Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Friedrich von Hagedorn

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Der Hase und viele Freunde.

            Wo soll man echte Freundschaft finden?
Das Lockwort klingt doch gar zu fein,
Und kann, die Herzen zu verbinden,
Der Anlaß schönster Hoffnung seyn.
Man pflegt den milden Stein der Weisen
Uns, als ein Wunder, anzupreisen.
Man lehrt, er mache mehr, als reich:
Fürwahr, ihm ist die Freundschaft gleich.

    Ein ieder, der in diesen Jahren
Mir ohne Lachen widerspricht,
Ist glücklich, falls er nicht erfahren,
Wie oft man Treu und Glauben bricht.
Wird er den Vorzug nur erwerben,
In diesem süssen Wahn zu sterben;
So soll einst seines Grabes Stein
Der Welt ein seltnes Denkmahl seyn.

    Ein Häsgen von beliebten Sitten,
Ein kleines Thier von schneller Kunst,
Erhielt durch Schmeicheln und durch Bitten
Verschiedner Thiere Lob und Gunst.
Die Hasen hatten ja vorzeiten
Weit mehr, als itzo, zu bedeuten.
Als keiner unsern Stutzern glich,
Da war auch keiner lächerlich.

    Er wandte sich zu allen Freunden,
Um ihren Beitritt zu erstehn,
Den Hunden, seinen ärgsten Feinden,
Zu steuren oder zu entgehn.
Man sprach: dein Leben zu erhalten
Soll unser Eifer nie erkalten;
Der deinem Balg ein Härchen krümmt,
Dem ist von uns der Tod bestimmt.

    Der muntre Hänsel ist zufrieden
Und schätzt sich grossen Hansen gleich.
Die Sicherheit, die ihm beschieden,
Vertauscht er um kein Königreich.
Ihn will so mancher Beistand schützen.
Was darf er nun in Aengsten sitzen?
Nein; unter vieler Starken Hut
Fehlt es auch Hasen nicht an Muth.

    Er lebet ohne Noth und Sorgen,
So unverzagt, als ungestört,
Weil sich mit iedem schönen Morgen,
Mit iedem Thau sein Frühstück mehrt.
Sein rascher Lauf verlässt die Wälder,
Durchstreicht die Triften und die Felder,
Wo in beglückter Sicherheit
Ihn Gras und Laub und Frucht erbeut.

    Wie oft vergällt erwünschte Stunden
Verhaßter Stunden Ungemach!
Ein Jäger eilt mit schlauen Hunden
Der Spur des armen Hansels nach.
Hier ist kein Freund, ihm itzt zu rathen:
Er fährt, er läuft durch Busch und Saaten,
Er drückt sich oft, so gut er kann;
Doch alle Hunde schlagen an.

    Er rennt und setzt durch Forst und Stege;
Sein Absprung aber hilft ihm nicht.
Doch endlich kömmt, auf einem Wege,
Sein Freund, das Pferd, ihm zu Gesicht.
Er sagt: Dieß tolle Hetzenreuten
Scheint meinen Tod mir anzudeuten.
Doch nimmt mich nur dein Rücken auf,
So spürt kein Stöber meinen Lauf.

    Das Pferd versetzt: Mein Herr, ich sehe
Des Unfalls Grösse noch nicht ein.
So mancher Freund ist in der Nähe,
Und ieder wird behülflich seyn.
Die Treu erleichtert Müh und Bürde;
Sie wissen, wie ich dienen würde:
So aber wohnt nicht weit von hier
Ein ungleich stärkrer Freund, der Stier.

    Er eilt durch Heide, Busch und Hecken
Und fleht den Stier um Rettung an.
Der spricht: Ich will nur frey entdecken,
Warum ich dir nicht helfen kann.
Du kennest meiner Freundschaft Triebe;
Jedoch die Freundschaft weicht der Liebe.
Dort lässt sich meine Schöne sehn.
Du must zu jener Ziege gehn.

    Die Ziege hört des Hasen Klagen,
Mit angenommner Traurigkeit,
Und hält, ihm alles abzuschlagen,
Sich zu der Ausflucht schon bereit.
Sie meckert: Dich itzt aufzunehmen,
Wird jenes Schaf sich bald bequemen.
Dir ist ja seine Gutheit kund.
Mir, leider! ist der Rücken wund.

    Der Arme flieht mit bangen Schritten,
Sucht und erreicht das ferne Schaf,
Das, unbewegt bey seinen Bitten,
An Furcht den Flüchtling übertraf.
Es klagt: Vor Feinden dich zu schützen,
Wird meine Schwäche wenig nützen.
Ich zittre ja so sehr, als du;
Doch eile jenem Füllen zu.

    Das sprach: Wenn wir itzt Beystand hätten,
So trotzt ich gerne die Gewalt.
Ich bin zu jung dich zu erretten,
Und mein Herr Vater ist zu alt.
Ich sehe schon die Hunde kommen:
Nur frischen Muth und Lauf genommen!
Doch wenn dein Tod uns trennen soll:
Geliebter Hansel, fahre wol!


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