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Leopold II. regierte noch als Großherzog von Toskana, als ihm zu Florenz am 5. September 1771 sein dritter Sohn, der Erzherzog Karl, von seiner Gemahlin Ludovika, der Tochter des Königs von Spanien, Karl III., geboren wurde. Der toskanische Hof war von jeher ausgezeichnet durch feine Bildung, durch Förderung der Kunst und Wissenschaft, an deren Schätzen Florenz selber so reich ist. Das empfängliche Gemüth des Knaben verarbeitete still die Eindrücke des Schönen, Wahren und Guten, die ihm von so mancher Seite zuströmten, aber das, wofür er sich lernend interessiren sollte, mußte ihm auch gemüthlich vermittelt werden, mußte den ganzen Menschen erregen. Julius Cäsar und Polybius, seine Lieblingslektüre, mögen frühzeitig seine Einbildungskraft mit Bildern des Ruhmes und der Heldenkraft erfüllt haben. Dagegen wollte ihm das mathematische Wissen anfangs gar nicht munden. Oefteres Unwohlsein mochte wohl zu dem sehr stillen, ja scheuen Wesen des Knaben hauptsächlich beigetragen haben; man fürchtete schon, er sei zur Schwermuth geneigt, aber mit fortschreitender Entwickelung des Geistes verschwand dieser Charakterzug gänzlich und es blieb dafür jene liebenswürdige Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit zurück, die den Helden zierte.
Schon im Jahre 1778, nachdem der Prinz das siebente Jahr erreicht hatte, übernahm der Graf von Hohenwarth die Erziehung desselben. Dieser vortreffliche Mann, der mit echter Vaterlandsliebe die gediegenste Bildung vereinte und mit den ausgezeichnetsten Gelehrten Italiens und Deutschlands (namentlich auch mit unserem Herder) verkehrte, wußte Geist und Herz seines hohen Zöglings in schöner Harmonie zu bilden und durch sein eigenes Beispiel den besten Unterricht zu geben. Graf von Hohenwarth vereinigte in sich selber die christliche, humanistische und ästhetische Bildung; er verdiente es, daß man ihm mit dem erzbischöflichen Stuhle von Wien lohnte.
Auch die tiefgreifenden Bestrebungen Kaiser Josephs II., des Oheims des jungen Erzherzogs, mochten nicht ohne nachhaltige Wirkung bleiben und eine liberalere Ansicht von Welt und Menschen begründen. Joseph starb mit dem Beginn der französischen Staatsumwälzung; die Regierung der österreichischen Erblande sammt der deutschen Kaiserwürde gingen auf seinen Bruder Leopold II. über, den Vaters unsers Helden. Der neunzehnjährige Karl begleitete seinen Vater nach Wien, erhielt Zutritt zu den Sitzungen der kaiserlichen Hofstellen und ward mit Einem Male in den Strudel der sich von nun an mit stürmischer Hast drängenden Weltbegebenheiten hineingerissen.
Kaiser Leopold II. hatte eine höchst schwierige Aufgabe zu lösen, denn bei seinem Regierungsantritt waren Ungarn und die Niederlande in vollem Aufstande und Frankreichs gährender Vulkan drohte mit seinem Ausbruch die deutschen Verhältnisse zu erschüttern und zu verwirren. Die besonnenste Mäßigung und Nachgiebigkeit war zunächst die einzig anwendbare Politik und der Kaiser wußte sie zu üben; er suchte den Frieden mit Frankreich, so lange es nur irgend möglich war, zu erhalten. Sein Sohn Karl ging 1791 nach Brüssel, wo die Erzherzogin Christine nebst ihrem Gemahl, dem Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen die Regentschaft führte. Das hohe Paar hatte, da ihre Ehe kinderlos geblieben, den Erzherzog Karl an Kindesstatt angenommen und wollte ihn nun in die Staatsgeschäfte einweihen.
Karl arbeitete mit allem Fleiß, vergaß jedoch über den politischen Angelegenheiten nicht das Studium der Militärwissenschaften und die Uebung in den Waffen. Es stellte sich immer mehr heraus, daß er das Kriegswesen als den eigentlichen Beruf seines Lebens erkannte. Und bald genug erschien der Zeitpunkt, wo es galt, diesen Beruf zu bethätigen.
