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Sechsundfünfzigstes Kapitel.

Der Präsident der Leimsudia erzählt eine ernstere Geschichte, welche aber den geneigten Leser doch vielleicht mehr erheitern wird.

»Der ehrenwerthe Präsident,« nahm Herr Sidel nach einer Pause das Wort, »hat bis jetzt sein Amt mit ziemlicher Strenge verwaltet, ist aber wie gewöhnlich unnachsichtig gegen andere gewesen, ohne selbst in's Feuer zu gehen. Ich glaube im Interesse der ganzen Gesellschaft zu handeln, wenn ich ihn alles Ernstes ersuche, die beiden Lichter frisch zu putzen und auch einmal selbst die Kosten der Unterhaltung zu tragen.«

»Hört, hört!« sagte Herr Holder mit tiefer Stimme. »So schmeichelhaft mir auch eine solche Aufforderung ist,« versetzte Doktor Wellen, »so bin ich doch einigermaßen in Verlegenheit, der Gesellschaft etwas zum Besten zu geben, was interessant für sie wäre.«

»Das glauben wir nicht,« meinte der Pfarrer. »Ein Arzt erfährt so Manches; er ist wie ein Beichtvater, nur daß es ihm nicht verboten ist, hier und da aus der Schule zu schwatzen.«

»Doch sind die Krankengeschichten meistens langweilig,« erwiderte der Doktor.

»Ein Arzt, der im Felde war, sollte ich meinen, hätte Stoff genug, um etwas sehr Interessantes zum Besten zu geben,« sagte Herr Sidel, indem er mit einem sonderbaren Blicke sein Glas austrank.

»Ich füge mich,« entgegnete lächelnd der Doktor; »und da kommt mir gerade etwas in den Sinn, das vielleicht für die meisten, die hier umher sitzen, nicht ohne einige Wichtigkeit ist. Ich muß aber zu diesem Zwecke etwas weit ausholen oder mir vielmehr einige Fragen erlauben; denn was ich hier vortragen will, ist eigentlich nur der zweite Theil einer Geschichte, dessen erster Theil hier unter Ihren Augen geschehen ist.«

Der Doktor sprach das mit sehr gedehntem Tone und sah Eugen dabei forschend an; doch schien dieser mit seinen Gedanken anderweitig beschäftigt und gar nicht auf die eben gesprochenen Worte zu hören.

»Und der zweite Theil spielt nicht hier?« fragte der Pfarrer.

»Im Gegentheil,« sagte Herr Wellen; »der zweite Theil beginnt auf dem Schlachtfelde von Novara.«

»Darauf wäre ich begierig,« meinte der geistliche Herr.

»Es wird Ihnen fast allen, die hier am Tische sitzen, erinnerlich sein, besser als mir selbst, denn ich spreche nur vom Hörensagen, daß droben auf dem Schlosse das schöne Monument errichtet wurde.«

»Ob wir das noch wissen!« entgegnete eifrig der Schulmeister. »War doch der Professor während der Zeit seines Hierseins mein guter Freund geworden! Ein scharmanter junger Mann! Ich habe ihn sehr lieb.«

»Der Professor?« fragte der Doktor, scheinbar nicht wissend, wer damit gemeint sei.

»So nannten sie den Bildhauer, der das Werk droben gemacht,« erklärte der Pfarrer. »Eine schöne Arbeit.«

»Glaube, Liebe, Hoffnung,« sagte der Doktor, und bei diesen Worten fuhr Eugen aus seinen Träumereien empor.

»Es ist Schade, daß der talentvolle Künstler so früh enden mußte,« meinte Herr Sidel. »Wie hieß er doch?«

»Alfred Welding,« erwiderte der Doktor.

»Und wo machten Sie seine Bekanntschaft?« fragte der Pfarrer.

»Wie ich schon gesagt zu haben glaube, in Italien, kurz vor der Schlacht von Novara.«

»Ruhe für den Präsidenten!« rief Herr Sidel. »Er hat das Wort. Wenn wir ihn ewig mit Fragen unterbrechen, so werden wir nicht viel zu hören bekommen. – Den zweiten Theil der Geschichte!«

»Welcher Geschichte?« fragte leise Eugen.

