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Am 18. Januar 1916 machte Herr Lansing den Vertretern der Ententemächte in Washington einen – später als inoffiziell bezeichneten Vorschlag – über die U-Bootkriegführung, der im wesentlichen auf folgendes hinauskam:
Er erkannte an, daß die U-Boote sich als wirksam in der Bekämpfung feindlichen Handels erwiesen hätten und daß infolgedessen ihre Benutzung zu diesem Zweck den Kriegführenden nicht ohne weiteres verwehrt werden könne. Es handele sich also darum, eine Formel zu finden, die den U-Bootkrieg, ohne seine Wirksamkeit zu zerstören, in Einklang mit den allgemeinen Regeln des Völkerrechts und den Grundsätzen der Menschlichkeit bringe. Sein Vorschlag sei: Einerseits sollten die U-Boote gehalten sein, nur in den Formen des »Kreuzerkriegs« gegen Kauffahrteischiffe vorzugehen, d. h. sie nicht zu versenken, ohne sie zum Halten aufgefordert, nach Konterbande durchsucht und die Mannschaft und Passagiere in Sicherheit gebracht zu haben. Auf der anderen Seite sollten die Kauffahrteischiffe keinerlei Bewaffnung führen dürfen. Zur Begründung dieses Vorschlags führte Lansing an, daß angesichts der Konstruktion der U-Boote eine auch nur leichte Bewaffnung den Handelsschiffen eine Überlegenheit gebe; jede Bewaffnung eines Kauffahrteischiffes habe unter diesen Umständen den Charakter einer Bewaffnung zu Offensivzwecken. Das Schreiben schloß: »Ich möchte hinzufügen, daß meine Regierung das Argument verständlich findet, daß ein Kauffahrteischiff, das irgendeine Bewaffnung trägt, angesichts des Charakters des Tauchbootkriegs und der Schwäche der U-Boote in der Verteidigung, sowohl von den Neutralen wie von den Kriegführenden als Hilfskreuzer zu betrachten und zu behandeln ist, und daß meine Regierung ernstlich erwägt, ihre Beamten dementsprechend zu instruieren.«
Diese Anregung sah aus wie ein schwerer Vorstoß gegen die Seekriegführung der Entente. Die Entwaffnung aller Handelsdampfer und ihre Verpflichtung, ohne Gegenwehr auf Anruf anzuhalten, sich untersuchen und nach Feststellung der feindlichen Nationalität oder des Vorhandenseins von Kontrebande sich versenken zu lassen, hätte das Vorgehen der deutschen U-Boote gegen den Seehandel der Ententeländer nahezu gefahrlos gemacht und seine Wirksamkeit bedeutend gesteigert. Die Ablehnung dieser Anregung durch die Ententemächte mußte deshalb erwartet werden. Aber für diesen Fall stand am Schluß des Lansingschen Schreibens die Drohung, daß die amerikanische Regierung künftighin bewaffnete Handelsschiffe als Hilfskreuzer ansehen und behandeln werde. Das hieß nicht nur, daß die bewaffneten Handelsschiffe bei ihrem Aufenthalt und ihrem Verkehr in den Häfen der Vereinigten Staaten den für Kriegsschiffe maßgebenden Beschränkungen unterliegen sollten, sondern auch, daß die Regierung der Vereinigten Staaten sich jedes Einspruchs gegen die Versenkung solcher bewaffneten Handelsschiffe durch deutsche U-Boote begeben hätte, auch wenn die Torpedierung ohne Warnung und ohne die Rettung der Schiffsbemannung und Passagiere erfolgte.
Lansings Vorschlag an die Ententevertreter
Die Entente war also in der Tat vor ein schweres Dilemma gestellt. Hätte die Regierung der Vereinigten Staaten den Lansingschen Gedanken sich zu eigen gemacht und festgehalten, so gab es für die Entente nur den einen Ausweg, durch die Rückkehr zur Londoner Deklaration sich die Beschränkung des U-Bootkriegs auf die Methoden des »Kreuzerkriegs« zu erkaufen. Zielte Lansings Brief an die Ententevertreter nach dieser Richtung? Sollte er eine drastische Ergänzung der noch immer unbeantworteten Note der amerikanischen Regierung vom 5. November 1915 sein, die so scharf gegen die Methoden der britischen Seekriegführung Stellung genommen hatte?
