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1. Die Philosophie scheint mir heutzutage unter den Menschen dieselbe Rolle zu spielen, wie nach der Überlieferung in uralten Zeiten Korn und Wein in der Welt der Dinge. Im Anfang der Dinge gab es nämlich Weinreben und Kornähren nur zerstreut auf den Äckern, Aussaaten aber gab es nicht. Daher lebte man von Eicheln, und jeder, der gewagt hätte, unbekannte oder zweifelhafte Beeren zu probieren, tat dies auf die Gefahr hin, krank zu werden. Ähnlich ist die Philosophie, d. h. die natürliche Vernunft, jedem Menschen eingeboren; denn jeder einzelne stellt bis zu irgendeinem Ziele und in irgendwelchen Dingen Erwägungen an; sobald es aber einer langen Kette von Vernunftgründen bedarf, entgleisen die meisten oder schweifen ab, weil die richtige Methode, gewissermaßen die Aussaat, fehlt. Hieraus ergibt sich, daß nach allgemeiner Ansicht diejenigen, die mit der täglichen Erfahrung wie mit Eicheln zufrieden sind und die Philosophie entweder von sich weisen oder nicht erstreben, ein gesunderes Urteil besitzen als diejenigen, die nicht mit landläufigen, sondern mit zweifelhaften und leicht aufgegriffenen Ansichten ausgestattet, als ob sie recht klug wären, fortwährend disputieren und streiten. Zwar gebe ich zu, daß derjenige Teil der Philosophie, der von den Größen und Figuren handelt, vortrefflich ausgebildet ist. Aber weil ich weiß, daß man in den übrigen Teilen noch nicht in gleicher Weise fortgeschritten ist, so entschließe ich mich, soweit ich die Fähigkeit dazu besitze, die wenigen ersten Elemente der gesamten Philosophie gewissermaßen als eine Art Samenkörner, aus denen, wie mir scheint, die reine und wahre Philosophie herauswachsen kann, zu entwickeln.
Der Schwierigkeit, eingerostete, durch das Ansehen der beredtesten Schriftsteller befestigte Anschauungen aus den Köpfen der Leute auszutreiben, bin ich mir wohl bewußt. Zumal da die wahre (d. h. exakte) Philosophie nicht nur die Schminke der Worte, sondern auch fast jeglichen Schmuck vorsätzlich zurückweist; die ersten Grundlagen jeder Wissenschaft sind auch keineswegs blendend, sie erscheinen vielmehr unansehnlich trocken und fast häßlich.
Da es aber gewiß etliche, wenn auch nur wenige gibt, die in allem nach Wahrheit und Vernunft streben, halte ich dafür, für jene Wenigen diese Mühe auf mich nehmen zu müssen. So komme ich nun zur Sache und beginne mit der Begriffsbestimmung der Philosophie.
2. Philosophie ist die rationelle Erkenntnis der Wirkungen oder Erscheinungen aus ihren bekannten Ursachen oder erzeugenden Gründen und umgekehrt der möglichen erzeugenden Gründe aus den bekannten Wirkungen.
Um diese Begriffsbestimmung zu verstehen, muß man erstlich erwägen, daß Sinneswahrnehmung und Gedächtnis, die der Mensch mit allen Tieren gemeinsam hat, zwar ein Wissen sind, die aber, weil sie die Natur ursprünglich verliehen hat, nicht durch rationelles Schließen erworben, also keine Philosophie sind.
Da zweitens Erfahrung nichts anderes ist als Gedächtnis, der praktische Verstand aber oder die Voraussicht in die Zukunft nichts anderes als die Erwartung von Dingen ähnlich solchen, deren Erfahrung wir schon gemacht haben, so darf man auch den praktischen Verstand nicht für Philosophie halten.
Unter rationeller Erkenntnis vielmehr verstehe ich Berechnung. Berechnen heißt entweder die Summe von zusammengefügten Dingen finden oder den Rest erkennen, wenn eins vom andern abgezogen wird. Also ist rationelle Erkenntnis dasselbe wie Addieren und Subtrahieren; wenn jemand Multiplizieren und Dividieren hinzufügen will, so habe ich nichts dagegen, da Multiplikation dasselbe ist wie Addition gleicher Posten, Division dasselbe wie eine bestimmte Subtraktion gleicher Posten. Aber rationelle Erkenntnis geht jedenfalls auf zwei Geistesoperationen zurück: Addition und Subtraktion.