»Die eines jungen Bildhauers Namens Alfred Welding,« fuhr Herr Sidel laut fort, »der droben auf dem Schlosse jene herrliche Arbeit lieferte und dann aus dem Thale hier spurlos verschwand.«

»Den zweiten Theil kenne ich schon,« sprach finster Eugen.

Der Doktor hatte sein Glas ausgetrunken, sah sich rings im Kreise um und sagte nach einem augenblicklichen Stillschweigen: »Was ich hier vortragen will, ist eigentlich der dritte Theil dieser Geschichte.«

»Ah!« rief Eugen, seltsam überrascht, und horchte auf's Höchste gespannt den Worten des Freundes.

»Der erste Theil spielte hier unter euren Augen. Ihr alle kanntet den Bildhauer Welding; ich glaube euch vorhin sagen zu hören: ihr alle hättet ihn lieb gewonnen.«

Bei diesen Worten legte der alte Schulmeister seine Hand wie betheuernd auf das Herz und der Pfarrer hob die seinige in die Höhe, als wollte er sagen: »Gott weiß es!« Beide aber nickten mehrmals mit ihren grauen Köpfen.

Der Doktor fuhr fort, nachdem er einen flüchtigen Blick auf Eugen geworfen: »er ging von hier fort, tiefes Weh im Herzen, und suchte seinen Tod auf den Schlachtfeldern Italiens, den er auch dort – gefunden zu haben schien.«

»Doktor!« unterbrach ihn hier Eugen und wollte von seinem Stuhle auffahren. Doch zog ihn Herr Sidel wieder zurück und bat ihn, ruhig zu sein.

»Der zweite Theil ist euch, wie ich glaube, in den letzten Tagen durch die Erzählung meines Freundes Eugen bekannt geworden. Ich kann also darüber flüchtig hinweggehen und mich zum dritten und letzten wenden. – Es ist etwas Fürchterliches um eine Schlacht; ich habe das erlebt und all' die Schrecknisse gesehen, all' das Elend, das wie ein langer schwarzer Mantel wallt hinter jenen blutigen, aufgeregten, ja man könnte sagen: glänzenden Stunden. Der Kampf ist vorüber; Regiment um Regiment zieht sich hier- und dorthin vom Schlachtfelde, und es bleibt nichts zurück, als die Gefallenen, Todten und Verwundeten, als die Leichen von Pferden, als zerstörtes Heergeräthe aller Art.

»In der Nähe einer kleinen Villa, der Casa Bianchi, hatte ich meinen jungen Freund zum letzten Male wacker kämpfen sehen. Dort war er verwundet worden; ein paar Kameraden hatten ihn zurückgetragen; von da ging jede Spur von ihm verloren. Er war in die Brust geschossen, nothdürftig verbunden worden; er mußte lange Stunden besinnungslos gelegen haben.«

»Er erwachte?« schrie Eugen laut und freudig auf. »Doktor, um Gotteswillen! treiben sie keinen Scherz mit uns!«

»Junger Mann,« erwiderte der Erzähler mit komisch ernster Stimme, die aber ein klein wenig vor Rührung zu zittern schien, »Sie haben nicht das Wort.« Dann fuhr er gelassen fort:

»Als der Jäger erwachte, war es finstere Nacht um ihn. Vom Himmel herab strömte der Regen, langsam und gleichförmig, und erfrischte ihm die Stirn und die trockenen Lippen. Er fühlte an seine Brust, die ihn heftig schmerzte; man hatte um seine Wunde einen Verband gelegt, ihn aber nicht zurück transportirt. Jetzt glaubte er sich der letzten Worte zu erinnern, die er vor einer langen und tiefen Ohnmacht gehört, der Worte, die schmerzlich in sein Ohr geklungen waren: wir wollen ihn verbinden; aber es hilft nichts, den Transport kann er nicht überleben.

»Daß er sich unter freiem Himmel befand, bemerkte er, wie schon gesagt, augenblicklich, und daß er auch mitten im Schlachtfelde war, hörte er jetzt an den seltsamen, schrecklichen Tönen, die leise und laut an sein Ohr schlugen. Er lag in der Nähe eines Baumes auf einem Erdaufwurf. Doch war seine Lage nichts weniger als behaglich, da sich bei der Nacht nicht nur ein scharfer Wind erhob, sondern es auch gegen Morgen anfing zu schneien.

