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Wenn zum menschlichen Haupte den Hals des Rosses ein Maler Fügen wollt' und die rings zusammengetragenen Glieder Bunt mit verschiedener Feder umziehn, daß garstig geschwärzet Auslief' unten zum Fische das Weib, liebreizend von oben: |
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5 | Als Zuschauer gestellt, enthieltet ihr, Freund', euch des Lachens?
Glaubt mir, edle Pisonen, es ähnele solchem Gemälde |
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10 | Übeten, alles zu wagen, von jeher gleiche Befugnis.«
Wohl uns bekannt; wir erbitten, so gern wir gewähren, die Nachsicht. Einem erhabenen oft und vielversprechenden Eingang |
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15 | Wird aus Purpurgewand, das weithin glänze, mitunter Angenähet ein Streif: wann Hain und Altar der Diana, Und des beschleunigten Bachs Umlauf durch lachende Felder, Oder der strömende Rhein und ein Regenbogen gemalt wird. Doch jetzt war nicht hierzu der Ort. Die Cypresse zu schildern |
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20 | Weißt du vielleicht. Was dieses, wenn hoffnungslos aus dem Schiffbruch Schwimmt der Mann, der das Täflein bedung? Ein gewaltiger Krug ward Angelegt; um rollet die Scheib', und was wird es? Ein Tröpflein. Sei, was immer du schaffst, nur gleich sich selber, ein Ganzes. Alle wir Sänger beinah, o Vater und würdige Söhn' ihr, |
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25 | Werden getäuscht vom Scheine der Tugenden. Kürze begehr' ich, Und ich verirr' in das Dunkel; dem mühsamen Glätter versaget Nerv' und belebender Geist; wer groß sich gebärdete, schwillt auf; Niedrig kriecht, wer zu ängstlich Gefahr vermeidet und Sturmwind; Wer den einigen Stoff höchstwunderbar strebt zu verändern, |
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30 | Malt den Delphin in die Wälder hinein, in die Fluten den Eber. Scheu des Fehls ist zum Fehle die Führerin, warnet die Kunst nicht. Um des Ämilius Schul' ist der unterste Künstler in Nägeln Ausdrucksvoll und in sanftem aus Erz vorschwellendem Haupthaar; Doch unglücklich im Wesen des Werks: denn zu ordnen ein Ganzes |
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35 | Weiß er nicht. Ihm gleichen, wenn ich was fertigen wollte, Möcht' ich fürwahr so wenig, wie gehn mit scheußlicher Nase, Als Schwarzäugiger sonst und Schwarzumlockter gepriesen. Wählt die Materie wohl, die gleich sei eueren Kräften, |
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40 | Was die Schulter vermag. Wer den Stoff nach Vermögen sich auskor, Diesem mangelte nie Ausdruck noch leuchtende Ordnung. Dies ist der Ordnung Verdienst und Grazie, wenn ich nicht irre, |
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Auch in der Worte Gebrauch vorsichtig zugleich und enthaltsam, |
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50 | Dann sei, Worte zu bilden, wie kein Altvater sie hörte, Gerne vergönnt; nur werde bescheiden genutzt die Erlaubnis. Gunst auch findet ein junges und neu aufkommendes Wort, wenn's Griechischen Quellen entsprang, sanft abgebeuget. Wie aber? Was dem Cäcil und Plautus erlaubt ist, soll's dem Vergil nicht |