3. Wie wir aber im Geiste ohne Worte, in schweigendem Denken, rationell zu erkennen, d. h. zu addieren und subtrahieren gewohnt sind, mag an einigen Beispielen erläutert werden. Wenn jemand von fern etwas unklar sieht, ohne daß er es noch benennen kann, so empfindet er doch schon immerhin das an dem Ding, um dessentwillen es dann Körper genannt wird. Sobald er aber näher kommt und sieht, daß dasselbe Ding sich in einer bestimmten Art bald an dem einen, bald an dem andern Orte befindet, wird er von ihm eine neue Vorstellung empfangen, um deretwillen wir ein solches Ding jetzt belebt nennen. Und wenn er sodann aus nächster Nähe seine Gestalt sieht, die Stimme hört und andere Tatsachen erkennt, die Zeichen eines Vernunftwesens sind, so hat er eine dritte Vorstellung, wenngleich sie noch nicht durch ein Wort ausgedrückt wird; nämlich dieselbe, um deretwillen wir etwas vernünftig nennen. Schließlich wenn er das ganze Ding nunmehr vollständig und genau sieht und als eines erkennt, dann ist diese Vorstellung nunmehr aus den vorhergehenden zusammengesetzt, und zwar in derselben Reihenfolge, in der in der Sprache die einzelnen Bezeichnungen: Körper, belebt, vernünftig, zu einer Benennung: vernünftiger belebter Körper oder Mensch zusammengefügt werden. Ähnlich wird aus den Vorstellungen: Viereck, gleichseitig, rechtwinklig, die Vorstellung: Quadrat zusammengestellt. Der Geist vermag nämlich das Viereck zu erfassen ohne die Vorstellung: gleichseitig und die Vorstellung: gleichseitiges Viereck ohne die Vorstellung: rechtwinklig; nachdem er dies einzeln erfaßt hat, vermag er es zu einem Begriff zu vereinigen oder zu der alleinigen Vorstellung: Quadrat. Es liegt also auf der Hand, wie der Geist das, was er vorstellt, zusammenstellt. Umgekehrt erfaßt jeder, der einen Menschen bei sich stehen sieht, seine ganze Idee, wenn er ihm aber bei seinem Fortgang nur mit den Augen folgt, so wird er die Vorstellung derjenigen Dinge verlieren, die Zeichen der Vernunft waren, doch wird die Vorstellung eines belebten Körpers in den Augen bleiben und so von der ganzen Vorstellung Mensch, d. h. vernünftiger belebter Körper, die Vorstellung: vernünftig weggenommen und übrig bleibt: belebter Körper; darauf wird ein wenig später in größerer Entfernung die Vorstellung beseelt verloren gehen, zurückbleiben wird nur Körper, und endlich, wenn nichts mehr wahrnehmbar ist, verschwindet die ganze Vorstellung aus den Augen. Durch diese Beispiele halte ich das Wesen des inneren Rechnens des Geistes ohne Worte für genügend erläutert.
Man darf also nicht meinen, daß das eigentliche Rechnen nur bei Zahlen stattfindet, als ob der Mensch von den übrigen Lebewesen (wie nach den Berichten Pythagoras angenommen hat) allein durch die Fähigkeit des Zählens unterschieden wäre; denn auch Größen, Körper, Bewegungen, Zeiten, Qualitäten, Handlungen, Begriffe, Verhältnisse, Sätze und Worte (worin jegliche Art Philosophie enthalten ist) können addiert und subtrahiert werden. Wenn wir aber hinzufügen oder wegnehmen, d. h. aufeinander beziehen, so nennen wir dies »denken«, griechisch λογίζεσθαι, das also berechnen oder rationell erkennen bedeutet.
4. Wirkungen und Erscheinungen sind Fähigkeiten oder Vermögen der Körper, durch die wir sie voneinander unterscheiden, d. h. erkennen, daß der eine dem andern gleich oder ungleich, ähnlich oder unähnlich ist; hat man sich wie in dem obigen Beispiele irgendeinem Körper hinreichend genähert, um Bewegung und Gang an ihm zu erkennen, so unterscheidet man ihn von einem Baum, einer Säule und gewissen andern unbeweglichen Körpern. Daher ist jene Bewegungsfähigkeit, die den Lebewesen eigentümlich ist, die Eigenschaft, durch die wir ihn von anderen Körpern unterscheiden.