Ich vermag auf diese Frage auch heute noch keine Antwort zu geben; denn ich hatte weder damals, noch habe ich heute genügend Einblick in das, was jenseits des Atlantischen Ozeans vorging. Und die weitere Entwicklung der Dinge selbst gab nicht nur keine Antwort, sondern stellte uns vor ein Rätsel.
Wiederaufnahme der »Lusitania«-Frage
Nachdem nämlich Lansing am 18. Januar 1916 jenen Brief an die Entente Vertreter gerichtet hatte, nahm er Ende Januar gegenüber dem Grafen Bernstorff die »Lusitania«-Frage, die bei der Erledigung des »Arabic«-Falles ausdrücklich in Schwebe gelassen worden war, wieder auf. Er verlangte nicht nur eine Entschädigung, sondern auch die ausdrückliche Erklärung, daß wir diese Entschädigung »in Anerkennung der Ungesetzlichkeit (illegality)« der Versenkung der »Lusitania« gewährten. In einem solchen Zugeständnis sah man bei uns nicht nur eine uns angesonnene Demütigung, sondern auch einen endgültigen und vorbehaltlosen Verzicht auf die schärfere Form des U-Bootkriegs, zu dem man sich um so weniger entschließen konnte, als keinerlei Sicherheiten irgendwelcher Art für eine Zurückführung des Seekriegs unserer Feinde auf die Normen des Völkerrechts vorlagen. Lansing bestand jedoch mit der größten Hartnäckigkeit und Schärfe auf seiner Forderung. Die Lage erfuhr abermals eine kritische Zuspitzung bis hart an den Abbruch der Beziehungen. Am 5. Februar 1916 veröffentlichte das Wolffsche Bureau eine Unterredung des Unterstaatssekretärs Zimmermann mit dem Berliner Korrespondenten der »Associated Press«, in der er u. a. sagte: Er wolle den Ernst der Lage nicht verhehlen. Deutschland könne keinesfalls die Ungesetzlichkeit der Kriegführung der U-Boote in der Kriegszone anerkennen. Die ganze Krisis sei auf die neue Forderung Amerikas zurückzuführen, daß Deutschland die Versenkung der »Lusitania« als eine völkerrechtswidrige Tat anerkennen solle. Deutschland könne die Waffe der U-Boote nicht aus der Hand legen. Wenn die Vereinigten Staaten es zum Bruch kommen lassen wollten, könne Deutschland nichts mehr tun, um dies zu vermeiden.
Der Reichskanzler bestätigte in einer Unterredung mit dem Vertreter der »New York World« die Zimmermannschen Erklärungen.
Während unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten diese neue und unerwartete Zuspitzung erfuhr, kam es bei uns im Innern zu heftigen Kämpfen über den U-Bootkrieg.
Der Admiralstab nahm unter seinem neuen Chef gegen Ende 1915 erneut Stellung zugunsten der Aufnahme des durch keinerlei Einschränkungen gehemmten U-Bootkriegs. Von einem rücksichtslos durchgeführten U-Bootkrieg erwartete er binnen eines halben Jahres die Niederkämpfung Englands und damit die siegreiche Beendigung des Krieges. Gegenüber dieser Aussicht müßten alle andern Erwägungen, auch die Rückwirkung des uneingeschränkten U-Bootkrieges auf die Vereinigten Staaten, zurücktreten.
Der Chef des Generalstabs, General von Falkenhayn, war um die Jahreswende für den uneingeschränkten U-Bootkrieg so gut wie gewonnen. Er hoffte auf eine Niederkämpfung Englands in wenigen Monaten.
Auch die politischen Parteien und die Presse nahmen in jener Zeit immer schärfer in der Frage des U-Bootkrieges Stellung. Die Marinebehörden entfalteten eine starke propagandistische Tätigkeit zugunsten des uneingeschränkten U-Bootkrieges, die sichtlich Einfluß auf die Meinungsbildung der politischen Kreise und des Publikums gewann.
