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Sechsundvierzigstes Kapitel.

Berichtet von einem Vorfall, der anzeigt, daß die ewige Gerechtigkeit schon hier zuweilen den Schuldigen trifft.

Die Gebrüder Schoppelmann, welche in den Nachmittagsstunden einen kleinen Ausgang gemacht, waren nach Hause zurückgekehrt und saßen neben einander auf dem Bette des Fuhrmanns. Ihre Unterhaltung war ziemlich einsylbig; Beide schienen mit ihren Gedanken beschäftigt. Zwischen den hohen Mauern des Nebenhauses hindurch drang von der breiten Straße, in welche die enge, schmutzige Gasse endete, ein schmaler Strahl des Gaslichtes der Laternen, leuchtete auf den Gitterstäben vor den Fenstern und warf einen bleichen Schein auf die beiden Köpfe der windigen Brüder.

Der Winkel war fast ganz dunkel und nur in dem musikalischen Hause, wie gewöhnlich, ein Fenster erhellt, hinter welchem man den Schatten eines Schulgehülfen erblickte, der nach des Tages Last und Hitze sein Gemüth mit sanften Melodieen erheiterte. Sanft und angenehm waren diese Melodieen, aber wohl nur für sein eigenes Ohr; denn in Wahrheit zu sagen, brachte er aus dem alten Klavier zuweilen entsetzliche Mißtöne hervor und sang dazu ein Lied, woran das Bemerkenswertheste war, daß es trotz Instrument und Noten beständig durch verschiedene Tonarten klang, und daß jeder Vers fast einen ganzen Ton tiefer endigte, als ihn der Sänger begonnen und als ihn das eigensinnige Klavier vorschrieb. Das war aber für den Künstler da droben gleichgültig; es schien wenigstens so, und er mußte sich offenbar an den Tönen erfreuen, die er hervorbrachte; denn er sang alle Verse des Liedes durch, dann präludirte er ein wenig und fing wieder von vorn an:

Der Sänger hält im Feld die Fahnenwacht,
An seiner Seite klirrt das Schwert, das scharfe.

Die Gebrüder Schoppelmann saßen schon ziemlich lange auf dem Bette des Fuhrmanns, ohne viel mit einander zu sprechen. Jeder war mit sich selbst beschäftigt, und nur zuweilen, wenn der Sänger droben gar zu laut hinaus jammerte und zu kläglich versicherte, daß er die Dame, so er liebe, um keinen Preis nennen wolle, schaute der Jäger seinen Bruder an, worauf dieser entgegnete: »das sind langweilige Kerle!« – Das Wetter draußen mochte neben anderen Ursachen auch wohl niederdrückend auf das Gemüth der Beiden wirken; denn der Himmel, der schon seit ein paar Tagen mit dunkeln Wolken bedeckt war, sandte heute Abend einen kalten, unfreundlichen, schon recht herbstlichen Regen herab. Draußen plätscherten die Rinnen; man hörte das Wasser rieseln, und wenn man so in den Schein der Laternen hineinsah, so bemerkte man die schweren Tropfen, die vom Winde in schiefer Richtung gegen die Wände der Häuser getrieben wurden.

Mittlerweile hatte der Singende droben ein höchst unmelodisches Accompagnement gefunden; denn ein Hund, der draußen im Winkel vor dem Regen irgendwo untergekrochen war, fing an zu heulen, zuerst leise und schmerzlich, dann lauter und jammervoll; oft stieß er auch kurze traurige Töne aus, dann erhob sich aber seine Stimme wieder zu einem wahren Klaggesange, der sich zuletzt in unendlich hohen Tönen verlor.

Anfänglich hatte es die Beiden gefreut, daß der Schulmann droben auf so unangenehme Art gestört wurde; denn dieser war schon einige Mal an's Fenster getreten, hatte es geöffnet und sehr laut hinab gerufen: Bst! Bst! indem er hoffte, den Hund auf solche Weise zum Schweigen zu bringen.

»Das ist doch eine rechte Bestie!« sagte der Fuhrmann nach einer Pause. »Warum heult das Vieh eigentlich?«

»Das macht die Musik da droben,« versetzte der Jäger, »oder auch vielleicht der Regen.«

»Es könnte doch vielleicht heute Nacht Jemand hier in der Nähe sterben,« entgegnete der Fuhrmann; »dann heulen diese Bestien auch immer.«

»So–o–o–!« erwiderte der Jäger gedehnt und sah seinen Bruder an. »Das ist ein dummer Aberglaube; es ist ja Niemand krank in der Nähe. Ich weiß wenigstens Niemand.«

»Ja, man sagt so,« sagte gleichmüthig der Fuhrmann. – – »Aber ich weiß nicht,« fuhr er nach einer Pause fort, »mich friert's heute Abend; es fängt doch schon an kalt zu werden.«

»Ach ja, der Herbst kommt,« meinte der Jäger und warf einen sehnsüchtigen Blick nach den Gewehren, die über seinem Bette hingen. »Jetzt wird es im Walde lebendig und schön, und wir sitzen hier und können nicht einmal hinaus.«