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55 | Oder dem Varius sein? Wenn mir zu erwerben ein wenig Glückt, was sehen sie scheel? da Catos und Ennius Zunge Doch die Sprache der Väter bereicherte und den Gedanken Neuere Namen erfand! Frei war's, frei bleibt es auf ewig, Auszugeben ein Wort, mit dem heutigen Stempel gepräget. |
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60 | So wie die Wälder das Laub mit den flüchtigen Jahren verändern, Voriges welkt, so vergehn absterbender Worte Geschlechter, Und gleich Jünglingen blühn die neugebornen voll Lebens. Sind wir doch schuldig dem Tod uns selbst und das Unsrige: ob nun, Dringend ins Land, Neptunus vor Sturm die Fregatten verteidigt, |
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65 | Königeswerk! ob der Sumpf, unfruchtbar lang' und berudert, Nährt anwohnende Städt' und den Druck empfindet des Pfluges, Ob auch den Lauf umwandte der Strom vom Verderben der Landfrucht, Lernend die bessere Bahn. Was Sterbliche schufen, vergehet: Und fort blüheten Sprachen in Ehr' und dauernder Anmut? |
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70 | Vieles erwächst von neuem, was schon abdorrte; verdorrend Sinken die jetzt ehrhaften Benennungen, wenn's der Gebrauch will, Welcher mit Macht und Befehl und Entscheidungen waltet des Redens. Traurige Krieg' und Thaten der Könige und der Gebieter, Welcherlei Maß und Bewegung sie forderten, zeigte Homerus. |
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75 | Wehmut klagte zuerst in dem ungleich wandelnden Verspaar; Bald auch tönte darin das Gefühl des beseligten Wunsches. Welcher Erfinder indes kleinlaut als Elegiker auftrat: Eifrig führen den Streit die Grammatiker, und das Gericht säumt. Wut erteilte zur Wehr dem Archilochos seinen Jambus. |
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80 | Diesen nahm auch der Soccus zum Fuß und der hohe Kothurnus: Weil er dem Wechselgespräch sich schmiegete und des Theaters Lärmende Menge bezwang, wie gemacht für raschere Handlung. Götter verlieh der Guitarr' und Göttersöhne die Muse, Siegende Kämpfer der Faust, und das Roß, das gewonnen im Wettlauf, |
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85 | Auch der Jünglinge Sorg', und entfesselnden Wein zu besingen.
Jedes verschieden Gedichts Tonart und Farbe zu treffen, Nicht im tragischen Vers will gezeigt sein komische Handlung. |
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90 | Ebenso sträubt unwillig sich häuslichen und zu dem Soccus Fast hinsinkenden Tönen das blutige Mahl des Thyestes. Jedes behaupte den Ort, wie das Los ihn teilte, mit Anstand. Oft auch hebet indes die Komödie höher die Stimme: Und es vertont ein Chremes mit vollerem Munde den Eifer. |
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95 | Auch der Tragiker klagt manchmal in der Rede des Umgangs. Telephus traun und Peleus, in Armut jetzt und Verbannung, Wirft Luftblasen hinweg und die zweithalbfüßigen Wörter, Ist es ihm Ernst, durch Klage des Schauenden Herz zu bewegen, Nicht ist genug, daß schön ein Gedicht sei, lieblich verlang' ich's, |
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100 | Und daß, wohin es auch woll', es die Seel' hinreiße des Hörers.