Der in Frankreich sich immer gewaltthätiger entwickelnde revolutionäre Geist, der alles Bestehende zertrümmerte, die Verhältnisse des kirchlichen, bürgerlichen und geselligen Lebens von Grund aus umgestalten wollte, ließ sich nicht in die Grenzen Frankreichs einengen und mußte dem ganzen noch auf alter historischer Grundlage ruhenden Europa den Krieg erklären. Zunächst wurden die weltlichen Besitzungen deutscher Standesherren in Elsaß und Lothringen und die reichen geistlichen Güter am linken Rheinufer ein Raub der Neufranken; Oesterreich war doppelt gefährdet in seiner Stellung zum deutschen Reich und in seiner Hausmacht in Bezug auf die an Frankreich grenzenden italienischen und belgischen Lande. Wie das unumschränkte Königthum in Frankreich zu Boden geworfen war, so – das sahen die deutschen Fürsten wohl ein – drohte auch der Fürstenmacht im »lieben heil'gen röm'schen Reich« die größte Gefahr. Leopold II., nachdem er sich mit Preußen verbündet, forderte am 18. Februar 1792 durch seinen Gesandten, den Fürsten Kaunitz, von der französischen Nationalversammlung die Wiederherstellung der königlichen Gewalt, die Rückgabe der geistlichen Güter, die Wiedereinsetzung der deutschen Reichsstände in ihre früheren Besitzthümer und Rechte. Unerwartet und plötzlich erfolgte Leopolds Tod am 6. März 1792; sein ältester Sohn Franz folgte ihm auf dem Throne. Franz II. hielt Wiederherstellung des königlichen Ansehens in Frankreich für seine erste und größte Aufgabe und wiederholte seine Forderungen. Aber schon am 29. April war der unglückliche König Ludwig XVI. von der gesetzgebenden Nationalversammlung gezwungen worden, den Krieg an Franz als König von Ungarn und Böhmen zu erklären. Der Kaiser, zum Oberhaupt des deutschen Reiches erwählt, hatte nicht nur dieses, sondern auch Preußen und England auf seiner Seite.
Der Krieg begann mit einem Angriff der Franzosen auf die österreichischen Niederlande. Die französischen Truppen wurden zurückgeschlagen. Als aber Herzog Ferdinand von Braunschweig, der Oberbefehlshaber der Verbündeten, durch die ersten glücklichen Erfolge übermüthig gemacht, sein hochmüthiges Manifest erließ, und doch sich bald daraus so schmählich aus der Champagne zurückziehen mußte: erwachte in dem französischen Volke der Stolz, die Erbitterung und Wuth; am 21. September ward die Republik erklärt und nun ein Volkskrieg eröffnet, der, alle schulmäßige Taktik bei Seite werfend, mit ganz neuen Waffen der Begeisterung, des Fanatismus, ja der Verzweiflung geführt wurde. Den Feldherren blieb nur die Wahl des Sieges oder der Guillotine. Es galt nicht mehr Rang, Adel, Herkommen, sondern die Kraft und das Talent; ob die Krieger zerlumpt oder uniformirt, eingeübt waren oder nicht, darauf ward wenig gesehen; es galt nur in entscheidendem Moment mit Schnelligkeit und Feuer zusammenzuwirken und den Angriff unwiderstehlich zu machen. Solcher neuen Kampfesart konnten die deutschen Heere, die auf ihren Garnisondienst oder früher erworbene Lorbeeren pochend, ohne belebende Ideen bloß maschinenmäßig fochten, nicht die Spitze bieten. Dumouriez war unter den Revolutionsfeldherren der erste, welcher das Kriegsglück auf französische Seite wandte. Er gewann die Schlacht bei Jemappes am 5. November, in welcher 17,000 Oesterreicher unter Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen kämpften und auch der junge Erzherzog Karl an der Spitze einer Brigade stand.