»Das muß man ändern,« sagte bestimmt der Fuhrmann. »Ich versichere dich, ich habe das Leben satt und will lieber irgendwo als Knecht arbeiten, als wie hier so miserabel meine Tage verbringen. Wir leben, d. h. wir essen und trinken; das ist aber auch Alles; wir sind wie die Schulbuben, die angezogen werden, die ihren Kaffee und ihr Mittagessen erhalten, aber wenn sie ein Taschengeld verlangen, auf die Finger geklopft werden.«

»Es ist empörend,« erwiderte der Jäger, »und du wirst sehen, mit uns wird's nicht mehr anders. Die Alte verdient viel lieber des Jahres ihre Tausend Gulden weniger, als daß sie uns wieder hinaus läßt, wie früher. Wir sollen hier in der Untätigkeit verderben und verlahmen.«

»Weßhalb thun wir's?« fragte giftig der Fuhrmann. »Mir steht die ganze Wirtschaft bis hier oben; hast du heute Abend bemerkt, als wir in's Bierhaus gingen, wie der alte Kerl ein Gesicht machte, wie wir kamen? Freilich hatte ich kein Geld, aber das war früher auch oft der Fall, und da sprangen sie doch, als wenn wir Grafen und Herren wären. Ich versichere dich, Konrad, die Alte hat unserem Kredit geschadet; und wenn uns nicht die Frau bedient hätte, so wäre uns – straf mich Gott! – die Schande angethan worden, daß wir trocken dagesessen wären. Sollen wir das alles so hinunter schlucken?«

»Und ich meine Prügel von neulich?« nahm ingrimmig der Jäger das Wort. »Meinst du, das hätt' ich vergessen? Sieh, Fritz, damals hat es mir in der Hand gejuckt, und es hätte was Garstiges geschehen können, wenn – –«

»Du nicht hinter der Bettlade festgesteckt wärest!« lachte der Fuhrmann.

»Und du thätest besser, darüber keine schlechten Witze zu machen,« fuhr der Jäger fort; »du am allerwenigsten; du hättest dich für mich verwenden sollen und mit der Alten ein vernünftiges Wort sprechen, oder sie sanft am Arm zurückhalten; aber statt dessen krochst du unter die Bettdecke und ließest mir geschehen, was da wollte.«

»Nun, das muß ich sagen,« sprach der Fuhrmann, »du kennst die Alte doch, beim Blitz, gerade so wie ich. Das hätte was genützt! Sie wäre dann über uns beide hergefallen. Nein, nein. Alles zu gleichen Theilen, ich meine Kopfwunde, du deine Prügel, das hebt sich auf.«

»Ich will nicht mit dir streiten,« sagte verdrießlich der Jäger. »Aber hast du wirklich vor, was zu wagen, daß wir für eine Zeit lang aus dieser verdammten Lage heraus kommen und ein Bischen Luft schöpfen können? Ich bin dafür mit Leib und Seele.«

»Darauf rechne ich,« antwortete der Fuhrmann und trommelte mit den Füßen auf die Bettlade.

»Und was geschieht, muß noch heute Abend geschehen,« meinte der Jäger.

»Das, denke ich, ist auch meine Idee. Gib nur Achtung, es wird hohe Zeit sein, da drüben dem alten Thier, der Schilder, zuvorzukommen. Sie hat nichts Gutes im Sinne.«

»Was kann sie mit uns wollen?« lachte der Jäger.

»Narr! mit uns freilich nichts,« sagte der Fuhrmann; »aber mit unserem Gelde. Meinst du, sie habe vor, mit uns zu theilen? – Gott bewahre! Wenn wir ihr nicht noch heute Abend einen Besuch machen, so haben wir sie zum letzten Mal gesehen.«

»Und du meinst, sie könnte davon gehen,« fragte erstaunt der Jäger, »und ihre Wirtschaft dahinten lassen?«

»Was Wirtschaft!« entgegnete Fritz. »Von dem, was drüben ist, gehört ihr keine Glasscherbe.«

»Und der Wein in ihrem Keller?«

»Was so ein Jäger nicht für ein gutmüthiger Narr ist!« antwortete lachend der Fuhrmann. »Wein im Keller, sagst du? Sie hat ebenso wenig mehr welchen, wie sie außer uns Kunden hat; ich merke schon seit einigen Tagen, daß das letzte Faß leer ist; ich schmecke so was augenblicklich. Und was sie uns des Abends zu trinken gibt, das holt sie Nachmittags im Krug aus irgend einer anderen Weinschenke.«

»Du kannst Recht haben,« entgegnete nachdenkend der Jäger. »Mir ist es wahrhaftig auch schon so vorgekommen, und wir sind demnach in unserem Rechte.«

»Das will ich meinen!« lachte der Fuhrmann; »sehr in unserem Rechte! und wenn wir hinübersteigen und ein freundliches Wort mit der alten Schilder reden, so thun wir nach der Vorschrift und haben als gute Haushalter nach dem Unsrigen ausgeschaut.«

»So sei es!« sprach der Andere und blickte nachdenkend in das Licht der Gaslaterne, die ihren falben Schein über sein Gesicht ergoß, über sein Gesicht und das des Bruders; und als sich nach einem Augenblicke Beide gegenseitig betrachteten, so machte Jeder die Bemerkung, der Andere sehe sehr bleich aus.