»Der verwundete Freiwillige suchte sich empor zu richten, und es gelang ihm auch, nachdem er sich einige Mal vergeblich bemüht. Ein unbestimmtes Gefühl trieb ihn, hinter jenem Hügel Schutz zu suchen, und nach langer schmerzensvoller Anstrengung kam er auf die andere Seite, rollte aber dort in einen tiefen Graben, wo er wieder eine Zeit lang besinnungslos liegen blieb. Hier aber war er wenigstens vor dem Wetter geschützt, und als er bald darauf abermals die Augen schloß, war es nicht wieder eine Ohnmacht, die ihn überfiel, sondern ein leichter Schlummer.

»Endlich brach der Morgen an, kalt und grau, frostig und nebelhaft. Die Nacht, die so viel Elend mitleidig verhüllt hatte, schien ungern empor zu ziehen und sie zögernd verlassen zu wollen, all' die Unglücklichen, die sie bis jetzt mit ihrem schwarzen Mantel bedeckt.

»Der Freiwillige, abwechselnd zwischen Schlummer und Ohnmachten, hatte nicht viel lichte Momente, und als er nach längerer Zeit einmal wieder die Augen aufschlug, bemerkte er, daß ihn Soldaten umstanden, die ihn neugierig betrachteten. Sie hatten Schaufeln und Hacken in den Händen, und als er einen tiefen Seufzer ausstieß, hoben sie ihn sanft in die Höhe, legten ihn auf einen Wagen, und er wurde weggeführt.

»Und wieder erwachte er auf einem Strohlager in einer kleinen Hütte; aber das behagliche Gefühl der Wärme durchströmte ihn; auch hatte man sich mit seiner Wunde beschäftigt; denn er fühlte nicht mehr jenen scharfen stechenden Schmerz, sondern nur eine große Ermattung, die seinen Körper durchzog. Dann aber kam das Wundfieber mit glühender Hitze und wilden Phantasieen und jagte seinen Geist ruhelos umher, zauberten ihm schöne und schreckliche Bilder vor Augen, führte ihn durch den Himmel und die Hölle, in der Wirklichkeit aber hart am Rande des Grabes vorbei. Doch hielt das Leben zu fest an dem kräftigen Körper; die Tage der Gefahr gingen vorüber – er konnte als gerettet betrachtet werden.«

»Doktor!« unterbrach den Erzähler hier Eugen auf's Neue, »ist es wahr, was Sie hier erzählen? – Wellen, Sie werden keinen Scherz mit uns treiben!«

»Das Unerklärlichste an der ganzen Sache war mir immer,« fuhr dieser ruhig fort, »daß ich den Freiwilligen, trotz meines emsigen, tagelangen Suchens nicht gefunden. Jetzt ist mir Alles klar geworden. Als man ihn vom Felde hinweg gegen Novara transportirte, wurde er von der Bewegung des Wagens so schwach, so hinsterbend, daß der begleitende Unterarzt es für besser hielt, ihn in einem kleinen Hause an der Straße zu lassen, dessen Einwohner, Piemontesen, sich freundlich bereit erklärten, den Verwundeten aufzunehmen. Sollte er sterben, so versprachen sie, ihn anständig begraben zu lassen, vorher aber wollten sie alles Mögliche versuchen, ihn wieder herzustellen.

»Es war ein alter Mann in dem Hause und eine alte Frau, brave, redliche Leute, die den verwundeten Feind mit einem Gefühl innigsten Dankes gegen Gott in ihr Haus aufnahmen. Ihr einziger Sohn, ein junger Mensch von achtzehn Jahren, hatte ebenfalls die Schlacht mitgemacht und war beim Zurückgehen der Piemontesen nicht weit vom elterlichen Hause von einer Kugel leicht in den Arm verwundet worden. Dieses Glück beim Unglück schien den Eltern so groß und unerhört, daß sie es, wie schon bemerkt, für ihre heilige Pflicht hielten, den Verwundeten, der vor ihre Thüre gebracht wurde, liebreich aufzunehmen und zu verpflegen. Und diesen Leuten allein verdankt er neben der Gnade des Himmels seine Rettung.

