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Schmalheit der vielfach eingeschnittenen Feste in der nördlichen Tropengegend, wo eine flüssige Grundfläche der Atmosphäre einen minder warmen aufsteigenden Luftstrom darbietet; weite Ausdehnung gegen beide beeiste Pole hin; ein freier Ozean, über den die tropischen kühleren Seewinde wegblasen; Flachheit der östlichen Küsten; Ströme kalten Meereswassers aus der antarktischen Region, welche, anfänglich von Südwest nach Nordost gerichtet, unter dem Parallelkreis von 35° südlicher Breite an die Küste von Chili anschlagen und an den Küsten von Peru bis zum Cap Pariña nördlich vordringen, sich dann plötzlich gegen Westen wendend; die Zahl quellenreicher Gebirgsketten, deren schneebedeckte Gipfel weit über alle Wolkenschichten emporstreben und an ihrem Abhange herabsteigende Luftströmungen veranlassen; die Fülle der Flüsse von ungeheurer Breite, welche nach vielen Windungen stets die entfernteste Küste suchen; sandlose und darum minder erhitzbare Steppen; undurchdringliche Wälder, welche, den Boden vor den Sonnenstrahlen schützend oder durch ihre Blattflächen wärmestrahlend, die flußreiche Ebene am Äquator ausfüllen und im Innern des Landes, wo Gebirge und Ozean am entlegensten sind, ungeheure Massen teils eingezogenen, teils selbsterzeugten Wassers aushauchen: – alle diese Verhältnisse gewähren dem flachen Teile von Amerika ein Klima, das mit dem afrikanischen durch Feuchtigkeit und Kühlung wunderbar kontrastiert. In ihnen allein liegt der Grund jenes üppigen, saftstrotzenden Pflanzenwuchses, jener Frondosität, welche der eigentümliche Charakter des Neuen Kontinents ist.
Wird daher eine Seite unsers Planeten luftfeuchter als die andere genannt, so ist die Betrachtung des gegenwärtigen Zustandes der Dinge hinlänglich, das Problem dieser Ungleichheit zu lösen. Der Physiker braucht die Erklärung solcher Naturerscheinungen nicht in das Gewand geologischer Mythen zu hüllen. Es bedarf der Annahme nicht, als habe sich auf dem uralten Erdkörper in der östlichen und westlichen Hemisphäre ungleichzeitig geschlichtet der verderbliche Streit der Elemente; oder als sei aus der chaotischen Wasserbedeckung Amerika später als die übrigen Weltteile hervorgetreten, ein sumpfreiches, von Krokodilen und Schlangen bewohntes Eiland.
Allerdings hat Südamerika, nach der Gestalt seines Umrisses und der Richtung seiner Küsten, eine auffallende Ähnlichkeit mit der südwestlichen Halbinsel des alten Kontinents. Aber innere Struktur des Bodens und relative Lage zu den angrenzenden Ländermassen bringen in Afrika jene wunderbare Dürre hervor, welche in unermeßlichen Räumen der Entwickelung des organischen Lebens entgegensieht. Vier Fünfteile von Südamerika liegen jenseits des Äquators: also in einer Hemisphäre, welche wegen der größeren Wassermenge und wegen mannigfaltiger anderer Ursachen kühler und feuchter als unsre nördliche Halbkugel ist. Dieser letzteren gehört dagegen der beträchtlichere Teil von Afrika zu.
Die südamerikanische Steppe, die Llanos, haben, von Osten gegen Westen gemessen, eine dreimal geringere Ausdehnung als die afrikanischen Wüsten. Jene empfangen den tropischen Seewind, diese, unter einem Breitenzirkel mit Arabien und dem südlichen Persien gelegen, werden von Luftschichten berührt, die über heiße, wärmestrahlende Kontinente hinwehen. Auch hat bereits der ehrwürdige, langverkannte Vater der Geschichte, Herodot, im echten Sinn einer großen Naturansicht alle Wüsten in Nordafrika, in Yemen, Kerman und Mekran (der Gedrosia der Griechen), ja bis Multan in Vorderindien hin als ein einziges zusammenhängendes Sandmeer geschildert.