Zehn Uhr war's an demselben Abend. Es regnete noch immer trübselig und langsam fort, die Dachrinnen sprudelten und klapperten, die kleinen, fast vertrockneten Rinnen waren angeschwollen und brausten durch die Straßen, und in den feuchten Pflastersteinen spiegelte sich das Licht der Straßenlaternen in langen, röthlich zitternden Streifen; und wenn der Wind, der sich zuweilen erhob, in das gläserne Gehäuse dieser Laternen drang und die Flammen hin und her wehte, so zerriß der Schein auf dem Boden, und Licht und Schatten jagten und verdrängten einander. Es war ein Wetter, von dem der ruhige Bürger sagt, man solle bei einem solchen keinen Hund auf die Straße jagen, und deßhalb waren Plätze und Gassen weit und breit leer. Die Bewohner der unteren Stadtviertel um den Markt, welche früh am Tage an ihre Geschäfte mußten, suchten dafür auch zu guter Zeit ihre Betten, woher es denn kam, daß um diese Nachtstunde hier Alles in tiefer Ruhe und Finsterniß begraben lag.

Das Schoppelmann'sche Haus machte hievon keine Ausnahme. Das große Hofthor war verschlossen und klapperte nur zuweilen in seinen Angeln, wenn ein Windstoß durch den Hof und durch den Thorweg sauste. Dann erzitterte es leise und stöhnte, und die großen Hunde, die dahinter lagen, fuhren in die Höhe und knurrten und schlugen auch wohl ein paar Mal laut an; dann aber schienen sie zu merken, daß es blos der Luftzug sei, was sie beunruhigte, und legten ihren Kopf wieder auf die Vorderpfoten, um fortzuschlafen.

Da klang es vor dem Fenster der Gebrüder Schoppelmann scharf und durchdringend, wie wenn man Eisen auf Stein wetzt, und daraus hörte man die Stimme des Fuhrmanns, welcher leise, aber eindringlich sagte: »heb' doch in's Teufels Namen das Gitter mehr in die Höhe! Die Musik wird uns noch die Alte aus dem Schlafe auf den Hals laden. Halte fest! – So. Steig' ruhig hinaus.«

»Ich habe doch noch heute dieses alte Eisenwerk mit Oel geschmiert!« brummte der Jäger. »Weiß der Henker, was dem einfällt!«

»Die Nässe,« antwortete der Fuhrmann. »Aber jetzt komm!«

Und damit waren sie von der Fensterbank herabgeglitten und wandten sich dem musikalischen Hause zu, an dessen Mauern sie dicht vorbei bis zur Schenke der Frau Schilder gingen.

Hier war alles so dunkel und öde, wie in den anderen Häusern, die Thüre fest verschlossen, die Läden zugemacht; kein Lichtstrahl sagte denen da draußen, ob die Besitzerin noch auf sei und daß sie Hoffnung hätten, noch eingelassen zu werden.

»Sollen wir das gewöhnliche Zeichen machen?« fragte leise der Jäger.

»Gewiß nicht,« entgegnete der Fuhrmann; »auf das hin wird sie uns nicht öffnen. Ich will dir etwas sagen: du bleibst hier an der Thüre stehen; ich gehe hinten um's Haus herum, springe über die Mauer in den Hof des alten Klosters, wo das Fenster der Hinterstube hinaus geht, da wird sie sitzen und mir gutwillig aufmachen. – Gutwillig,« setzte er leise lachend hinzu, »wenn ich sie überrasche und erschrecke. Du mußt aber hier bleiben; denn wenn ich hinten anklopfe, könnte sie am Ende hier zur Thüre hinaus das Haus verlassen wollen.«

»Also wenn sie hier hinaus wollte –?« fragte der Jäger.

»So hältst du sie zurück,« antwortete bestimmt der Fuhrmann, »verhinderst sie vor allen Dingen am Schreien; das wirst du doch wohl können. Du nimmst sie einfach am Halse und hältst sie fest.«

»Gut!« sagte der Bruder; »ich will's besorgen.« Damit drückte er sich so dicht wie möglich an die Hausthüre, einestheils um im tiefen Schatten derselben nicht gesehen zu werden, anderentheils um den herabfallenden Regentropfen zu entgehen.

Der Fuhrmann ging um das Haus herum; da war hinter demselben eine kleine Mauer, die er leicht übersprang und sich nun auf einem öden Platze befand, einem ehemaligen Klosterkirchhofe, den aber die herandrängenden Häuser nach und nach verengt hatten, so daß derselbe, der ehemals eine weite Fläche einnahm, jetzt auf etwa hundert Schuh im Quadrat zusammen gedrückt war. Aber alles Unheimliche des ehemaligen weiten Platzes mit seinen Grabsteinen, Kreuzen, zerbrochenen Sarkophagen hatte sich ebenfalls hier zusammen gedrängt, und um zu dem Fenster zu gelangen, welches von der Hinterstube der Madame Schilder auf diesen Platz führte, mußte man über große Haufen dieser Gegenstände hinwegklettern, was denn auch der Fuhrmann leise und umsichtig that.