5. Wie die Erkenntnis der Wirkung aus der Erkenntnis des erzeugenden Grundes gewonnen werden kann, ist leicht an dem Beispiele eines Kreises einzusehen. Gesetzt, man sähe eine ebene Figur, die der Figur des Kreises so nahe wie möglich kommt, dann läßt sich durch bloße Wahrnehmung nicht erkennen, ob sie in Wahrheit ein Kreis ist oder nicht; wohl aber, wenn man die Entstehung der in Frage stehenden Figur kennt. Angenommen, sie sei dadurch entstanden, daß man irgendeinen Körper, dessen eines Ende unbewegt bleibt, rings herumführt, dann können wir folgendermaßen schließen: der herumgeführte Körper, der stets dieselbe Länge behält, wird zuerst zu dem einen Radius, dann zu dem andern, zu dem dritten, vierten und der Reihe nach zu allen; daher berührt von demselben Punkte aus dieselbe Länge überall die Peripherie, d. h. alle Radien sind gleich. Man erkennt also, daß so eine Figur entsteht, von deren einzigem Mittelpunkte aus alle Punkte der Peripherie gleiche Entfernungen, die Radien, besitzen.
Ähnlich können wir von einer gegebenen Figur aus ihre Entstehung, wenn auch nicht ihre wirkliche, so doch mögliche, erschließen; denn hat man die Eigenschaften des Kreises erkannt, die wir soeben erklärt haben, so ist es leicht zu bestimmen, ob ein bewegter Körper einen Kreis entstehen läßt oder nicht.
6. Die größte Bedeutung der Philosophie liegt nun darin, daß wir die vorausgeschauten Wirkungen zu unserm Vorteil nutzen und auf Grund unserer Erkenntnis nach Maß unserer Kräfte und unserer Tüchtigkeit absichtlich zur Förderung des menschlichen Lebens herbeiführen können. Denn die bloße Überwindung von Schwierigkeiten oder Entdeckungen verborgener Wahrheiten sind nicht so großer Mühe, wie sie für die Philosophie aufzuwenden ist, wert; und vollends brauchte niemand seine Weisheit anderen mitzuteilen, wofern er damit weiter nichts zu erreichen hofft. Wissenschaft dient nur der Macht! Die Theorie (die in der Geometrie der Weg der Forschung ist) dient nur der Konstruktion! Und alle Spekulation geht am Ende auf eine Handlung oder Leistung aus.
7. Wie groß aber der Nutzen der Philosophie, besonders der der Naturphilosophie und der Geometrie ist, wird am besten eingesehen, wenn man sich die mögliche Förderung des menschlichen Geschlechts durch sie vergegenwärtigt und die Lebensweise derer, die ihrer sich erfreuen, mit anderen vergleicht, die sie entbehren. Die größte Förderung verdankt das menschliche Geschlecht der Technik, d. h. der Kunst, Körper und ihre Bewegungen zu messen, schwere Lasten zu bewegen, zu bauen, Schiffahrt zu treiben, Werkzeuge zu jeglichem Gebrauch herzustellen, die Bewegungen am Himmel, die Bahnen der Gestirne, den Kalender und so weiter zu berechnen. Welch außerordentlichen Nutzen die Menschen von diesen Wissenschaften haben, läßt sich leichter einsehen als sagen. Fast alle europäischen Völker erfreuen sich dieses Nutzens, sowie die Mehrzahl der asiatischen und einige afrikanische. Die Völker Amerikas aber und die Stämme, die den beiden Polen nahe wohnen, ermangeln seiner ganz. Warum dies? Sind etwa jene scharfsinniger als diese? Haben nicht alle Menschen Seelen von derselben Art und dieselben Seelenfähigkeiten? Was besitzen die einen, was den andern fehlt? Doch nur die Philosophie! Die Philosophie ist demnach die Ursache aller dieser Vorteile. Der Nutzen der Moralphilosophie und Gesellschaftslehre läßt sich nicht sowohl aus den Vorteilen, die wir durch sie, als vielmehr aus den Nachteilen, die wir durch ihre Unkenntnis haben, abschätzen. Denn die Wurzel aller Nachteile und alles Unglücks, die durch menschliche Erfindungen vermieden werden können, ist der Krieg, vornehmlich