Am 23. Januar des folgenden Jahres 1793 büßte der allzugutmüthige und allzuschwache Ludwig XVI. die Sünden der Väter auf dem Schaffot. Belgien und Mainz waren bereits in den Händen der Franzosen, ihre kriegsmuthigen Heerschaaren verbreiteten die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit in den Niederlanden und Deutschland, wohin sie unaufhaltsam vordrangen. Dumouriez hatte sein Winterquartier an der Roer, und wollte auf Amsterdam losgehen, um die Eroberung Hollands zu vollenden. Doch diesmal waren die Oesterreicher schneller als die Franzosen, die sich's in ihren Lagern noch wohl sein ließen, als die Oesterreicher unter dem Feldmarschall Prinzen Josias von Koburg in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März bei Jülich auf vier Punkten über die Roer setzten. Der Ueberfall ward schnell und pünktlich ausgeführt; der französische General Dampierre spielte ruhig in Aachen Karten, als ihm die Botschaft von der Ueberrumpelung seiner Kantonnirungen zukam. Erzherzog Karl befehligte die Vorhut des siegreich vorschreitenden Heeres, er umging die feindliche Stellung und stürmte dann die Höhen von Aldenhoven, hinter welchen sich der Feind zu sammeln suchte. Er selber stellte sich an die Spitze der wallonischen Reiter. »Die Franzosen halten sich für unüberwindlich«, rief er, »zeigt euch als Männer, als brave Wallonen, und jagt sie zum Teufel!« Der Feind ward in die Flucht geschlagen, ein vollständiger Sieg errungen. Dieser Waffenthat folgte bald nachher der glänzende Sieg bei Neerwinden am 18. März 1793, an welchem Erzherzog Karl wesentlichen Antheil hatte – er sprengte mit seinen Reitern den linken französischen Flügel und eroberte das Geschütz – so daß ihm sein kaiserlicher Bruder Franz II. den Marie-Theresienorden, das höchste militärische Ehrenzeichen in Oesterreich, übersandte.
Der junge Prinz war schon damals der Liebling der Soldaten, die instinktmäßig den Helden erkennen, dem Kopf und Herz auf dem rechten Flecke sitzen. Ohne nach üblicher Sitte das herrische abstoßende Benehmen der Generale nachzuahmen, vielmehr in ungezwungener Weise vertraulich auch mit dem gemeinen Manne verkehrend, sicherte er sich zugleich die Liebe und die Achtung; seine Tapferkeit und Sachkenntniß erweckten in Jedem unbedingtes Vertrauen und willigen Gehorsam. Aber dem kaiserlichen Heere, das aus Deutschen, Ungarn, Slaven, Wallonen in buntester Mischung zusammengesetzt war, eine Begeisterung einzuhauchen, die über den pflichtmäßigen Gehorsam hinausgeht, das war eine schwere Aufgabe, und doch gelang allmählich ihre Lösung, soweit sie menschlich möglich war, dem heldenmüthigen Kaisersohn, indem er an seine Persönlichkeit die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und den Muth der Gegenwart Trotz zu bieten knüpfte. Im Erzherzog Karl war der österreichischen Armee ein zweiter Prinz Eugen beschieden.
Im Frühjahr 1794 begab sich der Kaiser Franz selber nach den Niederlanden, um durch seine Gegenwart den Muth der Truppen zu erhöhen. Die Streitmacht der Verbündeten war groß genug, aber es fehlte an der Einheit des Zusammenwirkens und an der Schnelligkeit der Bewegung, während die Franzosen eine Armee nach der andern wie aus der Erde stampften und ihre Generale in schnellem kühnen Vordringen mit einander wetteiferten. Zwar ließ sich der Anfang dieses Feldzuges für die Verbündeten glücklich an; das verschanzte Lager vor der Festung Landrecies wurde erstürmt, der Feind in die Festung gedrängt und bald so bedrängt, daß der Platz kapituliren mußte. Erzherzog Karl legte wieder an der Spitze seiner Division glänzende Proben der Tapferkeit ab und wurde vom Feldmarschall-Lieutenant zum Feldzeugmeister befördert. Aber das Genie des französischen Feldherrn Pichegrü gab bald den Dingen eine andere Wendung und die Hauptschlacht bei Fleurus ging für die Verbündeten verloren, trotzdem daß Erzherzog Karl Fleurus erstürmte, daß die österreichischen Truppen sammt ihren Führern mit größter Tapferkeit fochten, daß der linke Flügel der Franzosen bereits den Rückzug angetreten hatte. Der Oberfeldherr Prinz Koburg hielt die Schlacht für verloren, wollte die Armee schonen – und gab die Niederlande den Feinden Preis. Erzherzog Karl protestirte gegen den Rückzug, mit ihm alle braven Feldherren, aber vergebens. Nun verließ ein Theil des preußischen Heeres den Kriegsschauplatz, England und Holland hoben ihre Subsidienzahlung auf, und im Jahre 1795 schloß Preußen den schmachvollen Separatfrieden zu Basel. Die unselige Eifersucht zwischen den beiden deutschen Großmächten, der Egoismus der kleinen deutschen Fürsten, die von Ehre und Patriotismus längst sich losgesagt hatten, machte es dem Reichsfeinde leicht, ein Stück nach dem andern vom »armen Reiche« abzureißen.