Der Kanzler leistete dem starken Druck Widerstand. Wenn schon die Differenzen über die Erledigung der »Lusitania«-Frage so hart an den Bruch zwischen Amerika und uns heranführten, so erschien der Bruch und ihm folgend der Krieg sicher für den Fall der Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges. Dafür war der Kanzler nicht geneigt, die Verantwortung zu übernehmen.
Proklamierung des »verschärften U-Bootkrieges«
Dagegen einigten sich die maßgebenden Persönlichkeiten Anfang Februar 1916 auf den sogenannten »verschärften U-Bootkrieg«, nämlich die Versenkung der bewaffneten feindlichen Handelsschiffe ohne Warnung und ohne Rücksicht auf die Mannschaften und Passagiere.
Der deutschen Marine waren auf verschiedenen britischen Handelsschiffen Instruktionen in die Hand gefallen, aus denen sich ergab, daß die bewaffneten Schiffe nicht etwa die Angriffe deutscher U-Boote abwarten und sich gegen diese verteidigen, sondern, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot, angriffsweise gegen die U-Boote vorgehen sollten. Die deutsche Regierung zog hieraus die Konsequenz, daß die mit Geschützen bewaffneten feindlichen Kauffahrteischiffe kein Recht mehr darauf hätten, als friedliche Handelsschiffe angesehen zu werden. Sie teilte diese Auffassung am 8. Februar 1916 den neutralen Regierungen in einer Denkschrift mit, die mit der Ankündigung schloß, daß die deutschen Seestreitkräfte nach einer kurzen, den Interessen der Neutralen Rechnung tragenden Frist den Befehl erhalten würden, solche Schiffe als Kriegführende zu behandeln.
Über die Zweckmäßigkeit dieses Schrittes konnte man verschiedener Meinung sein; schon deshalb, weil die Erkennbarkeit der Bewaffnung eines Handelsschiffes durch das Periskop eines U-Bootes eine recht zweifelhafte Sache war und Irrtümer ganz unausweichlich erscheinen mußten. Ich konnte den Eindruck nicht loswerden, daß die Herren von der Marine »verschärften U-Bootkrieg« sagten, aber den »uneingeschränkten U-Bootkrieg« meinten. Das konnte nicht gut gehen. Außerdem hätte ich vorgezogen, zunächst einmal die »Lusitania«-Angelegenheit zu erledigen, statt die so stark zugespitzte Lage durch eine neue Maßnahme von solcher Tragweite zu komplizieren. Ich war jedoch an den Verhandlungen, die zu der Proklamierung des »verschärften U-Bootkrieges« geführt hatten, nicht beteiligt worden und erfuhr die vollendete Tatsache – durch eine in der Pressekonferenz von dem Marinevertreter gemachte Mitteilung.
Immerhin war der »verschärfte U-Bootkrieg« begründet in einer Auffassung, die mit der von Lansing in seinem Schreiben vom i8. Januar an die Entente Vertreter entwickelten im wesentlichen übereinstimmte. Diese Tatsache war, so durfte man annehmen, immerhin geeignet, den »verschärften U-Bootkrieg« auch in den Augen der amerikanischen Regierung als vertretbar erscheinen zu lassen.
Diese Hoffnung erschien um so mehr berechtigt, als sich damals in den Vereinigten Staaten in der öffentlichen Meinung und in den Kreisen des Kongresses eine Strömung zeigte, die sich gegen den Gedanken eines Krieges zwischen Amerika und Deutschland auflehnte und zum Zweck der Verminderung der Kriegsgefahr die Forderung aufstellte, die amerikanische Regierung möchte die amerikanischen Bürger vor der Benutzung bewaffneter feindlicher Handelsschiffe warnen oder gar ihnen das Reisen auf bewaffneten feindlichen Schiffen verbieten. Im Senat wie im Repräsentantenhaus wurden sogar Anträge in diesem Sinne eingebracht.