Wie mit den Lachenden lacht, also auch den Weinenden folget |
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105 | Werden wir bald angähnen und bald anlachen. Betrübt sei, Trauert die Mien', auch das Wort; zur zornigen, schwell' es von Drohung; Zur mutwilligen, scherz' es; und sei zur finsteren ernsthaft. Denn uns bildet zuvor die Natur inwendig so vielfach, Als abwechselt das Glück: sie belustiget, stürmet in Wut auf, |
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110 | Oder sie beugt zur Erde mit lastendem Kummer und ängstigt, Und dann heißt sie die Zunge der Seele Bewegungen kundthun. Wenn zu des Redenden Lag' und Geschick das Geredete nicht stimmt, Ringsum hebt Roms Ritter und Roms Fußvolk ein Gelächter. Vieles verschlägt's, ob ein Gott sei der Redende oder ein Heros; |
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115 | Ob wen Alter gereift, ob er noch von blühender Jugend Braus'; ob stolze Matron' auftret', ob geschäftige Amme; Ob weitschweifender Krämer, ob Wirt des befruchteten Gütchens; Kolchier, oder Assyrer; ob Theben, ob Argos ihn aufzog. Folge dem fabelnden Ruf, sonst dichte dir, was sich verträget. |
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120 | Stellst du dar von neuem den hochgepries'nen Achilles, Feurigen Muts, jähzornig, ein unerbittlicher Rächer, Sag' er der Rechte sich los; nichts bleib' unertrotzt mit dem Schwerte. Frech sei Medea gesinnt, unerschütterlich; weinerlich Ino, Io gescheucht, Ixion verräterisch, finster Orestes. |
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125 | Wenn du der Bühn' Unversuchtes vertraun willst und zur Erschaffung Einer neuen Person dich erkühnst, laß völlig sie ausgehn, Wie sie zuerst auftrat, und gieb ihr Bestand mit sich selber. Schwer ist's, eigene Wesen aus Allgemeinem zu bilden, Ratsamer denn, du webst aus der ilischen Sage die Handlung, |
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130 | Als wenn bisher Unerhörtes zuerst aufstellen du wolltest. Stoff, der öffentlich war, wird eigene Habe, wofern du Weder im wimmelnden Raume des Alltagskreises dich umtreibst, Noch dem Worte sein Wort zu geben dich quälst, ein getreuer Dolmetsch, noch in die Enge, genau nachahmend, hinabspringst, |
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135 | Wo zu rühren den Fuß hier Scham, hier Regel des Werks hemmt.
Auch nicht also beginn, wie dereinst der cyklische Dichter: |
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140 | Wie weit löblicher er, der nichts anhebet mit Unschick: »Sage mir, Muse, vom Manne, der einst, als Troja zerstört war, Vieler sterblichen Menschen Gebräuch' und Städte gesehen.« Nicht uns Rauch aus Glanz, nein Glanz aus dem Rauche zu geben, Trachtet er; daß er darauf hellstrahlende Wunder enthülle: |
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145 | Scylla, samt den Cyklopen, Antiphates auch und Charybdis. Nicht Diomeds Heimfahrt beginnt er vom Tod Meleagers, Noch den trojanischen Krieg vom Zwillingseie der Leda. Immer zum Ausgang eilet er fort und hinein in die Sachen, Gleich als kennte sie jeder, zieht hin er den Hörenden; und was |
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150 | Durch die Behandlung sich stäubt hervorzuglänzen, verläßt er. Und so täuscht er mit Lug, so menget er Wahres und Falsches, Daß zum Ersten die Mitte, zur Mitt' einstimme das Ende. Du, was ich und das Volk samt mir begehre, vernimm jetzt. |
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155 | Und fort sitzt, bis der Spieler sein »Klatsch in die Hände!« daherruft, Zeichne du jeglichem Alter genau die Sitten und sorgsam Gieb der beweglichen Jahr' unsteter Natur, was geziemet. Weiß schon lallend das Kind zu verständigen und mit gewissem |
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160 | Oder entsaget dem Zorn um nichts und verändert sich stündlich.
Ein unbärtiger Jüngling, befreit nun endlich von Aufsicht, |
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165 | Hohen Muts und begierig und rasch, was er liebt, zu verlassen.