Er hatte richtig geahnet; die Fenster waren, wenn auch schwach, erleuchtet, und als er langsam näher schlich, sah er die Frau Schilder an ihrem Tische sitzen; sie hatte den Kopf in die Hand gestützt und las in einem großen Buche. Es war augenscheinlich eine Bibel.

Im ersten Augenblicke lächelte der Fuhrmann darüber und schüttelte den Kopf, im nächsten Augenblicke aber befremdete ihn doch das Treiben der Frau, als er sah, wie sie mit ihren Augen gierig über die Blätter hinfuhr, wie ihr Haar so zerstört, ihr Gesicht so bleich war. Zuweilen blickte sie in die Höhe und schüttelte mit einem unsäglich trostlosen Blicke den Kopf, als wollte sie sagen: das alles, was sie hier lese, bringe ihr doch keinen Trost. Und so mochte es wohl auch sein; denn nachdem sie eine Zeit lang in die Blätter gestarrt, nahm sie ein Messer, das neben ihr auf dem Tische lag, schlug das Buch zu, steckte alsdann das Messer auf's Geradewohl zwischen die Blätter und begann dann wieder eifrigst eine so durch den Zufall aufgeschlagene Stelle zu lesen.

Da rollte ein Stein unter den Füßen des Fuhrmanns hinweg und polterte dumpf an die Wand des Hauses. Entsetzt fuhr die Frau in die Höhe und starrte mit einem schrecklichen Blicke nach dem Fenster. Ihre Angst schien sich auch nicht zu vermindern, als nun der Fuhrmann leise an die Scheiben klopfte. Einen Augenblick blieb die Frau unschlüssig stehen, dann machte sie eine zuckende Bewegung gegen das Fenster hin, wandte sich aber, ehe diese noch ganz ausgeführt war, wieder nach der Thüre, ohne auch diese erreichen zu können; denn sie war zu jedem Schritte unfähig, sie zitterte an allen Gliedern.

Jetzt klopfte der Fuhrmann stärker an das Fenster, legte auch seinen Mund dicht an die Scheiben und sagte: »macht doch keine Faxen, Schilderin! Ich bin's ja, Fritz Schoppelmann; wir wollen nur ein kleines Glas Wein bei euch trinken. Oeffnet die Thüre oder das Fenster, wie Ihr wollt.«

Auf diese Worte hin machte die Frau eine hastige Bewegung, das Zimmer zu verlassen. Doch schien sie sich an der Thüre eines anderen zu besinnen; sie warf einen trostlosen Blick rings um sich, dann trat sie seufzend an das Fenster.

»Was wollt ihr?« fragte sie den Fuhrmann, der jetzt sein ganzes Gesicht und so lächelnd als möglich am Fenster zeigte.

»Was ich will?« entgegnete er. »Nun, das ist einmal wieder eine lächerliche Frage! Ich habe es Euch ja schon gesagt: ein Glas Wein trinken. Oeffnet nur jetzt das Fenster oder vorn die Hausthüre.«

»Wollt ihr denn bei mir einsteigen wie ein Dieb in der Nacht?« versetzte die Frau, indem sie sich an einer Tischecke festhielt und ihren Körper schien ein leichter Schauder zu überfliegen.

»Was Dieb!« antwortete grinsend der Fuhrmann. »Sind wir nicht eure guten Freunde, mein Bruder und ich?«

»So, ist der Jäger auch da?« fragte die Frau, und blickte aufmerksam zum Fenster hinaus, wobei man auf ihrem Gesichte sah, daß ihr die Anwesenheit des jüngeren Bruders nicht so unangenehm war, wie die des älteren.

»Er steht draußen vor der Hausthüre,« murrte der Fuhrmann. »Aber jetzt macht endlich einmal auf! Ich habe es satt, hier im Regen zu stehen.«

Der Fuhrmann, der sich nun an die Scheiben legte, hörte, wie die Frau wirklich die Hausthüre öffnete, und gleich darauf sah er sie mit seinem Bruder zurückkommen. Der Jäger konnte sich eines Lächelns nicht enthalten, als er den Andern so draußen vor dem Fenster im Regen stehen sah und als er vernahm, wie die Wirthin hoch und theuer schwor, ihr Fenster öffne sie nicht, und wenn der Fuhrmann in's Haus wolle, so solle er nur getrost vorn zur Thüre hereinkommen.

Das that er denn auch, und wenige Minuten nachher trat er in's Zimmer und setzte sich an dem alten schwarzen Tische nieder, vorn hin in den Schein der Lampe, während der Jäger sich etwas zurückzog und sich absichtlich oder unabsichtlich in dem Schatten niederließ. Die Frau stand an dem Tische und blickte den Fuhrmann fest an.

Dieser hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt, streckte die Beine weit von sich und pfiff eine Melodie dazu, während er den – wir möchten sagen: starren – Blick der Frau fest aushielt.

»Was wollt ihr also?« fragte diese.

»Vorderhand ein Glas Wein trinken,« entgegnete ruhig der ältere Schoppelmann.