»Sie behandelten ihn wie ihr eigenes Kind; der Vater selbst eine Art Doktor, holte ihm die Kugel aus der Brust, die alte Frau verließ Tag und Nacht sein Bett nicht, und an einem schönen Morgen – die Erde prangte damals im schönsten Schmucke des Frühlings, – nachdem der Kranke oftmals dringend verlangt, zu wissen, wo er denn eigentlich sei, richtete ihn der junge Piemontese, der schon längst wieder hergestellt war, im Bette auf, öffnete das dicht verschlossene Fenster und ließ ihn hinaus schauen.

»Vor seinen Augen breitete sich das Schlachtfeld aus; aber er kannte es nicht wieder. Die damals so kahlen Felder waren mit frischen, grünen Saaten bedeckt und zeigten nur hie und da an einzelnen grauen Stellen, wo die Schlacht am stärksten gewüthet. Die Reben, welche damals nur ihre knorrigen Aeste in den seltsamsten Gestalten gezeigt, waren jetzt mit Blättern bedeckt und wiegten sich im Winde hin und her, leise ihre Blätter, wie vor Schrecken schüttelnd, als erzählten sie sich allerlei blutige und furchtbare Geschichten.

»Bald war der junge Bildhauer so weit wieder hergestellt, daß er das Haus verlassen und, auf den Arm des jungen Piemontesen gestützt, in der Nachbarschaft herum gehen konnte. Sein erster Gang war natürlich auf das Schlachtfeld selbst, wo er die Stellen aufsuchte, auf denen er gefochten und wo er gefallen war. Ihm kam es aber vor, als sei das alles schon vor langen Jahren geschehen; denn von dem Bilde des Schlachttages selbst, wie es ihm vor Augen schwebte, fand er nur unbedeutende Spuren. Casa Bianchi, wo es am blutigsten hergegangen, lag so freundlich und ruhig zwischen den grünen Saaten, zwischen belaubten Bäumen und Nebengeländen, so still und friedlich, als sei durch das weite Thor dieses Landhauses nie etwas Anderes aus und ein gefahren, als jener beladene Wagen mit den weißen, ruhig dahin schreitenden Ochsen. Und doch waren durch eben dieses Thor die piemontesischen Batterien in rasender Eile verschwunden, hatten in dem Hofe abgeprotzt und eine Kartetschenladung um die andere den stürmenden Jägern entgegen geschleudert. – Schritt für Schritt ging er den Hügel wieder hinauf, denselben Weg, den er damals im Feuer gemacht und ein eigenes wehmüthiges Gefühl beschlich ihn, wenn er dabei zuweilen stehen blieb und an diesen und jenen Kameraden dachte, der hier und dort neben ihm gefallen und ihm, tief aufseufzend, den letzten Blick nachgesandt.

»Als er nun in die Nähe der Gebäude kam, bemerkte er wohl noch die Spuren des heftigen Kampfes. Die Löcher, welche die Kugeln gerissen, waren zwar verstrichen, aber noch immer kenntlich an der helleren Farbe. Hie und da sah man auch neue Fensterläden, Lücken in den Baumreihen und zerstörte Rebengelände. Da mußte er doch unwillkürlich daran denken, wie noch manches lange Jahr vergehen müsse, bis alle die Wunden hier vernarbt seien und ein scharfes Auge nichts mehr finde, was an jenen schrecklichen Tag des Kampfes erinnere.

»Und dabei drückte er mit einem schmerzlichen Gefühle die Hand fest auf das Herz. Auch hier war es wie ein Schlachtfeld; auch hier hatte er begraben geliebte Todte, feurige Wünsche, süße Hoffnungen. Auch hier waren die Keime in den Saaten niedergetreten, ohne Aussicht auf künftige Frucht; hier, das fühlte er wohl, sah es trostloser und öder aus, als auf dem Schlachtfelde von Novara.