Andere Neigungen heget der Sinn des männlichen Alters: Endlich den Greis umringt viel Ungemächliches: teils weil |
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170 | Kargend er stets das Erkargte sich aufspart und den Gebrauch scheut; Teils weil jedes Geschäft er furchtsam treibt und mit Kälte, Zauderer, weit forthoffend, entnervt und Künftiges haschend, Schwierig und grämlichen Sinns, Lobredner vergangener Zeiten, Als er Knabe noch war, Zuchtmeister entarteter Jugend. |
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175 |
Viel Annehmliches bringen die kommenden Jahre des Lebens, Bald geschieht in der Scen' und bald wird erzählet die Handlung, |
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180 | Schwächeren Eindruck macht auf das Herz, was durch das Gehör kam, Als was den Augen erscheint, den erprobeten Zeugen, und was sich Selbst der Schauende sagt. Doch zeige du nicht auf der Bühne, Was anständiger drinnen geschieht, und enthebe den Augen Manches, das bald anmelde Beredsamkeit, welche dabei war. |
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185 | Nicht vor dem Volk sei Medea die Mörderin eigener Kinder, Noch koch' öffentlich Menschengeweid' ein entsetzlicher Atreus, Auch nicht wandele Prokne zum Vogel sich, Kadmus zur Schlange. Was du mir so vorführst, hinweg! ungläubig veracht' ich's. In fünf Akte geteilt, nicht weniger noch mehr, sei das Schauspiel, |
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190 | Welches verlangt sein will, und geschaut und von neuem geschauet. Rette kein Gott, wo nicht ein rettungswürdiger Knoten Eintrat. Dränge sich nie die vierte Person zum Gespräche. Ein Mithandelnder werde der Chor und übe des Mannes |
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195 | Was nicht völlig dem Zweck antwort' und genau sich verbinde, Er sei Redlichen hold und helfe mit freundlichem Rate, Lenke den Zorn und liebe zu sänftigen Stürme des Herzens; Er auch lobe die Tafel der Mäßigkeit, er die Verwaltung Heilsamer Recht' und Gesetz' und die Ruh' in offenen Thoren. |
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200 | Fest bewahr' er Vertrautes und fleh' anbetend den Göttern, Daß zu dem Elend kehre das Glück und scheide vom Hochmut. Nicht war die Tibie sonst mit Metalle gefügt, und Drommeten |
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205 | Füllte noch nicht mit Atem zu dicht gedrängete Sitze, Wo traun zählbares Volk sich versammelte, weil es so klein noch, Als haushälterisch war, und eingezogen und schamhaft. Aber sobald es sein Land siegreich ausdehnte, die Stadt auch Neu mit erweiterter Mauer umgab und an stattlichen Festen |
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210 | Freier des Genius pflegte mit Wein in der Mitte des Tages, Jetzo gewann Tonmaß und Musik machtvolleren Spielraum. Welches Gefühl denn versprach der Naturmensch, rastend von Arbeit. Landbewohner und Städter gemengt, Unedler und Edler? So gab grauender Kunst mehr Schwung und üppigen Zierat, |
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215 | Wer die Tibie blies, und schleppt' auf der Bühne sein Prachtkleid. So auch wuchs an Saitengetön' die ernste Guitarre, Und es erhub ungewöhnlich den Laut das stürmische Chorlied: Voll tiefsinniger Worte des Heils, vorahnend die Zukunft, Scholl sein lehrender Spruch dem prophetischen Delphi nicht ungleich. |
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220 | Wer im tragischen Spiel wettkämpft' um den niedrigen Geißbock, Ländliche Satyre bald auch dazu entblößt er, und beißend, Unter gehaltenem Ernst, versucht' er Scherze: darum weil Durch anziehenden Reiz und liebliche Neuheit gelockt sein Mußte das Volk, ausruhend vom Fest, und berauscht und gesetzlos. |
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225 | Doch so werde der Spott, so uns das Gelächter des Satyr- Schwarmes empfehlbar gemacht, so Ernst mit Scherzen gewechselt, Daß nicht jeglicher Gott und jeglicher Heros, der mitspielt, Wann er königlich eben in Gold herwandelt' und Purpur, Jetzt mit niedriger Sprach' abirr' in die Buden des Pöbels, |
