Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Friedrich von Hagedorn

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Apollo, ein Hirte.

            Mein Herz gleicht den zufriednen Herzen,
Die Lieb' und freier Muth belebt,
Die gern in sichrer Ruhe scherzen,
Wann rauschend Glück den Stolz erhebt.
Die Ehre gönn' ich grössern Leuten
Und wünsche mir auf dieser Welt
Nur den Genuß der Zärtlichkeiten,
Die Neid und Argwohn nicht vergällt.

    Was liebenswürdig ist zu lieben,
Hat uns die parende Natur
Mit unserm Blut ins Herz geschrieben,
Und das entfällt dem Alter nur.
Erfinder weiser Schwermuthsgründe!
Wenn man bey eurem Klügeln lacht,
So rechnets der Natur zur Sünde,
Daß sie die Lust so reizend macht.

    Verdruß und Tadel zu verhüten,
Will ich mich unbemerkt erfreun;
Nicht viel gehorchen noch gebieten,
Kein Sclav' und auch kein König seyn;
Nicht bloß mit Schein und Farben prangen,
Die nur der Pöbel trefflich heisst;
Kurtz: wenig fürchten und verlangen,
Dieß ganz allein rührt meinen Geist.

    Als einsten Phoebus von dem Himmel
Gezwungen seinen Abschied nahm
Und aus der Oberwelt Getümmel
Zu seinem Freund' Admetus kam;
Da wählt' er sich ein freies Leben,
Den angenehmen Schäferstand,
Den Sicherheit und Fried' umgeben,
Der Neid und Herrschsucht nie gekannt.

    Hier konnt' er, zwischen Wald und Flüssen,
Der Ruhe Herz und Lieder weihn.
Er konnte dichten, lachen, küssen:
Bedarf man mehr, vergnügt zu seyn?
Der Gott vergaß, bey muntren Chören,
Wann ihm ein holder Mund gefiel,
Die stolze Harmonie der Sphaeren,
Doch nicht sein sanftes Saitenspiel.

    Die besten Lämmer auf den Feldern,
Die süßste Milch, den schönsten Strauß
Die erste Frucht aus nahen Wäldern
Las man für diesen Fremdling aus.
Man fodert' ihn zu allen Reihen;
Kein Tanz schien artiger geziert,
Als den er nach den Feldschallmeien
Mit einer Hirtinn aufgeführt.

    Oft ward im Busch, bey ihren Schafen,
Ein müdes Kind von ihm entdeckt,
Und, wann sie lächelnd eingeschlafen,
Von ihm bewacht, von ihm geweckt.
Oft wollten, um ihn zu gewinnen,
Ihm andre froh entgegen gehn,
Dann schalkhaft seiner Hand entrinnen,
Dann wieder ihm zur Seite stehn.

    Er hörte manche Hirtinn sagen:
Dem Phoebus sey zu viel geschehn,
Und Göttern etwas abzuschlagen
Sey auch an keiner Daphne schön:
Aus Eigensinn zum Baume werden,
Wann treue Sehnsucht uns erschleicht;
Das sey die schlimmste Wahl auf Erden,
Der keine sonst an Thorheit gleicht.

    Dem Phoebus gab ein neu Ergetzen
Was man zu ihm vom Phoebus sprach,
Das er mit schmeichelhaften Sätzen
Von Scherz und Regung unterbrach.
Man merkte sich die Götterlehre:
Ein ieder liebte, ward geliebt,
Und fand, daß nichts die Lust vermehre,
Die Eintracht, Lenz und Dichtkunst giebt.

    So flohen ihn Gefahr und Sorgen
Und so entzückte seine Brust
Ein frischer Scherz mit iedem Morgen,
Mit iedem Abend neue Lust.
Er dachte bey den Wasserfällen:
Den Nektar, Götter! lass ich euch.
Was ist im Himmel diesen Quellen,
Was dieser Phyllis Busen gleich?

    Der bärtge Zevs ersah die Freude
Und des vergnügten Flüchtlings Glück;
Und er berief, aus bitterm Neide,
Ihn zeitig von der Welt zurück.
Dieß lehrt uns, daß die frohe Stille,
Die Jugend, Witz und Kuß vereint,
Das Herz mit solcher Lust erfülle,
Die Götter selbst zu reizen scheint.


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