Mit dem Glück wuchs bei den Franzosen die Kühnheit und Eroberungslust; in Paris war der Riesenplan entworfen, daß Bonaparte mit der italienischen Armee, Moreau mit der Rheinarmee und Jourdan mit der Sambre- und Maasarmee in's Herz von Oesterreich vordringen und zu Wien den Frieden diktiren sollten. Die österreichischen Streitkräfte waren in die Ober- und Niederrhein-Armee vertheilt, jene vom Feldmarschall Wurmser, diese vom Erzherzog Karl befehligt. Als nun aber der junge General Bonaparte seinen bewundernswerthen Alpenübergang machte und siegreich bis Mantua vordrang, befahl der Hofkriegsrath in Wien, daß Wurmser mit 25,000 Mann österreichischer Kerntruppen nach Italien eilen sollte, um hier dem kühnen Vordringen Bonaparte's Schranken zu setzen. Erzherzog Karl wurde Befehlshaber beider Armeen, und dies konnte schon den Abgang einer bedeutenden Truppe verschmerzen machen.
Jourdan war an die Ufer der Lahn und Sieg vorgerückt und hatte den Prinzen Ferdinand von Würtemberg in die Flucht geschlagen. Erzherzog Karl eilte sogleich mit einer Abtheilung seines Heeres dem Bedrängten zu Hülfe; bei Wetzlar angelangt, traf er Alles in vollem Rückzuge. Aber sein Adlerauge erkannte sogleich die schwachen Punkte des verfolgenden Feindes, er machte eine geschickte Bewegung über die Lahn, wodurch er den Feind in die Flanke nahm, und schlug ihn am 15. Juni 1796 so entscheidend, daß Jourdan sich entschloß, über den Rhein wieder zurückzugehen. Der schnelle Sieger war ihm stets hart auf den Fersen und vereitelte durch seine geschickten Bewegungen alle Plane der Sambre- und Maasarmee.
Noch aber drohte große Gefahr vom Oberrhein, wo Moreau mit seiner Armee vordrang, am 24 Juni seinen Rheinübergang bei Straßburg bewerkstelligte und die in sehr weiter Stellung ausgebreiteten österreichischen Heerhaufen zu werfen begann. Der Herzog von Würtemberg rief sogleich, nachdem seine Truppen einige Unfälle erlitten hatten, sein Kontingent zurück, und die kleineren wie größeren Reichsstände trugen großes Verlangen, mit den Franzosen möglichst bald auf einen freundschaftlichen Fuß zu kommen. Unter solchen Umständen ward es dem General Moreau leicht, nach dem Schwarzwalde vorzudringen und den Weg nach Schwaben sich zu öffnen.