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230 | Oder, zu meiden den Staub, in Gewölk sich schwing und in Leerheit. Zu leichtfertigen Späßen versinkt die Tragödie niemals, Gleich der edelen Frau, die genötiget tanzet am Festtag, Tritt sie ein wenig verschämt in der Satyre derbe Gesellschaft. Nicht schmucklose Benennung allein und herrschende Worte |
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235 | Sucht' ich mit Lieb', o Pisonen, wenn Satyrspiel ich verfaßte, Noch arbeitet' ich so von tragischer Farbe hinweg mich, Daß es um nichts abfiel', ob Davus spräch' und die dreiste Pythias, die ein Talent abzapft dem geprellten Simon, Oder des Pfleglingsgottes begleitender Hirte Silenus. |
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240 | Aus dem Bekanntesten sucht' ich mein Werk zu bilden, daß jeder Hoffte dasselbe zu thun; viel schwitzt' und umsonst sich zerquälte, Wenn er dasselbe gewagt: so wirkt Anreihung und Bindung; So wird edel ein Wort aus täglichem Leben und glanzvoll. Hüten sich wohl, urteil' ich, dem Wald' entstiegene Faune, |
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245 | Daß sie nicht, wie Geborne der Weg' und beinahe des Marktes, Bald in zu artigen Versen der städtischen Flatterer tändeln, Bald Unsauberes tönen und ehrenkränkende Schmähung. Denn beleidiget wird, wer Roß und Vater und Gut hat: Und was dem Käufer der Nüsse behagt und gerösteter Kichern, |
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250 | Hört nicht jener sogleich mit Geduld noch windet ihm Kränze.
Läng' an Kürze gestellt, der Fuß wird Jambus genennet, |
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255 | Daß, langsamen Gangs, er gewichtvoll nahte den Ohren, Festen Spondeen zugleich Aufnahm' in sein väterlich Erbreich, Willig und duldsamen Sinns, nicht daß er die zweite der Stellen Oder die viert' als Genoß einräumete. Hier auch, wie sparsam Zeigt ihn des Accius Vers, und des Ennius, jener berühmte. |
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260 | Wenn ein Trimeter so lastvoll herschreitet im Schauspiel; Hastige Eil' entweder und zu nachlässige Arbeit Strafet er, oder der Kunst Unwissenheit schmählich mit Vorwurf. Nicht ein jeder erkennt schlechtklingende Verse, wer urteilt, |
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265 | Soll ich darum ausschweifen und wild hinschreiben? ob all' auch Schaueten, wo ich gefehlt, sorglos, und nur in Erwartung Milden Verzeihns vorsichtig? Gemieden zwar hab' ich den Tadel, Doch kein Lob mir verdient. Ihr sollt die griechischen Muster Stets in der Nacht aufrollen und stets aufrollen des Tages. |
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270 | »Unsere Ahnen jedoch lobpreisten immer des Plautus Vers nicht minder wie Witz.« Zu duldsam beides bewundernd, Um nicht zu sagen, verkehrt; wofern wir wissen, ich selbst und Ihr, unstädtischen Witz vom feingeschliffnen zu sondern, Und wir geregelten Klang mit Ohr abmessen und Fingern. |
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275 |
Neu erfand, wie man sagt, das Gedicht der tragischen Muse |
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280 | Und großartige Red' angab, samt hohem Kothurngang. Bald nun folgte die alte Komödie, nicht ungebilligt, Noch ungelobt. Doch die Freiheit entartete frech, und Gewaltthat Forderte strenges Gesetz; das Gesetz ward gültig, und siehe, Schmählich verstummte der Chor, nach genommenem Rechte zu schaden. |
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285 |
Nichts auch haben bei uns unversucht gelassen die Dichter, |
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290 | Latium, als durch Sprache, wenn nicht anekelte jeden Unserer Dichter der Feile Geduld und Emsigkeit. Ihr sollt, O pompilisches Blut, ein Gedicht mißbilligen, das nicht Mancher Tag, manch tilgender Zug ausbesserte, ja und Glättete wohl zehnmal bis zum sanft hingleitenden Nagel. |
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295 |