Einen Augenblick schwieg die Frau still, dann sagte sie trotzig und bestimmt: »ich habe keinen mehr, das Faß ist leer.«

»Keinen Wein mehr im Hause?« fragte der Fuhrmann lächelnd und versuchte es, mit seinem Bruder einen Blick zu wechseln, was aber unmöglich war, da dieser fast hinter ihm saß.

»Nicht einen Tropfen!« sagte die Frau, ohne irgend eine Bewegung zu verrathen. »Auf morgen erhalte ich neuen, und dann steht mein Haus wieder zu euren Diensten.«

»So, also auf morgen?« antwortete lächelnd der Fuhrmann. »Das ist doch eine schlechte Wirtschaft, die ihren Wein ausgehen läßt; das thut man nur dann, wenn man das ganze Geschäft aufgeben will. Habt Ihr das vielleicht im Sinn, Frau Schilder?« Dabei blickte er die Frau lauernd an.

Diese zuckte die Achseln und entgegnete: »wer weiß, was geschieht über kurz oder lang! Es kann wohl sein, daß ich es nicht wünsche, mein Leben hier in diesem Winkel zu verbringen. – So Gott nämlich will,« setzte sie leiser hinzu und blickte auf eine sonderbare Art um sich.

»Wenn Ihr also keinen Wein habt,« fuhr der unerschütterliche Fuhrmann fort, indem er seine rechte Hand aus der Hosentasche hervorzog, zu gleicher Zeit aber ein großes Einschlagmesser, das er langsam öffnete und damit den Rand des Tisches beschnitzelte; »wenn Ihr also keinen Wein mehr habt,« wiederholte er, »so wollen wir trocken von Geschäften reden; denn Wasser mag ich keines saufen.«

In dem Herausziehen des Messers lag an sich nichts Besonderes und ebensowenig darin, daß er von dem Tische kleine Stücke herunterschnitt. Er pflegte das beständig so zu machen, es war das, während er Wein trank, ein kleines Privatvergnügen für ihn. Obgleich nun die Frau diese Spielerei hundert Mal gesehen hatte und nie etwas dahinter gesucht, so erblaßte sie jetzt doch, als der Fuhrmann sein blitzendes Messer öffnete, und sogar der Jäger in der Zimmerecke schien unruhig auf seinem Stuhle hin und her zu rücken.

»Wir wollen also von Geschäften reden,« sagte der Fuhrmann, ohne in die Höhe zu blicken.

»Von Geschäften?« wiederholte die Frau mit tonloser Stimme; »das haben wir ja schon heute Mittag gethan.«

»Ganz richtig!« meinte der Fuhrmann, »ohne aber zu einem Resultat zu kommen.«

»Zu welchem Resultat?«

»Nun, zu einem klingenden!« lachte der Fuhrmann. Doch war dieses Lachen ein erkünsteltes, und seine Züge nahmen gleich darauf einen fürchterlichen Ernst an. »Wir brauchen Geld!« sagte er finster und trotzig, »ich und mein Bruder, viel Geld; wir haben keinen Kreuzer, Ihr habt genug.«

»Du mein Gott!« unterbrach ihn die Frau und wollte lächeln. Aber dieses Lächeln verwandelte sich in den Ausdruck höchsten Schreckens, als der Fuhrman sie jetzt mit seinen seltsam funkelnden Augen fest ansah. – »Geld?« führ sie mit leiser Stimme fort. »Woher soll ich solches nehmen? – – Nun ja, wenn ihr es denn wollt, so will ich morgen früh nachsehen, wo ich etwas bekomme.«

»Morgen früh?« lachte hämisch der Fuhrmann. »Wie Ihr so schlau seid! – Was morgen früh!« fuhr er plötzlich mit barscher Stimme fort, »sollen wir uns wieder von Euch zum Narren halten lassen? Rückt heraus damit!« rief er aufspringend, »Ihr habt Geld genug im Hause; ich rathe Euch, laßt Euch nicht lumpig finden! 's könnte Euer Schaden sein!«

»Aber was wollt ihr denn?« entgegnete erbleichend die Frau und machte ein paar Schritte rückwärts der Thüre zu.

»Nicht von der Stelle!« schrie erbost der Fuhrmann und faßte sie mit seiner schweren Faust am Handgelenk. »Ich will euch sagen, was wir wollen: das Geld der alten Jungfer wollen wir.«

»Ihr habt ja Euren Theil,« sagte zitternd die Frau.

»Was Theil!« fuhr der Fuhrmann fort. »Ihr habt an tausend Gulden baar da liegen, die will ich und das Papier von dreitausend Gulden als Pfand nehmen. Seht, Euch traue ich nicht so weit. – Ja als Pfand will ich sie nehmen, die Verschreibung, denn Ihr würdet uns doch keinen Kreuzer davon geben. Ja und lieber noch will ich das Papier zerreißen, als es in Euren Fingern lassen.«

Die Frau wußte einen Augenblick nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte wohl schon mit dem Fuhrmann ähnliche Scenen erlebt, doch war sein Blick bei diesen Veranlassungen nie so abscheulich gewesen, wie heute Abend; sie hatte sich nie so erschüttert und rathlos gefunden, wie in diesem Augenblicke.