Zu der Wirkung heißer Landwinde gesellt sich in Afrika, so weit wir es kennen, noch der Mangel an großen Flüssen, an Wasserdampf aushauchenden, kälteerregenden Wäldern und hohen Gebirgen. Mit ewigem Eise bedeckt ist bloß der westliche Teil des Atlas, dessen schmales Bergjoch, seitwärts gesehen, den alten Küstenfahrern wie eine einzeln stehende luftige Himmelsstütze erschien. Östlich läuft das Gebirge bis gegen Dakul hin, wo, jetzt in Schutt versunken, das meergebietende Karthago lag. Als langgedehnte Küstenkette, als gätulische Vormauer, hält es die kühlen Nordwinde und mit ihnen die aus dem Mittelmeere aufsteigenden Dämpfe zurück.
Über die untere Schneegrenze erhaben dachte man sich einst das Mondgebirge, Djebel al-Komr, von welchem man fabelte, daß es einen Bergparallel zwischen dem afrikanischen Quito, der hohen Ebene von Habesch, und den Quellen des Senegal bilde. Selbst die Kordillere von Lupata, die sich an der östlichen Küste von Mozambique und Monomotapa, wie die Andeskette an der westlichen Küste von Peru, hinzieht, ist in dem goldreichen Machinga und Mocanga mit ewigem Eise bedeckt. Aber diese wasserreichen Gebirge liegen weit entfernt von der ungeheuren Wüste, welche sich von dem südlichen Abfall des Atlas bis an den östlich fließenden Niger erstreckt.
Vielleicht wären alle diese aufgezählten Ursachen der Dürre und Wärme nicht hinlänglich, so beträchtliche Teile der afrikanischen Ebenen in ein furchtbares Sandmeer zu verwandeln, hätte nicht irgendeine Naturrevolution, z. B. der einbrechende Ozean, einst diese flache Gegend ihrer Pflanzendecke und der nährenden Dammerde beraubt. Wann diese Erscheinung sich zutrug, welche Kraft den Einbruch bestimmte, ist tief in das Dunkel der Vorzeit gehüllt. Vielleicht war sie Folge des großen Wirbels, welcher die wärmeren mexikanischen Gewässer über die Bank von Neufundland an den alten Kontinent treibt und durch welchen westindische Kokosnüsse und andere Tropenfrüchte nach Irland und Norwegen gelangen. Wenigstens ist ein Arm dieses Meeresstroms noch gegenwärtig von den Azoren an gegen Südosten gerichtet und schlägt, dem Schiffer Unheil bringend, an das westliche Dünenufer von Afrika. Auch zeigen alle Meeresküsten (ich erinnere an die peruanischen zwischen Amotape und Coquimbo), wie Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende, vergehen, bevor in heißen regenlosen Erdstrichen, wo weder Lecideen noch andere Flechten keimen, der bewegliche Sand den Kräuterwurzeln einen sicheren Standort zu gewähren vermag.
Diese Betrachtungen genügen, um zu erklären, warum, trotz der äußern Ähnlichkeit der Länderform, Afrika und Südamerika doch die abweichendsten klimatischen Verhältnisse, den verschiedensten Vegetationscharakter darbieten. Ist aber auch die südamerikanische Steppe mit einer dünnen Rinde fruchtbarer Erde bedeckt, wird sie auch periodisch durch Regengüsse getränkt und dann mit üppig aufschießendem Grase geschmückt, so hat sie doch die angrenzenden Völkerstämme nicht reizen können, die schönen Bergtäler von Caracas, das Meeresufer und die Flußwelt des Orinoco zu verlassen, um sich in dieser baum- und quellenleeren Einöde zu verlieren. Daher ward die Steppe bei der Ankunft europäischer und afrikanischer Ansiedler fast menschenleer gefunden.