Weil das Talent weit höher Demokritus schätzt als den armen |
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300 | Wenn er das drei Anticyren selbst unheilbare Haupt nie Licinus unsrem Barbier vertrauete. O ich Verkehrter, Der ich mit jeglichem Lenz mich reinigen lasse von Galle! Traun kein anderer schüf' euch bessere Verse! Doch gilt mir's So viel nicht. Drum werd' ich des Schleifsteins Stelle vertreten, |
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305 | Welcher den Stahl scharf wetzet, er selbst unkundig des Schneidens. Amt und Pflichten des Amts, auch selbst nicht schreibend, erklär' ich: Wo man den Stoff hernehme; was nähr' und bilde den Dichter; Was sich gezieme, was nicht; wie Trefflichkeit leite, wie Irrtum. Trachtest du wohl zu schreiben; erkenn'! ist Regel und Urquell. |
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310 | Stoff kann dir aus dem Schatze sokratischer Blätter sich aufthun; Worte dann folgen dem Stoffe, dem vorbedachten, nicht ungern. Wer, was Freunden gebühr' und dem Vaterlande, gelernt hat, |
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315 | Was, der den Feind abwehret, dem Feldherrn: dieser in Wahrheit Weiß jedweder Person die geziemende Rolle zu geben. Stell' auch thätiges Leben dem Blick und Sitten zum Vorbild, |
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320 | Ohne Gewicht und Kunst und leer einschmeichelnder Anmut, Schafft nachdrücklicher Freude dem Volk und behagliche Kurzweil, Als ein Gedicht von Sachen entblößt, und eiteler Klingklang. Euch hat, Griechen, den Geist, euch hat den gerundeten Ausdruck |
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325 | Aber der römische Knabe, geübt in unendlicher Rechnung, Kann durch Brüch' ein Ganzes zerstreun in die Hunderte. »Sag' uns Doch das Söhnchen Albins: man hat fünf Unzen und hebet Eine davon; was bleibt? Nur heraus! du weißt es.« – Ein Drittel. – »Bravo! du sollst wohl schützen dein Gut! und die eine dazu, was |
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330 | Wird es?« – Ein Halb. – Hat so anrostende Sorge des Sparguts Einmal die Seelen getränkt, wie lassen Gedichte sich hoffen, Würdig des Cedernöls und zu ruhn im cypressenen Schreine? Bald auf Nützliches schaut und bald auf Vergnügen der Dichter; |
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335 | Was du auch anempfiehlst, kurz fasse dich, daß das Gesagte Rasch der gelehrige Geist erfass' und behalte getreulich. Alles, was überladet, entrinnt dem gefüllten Herzen. Wenn zur Belustigung bloß du dichtetest, grenz' es an Wahrheit, Daß nicht, was sie nur wolle, geglaubt verlange die Fabel, |
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340 | Noch aus der Lamia Bauch vorzieh' ein gefressenes Knäblein. Greisende Zünfte verschmähn, was leer herzlabender Frucht ist: Allzu herben Gedichten entflieht hochfahrende Jugend. Jegliche Stimme gewann, wer Frommendes mischte zum Holden, Wann er den Leser zugleich aufheiterte und ihn ermahnte. |
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345 | Solch ein Werk trägt Gelder den Sosiern, über das Meer auch Geht es und weithin bringt's dem gepriesenen Meister den Nachruhm. Doch sind einige Fehler, die wir zu verzeihen geneigt sind. |
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350 | Auch nicht trifft beständig, wohin er drohte, der Bogen. Nein wo mehreres glänzt in Dichtungen, sei's mir kein Ärger, Wenige Flecken zu sehn, die teils Sorglosigkeit ausgoß, Und teils Menschennatur nicht ganz verhütete. Nun denn? So wie der Buchabschreiber, der stets dasselbige fehlet, |
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355 | Häufig gewarnt, leer ist der Entschuldigung: so wie der Lautner Lachen erregt, der ewig dieselbe Saite vergreifet; So wird mir, wer zu oft hinträumt, ein Chörilus endlich, Den, ist mitunter er gut, ich lachend bewundere, wieder Unmutsvoll, wenn einmal einnickte der Meister Homerus. |
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360 | Doch beim längeren Werk ist vergönnt anwandelnder Schlummer.