Erzherzog Karl mußte auf alle Fälle sich Moreau entgegenwerfen; er ließ zur Beobachtung des Jourdanschen Heeres General Wartensleben mit 25,000 Mann am Niederrhein zurück und rückte in Eilmärschen auf den Kampfplatz. Doch die Feinde hatten bereits so günstige Stellungen, daß die schwächere österreichische Armee es nicht wagen durfte, sie anzugreifen; der Erzherzog Karl mußte sich damit begnügen, ihnen das Vordringen bloß zu erschweren. Zu gleicher Zeit war Jourdan wieder zum Angriff geschritten und hatte den viel schwächeren Wartensleben bei Friedberg in der Wetterau geschlagen; er war nahe daran, sich mit Moreau zu vereinigen, und da auch Bonaparte in Italien gesiegt hatte und durch Tyrol unaufhaltsam vordrang, schien jener Heldenplan zu gelingen, daß die drei französischen Heere vor Wien sich wirklich vereinigten. Da rettete eine kühn entworfene und ausgeführte Bewegung Karls Deutschland und Oesterreich. Er stellte am Lech einen Truppenkörper auf, um Moreau zu täuschen, rückte durch das Engthal der Altmühl, warf Jourdans Unterfeldherrn Bernadotte und vereinigte sich mit Wartensleben, griff dann sogleich (am 24. August) das Jourdansche Heer bei Amberg im Rücken und in der Flanke an und errang einen vollständigen Sieg. Jourdan ward zum Rückzug gezwungen, der durch die energische Verfolgung des Erzherzogs in wilde Flucht überging. Freilich hatte unterdessen Moreau den ihm entgegenstellten Truppenkörper unter Latour geschlagen, Bayern zum Waffenstillstände gezwungen und seine Heersäulen bis an den Lech vorgeschoben. Doch in Eilmärschen war auch Karl schon wieder mit 12,000 Mann Fußvolk und 4000 Reitern dem Moreau entgegengerückt, hatte die versprengten Truppenkörper an sich gezogen und den Feind zu einem Rückzüge gezwungen, der dem französischen Feldherrn alle Ehre machte, denn er ging durch das enge Höllenthal im Schwarzwalde. Noch suchte sich Moreau auf dem rechten Rheinufer zu halten und Kehl, das die Oesterreicher umringten, zu entsetzen. Doch die Hauptschlacht bei Emmendingen am 17. Oktober ging für die Franzosen verloren. Moreau bat um einen Waffenstillstand, und Karl hätte ihn gern bewilligt, um für den Angriff auf die italienische Armee freie Hand zu bekommen, aber der Hofkriegsrath in Wien hatte befohlen, Kehl und Hüningen auf jeden Fall zu nehmen. Dies gelang nach der größten Anstrengung zu Anfang 1797, und nun erst konnte der Erzherzog sich nach Tyrol begeben.
Bonaparte, nachdem er Oberitalien erobert, dem Papste – dessen Schlüsselsoldaten schon beim bloßen Anblick der französischen Armee davon gelaufen waren –, den Beherrschern von Parma, Modena und Neapel den Frieden vorgeschrieben hatte, verfolgte seine glänzenden Siege von Lodi, Arcole etc., die auch den Fall Mantua's herbeigeführt; früher als man vermuthete, war er nach Tyrol vorgedrungen, wo der Erzherzog in aller Eile kaum 40,000 Mann hatte zusammenbringen können, schlecht ausgerüstet und an Munition Mangel leidend. Des Erzherzogs Vorschlags den Truppenkörper Latours zur italienischen Armee zu senden, bevor derselbe von Moreau zum Rückzug gezwungen würde, war vom Hofkriegsrath in Wien nicht genehmigt worden; so ging Bonaparte's Wort in Erfüllung: »Bisher habe ich Heere ohne Feldherren besiegt, jetzt eile ich, einen Feldherrn ohne Heer zu bekämpfen.« Wie ganz anders würden sich die Dinge gestaltet haben, wenn Oesterreich von Preußen unterstützt worden wäre! Nun mußte der brave Erzherzog, der sich in Tyrol nicht halten konnte, trotz aller heldenmüthigen Tapferkeit seiner Schaaren, den Waffenstillstand von Leoben eingehen, dem bald darauf der Friede von Kampoformio folgte (17. Oktober), der für Oesterreich und Deutschland gleich demüthigend und schmerzlich war.
