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X.

Unter dem auf dem Hradschin während der eben geschilderten Scene versammelten Volke befanden sich auch drei unserer Bekannten aus der Schenkstube des Brauhauses in der Brückengasse: Sojka, der Fleischer, Hostal, der Kürschner, und der sogenannte Magister, der Bader Kostelecky. Sie gingen mitten im Menschengewühl nebeneinander die Schloßgasse, bei der Kirche Maria im Schnee vorüber, hinab. Zu ihnen gesellte sich noch ein vierter Bekannter, der alte Matusch, der an dem heutigen Auftritte nicht als handelnde Person, sondern nur als Zuschauer theilgenommen.

»Die Sache ist gut ausgefallen,« sagte Sojka, der an der Spitze der Fleischer gestanden hatte und noch das Abzeichen der Innung, ein großes, massives, silbernes Schlachtbeil, trug, während er zwischen den Uebrigen einherschritt; »Graf Thurn drückte mir auch die Hand, als er sein Roß bestieg und ich dicht dabei stand und sagte: Ihr seid ein braver Patriot, Meister! Habt Dank; es wird alles gut ablaufen. Das sagte er. Aber, wir, die Fleischer, waren auch an vierhundert Mann stark, Herren und Gesellen.«

»Nun – nun,« warf etwas hochmüthig der Kürschner Hostal ein, »meine Leute waren auch dabei, und das vollzählig und standen an ihrem Platze. Die Burschen schrien, daß der Dom zitterte; natürlich alles auf Commando der Meister; denn bei solchen Auftritten muß man immer etwas auf Würde halten, um die Untergebenen gut instruiren zu können.«

»Mir ging's vollends seltsam,« erzählte Kostelecky, der mit seinen kurzen Beinen, um mit den Anderen Schritt zu halten, nebenher trippelte; »liegt's an meinem neuen Gewande oder war es ein anderer Grund, ich gerieth unter die Herren vom Ritterstande und so im Gedränge mit in den Saal. Denn das müßt Ihr wissen, daß ich mich heut' nur in die Baderinnung gestellt, nicht als ob mir's zukäme, sondern um mit wirksam sein zu können für die gute Sache. Also durch einen Zufall drang ich mit vor in den Vladislavsaal und hörte und sah alles; wie der Herr von Schlik dem König ans Herz ging, wie der Graf Thurn drohte, wie der König so blaß und krank und fast bemitleidenswerth war, wie er anfangs nicht wollte, aber endlich, da ihm Thurn den Schloßhof voll Leute zeigte, doch nachgab und unterschrieb. Ich schrie, wie die Anderen auch mit aus Leibeskräften: Unterschreiben! und als dies fruchtete: Vivat Rudolfus! – Dies erzähl' ich Euch ausführlich, wenn wir erst unten in der Schenke bei Miklasch sind. Ihr trinkt doch ein Glas; es wird bald Nacht und das lange Stehen und Warten hat Einen müde und durstig gemacht. Ist's nicht wahr?«

»Ganz zufrieden,« äußerte mit einer Wichtigkeitsmiene der aufgeblasene Kürschner, »bin ich mit dem, was wir ausgerichtet haben, nicht. Es sind nur die sogenannten Politica bestätigt, die Punkte über freie Religionsübung aber sollen erst auf dem nächsten Landtag befestigt werden. Aufgeschoben aber ist häufig aufgehoben! Der Bürger sollte da auch ein Wort mit hineinreden; denn die Religionssache ist für Jedermann; die Politica aber sind größtentheils nur für die Herren.«

»Die Sache muß wohl in der Ordnung sein,« fuhr der Fleischer, ärgerlich über den Kritiker, auf, »da die Herren Stände und darunter auch die von den Städten, also auch die Bürgerschaft damit einverstanden waren. Wenn ein neues Religionsedict eingeführt werden soll, so müssen Alle gefragt werden – wie Du eben selbst sagst – auch die, welche heute nicht dabei waren, alle Christen heißt das – die Juden freilich nicht!«

»Es ist doch immer etwas Besonderes,« sprach jetzt Matusch, der indes hinzugetreten war, »ich möchte sagen, etwas Erschreckendes, Betrübendes, wenn ein König, ein gesalbtes Haupt von seinen Unterthanen, vom Volk gezwungen, klein gemacht wird, wenn der Herr über Leben und Tod, die Majestät, gehorchen muß!«