Wie ein Gemäld' ist manches Gedicht, das, stellst du dich näher, |
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365 | Dieses gefällt einmal; das, siehst du es zehnmal, gefällt noch.
Ältester du der Gebrüder, obschon dich des warnenden Vaters |
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370 | Jenes mittleren Schlags, bleibt freilich entfernt von Messalas Rednergewalt, nicht weiß er, so viel Cascellius Aulus; Dennoch bleibet sein Wert. Den mittelmäßigen Dichtern Sperrt der Mensch und der Gott und des Kaufmann Säule den Zugang. Wie am fröhlichen Mahl mißhelliges Saitengeklimper |
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375 | Und unlautere Salbe und Mohn mit sardischem Honig Anstoß giebt; denn es konnte der Schmaus auch ohne das abgehn: So ein Gedicht, das, den Geist zu belustigen, schuf der Erfinder, Wenn nur wenig vom Höchsten es weicht, zum Untersten senkt sich's. Wer nicht Spiele versteht, der entsagt den Geräten des Marsfelds, |
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380 | Ist er des Balls unkundig, des Reifs und der Scheibe, so ruht er, Daß nicht rings das Gedräng' ungestraft ein Gelächter erhebe. Wer nicht Verse versteht, wagt's doch sie zu schaffen? »Warum nicht? Frei und edler Geburt, und die Summe der Tausende zählend, Welche zum Ritter gehört, und dabei fern jeglichem Tadel!« |
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385 | Du wirst nichts je reden und thun ohne Huld der Minerva: Darauf steht Urteil dir und Sinn. Doch wenn du einmal was Schreiben willst, dann laß es den richtenden Mäcius hören, Auch den Vater, und uns; dann sei's neun Jahre geborgen Auf dem Papier im festen Verschluß. Austilgung verstattet, |
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390 | Was nicht öffentlich ward; nie kehrt ein entflogenes Wort um.
Menschen der Waldungen hat als heiliger Bote der Götter |
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395 | Felsen bewegt mit der Laute Getön und durch bittendes Schmeicheln Hin, wo er wollte, geführt. Die altertümliche Weisheit Schied, was dem Volk und dem Bürger gehört, was Menschen und Göttern Hemmt' umschweifende Lager der Lust, gab Rechte dem Eh'mann, Gründete Städt', und kerbte Gesetz' in hölzerne Tafeln, |
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400 | So ward Ehr' und Name dem gotterleuchteten Seher Und dem Gesange verliehn. Drauf kam der erhabne Homerus, Kam Tyrtäus nach ihm, die zu tapferen Kämpfen den Mannsinn Auf durch Lieder gereizt. Im Gesang weissagten Orakel; Lebenstugenden wies der Gesang; auch der Könige Beifall |
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405 | Ward in pierischen Weisen versucht, und erfunden das Schauspiel, Welches die Jahrarbeit froh endigte. Nicht zu Beschämung Sei dir die Muse des Saitengetöns und der Sänger Apollo. Ob durch Natur lobwürdig, ob mehr durch Kunst ein Gedicht sei, |
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410 | Und ungezüchtiger Geist gleich unnütz. Also verlanget Eines des anderen Hilf' und bittet um freundliches Bündnis. Wer das ersehnete Ziel im Lauf zu erreichen sich anstrengt, Viel hat geduldet der Knab' und gethan, hat geschwitzt und gefroren, Hat sich gescheut vor Mädchen und Wein. Wer mit pythischer Flöte |
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415 | Wettkämpft, lernte zuvor, und fürchtete Strenge des Meisters. Nicht auch genug, daß man sagt: »Mir fließet der Vers zum Bewundern! Treffe den letzten die Pest! Ich sollte unrühmlich zurückstehn, Und, was ich nimmer gelernt, das nicht zu wissen bekennen?« Wie Ausrufer das Volk zum Kauf der Waren heranziehn, |
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420 | Also ruft die Schmeichler heran zum Gewinne der Dichter; Reich an liegendem Gut und reich an wuchernden Geldern. Ist er aber ein Mann, der den Gast weiß wohl zu bewirten, Der sich verbürgt für den armen Kompan, der dem leidigen Handel Vor dem Gericht ihn entreißt; dann wett' ich alles, ob unter- |
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425 | Scheiden den lügenden Freund und den redlichen könne der Große.