»So wollt ihr mich also berauben?« sagte sie nach einer längeren Pause. »Ihr – zwei Männer eine schwache Frau? Es ist weit mit euch gekommen.«

»Da habt Ihr Recht!« entgegnete ingrimmig der Fuhrmann, »es ist weit mit uns gekommen. Aber wer ist daran Schuld, als Ihr schlechtes Weibsbild? Wer hat uns seit Jahren in dieses Haus gezogen, wer hat uns leichtsinniger Weise geborgt, Geld und Wein? Wer hat an Zahlungs Statt lachend die Waaren angenommen, die wir unserer Mutter drüben gestohlen? – Ihr – Ihr und wieder Ihr!«

»Ja, das könnt Ihr nicht läugnen,« mischte sich der Jäger in's Gespräch, »das habt Ihr alles gethan, und auch den Gedanken angegeben zu der Geschichte mit der alten Jungfer drüben.«

»Und wer hat den Kopf in die Schlinge gesteckt?« fuhr der Fuhrmann fort. »Wir Beiden! – Und was haben wir davon? – Nichts, gar nichts! Unseren Theil habt Ihr wieder an Euch gezogen: uns ist, wie gesagt, nicht ein Kreuzer geblieben.«

»Das ist alles wahr,« bekräftigte der Jäger die Rede seines Bruders.

»Deßhalb rückt heraus,« fuhr der Andere mit gepreßter Stimme fort, »mit Papier und Geld, oder – es geschieht ein Unglück!«

»Papier und Geld!« wiederholte die Frau; doch klangen diese Worte fast unverständlich. »Alles soll ich hergeben?«

»Alles!« sagte bestimmt der Fuhrmann.

»Wenigstens das baare Geld,« meinte der Jäger. »Seid klug und thut, wie Euch der Fritz gesagt.«

»Also das baare Geld?« fragte die Frau mit einem tiefen Seufzer und blickte rathlos um sich.

»Geld und Papier!« entgegnete mit festem Tone der Fuhrmann.

»Nein, nein! gewiß nicht!« kreischte jetzt die Frau laut auf. »Nein, ihr bekommt es nicht! Lieber könnt ihr mich jetzt gleich auf der Stelle todt schlagen – Räuber und Mörder sein. Aber ihr sollt nicht Alles haben.«

Der Fuhrmann ließ den Arm der Frau los und griff nach seinem Messer, das er auf den Tisch geworfen. Doch drängte ihn der jüngere Bruder in diesem Augenblick zurück und rief: »so seid doch Beide klug und verständig! Gebe Jedes von euch die Hälfte nach! Holt das baare Geld, tausend Gulden voll gezählt, und dafür lassen wir Euch das Papier, bis es umgewechselt ist. Dann wird wieder redlich getheilt.«

Der Fuhrmann wollte etwas heftig entgegnen, doch zog ihn der Bruder einen Schritt zurück und flüsterte ihm zu: »Was nützen dich die Papiere? Sie gehen ja auf ihren Namen; wir können sie doch nicht verkaufen.«

Hierauf entstand eine längere Pause, während welcher der Fuhrmann sein Messer fest in der Hand hielt und die Frau mit einem tückischen Blicke von oben bis unten maß. Seine linke Hand ballte sich auf und zu, und er war anzusehen wie ein wildes Thier, das jeden Augenblick bereit ist, sich vernichtend auf seine Beute zu stürzen.

Die Frau sah und fühlte genau, was in ihrem Feinde vorging, und während sie heftig zitterte, brauchte sie zur Abwehr die einzige Waffe, die ihr übrig blieb: sie gab ihm Blick um Blick zurück und hielt sein Auge fest mit dem ihrigen. Dabei rieselte ihr der Schweiß über das Gesicht herab, und ihre Brust hob sich keuchend.

»Tausend Gulden baares Geld,« sagte beschwichtigend der Jäger.

»Sei es darum!« rief nach einer abermaligen längeren Pause der Fuhrmann und warf sein Messer hinweg.

»So will ich sie holen,« brachte die Frau mühsam heraus und ging mit wankenden Schritten zur Thüre hinaus.

Ihr folgten die beiden Brüder, und während der Fuhrmann dicht hinter der Frau ging, blickte sie sich jeden Augenblick scheu um; sie schien etwas Entsetzliches zu befürchten. An der Treppe brachen ihr fast die Knie zusammen, und während sie langsam hinaufstieg, wischte sie sich mit der linken Hand über das Gesicht und hielt sich mit der rechten krampfhaft am Geländer.

Der Fuhrmann blickte finster vor sich hin und stützte sich mit dem Arm auf den Treppenpfosten. Konrad schlich an die Hausthüre und horchte hinaus, ob sich auf der Straße nichts rege. Aber da vernahm er nichts, als das Plätschern der Regentropfen und das Sausen des Windes, wenn er um die Straßenecke herumfuhr.

Die Frau blieb ziemlich lange aus.