der Bürgerkrieg; aus ihm entspringen Mord, Verwüstung und Mangel an allen Dingen. Der Grund dafür ist nicht, daß die Menschen den Krieg wollen, denn der Wille geht immer auf das Gute oder auf das, was als solches erscheint; auch ihre Unkenntnis, daß die Folgen des Krieges Übel sind, ist nicht der Grund; denn wer spürt nicht, daß Tod und Armut große Übel seien? Der Bürgerkrieg ist daher nur möglich, weil man die Ursachen weder von Krieg noch von Frieden kennt; denn nur sehr wenige gibt es, die die Pflichten, durch welche der Friede Festigkeit gewinnt und erhalten wird, d. h. die wahren Gesetze des bürgerlichen Lebens studiert haben. Die Erkenntnis dieser Gesetze ist die Moralphilosophie. Weshalb aber hat man diese nicht studiert, wenn nicht aus dem Grunde, weil es bisher hierfür keine klare und exakte Methode gab? Oder wie ist es sonst zu verstehen, daß der Masse unerfahrener Menschen in grauer Zeit die griechischen, ägyptischen, römischen und andere Lehrmeister über die Naturen ihrer Götter unzählige Lehren überzeugend beizubringen vermochten, von denen sie selbst nicht wußten, ob sie wahr seien oder nicht, und die ganz augenscheinlich falsch und sinnlos waren; dagegen dieselbe Menge von ihren Pflichten, wofern sie diese selbst begriffen hätten, nicht hätten überzeugen können? Jene wenigen noch vorhandenen Schriften der Geometer sind hinreichend, alle Streitigkeiten in den Dingen, die sie behandeln, aufzuheben; jene zahllosen und gewaltigen Bände der Moralisten dagegen sollten gleiches nicht vermögen, wenn sie Sicheres und Bewiesenes enthielten? Was anders könnte denn die Ursache dafür sein, daß die Schriften der ersteren wissenschaftlich, die der letzteren sozusagen nur tönende Worte sind, wenn nicht der Umstand, daß jene von Wissenden, diese dagegen von Leuten hervorgebracht wurden, die von der von ihnen behandelten Wissenschaft nichts verstanden, vielmehr nur ihre Beredsamkeit oder ihren Geist herausstellen wollten? Daß es dennoch höchst erfreulich ist, Bücher dieser Art zu lesen, möchte ich nicht leugnen: sie sind zumeist sehr beredt und enthalten zahlreiche hübsche und nützliche, gar nicht alltägliche Sätze, die zwar von jenen allgemein ausgesprochen sind, aber dennoch meist nicht allgemeine Gültigkeit beanspruchen können; daher es kommt, daß sie in andern Zeiten und Orten andern Persönlichkeiten oftmals ebensogut zur Rechtfertigung böser Absichten wie zur Anleitung, zum Verständnis ihrer Pflichten gegenüber der Gesellschaft und dem Staate dienen können. Was ihnen nämlich hauptsächlich fehlt, sind genaue und feste Angaben der Grundsätze, die uns über Recht und Unrecht unserer Handlungen belehren. Bevor nicht diese Grundsätze gefunden und das Gesetz und Maß von Recht und Unrecht aufgestellt sind (was bisher noch niemals geschehen ist), ist es unnütz, in Einzelfällen zu gebieten und verbieten. Da also aus der Unkenntnis der bürgerlichen Pflichten, d. h. der wissenschaftlichen Moral- und Staatslehre, Bürgerkriege hervorgehen und diese das größte Unglück der Menschheit sind, so werden wir von ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis mit Recht große Vorteile erhoffen dürfen. So sehen wir, wie groß der Nutzen der Philosophie ist, zu schweigen von dem Ruhme und sonstigen Annehmlichkeiten, die sie mit sich bringt.
8. Der Gegenstand oder die Materie der Philosophie, die sie behandelt, ist jeglicher Körper, dessen Erzeugung wir begrifflich erfassen und den wir mit Rücksicht hierauf mit andern Körpern vergleichen können; oder auch, bei dem Zusammensetzung und Auflösung statt hat; d. h. jeder Körper, von dessen Erzeugung und Eigenschaften wir Kenntnis haben.