Karl ward mit dem Amt eines Generalgouverneurs von Böhmen beehrt; seine Gesundheit war sehr angegriffen, das hielt ihn aber nicht ab, an der Verbesserung des österreichischen Kriegswesens, das noch zäh in veralteten Formen hing, rastlos zu arbeiten. Doch nur zu bald riefen ihn die Ereignisse wieder auf den Schauplatz des Krieges. Die ungezügelte Maßlosigkeit der französischen Machthaber hatte eine neue Koalition der europäischen Mächte gegen die übermüthige Republik herbeigeführt, und Oesterreich suchte die Fesseln, die ihm der Friede von Kampoformio geschmiedet hatte, wieder zu zerbrechen. Im März 1799 ging Jourdan mit der Donauarmee und Bernadotte mit einem Beobachtungsheer über den Rhein; zugleich griff Massena den österreichischen General Auffenberg in Graubündten an, warf ihn und drang in Tyrol. ein Auf diese Nachricht rückte Jourdan in die Linie zwischen Tuttlingen und Hohentwiel, um sich den Weg nach Vorarlberg zur Vereinigung mit Massena zu öffnen und zugleich im Besitz der Donau zu bleiben. Da noch keine offizielle Kriegserklärung erfolgt war, forderte Jourdan den Erzherzog ganz naiv auf, seine Truppen zurückzuziehen. »Eine solche Forderung muß man mit Kanonen erwidern!« rief Karl, als man ihm dies meldete. Er hatte schnell seinen Plan entworfen, war von Memmingen bis zum Dorfe Ostrach vorgerückt, das die Franzosen besetzt hielten, stürmte die festen Stellungen des Feindes und schlug Jourdan so, daß dieser bis Stockach zurückweichen mußte; aber auch dahin folgte ihm der österreichische Held und schlug ihn abermals (25. März). Der Feind hatte den tapfersten Widerstand geleistet, allerlei Künste angewandt, die Oesterreicher zu umgehen, doch Karl mit seiner unerschütterlichen Besonnenheit alle Pläne vereitelt. Im entscheidenden Moment hatte er sich selber, entschlossen zu siegen oder zu sterben, an die Spitze von zwei Grenadierbataillons gestellt und gerufen: »Jetzt gilt es Ehre und Vaterland! erinnert euch, daß ihr österreichische Grenadiere seid, wir müssen siegen oder sterben!« »Hier ist nicht der Ort für Ew. kaiserliche Hoheit! Zurück, zurück!« – so schallte es die ganze Reihe entlang, mehrere alte Grenadiere traten vor, hielten das Pferd am Zügel und riefen mit Thränen in den Augen: »Verlassen Sie sich auf uns, wir sind Ihre Grenadiere!« Und die Braven hielten Wort.
Die Siege des Erzherzogs waren wie ein lichter Sonnenblick aus trüben Wolken; die deutschen Fürsten und Völker begannen wieder sich als Deutsche zu fühlen und zeigten sich willig, ihre Kontingente in verstärkter Anzahl zu Karls Fahnen zu senden. Der österreichische Held begann schon jetzt seine große Idee, das Volk in Masse gegen den kühnen Feind in die Waffen zu rufen, im Kleinen zur Ausführung zu bringen, indem er einzelne Volkserhebungen längs des Rheines veranlaßte, welche seine Operationen unterstützen sollten. Selbst der Kaiser Franz II. forderte Deutschlands Fürsten zur Bildung eines Landsturmes auf. Erzherzog Karl sagte in einem Schreiben an die deutschen Stände: »Bis die versprochene Reichsbewaffnung zu Stande kommt, wird der Feind seine Räubereien fortsetzen und die Länder aussaugen; daher muß man außerordentliche und schleunige Maßregeln ergreifen. In der Ueberzeugung von dieser Nothwendigkeit hat sich das Volk im mainzischen Lande, im Odenwalde etc. bereits bewaffnet; dies Beispiel muß allgemeine Nachahmung finden, zugleich müssen aber auch die getroffenen Anstalten mit den Dispositionen der kaiserlichen Armee in Verbindung gesetzt werden. Ich bin bereit, den sich Erhebenden Offiziere zu ihrer Bildung zu schicken und sie sonst zu unterstützen. Dadurch werde ich in den Stand gesetzt werden, nicht nur Schwaben und die vorliegenden deutschen Reichslande zu schützen, sondern auch wichtige Operationen zu vollbringen« Wie glücklich hätte schon jetzt der Krieg für Oesterreich und Deutschland enden können, wenn man dem erprobten Feldherrn den unbeschränkten Oberbefehl über alle Truppen in Tyrol und Deutschland übertragen und seinen Plan in der Schweiz nicht gestört hätte! Der wiener Hofkriegsrath führte aber zum Unglück des Vaterlandes seine Generale stets am unheilvollen Gängelbande.