»Was meinst du,« sagte der Fuhrmann, nachdem sie einen Augenblick gewartet, »sollen wir nicht ebenfalls hinaufsteigen und nachsehen, was sie droben in ihrer Kiste hat.«

Doch der Jäger schüttelte mit dem Kopfe und erwiderte sonderbar lächelnd: »lassen wir das; wir wollen ihr ja nichts gewaltsam wegnehmen. Was sie uns freiwillig anleiht, damit sind wir zufrieden.«

Jetzt erschien auch die Frau wieder oben an der Treppe. Sie trug eine Lampe in der rechten Hand und hielt mit der linken ihre schwarze Merinoschürze fest, in welcher sich etwas Schweres zu befinden schien. Ihr Gesicht war furchtbar bleich und entstellt. Schon erhob sie den Fuß, um die erste Stufe hinab zu steigen, da zog sie ihn wieder zurück und blieb plötzlich droben wie angebannt stehen. Ihr Augen öffneten sich entsetzlich weit und starrten ohne allen Ausdruck vor sich hin. Es war ein so unheimlicher Anblick, daß Konrad die Augen wegwandte und selbst der Fuhrmann mit der Hand über das Gesicht fuhr.

Immer noch stand die Frau oben, und ihr Blick wurde gläsern und kalt. Plötzlich fing sie an zu schwanken, die Lampe entstürzte ihrer Hand und erlosch.

Die beiden Brüder sahen nichts mehr.

Das Licht aus der Hinterstufe warf noch einen zweifelhaften Schein in den Hausflur. Sie sahen nichts mehr; aber was sie hörten, war um so fürchterlicher. Es klang wie ein tiefer entsetzlicher Seufzer, wie ein kurzer, trostloser Hülferuf; dann klapperte es auf der Treppe und klingelte wie Geldrollen, die herab geworfen werden, und wie wenn aus den zerborstenen Hülsen die einzelnen Geldstücke herausrollten. Darauf hörten sie einen harten Fall; ein schwerer Körper rollte die Treppe herab, und der Fuhrmann, der sich entsetzt vorbeugte, um in der Dunkelheit etwas zu sehen, fuhr erschreckt zurück, denn eine kalte, leblose Hand streifte sein Gesicht.

Da sträubte sich sein Haar empor, und obgleich er sich bezwang und in die Hinterstube eilte, das Licht zu holen, so zitterte doch seine Hand, und die Knie brachen fast unter ihm zusammen.

Der Jäger hielt sich an dem Treppenpfosten, und als sein Bruder mit der Lampe zurückkam, um das Gräßliche, das sich hier begeben, zu beleuchten, kehrte er scheu seinen Blick ab und wandte sich der Hausthüre zu.

Das Leben der Frau Schilder hatte ein plötzliches Ende genommen; die kalte Hand des Todes hatte den Faden desselben zerrissen in dem Augenblicke, als man sie gezwungen, ihr Liebstes zu opfern. Sie war mit dem schrecklichsten Bewußtsein gestorben, und die letzte Viertelstunde ihres Lebens mit dieser entsetzlichen Qual, vielleicht vermischt mit der Ahnung ihres nahen Todes, war eine fürchterliche Strafe für alles, was sie Uebles auf dieser Welt gethan.

Der Fuhrmann hatte es auch nur eine Sekunde vermocht, diesen Anblick zu beleuchten. Da lag die Frau blutend an der Treppe in ihrem verschossenen schwarzen Merinokleide mit erdfahlem Gesichte. Und das Gräßlichste dabei war: um sie herum ausgeschüttet – dieser Todten zu einer fürchterlichen Verzierung – lagen goldene und silberne Münzen. Wie gesagt, nur einen Augenblick vermochte es der Fuhrmann, dorthin zu blicken. Hastig stellte er die Lampe auf den Boden, riß seinen Bruder, der zitternd an der Thüre stand, am Arm und eilte mit ihm hinaus auf die Straße, die Hausthüre hastig hinter sich zuwerfend.

Erst als die Beiden wieder in ihrem Zimmer waren und das ausgenommene Gitter wieder vor dem Fenster befestigt hatten, war es ihnen möglich, das, was soeben geschehen, mit etwas ruhigerem Blute zu überlegen. Der Fuhrmann faßte sich zuerst und schlug sich vor den Kopf, seine Dummheit verfluchend, daß er nicht wenigstens so viel als möglich von dem Gelde aufgerafft, wogegen der Jäger versicherte: nicht um alle Schätze der Welt möchte er ein Stück von dem Geld in seiner Hand wissen.

Der Fuhrmann hatte auch noch an andere Sachen gedacht; denn nachdem er eine Zeit lang in sich versunken auf seinem Bette gesessen, fuhr er plötzlich in die Höhe und sagte mit unsicherer Stimme: »das ist ein großes Unglück, Konrad! Wir müssen fort, noch heute Nacht. Man wird uns für – die Mörder der Frau drüben halten.«

»Um so gewisser wird man das thun,« entgegnete der Jäger, »wenn wir entfliehen. Bah! welches Anzeichen könnte auf uns deuten?«

»Viele!« sprach ernst der Fuhrmann; »unter anderen mein Messer, das ich drüben weggeworfen.«

»Hast du das gethan?« fragte schaudernd der Jäger. »Das ist schlimm, sehr schlimm! Wir können es nicht wieder holen.«

»Leider nicht; die Thüre ist verschlossen,« antwortete der Fuhrmann.