Amerikas Stellungnahme
Um so auffallender war es, daß die amerikanische Regierung nunmehr gegen die deutsche Auffassung des Charakters und der Wirkungen der Bewaffnung von Handelsschiffen, die sich so nahe mit der von Lansing kundgegebenen berührte, mit aller Schärfe Stellung nahm. Der Präsident Wilson selbst griff ein, indem er am 24. Februar 1916 einen Brief an den Senator Stone, den Vorsitzenden des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, richtete und veröffentlichte, in dem er sich auf den Standpunkt stellte, daß die Ankündigung des verschärften U-Bootkrieges in so offenkundigem Widerspruch zu den erst vor kurzem gegebenen ausdrücklichen Versicherungen der Mittelmächte stehe, daß er erst weitere Erklärungen abwarten müsse. Er fügte hinzu: Er könne keinerlei Verkürzung der Rechte der amerikanischen Staatsbürger, hinnehmen; die Ehre und Selbstachtung der Nation sei im Spiel; Amerika wünsche den Frieden und werde ihn um jeden Preis erhalten, nur nicht um den Preis seiner Ehre; den Amerikanern die Ausübung ihrer Rechte verbieten aus Furcht, man könne gezwungen sein, für diese Rechte einzutreten, würde in der Tat eine tiefe Demütigung sein und außerdem nicht nur ein stillschweigendes, sondern sogar ein ausdrückliches Sichabfinden mit der Verletzung der Rechte der Menschheit und ein bewußter Verzicht Amerikas auf seine bisher stolze Stellung als Wortführer für Gesetz und Recht. Amerika könne nicht nachgeben, ohne seine eigene Ohnmacht als Nation zu erklären und seine unabhängige Stellung unter den Nationen der Welt aufzugeben.
Am 3. März 1916 beschloß der Senat mit 68 gegen 14 Stimmen die Erörterung der Resolution Gore, die das Reisen auf bewaffneten feindlichen Handelsschiffen für Amerikaner verboten sehen wollte, auf unbestimmte Zeit zu vertagen.
Drei Wochen später, am 25. März, veröffentlichte die amerikanische Regierung ein Memorandum über ihre Stellung zur Frage der Behandlung bewaffneter Handelsschiffe in neutralen Häfen und auf hoher See. Das Memorandum kam auf Grund sehr kasuistischer Deduktionen zu dem Schluß: Eine neutrale Regierung könne in ihren Häfen ein bewaffnetes Handelsschiff auf Grund der Präsumption behandeln, daß es zum Angriff bewaffnet sei und infolgedessen den Charakter des Kriegsschiffs habe; dagegen müsse ein Kriegführender auf hoher See auf Grund der Präsumption vorgehen, daß das Handelsschiff zu Verteidigungszwecken bewaffnet sei und infolgedessen den Charakter als Kauffahrteischiff habe. Der Status eines bewaffneten Handelsschiffes auf hoher See als eines Kriegsschiffes könne nur auf Grund beweiskräftiger Evidenz seiner Angriffsabsicht festgestellt werden.
Zwei Tage zuvor, am 23. März, hatte die britische Regierung die Lansingsche Anregung vom 18. Januar als unvereinbar mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts und mit bestimmten Klauseln der Haager Konvention abgelehnt.
Das merkwürdige Zwischenspiel des Lansingschen Vorschlags blieb unaufgeklärt. Wir hatten jetzt bei der Führung des verschärften U-Bootkrieges gegen die bewaffneten Handelsschiffe mit demselben Widerstand Amerikas, ja mit einem noch ausgesprocheneren Widerstand zu rechnen, wie bei unserm ersten Tauchbootkrieg. Jeder Tag konnte mit einem neuen Zwischenfall die Krisis akut machen und uns vor die Wahl zwischen dem Krieg mit Amerika oder der Einschränkung des U-Bootkrieges auf die völkerrechtlich einwandfreien Formen des Kreuzerkriegs stellen.
