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Siebenundvierzigstes Kapitel.

Erzählt von einigen Theatervorstellungen, und setzt den Leser in Kenntniß, auf welche Art Herr Hannibal zum Künstler gebildet wird.

In Schloßfelden hatte man unterdessen unter dem Schutz und der Fürsorge des concessionirten Schauspieldirektors Müller, unseres guten Bekannten, das Publikum schon einige Mal mit klassischen Vorstellungen beglückt, und wir müssen gestehen, daß die Saison sich außerordentlich gut anließ. Der Saal war zum Erdrücken voll und kein Platz mehr zu haben gewesen, sowohl bei der Vorstellung »die Räuber auf Maria-Culm,« als der des »Hans Sachs,« noch mehr aber bei einer neuen Bearbeitung der »Genovefa,« dem Meisterwerk eines jüngeren Dramatikers, das sich der Schauspieldirekter unter der Hand zu verschaffen gewußt hatte. In dieses letztgenannte Stück – es hatte sechs Akte und ein Vorspiel – war alles hineingelegt, was sich in der menschlichen Brust an Leidenschaften, an Tugenden und Fehlern bewegt und je bewegt hat, ferner alle Situationen, die einem geschickten Theatermeister einen Raum ließen, sich in der Luft und auf der Erde in Feuer und Wasser, im Orient und Occident vermittelst Maschinerieen und Dekorationen bewegen zu können. Ja, eine Scene spielte in der Wüste, und hier führten sich die wilden Thiere des Waldes so lieblich und anständig redend ein, daß es zum Erstaunen war.

In diesem Stücke nun hatte unser vortrefflicher Herr Wellen den Ritter Siegfried gespielt (es war seine Antrittsrolle), und Herr Müller, ebenfalls als solche, den grausamen Golo. Herr Hannibal, auf dessen Dressur sich nun nicht absonderlich zu verlassen war, gab einige Thiere des Waldes in höchster Natürlichkeit und zum größten Vergnügen namentlich der letzten Plätze.

Eugen fand dieses Publikum außerordentlich dankbar und bemerkte zu seiner großen Freude, mit wie Wenigem man es zufrieden stellen könne. Da fiel es Keinem ein, zu bemerken, daß der Mantel des Ritters Siegfried im nächsten Augenblicke auf den Schultern des grausamen Golo erschien; noch viel weniger aber schien das Auditorium eine Ahnung davon zu haben, daß die beiden anständigen Ritterschwerter, die sich in der Requisitenkammer vorfanden, zum beständigen Dienst auf der Bühne verurtheilt waren. Und doch ging es einmal nicht anders: der Abstürzende hatte nichts Eiligeres zu thun, als, hinter den Koulissen angekommen, das Schwert sammt Scheide, oftmals auch Hut und Mantel, abzuwerfen, worein sich nun der Feind kleidete und, nachdem dies geschehen, von der anderen Seite ruhig, aber majestätisch auftrat. »Ha!« sprach er, »dorthin eilt der Verräter! Noch seh' ich die Federn seines Hutes flattern, noch seh' ich sein Schwert blitzen. – Weh ihm!«

Wie gesagt, die Zuschauer Schloßfeldens waren genügsam und zufrieden, und jede Vorstellung wurde von einer anständigen Einnahme, sowie von donnerndem Applaus gekrönt. Der Schauspieldirektor war äußerst zufrieden mit dem Engagement unserer drei Bekannten und sprach dies bei der ersten Theilung, am Abend der ersten Vorstellung, unverhohlen aus. Das war bei dem schönen Momente, wo der Vorhang wieder aufgezogen und ein paar Fenster geöffnet wurden, um einige frische Luft herein zu lassen. Da fand sich die ganze Gesellschaft, nachdem sie sich wieder in ihren gewöhnlichen Anzug geworfen, auf der Bühne zusammen; die Prinzipalin saß an einem kleinen Tische, hatte vor sich die Kasse stehen und ein ziemlich schmieriges Papierheft, worin die Namen der Künstler, sowie der Antheil, der ihnen zukam, verzeichnet war. Aber Alles im Leben hat seine Schattenseiten, so auch dieses Buch: denn es war zugleich ein Abrechnungsconto zwischen den Mitgliedern und dem Prinzipal, und das »Soll« desselben oftmals, wie z. B. bei dem Herrn Trommler, mit unangenehmen Zahlen bedeckt.

