Friedrich Hölderlin
Gedichte
Friedrich Hölderlin

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Rousseau

(unvollendet)

        Wie eng begrenzt ist unsere Tageszeit,
    Du warst und sahst und stauntest, schon Abend ists,
        Nun schlafe, wo unendlich ferne
            Ziehen vorüber der Völker Jahre.

Und mancher siehet über die eigene Zeit,
    Ihm zeigt ein Gott ins Freie, doch sehnend stehst
        Am Ufer du, ein Ärgernis den
            Deinen, ein Schatten, und liebst sie nimmer,

Und jene, die du nennst, die Verheißenen
    Wo sind die Neuen, daß du an Freundeshand
        Erwarmst, wo nahn sie, daß du einmal,
            Einsame Rede, vernehmlich seiest?

Klanglos ists, armer Mann, in der Halle dir,
    Und gleich den Unbegrabenen, irrest du
        Unstät und suchest Ruh und niemand
            Weiß den beschiedenen Weg zu weisen.

Sei denn zufrieden! . . . der Baum entwächst
    Dem heimatlichen Boden, aber es sinken ihm
        Die liebenden, die jugendlichen
            Arme, und trauernd neigt er sein Haupt.

Des Lebens Überfluß, das Unendliche,
    Das um ihn . . . und dämmert, er faßt es nie.
        Doch lebts in ihm und gegenwärtig,
            Wärmend und wirkend, die Frucht entquillt ihm.

Du hast gelebt! . . . auch dir, auch dir
    Erfreuet die ferne Sonne dein Haupt,
        Und die Strahlen aus der schönern Zeit. Es
            Haben die Boten dein Herz gefunden.

Vernommen hast du sie, verstanden die Sprache der Fremdlinge
    Gedeutet ihre Seele! Dem Sehnenden war
        Der Wink genug, und Winke sind
            Von alters her die Sprache der Götter.

Und wunderbar, als hätte von Anbeginn
    Des Menschen Geist das Werden und Wirken all,
        Des Lebens Weise schon erfahren,
            . . .

Kennt er im ersten Zeichen Vollendetes schon,
    Und fliegt, der kühne Geist, wie Adler den
        Gewittern, weissagend seinen
            Kommenden Göttern voraus, . . .

 


 


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