»Auch wenn sie offen stände,« sagte der Jäger, »brächten mich vier Pferde nicht in das Haus hinein. Mir graut davor; ich kann morgen unmöglich dort vorbei gehen.«

»Ich auch nicht,« entgegnete der Fuhrmann. »Deßhalb laß uns für eine Zelt lang unsichtbar werden, bis der Spektakel vorüber ist.«

»Aber wohin?«

»Das ist deine Sache; ich kenne nur die offenen Landstraßen; die Wälder mit den Schlupfwinkeln sind dir bekannt.«

»Gut! so gehen wir über die Grenze bei D. Ich habe dort in der Umgegend einen alten Bekannten, der uns gern eine Zeit lang aufnimmt. Wahrhaftig, du hast Recht, wir wollen fort! Ich hatte doch beim Anblick des verschlossenen Hauses drüben keine ruhige Stunde mehr.«

»Und Verdacht erregt es gewiß nicht, daß wir fort sind,« meinte der Fuhrmann. »Der Frau drüben ist von Menschenhand nichts geschehen, das werden die Doktors schon heraus doktern; und wenn sie auch mein Messer entdecken, so werden sie es neben dem Tische finden, von dem ich Holzsplitter abgeschnitten. – –

Aber was meinst du, Konrad – einen kleinen Zehrpfennig sollten wir doch mitnehmen?«

Bei diesen Worten stieß er ihn mit der Schulter an und machte ein Zeichen mit dem Kopfe nach der Thüre des Nebenzimmers.

»Thu, was du willst,« erwiderte der Jäger; »ich will zu Allem Ja sagen; aber ich bin so abgeschlagen, daß ich weder Hand noch Fuß rühren kann und zu Allem unfähig bin.«

»Laß mich nur machen!« sagte der Fuhrmann, zog seine Stiefel aus und schlich sich auf den Strümpfen zur Thüre hinaus.

Konrad, der Jäger, blieb auf dem Bette sitzen und sah wieder in die Nacht hinaus und auf den Schein der Gaslaterne drüben an der Straßenecke. Doch kehrte sein Blick wieder von dort zurück und heftete sich mit einem unbeschreiblichen Grauen auf die Thüre des kleinen Wirthshauses drüben, die sie vorhin so fest verschlossen hatten. Wenn aber der Schein der Laterne darüber hinfiel und das Licht, vom Winde bewegt, hin und her flackerte, so war es ihm gerade, als bewege sich die Thüre, als öffne sie sich leise, und als schaue eine schwarze Gestalt heraus: die Frau Schilder mit einem blendend weißen Gesichte – und zeige auf ihn und nicke ihm zu, und alsdann glaubte er die Worte zu hören: das ist auch einer von den Beiden, die mich in den Tod gejagt. Da sitzt er.

Nach solchen Bildern, die ihm seine Phantasie vorspiegelte, sprang der Jäger entsetzt von dem Bette auf und fand, daß es ihm unmöglich sei, in diesem Hause zu bleiben und so Tag und Nacht die Thüre drüben vor seinem Blicke zu haben. Er langte sein Gewehr von der Wand herunter, seine Jagdtasche und seinen Hut, sah nach Pulver und Blei und hielt nur in dieser Arbeit inne, um auf leise Schritte zu lauschen, die sich vom Nebenzimmer der näherten.

Es war der Fuhrmann, der von dort zurück kam und nun die Worte sprach: »es ist Zeit – komm!«

Fritz nahm ebenfalls einen alten Jagdranzen von der Wand, den er sich umhängte, und als dies geschehen, ließ er etwas hineingleiten, das klang, als seien es schwere Geldstücke in einem Säckchen.

Darauf verließen Beide das elterliche Haus, ohne sich viel umzuschauen, ohne viel zu reden. Als sie an dem Hause der Frau Schilder vorbei kamen, blieb der Jäger zitternd einen Augenblick stehen und horchte. Er meinte, er höre etwas in dem Hause; doch zog ihn der Bruder brummend mit fort. –

Die Frau Schilder hatte wenig Bekannte, Freunde wohl gar keine, weßhalb es denn auch wohl kam, daß Niemand darauf achtete, daß ihr Haus ein paar Tage verschlossen blieb und kein Mensch aus und ein ging. Es war schon oftmals vorgekommen, daß sich die Thüre längere Zeit nicht geöffnet, und Niemand hatte Arges dabei gedacht. Wer weiß auch, wie lange es noch gedauert hätte, bis man Verdacht geschöpft, daß hier etwas Unheimliches geschehen, und man das Haus gewaltsam erbrochen, wenn nicht ein Paar Buben, die zwei Tage nachher auf der Treppe vor der verschlossenen Thüre spielten, einen vorübergehenden Mann aufmerksam gemacht hatten auf kleine schwarze Tropfen, die über der Thürschwelle herabgerieselt, dort fest getrocknet waren und die wie Blut aussahen.


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