Die Theilung ging vor sich; der Heldenspieler, Herr Holder, strich sein Geld mit einer Miene der Geringschätzung ein, mit der Geberde des Kapitalisten; dem es einmal Spaß macht, statt sich immer in großen Zahlen zu bewegen, einen kleinen, unbedeutenden Verdienst der Merkwürdigkeit halber in Empfang zu nehmen. Herr Trommler ging leicht und gewandt auf die Prinzipalin los, schaute mit einem schmerzlichen Blicke auf die rechte Seite des Buches, wohin der Finger der Madame Müller wies, und strich seufzend das Geld ein, das ihm hingezählt worden. Jetzt kam die Reihe an die drei neu Engagirten, denen man, wie sich von selbst versteht, eine frische Seite eingeräumt hatte. Mit einem wohlwollenden Lächeln zählte die Prinzipalin ihren Abendantheil hin, während sich der Prinzipal schmunzelnd auf den Tisch stützte, wobei seine heitere Miene sagen wollte: nicht wahr, das ist schon etwas? Man stellt sich nicht so schlecht bei mir. Doch wer beschreibt das Erstaunen dieses würdigen Mannes, als Eugen seinen Antheil, sowie den des Herrn Müller leicht mit der Hand zurück schob und die Versicherung gab, es sei ihm unmöglich, für die jetzige Zeit, die er als eine Lehrzeit betrachte, sich bezahlen zu lassen, »Ich, sowie mein Kollege, der Herr Müller,« setzte er hinzu, »haben, Gott sei Dank, noch einiges Ersparte und werden uns nur dann entschließen, eine Gage von Ihnen zu nehmen, wenn wir einmal einsehen, daß wir Ihnen von wirklichem Nutzen sind. Was dagegen den Herrn Hannibal anbetrifft,« fuhr er fort, indem er diesem herbei rief, »so verhält sich die Sache anders. Er soll sein Geld nehmen,« setzte Eugen leise hinzu; »so ungeschickt er sich auch anzustellen pflegt, so ist doch dieser junge Mann im Stande, Ihnen den allergrößten Nutzen zu bringen.«

Der Schauspieldirektor sah ihn erstaunt an.

»Er hat seine Launen,« fuhr Herr Wellen ruhig fort; »aber wenn er in seinem eigentlichen Fache arbeiten will, so setzt er die Welt in Erstaunen.«

»Und was ist sein eigentliches Fach?« fragte der Prinzipal.

»Das steht ihm doch auf seinem Gesichte geschrieben,« entgegnete Eugen. »Haben Sie je Züge gesehen, die mit einer kleinen Aufbesserung von Kreide und Schminke eine vollkommenere und herrlichere Pierrotmaske geben würden? Vergrößern Sie diesen an sich großen Mund nur um ein Weniges, malen Sie diese Unterlippe nur ein Geringes dicker, und das Publikum, das ihn sieht, stirbt vor Lachen.«

Der getreue Diener, der bei Nennung seines Namens näher herbei geschlichen war, hörte mit nicht geringem Erstaunen so viel zu seinem Lobe sagen, und da ihn dies ungemein überraschte, und sich diese Ueberraschung auf seinem ohnehin nicht geistreichen Gesichte deutlich und vortheilhaft aussprach, so hatte er in diesem Augenblicke wirklich ganz das Ansehen eines Pierrot, der so eben von Harlekin die schönsten Schläge bekommen.

»Sie bringen mich da auf eine Idee,« sagte lächelnd der Schauspieldirektor, indem er seine rechte Hand in die Seite stemmte und mit der linken das Kinn unterstützte. »Pantomimen und dergleichen ist eine Leibspeise für das Publikum; aber seit mein armer, dicker Komiker starb –«

»Der von der Kugel herabrollte?«

»Derselbe. – Seit er nicht mehr ist, war ich nicht mehr im Stande, dergleichen zusammen zu bringen.«

»Mit Hannibal ist Ihnen geholfen,« sagte Eugen mit einer Bestimmtheit, die allen und jeden Zweifel niederschlug. Er faßte den Arm des Direktors und fuhr fort: »Wenn ich Ihnen erzählen könnte, was dieser junge Mann in seinem Fache alles schon geleistet hat, Sie würden erstaunen. Aber –«

Hannibal stand noch immer da, stumm bei den Lobeserhebungen seines Herrn, und war nicht im Stande, zu begreifen, wie diese Rede eigentlich zu verstehen sei. Doch strengte er seine großen Ohren übermäßig an, um nicht ein Wort von dem zu verlieren, was Eugen im Begriffe war, noch ferner zu seinem Lobe oder Tadel vorzubringen. Er fand sich jedoch in der Ausübung dieses guten Vorsatzes dadurch gehindert, daß ihm sein Herr mit der freundlichsten Miene von der Welt den Rath gab, sein Geld einzustreichen und sich ein Bischen auf die Seite zu begeben.

