder die Axe der Gebirge senkrecht durchschneidend, wie im tropischen Mexiko. In diesem Lande der Azteken erreichen feuerspeiende Trachytberge allein die hohe Schneegrenze und folgen einem Breitenkreise, wahrscheinlich auf einer Kluft ausgebrochen, die in einer Ausdehnung von 105 geographischen Meilen den ganzen Kontinent, vom Stillen Meer bis zum Atlantischen Ozean, durchschneidet.
Dieses Zusammendrängen der Vulkane, bald in einzelne rundliche Gruppen, bald in doppelte Züge, liefert den entscheidendsten Beweis, daß die vulkanischen Wirkungen nicht von kleinlichen, der Oberfläche nahen Ursachen abhangen, sondern daß sie große, tief begründete Erscheinungen sind. Der ganze östliche, an Metallen arme Teil des amerikanischen Festlandes ist in seinem gegenwärtigen Zustande ohne Feuerschlünde, ohne Trachytmassen, vielleicht selbst ohne Basalt mit Olivin. Alle amerikanischen Vulkane sind in dem Asien gegenüberliegenden Teile vereinigt, in der meridianartig ausgedehnten, 1800 geographische Meilen langen Andeskette.
Auch ist das ganze Hochland von Quito, dessen Gipfel der Pichincha, der Cotopaxi und Tunguragua bilden, ein einziger vulkanischer Herd. Das unterirdische Feuer bricht bald aus der einen, bald aus der andern dieser Öffnungen aus, die man sich als abgesonderte Vulkane zu betrachten gewöhnt hat. Die fortschreitende Bewegung des Feuers ist hier seit drei Jahrhunderten von Norden gegen Süden gerichtet. Selbst die Erdbeben, welche so furchtbar diesen Weltteil heimsuchen, liefern merkwürdige Beweise von der Existenz unterirdischer Verbindungen: nicht bloß zwischen vulkanlosen Ländern, was längst bekannt ist, sondern auch zwischen Feuerschlünden, die weit voneinander entfernt liegen. So stieß der Vulkan von Pasto, östlich vom Flusse Guaytara, drei Monate lang im Jahr 1797 ununterbrochen eine hohe Rauchsäule aus; die Säule verschwand in demselben Augenblick, als 60 Meilen davon das große Erdbeben von Riobamba und der Schlammausbruch der Moya dreißig- bis vierzigtausend Indianer töteten.