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Kößling aber war von Jason Gebert fort nicht sogleich nach Haus gegangen, sondern er war, erregt durch all das, was in den letzten Tagen auf ihn eingestürmt war, immer noch weiter durch die Straßen geirrt, bis in ganz ferne und fremde Gegenden, und in seine Sehnsucht nach Jettchen und in seine Beunruhigung über die Worte Jasons, aus denen doch eine tiefere Empfindung emporflammte, als er sie bei Jason Gebert erwartet hatte – in sie hatte sich mehr und mehr eine Angst gemischt, eine Angst, die ihm ganz närrisch schien, denn er wußte nicht, worauf sie sich richtete, und die ihn doch am ganzen Körper zittern machte. Immer wieder sagte er sich, daß das nur ein Rückschlag war von all der trüben Zeit, die er durchgemacht hatte, daß das vielleicht daher käme, daß er jetzt sein Glück nicht glauben konnte, so unwahrscheinlich und so ungerecht erschien es ihm. Und er versprach sich, daß er durch Erfolge und durch all das, was das Leben einer Frau an der Seite eines Mannes schön machen kann, daß er dadurch für dieses Glück danken wollte.

Aber all das betäubte nicht seine tiefe Unruhe, und nicht einmal die Sehnsucht nach der Geliebten schien dieses unbestimmte Angstgefühl ihm zu erklären, das sich von Viertelstunde zu Viertelstunde steigerte. Er war nach oben gegangen und hatte sich in seinen schwarzen Lehnstuhl gesetzt, um ein wenig einzuschlafen. Und er war aufgewacht, als es wieder hell wurde, gepackt von dieser unbeschreiblichen Angst und mit dem festen Entschluß, sofort zu Jettchen hinauszufahren und nach ihr zu sehen.

Aber als dann der Morgen kam und das Licht stärker wurde, da hielt es Kößling doch nur für eine Laune von sich, für eine Laune, der er nachgäbe, um sich einen glücklichen Vormittag zu schaffen. Und so ging er hinaus, über die Plätze fort, durch die menschenleere Leipziger Straße, in der das Gras zwischen den Steinen emporsproß. Eine Stunde mußte er bis zum nächsten Zuge warten; und er ging auf und nieder in der offenen Halle, im Augenblick guter Dinge und im Augenblick wieder von einer Furcht gepeitscht, daß er sich kaum auf den Füßen halten konnte. Und das letzte Stück draußen in Potsdam, das lief Kößling, als ob er etwas gestohlen hätte.

Aber er kam nicht hinein zu Jettchen; die älteste Tochter von Frau Sommerguth sagte ihm, daß niemand zu Frau Jacoby gelassen werden dürfe.

Kößling entgegnete, er würde nicht eher von der Stelle gehen, bis er sie gesehen hätte.

Frau Sommerguth, die die lärmenden Worte Kößlings gehört hatte, kam aus Jettchens Zimmer heraus, und ihr Gesicht war ganz rot und ganz verquollen vom Weinen.

Kößling bat sie und flehte sie an, sie solle ihm doch nur sagen, was geschehen wäre – er hätte es ja schon die ganze Nacht gefühlt, daß mit Jettchen etwas geschehen wäre.

Und Frau Sommerguth, die Mitleid mit Kößling hatte, den sie zwar nicht von Angesicht zu Angesicht kannte, von dem sie aber wohl gehört hatte, nahm ihn bei der Hand und führte ihn einen Schritt hinein in das Zimmer. Kößling sah dasselbe Bett und dieselben Möbel, die ihm doch erst vorgestern vertraut geworden waren. Er sah Jettchen dort liegen, die Brust entblößt, den Kopf ins Genick gekrampft und den schönen Körper ganz verzogen. Er sah den Blutfleck auf den weißen Bezügen – nur einen Blutfleck, so groß wie eine Hand.

Dann aber zog alles wie im Nebel an Kößling vorbei. – Als er wieder erwachte, da lag er irgendwo draußen mit dem Kopf im Moos, und zwei Farnwedel verkreuzten ihre grünen, zackigen Blätter über seiner Stirn. Wie er die Hand bewegte, da zerbrach ein Zweig. Die Bäume über ihm schienen in den Himmel gewurzelt zu sein. Hinten zwischen den Stämmen, da leuchtete es, als ob dort große weiche Tücher gebreitet wären. – Und nach Stunden fand er sich wieder am Boden. Ringsum war niederes Gestrüpp und Tannen und Kiefern, ganz dicht. Sein Anzug war über und über mit Moos und Flocken und Nadeln behangen, und zwei rote Pilze standen bei seinen Füßen. – Dann aber sah er Sterne, viele Sterne, immer in Mustern zwischen den Kiefernkronen stehen. Und wieder wurde es hell – ein Wind kam von weit herüber über eine große Wasserfläche. Ein seltsames und unheimliches Schreien hörte er aus dem Schilf; Wolken trieben auf ihn zu und der Regen, der Regen, der ihm so ins Gesicht peitschte.

 


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