Die Prinzipalin schloß schmunzelnd ihre Kasse und ließ sie von ihrer Schwester auf das Zimmer zurück bringen. Herr Wellen und Herr Müller hatten in ihrer Achtung enorm zugenommen, und da Ersterer noch immer bei dem Schauspieldirektor stehen blieb, um mit ihm zu plaudern, so konnte sich die Dame ebenfalls nicht entschließen, wegzugehen. Die untere Hälfte ihres Körpers war noch mit einigem Costume versehen; sie hatte die Genovefa gespielt und noch nicht die Zeit gehabt, sich ihres farbigen Rockes, der Trikots und Stiefelchen zu entledigen; auch stak ihr Kopf noch in der halben Wüstenfrisur, wie sie der getreue Gatte in der Wildniß wieder findet. Ueber ihre Schultern aber hatte sie ein großes schwarzes Umschlagtuch genommen, das so ziemlich alles, was man nicht sehen sollte, verdeckte.

»Sie werden sehen, daß ich Recht habe,« fuhr Eugen fort, nachdem sich der Herr Hannibal entfernt hatte. »Aus diesem jungen Manne ist für Ihre Anstalt der größte Nutzen zu ziehen; er ist ein Künstler im besten Sinne des Wortes. Aber er will mit Strenge und Ernst behandelt sein.«

»Ah!« machte der Direktor, und die Prinzipalin nickte beistimmend mit dem Kopfe.

»Mit Ernst und großer Strenge,« fuhr Eugen fort. »Uebergeben Sie ihm morgen in irgend einer Pantomime eine beliebige Rolle, so wird er auf die Probe kommen und Ihnen sagen, er könne das nicht machen – weil er nicht will. Hartnäckigkeit und Eigensinn sind die Grundlagen seines Charakters. Aber wie ich Ihnen schon sagte: er ist ein vortrefflicher Künstler.«

»Also man müßte ihn mit großer Strenge behandeln?« meinte der Direktor und streichelte seinen langen weißen Rock.

»Mit großer Strenge! zu seinem eigenen Besten allerdings. Und das Gute an diesem Künstler ist, daß er, sobald man ihn ernst und streng behandelt, baldigst einsieht, man habe nur sein Bestes gewollt, und sich alsdann sehr dankbar für die Mühe bezeigt, die man sich mit ihm gegeben.«

»Glauben Sie?« fragte der Direktor und stemmte beide Arme in die Seiten. »Und sind Sie nicht vielmehr der Ansicht, daß ihn eine etwas harte Ansprache widerwärtig und rappelköpfisch machen wird?«

»Gewiß nicht!« entgegnete Eugen. »Ich kenne diesen Charakter zu genau; mit Güte erreicht man bei ihm gar nichts, mit der größten Strenge aber Alles.«

»Nun, wir wollen sehen!« sagte der Direktor schmunzelnd. »Aber ich befürchte nur Eines, daß es ihm nämlich bei solchen künstlerischen Anstrengungen seiner nicht mehr bei uns gefallen möge und er auf und davon gehe. Es wäre mir das doch sehr unangenehm, einen Ihrer Freunde vertrieben zu haben.«

»Unbesorgt!« erwiderte Eugen lachend; »so lange wir dableiben, ist Herr Hannibal ebenfalls engagirt; und wenn er sich je mit Worten oder Mienen Ihrer Zucht oder Ihrem Unterrichte widersetzen wollte, so sagen Sie ihm einfach, Sie sähen sich veranlaßt, ihn von der Gesellschaft zu entlassen, und wollten hingehen und mir dies anzeigen.«

»Schön, schön,« meinte der Schauspieldirektor und schnalzte mit den Fingern. »Auf diese Art wäre es denn doch möglich, wieder eine gute Pantomime zusammen zu bringen.«

Die Prinzipalin hatte einfach mit dem Kopfe genickt, und da ihr Herr Hannibal, dem sie eine Gage ausbezahlen mußte, bisher als ein sehr unwichtiges Mitglied der Gesellschaft erschienen war, so gab sie dem Herrn Wellen vollkommen Recht, indem er einen Weg anzeigte, wie dieser junge Künstler brauchbar und nutzbringend zu machen sei.

