Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Elfte Nacht.

Der Dieb und die schlaue Frau.

»Wisse, o König, es war einmal ein schlauer Dieb, der nichts stahl, bis er alles, was er besaß, verthan hatte; überdies aber stahl er nichts von seinen Nachbarn und schloß sich aus Furcht verraten zu werden, keinem andern Dieb an. In dieser Weise verbrachte er lange Zeit, und es erging ihm gut dabei, und sein Geheimnis blieb verborgen, bis Gott, der 170 Erhabene, es verhängte, daß er bei einem Bettler einstieg, den er für reich hielt. Als er nichts im Hause fand, ergrimmte er, und ein Zwang trieb ihn dazu den Mann zu wecken, der neben seiner Frau schlief, und zu ihm zu sagen: »Zeig' mir deinen Schatz.« Nun hatte der Mann gar keinen Schatz zu zeigen, doch glaubte ihm der Dieb nicht und bedrängte ihn mit Drohungen und Schlägen. Als er aber sah, daß ihm dies nichts nützte, sagte er zu ihm: »Schwöre mir bei der Scheidung von deiner Frau.« Der Mann that es, aber nun sagte seine Frau zu ihm: »Wehe dir, du willst dich von mir scheiden? Ist denn kein Schatz in jener Kammer vergraben?« Dann wendete sie sich zum Dieb und beschwor ihn, ihren Mann noch stärker zu verbläuen, bis er ihm den Schatz ausgeliefert hätte, in betreff dessen er falsch geschworen hätte. Da nahm der Dieb den Mann in die Kammer, in welcher nach Angabe der Frau der Schatz vergraben sein sollte, und prügelte ihn jämmerlich durch, während die Frau hinter ihm die Thür, die fest war, verriegelte und dem Dieb zurief: »Wehe dir, du Thor, nun bist du in die Falle gegangen, und sofort schreie ich nach der Polizei, daß sie dich festnimmt und du dein Leben verlierst, du Satan.« Er erwiderte: »Laß mich hinaus.« Sie versetzte: »Du bist ein Mann und ich eine Frau; außerdem fürchte ich mich vor dir, da du in der Hand ein Messer hast.« Da sagte er zu ihr: »Nimm mir das Messer ab.« Als sie es genommen hatte, sagte sie zu ihrem Gatten: »Bist du ein Weib und ist er ein Mann? Verbläue ihm den Nacken, wie er dich verbläut hat, und, sobald er seine Hand nach dir ausstreckt, stoße ich einen Schrei aus, daß die Polizei herbeikommt und ihn festnimmt und mitten auseinander haut.« Da sagte ihr Mann zum Dieb: »Du tausendfach Gehörnter, du Hund, du Verräter, ich schulde dir ein Depositum, um das du mich gemahnt hast.« Hierauf verbläute er ihn aufs jämmerlichste mit einem steineichenen Knittel, während der Dieb zur Frau um Hilfe schrie und sie um Befreiung anflehte, worauf sie ihm erwiderte: »Bleib' 171 bis zum Morgen an deinem Ort, dann wirst du Wunderdinge sehen.« Ihr Mann aber prügelte den Dieb in der Kammer, bis er ihn halb tot geschlagen hatte und er das Bewußtsein verlor. Als er dann wieder zu sich gekommen war, sagte die Frau zu ihrem Mann: »O Mann dieses Haus ist auf Miete; wir schulden seinen Besitzern eine Geldsumme doch haben wir nichts; was willst du da thun?« Wie sie nun in dieser Weise zu ihrem Mann sprach, fragte der Dieb: »Wie hoch beläuft sich die Miete?« Ihr Mann sagte: »Es werden achtzig Dirhem sein.« Da sagte er: »Ich will dir das Geld zahlen, laß mich los.« Nun aber sagte die Frau: »O Mann, wieviel schulden wir dem Bäcker und Grünzeughändler?« Der Dieb fragte: »Wieviel ist's?« Er erwiderte: »Hundertundzwanzig Dirhem.« Da sagte der Dieb: »Das machen zweihundert Dirhem; laß mich los, ich will's zahlen.« Sie sagte jedoch: »Mein Teurer, das Mädchen ist auch herangewachsen, und wir müssen sie verheiraten und ausstatten und ihr das Nötige beschaffen.« Da fragte der Dieb: »Wieviel braucht sie?« Der Mann erwiderte: »Hundert Dirhem, um bescheiden zu sein.« Der Dieb versetzte: »Das macht dreihundert Dirhem.« Nun hob die Frau von neuem an: »Mein Teurer, wenn du die Tochter verheiratet hast, so brauchst du Geld für den Winter zu Kohlen und Holz und andern unentbehrlichen Sachen.« Da fragte der Dieb: »Wieviel willst du haben?« Sie versetzte: »Hundert Dirhem.« Und der Dieb entgegnete: »Ich schulde dir also vierhundert Dirhem.« Hierauf sagte sie: »Mein Teurer und mein Augentrost, mein Mann muß außerdem noch etwas Kapital in der Hand haben, um sich dafür Waren kaufen und einen Laden aufthun zu können.« Der Dieb fragte: »Wieviel ist's?« Sie versetzte: »Hundert Dirhem.« Da sagte der Dieb: »Bei der dreifachen Scheidung von meiner Frau, mehr Geld habe ich nicht, und ich habe zwanzig Jahre daran gespart. Laß mich los, damit ich dir das Geld geben kann.« Die Frau versetzte jedoch: »Du Thor, wie werde ich dich loslassen? Das 172 ist unmöglich; gieb mir ein zuverlässiges Erkennungszeichen.« Hierauf rief sie ihre junge Tochter und sagte zu ihr: »Hüte diese Thür.« Ebenso schärfte sie ihrem Manne ein, den Dieb zu hüten, bis sie zurückkehren würde, worauf sie zu seiner Frau ging und ihr berichtete, daß ihr Mann festgenommen wäre und sich für siebenhundert Dirhem losgekauft hätte; und sie nannte ihr die Parole. Da gab ihr die Frau des Diebes das Geld, worauf sie nach Hause zurückkehrte, als bereits das Morgenrot dämmerte. Dann ließ sie den Dieb los und sagte zu ihm: »Mein Teurer, wann sehe ich dich wiederkommen, um den Schatz zu holen?« Er versetzte: »Wenn du wieder siebenhundert Dirhem brauchst, um dir und deinen Kindern damit auszuhelfen und damit deine Schulden zu bezahlen, du Verschuldete!« Alsdann ging er hinaus, kaum an sein Entkommen von ihr glaubend.

Diese Geschichte ist jedoch nicht wunderbarer als die Geschichte der drei Leute und unsers Herrn Jesus.« Da entließ der König den Wesir nach Hause. Am andern Abend ließ er ihn jedoch wieder rufen und verlangte von ihm die Geschichte, worauf der Wesir versetzte: »Ich höre und gehorche.«

 


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