Du, wenn du einen beschenkt, wenn einst zu beschenken dir vornimmst: |
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430 | Tröpfelt er Thränen herab, auf springt er und stampfet den Boden. Wie am Leichenbegängnis gedungene Jammerer fast noch Mehreres sagen und thun, als wer von Herzen sich grämt, so Stellt sich der spottende Lober noch mehr denn der wahre beweget. Oft hat ein Mächtiger den mit gewaltigen Humpen genötigt, |
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435 | Und wie gefoltert mit Wein, wen durchzuschauen ihm Ernst war, Ob er wert des Vertrauns sich zeigete. Mache du Verse, Und nie täuscht dich der Schalk, der anschleicht unter dem Fuchsbalg. Wenn dem Quintilius einer was vorlas: Bessere, Lieber, |
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440 | Denn zwei, dreimal versucht' ich umsonst. Dann tilge, gebot er, Und das verbildete Werk auf den Amboß wieder geleget. Wenn du, anstatt zu ändern, den Fehl zu verteidigen suchtest, Nicht ein Wort noch Mühe verlor er weiter und ließ dich Frei vom Nebenbuhler dich selbst und das Deine bewundern. |
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445 |
Ein gutdenkender Mann und verständiger tadelt die Leerheit, |
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450 | Kurz, er wird Aristarch. Nicht saget er: Soll ich dem Freunde Weh um die Kleinigkeit thun? Die Kleinigkeit führet in ernstes Unglück ihn, der einmal verlacht und höhnisch begrüßt ward. Wie, wen garstige Krätze plagete oder die Gelbsucht, |
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455 | Flieht den tollen Poeten und scheut die Berührung, wer klug ist; Ihn treibt Knabengewühl, das unvorsichtig ihm nachrennt. Wenn er, das Haupt in der Luft, nun Vers' aufstoßend einhertobt, Und dem Vogeler gleich, der Amseln erlauscht, in den Brunnen Oder den Graben einstürzt, dann laßt ihn: Helft mir! in eins weg |
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460 | Rufen, io! helft, Bürger! kein einziger woll' ihn herausziehn. Wollte ja wer ihm helfen, das Seil hinunter ihm werfend: Wissen wir, sagt' ich, ob nicht mit Bedacht er niedergestürzt sei, Und die Errettung verschmäh'? und erzählt' ihm des Sikulerdichters Kläglichen Untergang: Ein unsterblicher Gott zu erscheinen |
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465 | Wünscht' Empedokles einst und kalt in den brennenden Ätna Sprang er hinab. Frei sei's, nach Belieben sterben den Dichtern. Wer Unwillige rettet, der thut, wie der Mörder, Gewaltthat. Nicht ja das erste Mal sprang er, und wird nicht, kommt er heraus, gleich Wieder ein Mensch, ablegend die Sucht des berüchtigten Todes. |
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470 | Auch nicht sehen wir klar, warum er mit Versen sich abgiebt, Ob er des Vaters Asche beharnt, ein gesühnetes Blitzmal Freventlich habe verletzt. Toll raset er, und wie ein Brummbär, Der zu durchbrechen vermocht die sperrenden Latten des Zwingers, Scheucht er, ein grimmiger Leser, wer ungelehrt und gelehrt ist. |
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475 | Wen er aber gepackt, den hält er, und liest ihn zu Tode, Wie nicht läßt von der Haut, bis Blut ihn schwellte, der Egel. |