Demgemäß hatte nun auch der Prinzipal schon am folgenden Morgen die Mitglieder davon benachrichtigt, daß er eine Pantomime einzustudiren Willens sei. Auch wurden die Rollen vertheilt und Herrn Hannibal die des Pierrot übertragen. Herr Trommler galt als ein vortrefflicher Harlekin. Doch fand diese Rollenvertheilung zuerst einigen Widerspruch bei der Schwägerin des Direktors, welche in Pantomimen die Columbine, in Balleten aber die gefallene Prinzessin oder sonst irgend eine unterdrückte Unschuld zu machen pflegte. Sie hatte sich den Herrn Hannibal, der sich bereits ihrer Zuneigung in bedeutendem Grade erfreute, als Arlequino gedacht und sich in ihrem Geiste ausgemalt, wie schön es sein würde, wenn sie, seine zarte Columbina, hier mehrmals Gelegenheit hätte, in seine Arme zu flattern. Dieser Geist des Widerspruches hatte sich durch sie auch des Herrn Hannibal bemächtigt, und er trat vor den Direktor hin, jeder Zoll ein Künstler. Er hatte den Hut etwas auf das linke Ohr gerückt, hielt die eine Hand in der Rocktasche, während er die andere dazu benutzte, die zu seiner Rede nöthigen Gesten zu machen.

So trat er also vor den Prinzipal, der, in seinen langen, weißen Ueberrock eingeknöpft, die Hände auf den Rücken gelegt, ruhig wartend dastand. Wir glauben schon gesagt zu haben, daß der Prinzipal, Herr Müller, eine große und breite Gestalt hatte, und fügen noch hinzu, daß Herr Hannibal um so viel kleiner war, so daß er, vor dem Prinzipal stehend, an ihm ordentlich in die Höhe blicken mußte.

Kaum hatte der getreue Pierrot in ernstem und bestimmtem Tone seinen dringenden Wunsch ausgesprochen, von der für ihn so passenden Rolle verschont zu bleiben, als ihn der Direktor streng, fast finster ersuchte, sich vor allen Dingen der Regeln der Höflichkeit zu befleißigen und seinen Hut herab zu nehmen, wenn er mit ihm, als seinem Vorgesetzten, zu sprechen sich erlaube. Bei diesen Worten hatte ein kleines Lächeln auf den Zügen des jungen Künstlers aufzudämmern fast begonnen, doch unterdrückte er es vermittelst eines kräftigen Hustens, als er bemerkte, wie der Prinzipal seine Augenbrauen finster zusammen kniff. Auch wurde nicht nur der Hut sanft herab gezogen, sondern die Hand verlor sich sachte aus der Rocktasche und nahm eine etwas ungezwungenere Stellung ein.

»Was wollen Sie?« fragte Herr Müller ziemlich barsch.

Herr Hannibal sah sich einigermaßen eingeschüchtert und antwortete demgemäß, er habe nur den Wunsch aussprechen wollen, man möge ihm die Rolle des Pierrot nicht übertragen, er bitte vielmehr um die des Harlekin.

»Sie werden die Rolle nehmen, die man ihnen gibt,« sagte streng der Prinzipal, »und werden sich bemühen, aus dieser Rolle etwas Tüchtiges zu machen. Sie haben alles Zeug dazu; auch weiß ich, daß Sie auf bedeutenderen Theatern, wie das meinige, in diesem Fache schon Tüchtiges geleistet haben. Also gehen Sie mit Lust und Liebe an die Arbeit und lassen Sie mich vor allen Dingen nicht eines Tages zu der Bemerkung kommen, daß es Ihnen an gutem Willen fehle.«

Nun hatten die Proben begonnen, und der unglückliche Pierrot war mit so komisch dummem Gesichtsausdruck und so unendlich tappig auf den Brettern erschienen, daß dieses Auftreten unter den Mitgliedern der Truppe einen wahren Beifallssturm hervor rief.