Nachdem die Russen unter Suwarow, die Oesterreicher unter Melas und Kray in Italien große Erfolge gehabt, rückte der Erzherzog in die Schweiz, und stand im Begriff, sich mit Korsakoff, der an der schweizer Grenze mit 20,000 Mann stark angelangt war, zu vereinigen, Massena mit Uebermacht anzugreifen und so mit Einem Schlage die Absichten des Feindes auf die Schweiz und Deutschland zu vernichten. Da aber den Engländern wie den Oesterreichern die Anwesenheit der Russen in Italien nicht lieb war, wurde die unheilvolle Uebereinkunft getroffen, die Oesterreicher sollten in Italien allein agiren, die Russen in die Schweiz ziehen und den Erzherzog ablösen, dem man befahl, wieder an den Rhein zurückzukehren, um durch eine Seitenschwenkung die beabsichtigte Landung der Engländer in Holland zu erleichtern. So ward das Zusammenwirken nach Karls richtigem Plane vereitelt; die Russen, gegen Oesterreich mißtrauisch geworden und verstimmt, zogen wieder in ihre nordische Heimath, und so stand Erzherzog Karl wieder vereinzelt, obwohl er bei Mannheim abermals gesiegt und die Franzosen über den Rhein zurückgedrängt hatte.
Am Ende des Jahres 1799 bat der Held, durch die Anstrengungen und bittern Erfahrungen sehr leidend geworden, um seine Entlassung; er erhielt sie am 17. März 1800, und Kray, der sich durch seine Siege in Italien hervorgethan, erhielt den Oberbefehl am Rhein. Die Nachricht vom Zurücktritt des angebeteten Feldherrn brachte allgemeine Bestürzung unter seinen Kriegern hervor; mit kaum zurückgehaltenem Schmerz, mit gesenkten Fahnen erschienen sie vor dem Erzherzoge, der mit tiefer Rührung von ihnen Abschied nahm und ihre Hoffnung auf neue Siege unter dem neuen Feldherrn zu beleben suchte. Die trauernden Blicke, die niedergeschlagenen Mienen der Soldaten sprachen aber keine Hoffnung aus. Auch die Bewohner der Rheinlande, die der Held so kräftig geschützt und denen er auf alle Weise die Lasten des Krieges erleichtert hatte, sandten ihm ihre besten Segenswünsche nach.
Der Erzherzog ging zuerst nach Wien und dann zur Herstellung seiner Gesundheit nach Pyrmont; dem Wunsche des Kaisers Folge leistend, übernahm er die Leitung der Vertheidigungsanstalten in Böhmen, und sammelte, wiederum an das Volk sich wendend, eine muthige Schaar von 25,000 Streitern.
Unterdessen war Napoleon aus Aegypten zurückgekehrt, hatte das Direktorium gestürzt, als erster Konsul die Zügel der Regierung in die Hand genommen und sich darauf an die Spitze des italienischen Heeres gestellt. Am 14. Juni schlug er die Oesterreicher bei Marengo, zugleich drang Moreau durch Schwaben vor, Erzherzog Johann, an Kray's Stelle zum Befehlshaber ernannt, ward am 1. Dezember bei Hohenlinden geschlagen und abermals drangen die Feinde in's Innere der österreichischen Erblande vor.
Man rief wieder nach Erzherzog Karl, der am 17. Dezember den Oberbefehl über ein vollständig zerrüttetes und muthlos gewordenes Heer übernehmen mußte, das kaum noch 30,000 Mann zählte. In dieser hoffnungslosen Lage rieth Karl seinem kaiserlichen Bruder selber zum Frieden. Als Feldherr konnte er in diesen Tagen des Unglücks keine Lorbeeren sammeln, doch die Thaten des edlen Menschen leuchteten auch jetzt mit hellem Glanze.