Denkschrift des Admiralstabes
In dieser Lage wuchs bei uns die Forderung nach dem uneingeschränkten U-Bootkrieg zu einem wahren Sturm auf den Reichskanzler an. Die Marine, die den »verschärften U-Bootkrieg« durchgesetzt hatte, dachte nicht daran, sich damit zufriedenzugeben. Der Admiralstab hatte eine umfangreiche Denkschrift über die englische Wirtschaft und den U-Bootkrieg ausarbeiten lassen, die auf Grund eines weitschichtigen statistischen Materials, aber in ganz dilettantischer Beweisführung, den Nachweis zu erbringen versuchte, daß der »uneingeschränkte U-Bootkrieg« im Laufe längstens eines halben Jahres zu dem Erfolge führen würde, England auf dem Wege der Unterbindung des Seeverkehrs zum Frieden zu zwingen. Zu der Denkschrift wurden von zahlreichen hervorragenden Persönlichkeiten aus den Kreisen der Industrie, des Handels und der Bankwelt Gutachten eingefordert, die bei der klugen Auswahl der Befragten sich durchweg mit mehr oder weniger vorsichtigen Vorbehalten den Folgerungen der Denkschrift anschlössen. Die Bearbeitung der Presse und der öffentlichen Meinung zugunsten des uneingeschränkten U-Bootkrieges war um so wirksamer, als es unmöglich war, die zugunsten des U-Bootkrieges in Umlauf gesetzten Behauptungen und Beweisführungen zu widerlegen, ohne geradezu Landesverrat zu begehen.
Ich hatte mich damals im Auftrage des Reichskanzlers eingehend mit der im Admiralstab ausgearbeiteten Denkschrift befaßt und mußte auf Grund der mit dem ersten U-Bootkrieg gemachten Erfahrungen, der noch verhältnismäßig intakten wirtschaftlichen Reserven Englands, der ausgezeichneten Welternte, namentlich auch der Rekordernten der England zunächst gelegenen Versorgungsgebiete, des Umfangs des England noch zur Verfügung stehenden Schiffsraumes usw. zu dem Schlüsse kommen, daß auch bei voller Leistung der vom Admiralstab in Aussicht gestellten Versenkungen keinerlei Gewähr für eine Niederzwingung Englands innerhalb eines absehbaren Zeitraumes gegeben sei. Auf der andern Seite konnte ich nicht umhin, die Gefahren eines Krieges mit Amerika wesentlich höher zu veranschlagen, als dies von selten der Befürworter des uneingeschränkten U-Bootkrieges geschah.
U-Bootkrieg-Frage im Hauptquartier. Tirpitz' Rücktritt
In der ersten Märzhälfte kam auf Betreiben der Marine die Frage des uneingeschränkten U-Bootkrieges im Großen Hauptquartier erneut zur Entscheidung. Der Reichskanzler drang mit seiner Ansicht durch. Es scheint, daß auch der Chef des Admiralstabs und der Chef des Generalstabs sich dem Gewicht seiner Gründe nicht entziehen konnten. Der Kanzler bestand bei dieser Gelegenheit auch auf einer Abstellung der von der Marine ausgehenden Propaganda zugunsten des uneingeschränkten U-Bootkrieges. Der Kaiser verfügte die Lostrennung der Nachrichtenabteilung vom Reichsmarineamt und ihre Angliederung an den Admiralstab. Diese Maßnahme gab die unmittelbare Veranlassung zum Rücktritt des Großadmirals von Tirpitz. An seiner Stelle wurde der Admiral von Capelle, der in der U-Bootfrage die Auffassung des Reichskanzlers teilte, zum Staatssekretär des Reichsmarineamts ernannt.
Die Budgetkommission des Reichstages beschäftigte sich Ende März in vertraulichen Sitzungen mit der U-Bootfrage. Auch die Konservativen und derjenige Teil der Nationalliberalen, die mit Entschiedenheit für den uneingeschränkten U-Bootkrieg eintraten, nahmen schließlich davon Abstand, eine dahingehende Entschließung zu beantragen. Es kam nach langen Verhandlungen zwischen den Parteien eine Resolution zustande, die lautete:
»Nachdem sich das Unterseeboot als eine wirksame Waffe gegen die englische auf die Aushungerung Deutschlands berechnete Kriegführung erwiesen hat, gibt der Reichstag seiner Überzeugung Ausdruck, daß es geboten ist, wie von allen unsern militärischen Machtmitteln, so auch von den Unterseebooten denjenigen Gebrauch zu machen, der die Erringung eines die Zukunft Deutschlands sichernden Friedens verbürgt, und bei Verhandlungen mit auswärtigen Staaten die für die Seegeltung Deutschlands erforderliche Freiheit im Gebrauch dieser Waffe unter Beachtung der berechtigten Interessen der neutralen Staaten zu wahren.«
Man einigte sich ferner dahin, daß eine Besprechung der U-Bootfrage im Plenum des Reichstages unterbleiben solle.