»Sehen Sie wohl,« sagte Eugen zu dem Direktor, »wie er diese Rolle aufzufassen versteht!«

»Aber geben Sie nur Achtung,« nahm der lustige Rath das Wort, »sein guter Wille wird bald zu Ende sein, und er wird sie schmählich fallen lassen.«

Dem war nun auch in der That so, und Herr Hannibal schien sich in den Kopf gesetzt zu haben, die einfachsten Dinge nicht begreifen zu wollen. Statt rechts trat er links auf, statt links ging er rechts ab, und der majestätische Schritt, mit dem sich Pierrot auf der Bühne zu bewegen pflegt, wollte ihm um Alles in der Welt nicht gelingen.

Umsonst zeigte es ihm der Direktor mehrmals, umsonst bat und warnte er.

»Sehen Sie,« sagte Eugen, »jetzt ist der gute Wille schon vorbei; aber es ist wahrhaftig schade – diese Vorstellung hätte glänzend werden müssen.«

»Und sie soll es auch werden,« versetzte kurz der Direktor und hob die Probe auf.

Darauf begannen schwere, unerhörte Leiden für den unglücklichen Hannibal, denn der Prinzipal, der sich nun für überzeugt hielt, daß seinem Pierrot der gute Wille fehle, sah sich veranlaßt, ihm Morgens in aller Frühe einige Privatlektionen zu ertheilen. Was hiebei vorfiel, ist in seinen Einzelheiten nie bekannt geworden; nur so viel vernahm man, daß der Herr Hannibal sehr heftig anfing zu sprechen, worauf der Herr Müller noch heftigere Erwiderungen gemacht; dann hörte man hie und da einen Stuhl umfallen, ein kurzes Geheul des Herrn Hannibal, was aber alles zur Rolle zu gehören schien und durchaus die Probe nicht unterbrach; denn der Prinzipal hörte nicht eher auf, während einer ganzen Stunde lang den jungen Künstler zu lehren, wie man in den Geist einer Rolle eindringe; und nach Beendigung dieser Lektion erschien der Schauspieldirektor wieder, das Gesicht einigermaßen geröthet, der junge Künstler dagegen sehr matt und abgeschlagen.

Wir können dagegen nicht sagen, daß Herr Hannibal diese Lehrmethode sehr angenehm und für sich zuträglich gefunden, oder daß er dieselbe ohne ernstliches Widerstreben seinerseits hingenommen hätte, müssen dagegen versichern, daß dieses Widerstreben zu keinem erwünschten Ziele führte; denn als er sich eines Tages über diese sonderbare Lehrmethode bei seinem Herrn beklagte und dabei nicht undeutlich zu verstehen gab, er sehe sich bei solch fortgesetzten Proben veranlaßt, seine Künstlerlaufbahn aufzugeben und sich ein anderes Brod zu suchen, so verwies ihn sein Herr freundlich an den lustigen Rath, der ihm mit großer Sanftmuth auseinander setzte, wie ihm seinerseits ebenso wenig als von Seiten den Herrn Stillfried etwas in den Weg gelegt werden sollte, ein vollkommen freier Mensch zu werden. »Ja,« setzte Herr Sidel lächelnd hinzu, »die Sehnsucht, die du, mein Freund, nach der Residenz verspürst, scheint in dieser Stadt ebenfalls nach deiner werthen Person zu bestehen; denn ich las neulich in mehreren Blättern einige Zeilen, aus welchen ich zu entnehmen schien, man fordere dich zärtlich und dringend auf, wieder jenseits der Grenze zu erscheinen. – Da lebt, wenn ich nicht irre,« fuhr der unerschütterliche Rath fort, »ein gewisser Justizrath Werner, den es außerordentlich zu freuen scheint, deine Bekanntschaft zu erneuern.«

Bei Nennung dieses Namens war der getreueste Pierrot einigermaßen erblaßt und stammelte einige Worte, welche aber durchaus nicht so klangen, als bestehe er hartnäckig darauf, seinen Abschied zu erhalten.

Damit war diese kleine Unterredung beendigt, jedoch nicht so die unangenehmen Proben bei dem Schauspieldirektor. Joseph aber ergab sich seufzend in sein Schicksal, und da der Mensch gewöhnlich trachtet, für irgend welche Leiden, die ihn treffen, sich eine Entschädigung durch Freuden zu verschaffen, so schien er sich der Liebe der blonden Schwägerin auf Gnade und Ungnade ergeben zu haben, um dort Ersatz zu finden und sich einigermaßen zu zerstreuen.


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