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XVII.

Es war nahe an Mitternacht – die Lampe herabgebrannt. Elisabeth von Rosenberg saß noch stumm, bleich, vernichtet in dem Lehnstuhl. Da durchzuckte sie plötzlich ein Gedanke – sie erhob sich rasch, wundersam gekräftigt, nahm das Licht und trat in die Nebenstube, das Schlafgemach ihrer Kinder. Hier ruhten sie – träumend wie Engel – der Himmel der Unschuld lag auf ihren stummen Zügen. Elisabeth heftete einen Blick unendlicher Liebe und Wehmuth auf die Knaben; doch leuchtete in dem Auge etwas von Irrsinn; denn der Gedanke durchfuhr sie: diese werden jenseits ewig verdammt sein. Der Dolch, welchen sie auf ihrem Busen verborgen und dessen Stahl bisher kalt wie Eis darauf gelegen hatte – glühte urplötzlich wie höllisches Feuer – und jetzt erschallten an die Pforte unter ihrem Fenster jene gräßlichen drei Schläge. Das Entsetzen trieb die Unglückselige vorwärts – dumpf hallten die Schläge durch alle Fibern ihres Gehirnes, sie schwankte fort durch die Gemächer, den Dolch krampfhaft gefaßt – ihr war, als schliche jemand hinter ihr – sie wagte es nicht, umzublicken; mit Gewalt trieb es sie vorwärts. Ohne zu wissen wie – stand sie vor dem Bette ihres Gatten. Er schlief – er athmete schwer.

Sie betrachtete ihn schweigend, unterdrückte gewaltsam ein krampfhaftes Schluchzen, das ihre Brust zersprengen wollte, konvulsivisches Zittern durchschauerte ihre Glieder, heiße Thränen strömten aus ihren Augen auf das Lager nieder.

»Nein! Ich kann es nicht,« sagte sie bewußtlos mit halblauter Stimme, »und wenn der Weltenbau mit mir zusammenbräche!«

Da raschelte es am Fenster, da ertönte es dicht hinter ihr dumpf und hohl: »Gedenk' an Deinen Schwur!« Es war, als ob ein schwarzer Schatten hoch in die Stube hineinragte.

In diesem Augenblicke drehte sich das ganze Gemach wirr um sie im Kreise, sie riß mit Hast den Dolch von der Brust und schwang ihn hoch, Wahnsinn leuchtete grell aus ihren Blicken – der Arm zuckte – – da erwachte der Schläfer, mit weit aufgerissenen Augen starrte er sie an – »Elisabeth, Du?!« rief er – ein krampfhaftes Röcheln folgte – ein Blutstrom stürzte aus seinem Munde – er sank zurück.

»Barmherziger Himmel!« schrie sie grell auf und schleuderte den Dolch an die Wand und sank ohnmächtig auf den Sterbenden nieder.

Der laute Schrei weckte die Dienerschaft. Sie fand den Gebieter verschieden und sterbend fast die Herrin seine Leiche bedeckend. Man rief sie ins Leben zurück. Sie redete irre! Man holte Aerzte und den Herrn von Slavata.

Ein Blutsturz hatte Herrn von Rosenberg getödtet. Elisabeth glaubte, ihr Dolch habe sein Blut vergossen, eine schwarze Hand hatte, so schien es ihr, ihren Arm niedergedrückt. Sie nannte sich in ihrem grenzenlosen Schmerz laut seine Mörderin; das Wort auf den Lippen war er ja verschieden. Man suchte die Unglückliche, in deren Seele alle Furien des Entsetzens losgelassen waren, zu trösten, zu beruhigen – an der Leiche des so plötzlich Gestorbenen war keine äußere Verletzung sichtbar. Der berühmte Anatom am Karolin, Johann Jessenius, erklärte: Herr von Rosenberg sei an einem Bruch der linken Herzkammer gestorben und der Tod erfolgt, ehe der Edle noch zum Bewußtsein gelangt. Vergebens! Elisabeth behauptete, sie habe ihren Gatten, den Vater ihrer Kinder gemordet, und sei er nicht gestorben an der Wunde, die ihm ihr Dolch beigebracht, so habe ihn das Entsetzen getödtet in dem Moment, wo sie den Mord vollbringen wollte. Der Dolch, der Zeuge ihres Verbrechens, sagte sie, müsse sich finden, er sei hinter das Bett gefallen. Man that ihr den Willen und suchte: es fand sich kein Dolch. Auch dieser Umstand erschütterte ihre Behauptung, ihre Selbstanklage nicht. Fragte man nach dem Grund und der Möglichkeit eines solchen Entschlusses, um sie von dem Sinnlosen ihrer Behauptung zu überzeugen – so gab sie keine Antwort. Man mußte annehmen, der Schmerz habe ihre Verstandeskräfte verwirrt und in der That verfiel sie in eine gefährliche Nervenkrankheit, aber auch während derselben nannte sie sich stets eine Mörderin. In ruhigeren Augenblicken nur verlangte sie ihre Knaben und bitter lächelnd betrachtete sie dieselben und sagte leise: »Ich habe sie errettet – schrecklich zwar, aber doch gerettet.« Man gab sich keine Mühe, den Zusammenhang in diesen räthselhaften Aeußerungen zu suchen, man schob sie auf die geistige Störung, die auf den plötzlichen Tod des Gatten gefolgt war.


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