»Dahin aber mußte es kommen,« warf heftig gesticulirend der Bader ein, »sonst denkt der König, sonst denken seine Räthe, wir müßten uns alles gefallen lassen. Ist's nicht wahr? Die Herren Slavata und Martinic und der oberste Kanzler Popel Lockovic mochten wohl ahnen, daß ihnen das Brot gebacken sei; darum kamen sie auch nicht. Der König wollt' sie erst um Rath fragen – aber das verbat sich Graf Schlik im Namen der Stände und wir Alle murmelten unzufrieden dabei. Da that er uns denn, als vollends der Graf Thurn die Stimme erhob und sagte, es sei keine Zeit zu verlieren, den Willen!«

»Ein Versprechen,« äußerte Matusch, »das ungern gegeben worden, ist, mein' ich, schwer zu halten.«

»Das eben wollt' ich sagen,« brauste der Kürschner auf, »wenn der König erst mit seinen Räthen Rath gepflogen, wer steht uns dafür, daß er nicht alles zurücknimmt – oder, daß, wie es schon öfter geschehen, was befohlen und gewährt wurde, nicht ausgeführt wird. Es ging uns mit Maximilian's Religionsfreiheiten so! Der Bürger aber muß halten, was ihm aufgebürdet worden. Die Steuern auf meinen Kopf und mein Haus sind geblieben, ja – sie sind derweile nur immer noch größer geworden. Habe einer nur ein Haus und er hat eine Last, die ihn zu Boden drückt, zu Grunde richtet!«

»Nun, wenn's Euch gar so sehr kränkt,« scherzte Matusch lachend, »so verschenkt's doch oder steckt es in Brand.«

»Was soll das Mäkeln und Tadeln hinterher,« sagte ärgerlich über des Kürschners Weise der Fleischer; »versprechen oder halten! Der König hat's einmal versprochen, wir haben's angenommen und darum müssen wir's abwarten. Du bist ein sehr kluger Mann, Hostal, und die Motten fressen doch Deine Pelze und Du kannst es nicht hindern. Jeder glaubt, wenn er nur König wär', so machte er's besser. Ihr Alle könnt, wenn's darauf ankommt, meine Ochsen mit dem Maul besser todtschlagen als ich mit dem Beil. Ein zartes Jüngferlein hat mich einmal in der Fleischbank gefragt, ob's dem Ochsen auch weh' thut, wenn ich ihn so vor den Kopf schlage, und dann wär's doch grausam. Da hab' ich ihr kurz geantwortet: Das wüßt' ich nicht, da müßte sie den Ochsen selbst fragen.«

Matusch und der Bader lachten hell auf bei diesem Seitenhieb auf den grämlichen Kürschner, der seinerseits sich ärgerte und schwieg.

Sojka aber fuhr fort:

»Eins weiß ich – nämlich, wir müssen Wort halten; wir müssen dem König jetzt beispringen, denn wir haben's versprochen, wenn er uns das Verlangte bewilligt. An unserem Versprechen ist nichts zu mäkeln. Viele Kriegsleute strömen in Prag zusammen und auf die Nachricht von dem heutigen Tage werden noch mehrere kommen. Also frisch d'rauf und d'ran gegen den Erzherzog Mathias und seine Ungarn, Oesterreicher und Mährer. Er ist jetzt unser Feind, Rudolf nicht mehr. Er hat den Frieden gebrochen und mit seinen Söldnern unser Land überschwemmt, gerad' als wär' es das seine. Aber die böhmische Krone lassen wir nicht ohne weiteres von dem ersten Besten, den's gelüstet, nehmen. Wenn sie vergeben wird, da haben wir auch ein Wort mit d'rein zu reden! denn eine Krone ohne Volk ist ein Nichts.«

»Das ist wahr,« rief schnell beschwichtigt der Kürschner aus, »da hat der Bürger auch mitzusprechen und muß gefragt werden. Das war ein wahres Wort, Sojka!«

Sie waren nach diesem Wechselgespräch bis in die Brückengasse an den Thorweg des bekannten Brauhauses gelangt, wo Miklasch in der Dämmerung stand, und als er sie erkannt, freudig begrüßte. Der alte Matusch zauderte eine Weile einzutreten, als überlege er etwas.

»Nun, geht Ihr nicht mit?« fragte der Fleischer, »habt Ihr keinen Durst, alter Freund? Ich dächte doch eine Halbe –«

»Seid wohl heut' wieder im Dienst,« meinte der Bader, »habt die Schutzwache bei der Frau von Rosenberg?«

»So etwas ist's,« entgegnete Matusch, »doch eine halbe Stunde werd' ich wohl noch Zeit haben, bis ich auf meinen Posten muß.«

Er folgte den Uebrigen nach in die Schenkstube.

Hier drehte sich die Unterredung von neuem um die Ereignisse des Tages, der Kürschner schalt und tadelte, der Bader belehrte und der Fleischer scherzte und trank sehr viel, und zum Beschluß war wieder Miklasch der Gegenstand und das Opfer ihrer derben Scherze und Neckereien.


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