»An einem der ersten Tage nach seiner Wiederherstellung ging er nach dieser Stadt, um sich bei dem Commandanten zu melden. Er war als gestorben in den Listen eingetragen; doch hatte sein braver Chef, der Major v. C., ihn zur großen goldenen Medaille vorgeschlagen, die, dem Verstorbenen bewilligt, der Lebende nun erhielt.« – –

Eugen hatte in höchster Aufregung den Präsidenten mehrmals unterbrechen wollen, doch hatte ihn Herr Sidel beständig beschwichtigt, und jetzt winkte ihm der Doktor Wellen freundlich mit der Hand, indem er sagte: »Noch einen Augenblick Ruhe; ich bin gleich zu Ende.«

»Welding,« fuhr er fort, »erhielt natürlicher Weise einen ehrenvollen Abschied aus den österreichischen Diensten und ging dann auf den Rath der Aerzte nach Nizza, von wo ich vor einiger Zeit Briefe von ihm erhielt.«

»Verzeihen Sie, meine Herren,« rief nun Eugen aufspringend, »daß ich Ihre Unterhaltung so schnell unterbrechen muß, daß ich nicht einmal erwarten kann, bis der Doktor für seine schöne Erzählung das ihm gebührende Lob aus Ihrem Munde erhalten. Verzeihen Sie besonders, daß ich ihn aus Ihrer Mitte entführen muß. Aber er weiß es am besten, wie Vieles und Wichtiges ich auf dem Herzen habe, wie sehr mich vor Allem das Schicksal jenes jungen Mannes interessirt, den auch Sie alle lieb gewonnen.«

Bei dieser Rede war der Doktor ebenfalls lächelnd aufgestanden, ließ sich von Eugen, der ihn am Arme faßte, geduldig fortziehen und folgte ihm zur Thüre hinaus.

Eugen war in heftiger Aufregung. An der Treppe faßte er beide Hände des Doktors, sah ihn fest an und sagte hastig und mit zitternder Stimme: »Nicht wahr, Freund, Sie sprachen die Wahrheit?«

»Die volle Wahrheit,« entgegnete Wellen.

»Und ihre Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende?«

»Noch nicht ganz,« erwiderte der Arzt gerührt. »Aber ich hoffe, sie soll bald und fröhlich schließen.«

»Das gebe Gott!« antwortete Eugen.

Und nun gingen sie mit einander die Treppe hinauf: voraus Wellen, langsam und zögernd; Eugen, ihm folgend, hastig und drängend.

Auf des Letzteren Zimmer war Licht, die Thüre nur angelehnt. Wellen drückte sie auf, und Eugen blieb überrascht und zweifelnd auf der Schwelle stehen. Es trat ihm ein junger Mann entgegen, den er nie gesehen; doch wußte er augenblicklich, wer es war.

Dieser reichte ihm freundlich die Hand und sagte mit anscheinend ruhigem Tone: »Verzeihen Sie, daß ich mich Ihnen so unerwartet und plötzlich vorstelle.« Dabei bebte jedoch seine tiefe Stimme. »Doktor Wellen aber,« fuhr er fort, »versicherte mich im Voraus Ihrer Verzeihung.«

Eugen faßte die dargebotene Rechte mit seinen beiden Händen und drückte sie herzlich.

»Er hielt es in Italien nicht aus,« meinte lächelnd der Doktor, »und kehrte deßhalb, wenn auch ohne Hoffnung, nach Deutschland zurück. Daß sich Herr Welding hier befindet, ist mein Werk.«

»Und doch nicht mehr ganz ohne Hoffnung!« fiel ihm der junge Bildhauer hastig in's Wort; »denn ich stehe ja vor Rosaliens Bruder.«

Wir können dem geneigten Leser versichern, daß sich die beiden jungen Männer in wenigen Stunden kennen lernten und lieb gewannen, auch die besten Pläne für die Zukunft faßten.

Doch sah sich der Doktor veranlaßt, ihnen zu sagen: »nehme die Sache nicht gar zu leicht, denkt an die Staatsräthin und namentlich an deren Geschäftsmann, den Justizrath Werner.« – –

Am folgenden Morgen verließ Doktor Wellen Schloßfelden und ging nach der Residenz zurück. Auch nahm er weder Briefe noch Botschaften von Eugen mit. Der erfahrene Freund hatte dem jungen Manne gesagt: »Verrathen Sie nichts von Ihren Absichten, selbst nicht einmal der Mutter. Lassen Sie Ihrem Feinde keine Zeit zur Ueberlegung. Was geschehen soll, muß ihn hier unvorbereitet und plötzlich überraschen.«


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