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Nun war's zum zweitenmal Sommer geworden, seit Florian die Uniform des königlichen Leibregiments trug, und es war ein heißer geschäftiger Sommer, wo die Fluren und Felder nach vielen rüstigen Fäusten verlangten und man die Regimenter mit gutem Gewissen auf den geringsten Präsenzstand reduzieren durfte. Da schnürten seine Altersgenossen ihre Bündel, nahmen den Haselstock zur Hand und marschierten in kleinen Gesellschaften ihrer Heimat zu. Florian hatte anfangs sich zum Dableiben entschlossen; weil er aber mit seinem Zugskorporal, der ein verdorbener Student und ein boshafter Kerl war, alle Wochen schärfere Händel bekam und infolge davon einmal vierzehn Tage ins Loch gesteckt wurde, da noch dazu seine jüngste Liebschaft, eine kleine Nähterin, den ausgestellten Netzen eines ältlichen Schauspielers mit sichtlichem Wohlgefallen immer näher rückte, fing er an auf das Militär und die Residenz zu fluchen, nahm Urlaub und zog den Landsleuten nach, gleichfalls mit seinem Bündel und Haselstecken gegen die heißen Heimatfelder pilgernd.
Florian dachte auf seiner Wanderschaft wenig an die alte Heimat und die alten Freunde, er dachte eigentlich an gar nichts, wischte sich den Schweiß von der Stirn und fluchte dazu ganz unmenschlich, und so stand er vor dem Tor des Böswirts, er wußte selbst kaum, wie er hergekommen war.
Der Alte nahm ihn freundlich auf, und wie er den Florian, eingedenk ihrer ersten Bekanntschaft, immer als ein Stück Unglückskind betrachtet hatte, so war er auch jetzt ganz derbes Mitleiden in seinen Willkommsäußerungen. Ihn dünkte ein Rekrut und gemeiner Soldat der auserlesene Sohn des Elends.
»No,« fragte Florian nicht ohne Bewußtsein hauptstädtischer Lebensart, »was macht die Urschi? Die wird wohl bald heiraten?«
»A was,« sagte der Wirt, »sie möcht', glaub' ich, wohl, aber weißt: ich mag net. Meine Selige ist gar so früh g'storben, und das Mädel war mir auch die längste Zeit bei fremden Leuten; jetzt will ich noch ein paar Jährln das Ding um mich haben, weil's gar so lustig ist. Für später einmal will ich ihr's net verwehr'n, wenn's ein'n ordentlichen Mann nimmt und mich wieder allein laßt in meiner Wirtschaft. Aber vorderhand ist der Fratz kaum achtzehn Jahr alt, da pressiert sich noch nix, Sakrament! – Geh' amal hinters Haus, wann du's sehen magst. Sie is auf'm Hof und putzt den Tanzboden grün aus: morgen is ja Kirchweih'! … Schau', schau', der Florian! wie der Bub' g'wachsen is!«
Und so ging's weiter noch ins Hundertste und Tausendste.
Durch den freundlichen Empfang war der Florian in seinen Gedanken rasch wieder im altbekannten Hause eingewöhnt und sogar die Neigung zur Urschi schien plötzlich wieder den Kopf zu heben.
Also heiraten mag sie, dachte er, als er über den Hof schritt. Und gar so lustig ist's, sagt' der Alte. Also, scheint's, sie hat dich ganz vergessen. – Es ist halt eine wie die andere! fügte er bitter hinzu, als hätte ihm Urschi jemals versprochen, an ihn denken zu wollen, oder als wäre nicht gerade er es gewesen, der im Durcheinander der Hauptstadt alle Gedanken an die Jugendgefährtin verloren hatte.
Auf dem Tanzboden angekommen, fand er keine lebendige Seele.
Einige Säulen waren bereits mit Kränzen geziert, von anderen hing der grüne Schmuck noch lose angefügt, ungeordnet herab; dort war eine Leiter angelehnt und abgefallene Blätter und Zweige lagen zerstreut auf dem Boden herum. Aber so eifrig er sich umsah, von der Urschi war nichts zu entdecken.
Er bog links zur Seite ab, wo Tische, Sträuche und eine kleine Wiese den Tanzplatz umgaben, und ward nun durch einen seltsamen Anblick überrascht. Am untern freien Ende, der Mauer zunächst, war die Wiese abgemäht und das Gras auf etliche Haufen zusammengekehrt. Auf dem letzten lagen der Rechen und eine Anzahl frischer Kränze, sichtlich für den Tanzplatz bestimmt. Die Urschi fand sich nicht weit davon; sie hatte bloßen Kopf und nackte Arme, die losen Zöpfe flogen wieder um sie herum und die ganze Person sprang in ihrer Einsamkeit wie besessen auf der Wiese hin und her. Zuerst tanzte sie um die Heuhaufen herum, dann hüpfte sie über die kleineren hinweg und warf sich endlich mit aller Gewalt in den letzten größern Hügel hinein, streute seine Bestandteile voll Mutwillen rings auf der Wiese umher, schlang sich die Laubkränze etlichemal um den Hals, so daß der kleine erhitzte Kopf aus einem Wald von Blättern hervorguckte, und kam so, den Rechen schwingend, in hexenhafter Lustigkeit dem Tanzboden zugerannt.
»Ei, grüß' dich Gott, Urschi! Was machst denn du für Sachen?« sprach der lachende Florian und streckte ihr die Hand entgegen.
Die Angeredete jedoch blieb, ohne den Gruß auch nur mit einer Bewegung zu erwidern, wie versteinert stehen und sah dem Wiedergekehrten mit großen Augen ins Gesicht. Dann warf sie plötzlich Rechen, Kränze und alles, was sie in Händen hatte, eiligst von sich und lief, was sie laufen konnte, dem Hause zu.