Allerdings sind die Llanos zur Viehzucht geeignet; aber die Pflege milchgebender Tiere war den ursprünglichen Einwohnern des Neuen Kontinents fast unbekannt. Kaum wußte einer der amerikanischen Völkerstämme die Vorteile zu benutzen, welche die Natur auch in dieser Hinsicht ihnen dargeboten hatte. Die amerikanische Menschenrasse (eine und dieselbe von 65° nördlicher bis 55° südlicher Breite, die Eskimos etwa abgerechnet) ging vom Jagdleben nicht durch die Stufe des Hirtenlebens zum Ackerbau über. Zwei Arten einheimischer Rinder weiden in den Grasfluren von Westkanada, in Quivira, wie um die kolossalen Trümmer der Aztekenburg, welche (ein amerikanisches Palmyra) sich verlassen in der Einöde am Gila-Flusse erhebt. Ein langhörniges Mufflon, ähnlich dem sogenannten Stammvater des Schafes, schwärmt auf den dürren und nackten Kalkfelsen von Kalifornien umher. Der südlichen Halbinsel sind die Vicuñas, Huanacos, Alpacas und Lamas eigentümlich. Aber von diesen nutzbaren Tieren haben nur die ersten zwei Jahrtausende lang ihre natürliche Freiheit bewahrt. Genuß von Milch und Käse ist, wie der Besitz und die Kultur mehlreicher Grasarten, ein charakteristisches Unterscheidungszeichen der Nationen des alten Weltteils.
Sind daher von diesen einige Stämme durch das nördliche Asien auf die Westküste von Amerika übergegangen, und haben sie, kälteliebend, den hohen Andesrücken gegen Süden verfolgt, so muß diese Wanderung auf Wegen geschehen sein, auf welchen weder Herden noch Zerealien den neuen Ankömmling begleiten konnten. Sollte vielleicht, als das lang erschütterte Reich der Hiongnu zerfiel, das Fortwälzen dieses mächtigen Stammes auch im Nordosten von China und Korea Völkerzüge veranlaßt haben, bei denen gebildete Asiaten in den Neuen Kontinent übergingen? Wären diese Ankömmlinge Bewohner von Steppen gewesen, in denen Ackerbau nicht betrieben wird, so würde diese gewagte, durch Sprachvergleichung bisher wenig begünstigte Hypothese wenigstens den auffallenden Mangel der eigentlichen Zerealien in Amerika erklären. Vielleicht landete an den Küsten von Neu-Kalifornien, durch Stürme verschlagen, eine von jenen asiatischen Priesterkolonien, welche mystische Träumereien zu fernen Seefahrten veranlaßten und von denen die Bevölkerungsgeschichte von Japan zur Zeit der Thsinschi-huang-ti ein denkwürdiges Beispiel liefert.
Blieb demnach das Hirtenleben, diese wohltätige Mittelstufe, welche nomadische Jägerhorden an den grasreichen Boden fesselt und gleichsam zum Ackerbau vorbereitet, den Urvölkern Amerikas unbekannt, so liegt in dieser Unbekanntschaft selbst der Grund von der Menschenleere der südamerikanischen Steppen. Um so freier haben sich in ihr die Naturkräfte in mannigfaltigen Tiergestalten entwickelt: frei, und nur durch sich selbst beschränkt, wie das Pflanzenleben in den Wäldern am Orinoco, wo der Hymenäe und dem riesenstämmigen Lorbeer nie die verheerende Hand des Menschen, sondern nur der üppige Andrang schlingender Gewächse droht. Agutis, kleine buntgefleckte Hirsche, gepanzerte Armadille, welche rattenartig den Hasen in seiner unterirdischen Höhle aufschrecken, Herden von trägen Chiguiren, schön gestreifte Viverren, welche die Luft verpesten, der große ungemähnte Löwe, buntgefleckte Jaguars (meist Tiger genannt), die den jungen selbsterlegten Stier auf einen Hügel zu schleppen vermögen. – diese und viele andere Tiergestalten durchirren die baumlose Ebene.
