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War nicht der Arzt Purganti zu beklagen?
Er hatt' in seinen alten Tagen
Ein schwaches Haupt, und einen schwächern Leib,
Auch überdieß, zum Zuwachs seiner Plagen,
Ein junges Weib.
Sie hieß Agnes' und war ein Bild der Zucht;
Es macht' ihr grosser Ruhm, des frommen Wandels Frucht,
Das ganze Kirchspiel stolz. Man sprach in langer Zeit
Bey ieder Wöchnerinn, bewundernd ohne Neid,
Nur von Agnesens Ehrbarkeit.
Auf ihrem Bücherschrank stand niemals ein Roman,
Doch wol ein Quirsfeld, Kern, Schmuck, Albrecht, Wudrian.
Sie war insonderheit der Oper feind gewesen,
Und hatte, wie, vor ihr, fast niemand sonst gethan,
Den Cubach dreimal durchgelesen.
Asmodi selbst verlor das Herz,
Die starke Gläubige durch List zu überwinden,
Denn sie verfluchte wilden Scherz,
Und trotzte gar die Schwachheitsünden.
Oft ward von ihr, die Andacht zu entzünden,
Ein geistliches Choral auf dem Clavier gespielt
Und, wie man mir entdeckt, dem Spiegel zugeschielt,
Nur ihr Gesicht aufmerksam zu betrachten,
Um ieden Theil davon großmüthig zu verachten.
Allein, sie war ganz heimlich von der Art,
Die keusche Reden gern mit Liebeswerken part.
Den irdschen Trieb der Lüsternheit
Entsündigte des Ehstands Schuldigkeit,
Und einer tugendhaften Brust
Wird immer iede Pflicht zur Lust.
Agnese, das getreue Weib,
Verpflegt des theuren Gatten Leib.
Sie weiß ihm von gesunden Speisen
Die trefflichsten stets anzupreisen,
Was aber schwächet oder zehrt,
Wird ihm mit vielem Recht verwehrt.
Sie wärmt und würzt des Mannes Wein,
Und schneidet ihm die Bissen klein,
Legt Mark und Nieren reichlich vor,
Drückt seine Hand, zupft ihn ans Ohr,
Um durch dergleichen Schmeicheleyen
Den alten Paulus zu erfreuen.
Die Dankbarkeit ist eine schwere Last:
Zu vieles Zärtlichthun wird endlich auch verhasst.
Der Alte fand sein Schätzgen zu geschäftig,
Und ihre Liebe viel zu heftig.
Er suchte bald in allen diesen Werken
Mehr Eigennutz, als Neigung zu bemerken.
Den tauben Ottern gleich, wann ihr Beschwerer spricht,
Hört' er die süssen Worte nicht.
Der Name: Schätzgen, Engel, Leben,
Wird ihm zwar oft, doch stets umsonst, gegeben.
Unlängst, als mitten in der Nacht
Purganti schnarcht, Agnese wacht,
Und, durch ein falsch Gespenst geschrecket,
Sich zum Gemahl, so nah als möglich, strecket,
Und durch ein Mäulgen ihn erwecket,
Giebt diese Dreistigkeit ihm neues Ungemach,
Er sinnt den Gegenmitteln nach,
Um dem zu weibischen Bezeugen
In Zukunft bestens vorzubeugen.
Durch Macht und Widerstand? Ach nein!
Was konnt ihm hiezu Muth verleihn?
Er krieget, wie der Fabius,
Der durch Verzug gewinnen muß.
Was soll man von dem Ritter sagen,
Der weder fliehen darf, noch schlagen,
Der, wann der Schranken offen steht,
Nicht kämpft, auch nicht um Gnade fleht?
Wo die Gewalt unbrauchbar ist,
Bedient ein Weiser sich der List.
Der Arzt, der seinen Gegner scheut,
Kirrt ihn durch falsche Freundlichkeit,
Und er erwiedert oft der Frauen Morgenkuß
Ganz liebreich, sonder Ueberdruß.
Drauf fragt er: Was ist dir geschehn?
Du pflegst ja frischer auszusehn.
Sie muß ihm ihre Rechte reichen:
Hier sind, spricht er, gar schlimme Zeichen:
Ein Puls, der viel zu heftig schlägt.
Noch mehr! ein Auge voller Glut,
Und eine heisse Brust, die sich zu sehr bewegt,
Dieß, sonderlich die Brust, die nimmer ruht,
Bezeugt ein wallendes, ein angestecktes Blut,
Das einen schnellen Tod hervorzubringen pflegt.
So urtheilt Musitan. Der Brunnen scheint hier gut,
Insonderheit der Spa, der rechte Wunder thut. –
Der Spa, mein Kind? – Der Spa. Kurz: Es gedeiht zum Schluß,
Daß Agnes ungesäumt den Brunnen brauchen muß.
Doch fehlte sehr des Doctors Wissenschaft:
Unkräftig ist allhier der Wasser Wunderkraft.
Die in der Heilungskunst gewandt
Sind andrer Meinung, als Purgant,
Und vom Galen zum Sternenkalb
Lehrt ieder Arzt, dieß Mittel hilft nicht halb:
Zumal, wann solch ein brennend Gift
Des Körpers edle Theile trifft,
Und mit dem Kreislauf vom Geblüt
Allmählig sich ums Herze zieht.
Agnese trinkt und leert mit Widerwillen
Zwölf Flaschen aus, gestärkt durch seine Pillen,
Allein umsonst: nichts kann die Krankheit stillen.
Es meldet sich der erste Brand,
So wie zuvor, in Brust und Hand.
Sie ächzt und seufzt ohn' Unterlaß
Und sagt, ihr fehlt sie weiß nicht was,
Und kömmt zum Ehherrn oft gerannt,
Lechzt, klaget, flehet, girrt und sieht ihn sehnend an.
Dieß hätte mich gerührt; doch rührt' es nicht den Mann,
Der ist kaum ihres Flehns gewärtig,
So hält er zum voraus sich mit der Ausflucht fertig.
An statt der thätgen Lieb' und Huld,
Spricht er zu ihr nur von Geduld,
Von Selbstverleugnung in Beschwerden,
Wann Leib und Fleisch geprüfet werden,
Und wie, seit Evens Näscherey,
Der Weiber Erbtheil Leiden sey;
Daß die Entzündung, die sie fühlt,
Sich durch kein mürrisch Winseln kühlt;
Sie müsse nur der Ruhe pflegen,
Die Augen schliessen, sich nicht regen,
Und ja die Arme creuzweis' legen.
Doch ende bald, Thalia, den Gesang:
Kein Mährgen schickt sich gar zu lang.
Je mehr Purganti spricht und lehrt,
Je minder wird sein Weib bekehrt.
Ihr Fieber äussert sich bald wieder;
Sie schlägt die Augen züchtig nieder
Und lispelt: Schatz, ich wollte wol – – –
Was willst du? ruft er eifersvoll,
Beym Brunnentrinken? Bist du toll?
Du willst: du willst; doch ist gewiß
Kein Gift dir schädlicher, als dis.
Ach! Ach! wann werden doch auf Erden
Die Weiber einmal klüger werden?
Ich werd' es thun, doch magst du wissen,
Du wirst vor morgen sterben müssen. |