Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Friedrich von Hagedorn

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Wolf und der Hund.

            Ein abgezehrter Wolf, ein Bild der Dürftigkeit,
Sah einen feisten Hund bey Nacht umherspazieren,
Zwar stand sein Wanst ihm an; doch hielt ers für gescheidt,
Bey diesem Fremden sich manierlich aufzuführen.
Er schien, vor grosser Lust, ganz ausser sich zu seyn,
Gesellschaft solcher Art im Felde vorzufinden,
Und sprach: Wann wird auch mich ein kleines Glück erfreun?
Und ach! wie könnte mich ein guter Rath verbinden!
An Gönnern fehlt es nur; die Zeiten sind nicht gut.
Kein Blutsfreund ladet uns mit andern lieben Gästen.
Wir kämpfen um ein Mahl; wann, mit vergnügtem Muth,
Die frohen Hunde sich in vollen Küchen mästen.

    Melamp erwiedert drauf: Freund! wir beklagen dich,
Wir glaubens, dort im Wald' ist oft nicht viel zu fressen.
Doch willst du mit mir gehn; so wirst du, so wie ich,
Nach Wunsch verpfleget seyn, und aller Noth vergessen.
Mich liebet Herr und Frau; mein Amt fällt gar nicht schwer.
Ich hüte Haus und Hof, und halte nächtlich Wache.
Auch du scheinst mir geschickt zur Hut und Gegenwehr;
Und mehr bedarf es nicht, daß man dich glücklich mache.
Der Wolf umhalset ihn, und als er hurtig trabt,
Der Stelle vorzustehn, die man ihm angetragen,
Sieht er des Hundes Hals enthaart und abgeschabt,
Und wird aus Fürwitz kühn, ihn desfalls zu befragen.

    Mich dünkt, versetzt sein Freund, mir fällt die Ursach ein:
Des Tages legt man mich mit Schmeicheln an die Kette;
Aus Furcht, ich mögte sonst falsch oder beissig seyn;
Dafern ein Held, wie ich, stets seinen Willen hätte.
Was aber schadet dieß? Ich liege warm und still;
Mein Herr besuchet mich; der Knecht bringt Trank und Speise.
Der Wolf, der weiter nicht den Hund begleiten will,
Sucht seinen Rückweg bald und dankt ihm für die Reise.

    Nein! ruft er: auf der Welt ist nichts der Freyheit gleich.
Sollt' ich mir einen Stand, den sie nicht ziert, erwählen?
Dem Weisen gilt sie mehr, als Thron und Königreich:
Wenn ihm die Freyheit fehlt, so wird ihm alles fehlen.


 << zurück weiter >>