Fast nur ihnen bewohnbar, hätte sie keine der nomadischen Völkerhorden, die ohnedies (nach asiatisch-indischer Art) die vegetabilische Nahrung vorziehen, fesseln können, stände nicht hier und da die Fächerpalme, Mauritia, zerstreut umher. Weit berühmt sind die Vorzüge dieses wohltätigen Lebensbaumes. Er allein ernährt am Ausflusse des Orinoco, nördlich von der Sierra de Imataca, die unbezwungene Nation der Guaraunen. Als sie zahlreicher und zusammengedrängt waren, erhoben sie nicht bloß ihre Hütten auf abgehauenen Palmenpfosten, die ein horizontales Tafelwerk als Fußboden trugen, sie spannten auch (so geht die Sage) Hängematten, aus den Blattstielen der Mauritia gewebt, künstlich von Stamm zu Stamm, um in der Regenzeit, wenn das Delta überschwemmt ist, nach Art der Affen auf den Bäumen zu leben. Diese schwebenden Hütten wurden teilweise mit Letten bedeckt. Auf der feuchten Unterlage schürten die Weiber zu häuslichem Bedürfnis Feuer an. Wer bei Nacht auf dem Flusse vorüberfuhr, sah die Flammen reihenweise auflodern, hoch in der Luft, von dem Boden getrennt. Die Guaraunen verdanken noch jetzt die Erhaltung ihrer physischen und vielleicht selbst ihrer moralischen Unabhängigkeit dem lockeren, halbflüssigen Moorboden, über den sie leichtfüßig fortlaufen, und ihrem Aufenthalt auf den Bäumen: einer hohen Freistatt, zu der religiöse Begeisterung wohl nie einen amerikanischen Styliten leiten wird.
Aber nicht bloß sichere Wohnung, auch mannigfaltige Speise gewährt die Mauritia. Ehe auf der männlichen Palme die zarte Blütenscheide ausbricht, und nur in dieser Periode der Pflanzenmetamorphose enthält das Mark des Stammes ein sagoartiges Mehl, welches, wie das Mehl der Jatrophawurzel, in dünnen brotähnlichen Scheiben gedörrt wird. Der gegorne Saft des Baums ist der süße, berauschende Palmwein der Guaraunen. Die engschuppigen Früchte, welche rötlichen Tannenzapfen gleichen, geben, wie Pisang und fast alle Früchte der Tropenwelt, eine verschiedenartige Nahrung: je nachdem man sie nach völliger Entwicklung ihres Zuckerstoffes oder früher, im mehlreichen Zustande, genießt. So finden wir auf der untersten Stufe menschlicher Geistesbildung (gleich dem Insekt, das auf einzelne Blütenteile beschränkt ist) die Existenz eines ganzen Völkerstammes an fast einen einzigen Baum gefesselt.
Seit der Entdeckung des Neuen Kontinents sind die Ebenen (Llanos) dem Menschen bewohnbar geworden. Um den Verkehr zwischen der Küste und der Guyana (dem Orinoco-Lande) zu erleichtern, sind hier und da Städte an den Steppenflüssen erbaut. Überall hat Viehzucht in dem unermeßlichen Raume begonnen. Tagereisen voneinander entfernt liegen einzelne, mit Rindsfellen gedeckte, aus Schilf und Riemen geflochtene Hütten. Zahllose Scharen verwilderter Stiere, Pferde und Maulesel (man schätzte sie zur friedlichen Zeit meiner Reise noch auf anderthalb Millionen Köpfe) schwärmen in der Steppe umher. Die ungeheure Vermehrung dieser Tiere der alten Welt ist um so bewundernswürdiger, je mannigfaltige die Gefahren sind, mit denen sie in diesen Erdstrichen zu kämpfen haben.