Abgeleitet wird aber dieser Satz aus der Begriffsbestimmung der Philosophie selbst, deren Aufgabe es ist, entweder die Eigenschaften der Körper aus ihrer Entstehung oder ihre Entstehung aus den Eigenschaften zu erforschen; wo es also kein Entstehen oder keine Eigenschaften gibt, hat Philosophie nichts zu tun. Daher schließt die Philosophie von sich die Theologie aus, ich meine die Lehre von der Natur und den Attributen Gottes, des Ewigen, Unerschaffenen, nicht zu Erfassenden, in welchem nichts zusammengesetzt, nichts geteilt und nichts von Entstehung erkannt werden kann.
Sie schließt ferner die Lehre von den Engeln und allen jenen Dingen aus, die man weder für Körper noch für Affektionen von Körpern hält; weil es auch bei ihnen keine Zusammensetzung oder Teilung, ebensowenig wie ein Mehr so ein Weniger, d. h. wissenschaftliche Berechnung gibt.
Sie schließt weiter die Geschichte sowohl der Natur als auch der Politik aus, wenngleich beide für die Philosophie höchst nützlich (ja vielmehr notwendig) sind, weil ihr Wissen nur auf Erfahrung oder Autorität, aber nicht auf wissenschaftliche Berechnung sich gründet.
Sie schließt ferner jegliches Wissen aus, das aus göttlicher Eingebung oder Offenbarung stammt, da dieses nicht von uns durch Vernunft erworben, sondern durch göttliche Gnade im Augenblick (gewissermaßen durch einen übernatürlichen Sinn) geschenkt ist.
Sie schließt ferner nicht nur jede falsche, sondern auch jede nicht gut begründete Lehre aus; denn was durch richtiges Schließen erkannt ist, kann weder falsch noch zweifelhaft sein; daher scheiden auch die Astrologie, wie sie heutzutage im Schwange ist, und ähnliche prophetische Künste aus.
Endlich wird von der Philosophie die Lehre von der Verehrung Gottes ausgeschlossen, da wir von ihr nicht durch die natürliche Vernunft, sondern durch die Autorität der Kirche wissen und sie Gegenstand des Glaubens, nicht der Wissenschaft ist.
9. Die Philosophie zerfällt in zwei Hauptteile. Dem, der die Entstehung der Körper und ihre Eigenschaften zu erforschen unternimmt, zeigen sich nämlich zwei wesentlich voneinander verschiedene Arten von Körpern; die eine umfaßt die Dinge, die, weil Werk der Natur selbst, als natürlich bezeichnet werden; die andere die Dinge, die durch menschlichen Willen, durch Abkommen und Verträge der Menschen zustande gekommen sind und Gesellschaft und Staat genannt werden. Hieraus ergeben sich die beiden Teile der Philosophie, die Natur- und die Staatsphilosophie. Weil aber weiter, um die Eigenschaften des Staates zu erkennen, es notwendig ist, daß man vorher die Anlagen, Affekte und Sitten der Menschen erkennt, pflegt man die Philosophie vom Staate wiederum in zwei Abteilungen zu gliedern, von denen die erste, die von den Anlagen und den Sitten handelt, als Ethik, die andere, die auf Erkenntnis der bürgerlichen Pflichten geht, als Politik oder einfach als Philosophie vom Staate bezeichnet wird. Wir werden daher (nachdem wir vorausgeschickt haben, was zur Natur der Philosophie selbst gehört) an erster Stelle von den natürlichen Körpern, sodann von der Anlage und den Sitten des Menschen und drittens von den Pflichten der Bürger handeln.
10. Da es schließlich vielleicht einige gibt, denen die oben entwickelte Begriffsbestimmung der Philosophie nicht behagt, und die, da es ihnen ja frei steht, mit eigenen willkürlichen Definitionen zu beginnen, alles mögliche aus ihnen erschließen können (obgleich ich meinen möchte, es sei nicht schwer zu zeigen, daß die gegebene Begriffsbestimmung mit der Auffassungsweise aller Menschen im Einklang ist), so bekenne ich offen, damit es weder für mich noch für jene Anlaß zum Disputieren gibt, daß ich hier nur die Grundlagen derjenigen Wissenschaft darbieten werde, welche aus den erzeugenden Ursachen die Wirkungen oder umgekehrt aus den erkannten Wirkungen die erzeugenden Ursachen eines Dinges erforschen will. Darum mögen diejenigen, die nach anderer Philosophie verlangen, sich mahnen lassen, sie anderswoher zu holen.