Der General Spanochi, der die militärische Erziehung des Prinzen geleitet und ihn auf seinen meisten Feldzügen begleitet hatte, war in französische Gefangenschaft gerathen. Der dankbare Zögling bot Alles auf, den geliebten Lehrer wieder frei zu machen; er schrieb selber an Moreau. »Ich weiß wohl, daß eine solche Bitte ungewöhnlich ist« – hieß es in dem Briefe – »aber sie macht vielleicht dieses Mal eine Ausnahme von der Regel, indem ich mich für den Freund meiner Jugend, meinen ehemaligen Erzieher verwende.« Moreau antwortete sogleich: »Spanochi ist auf sein Ehrenwort entlassen, und in zweimal vierundzwanzig Stunden haben Sie ihn bei sich.« Hocherfreut eilt der Erzherzog seinem befreiten Lehrer entgegen; da begegnen ihm hinter Linz österreichische Soldaten in hastiger Flucht; sie trugen ihre schwer verwundeten Kameraden auf Schultern und Rücken, um sie dem Feinde nicht preiszugeben, dabei ließen sie nicht nach, die Kanonen zu retten. »Spannt die Kanonen aus!« rief der menschenfreundliche Held, »es ist besser, diese fallen in des Feindes Hände, als jene braven Krieger!« Wirklich bemächtigte sich bald darauf der nachsetzende Moreau der zurückgebliebenen Kanonen, aber als der französische General die Ursache vernommen, sprach er, im Edelmuth mit dem Erzherzog wetteifernd: »Was aus Menschenliebe geopfert wurde, kann bei civilisirten Kriegern nicht als Beute gelten!« und sandte die Kanonen dem österreichischen Helden wieder zu.
Nach dem Lüneviller Frieden ward Karl zum Feldmarschall und Präsidenten des Hofkriegsrathes ernannt, mit der Weisung, eine neue zweckmäßigere Einrichtung des österreichischen Heerwesens herbeizuführen. Mit rastlosem Fleiß unterzog sich der Erzherzog der ihm gewordenen Aufgabe, schaffte alles Hemmende, Ueberflüssige, Zeitraubende im Exercitium wie im Geschäftsgänge des Hofkriegsrathes ab und suchte Einheit und schnelleres Zusammenwirken in alle Zweige des Kriegswesens zu bringen. Vorzüglich richtete er sein Augenmerk auf die geistige und sittliche Bildung des Offiziers und humanere Behandlung des gemeinen Soldaten; die Verpflichtung zu lebenslänglichem Kriegsdienst wurde abgeschafft, eine größere Rührigkeit und Lebendigkeit in alle Verhältnisse gebracht. Am 6. Juni 1802 erkrankte der Erzherzog so schwer, daß ihm die Sterbesakramente gereicht wurden; die Vorsehung wollte aber den »Helden ohne Furcht und Tadel« noch seinem Vaterlande erhalten, er genas und setzte eifrig seine Reformen fort. Mit edler Bescheidenheit hatte er ein von König Gustav IV. gemachtes und vom deutschen Reichstag gebilligtes Projekt, dem Retter Deutschlands ein Denkmal zu errichten, abgewiesen; in seinen Thaten wollte er allein ein Monument sich setzen. Er verblieb in seiner stillen aber segensreichen Thätigkeit bis zum Jahre 1805, in welchem der General Latour zum Präsidenten des Hofkriegsrathes erhoben, das System plötzlich wieder geändert ward; doch blieb Karl vorläufig Kriegsminister, ohne im Stande zu sein, der ebenso hitzigen als unbesonnenen Kriegspartei am Hofe das Gegengewicht halten zu können. Der Rath des erfahrenen Helden, »zu warten, bis man ganz gerüstet sei und Napoleon sich durch seine eigenen Unternehmungen zu Grunde gerichtet habe«, ward nicht beachtet. Es ist ein tragischer Zug im Leben Karls, daß er so oft allein stand, wo er allein das Richtige sah und die rechten Mittel an die Hand geben konnte. Oesterreich trat der neuen Koalition gegen Napoleon, die. bereits zwischen England und Rußland geschlossen war, am 9. August 1805 bei; Preußen, auf dessen Beistand man rechnete, blieb neutral, die süddeutschen Fürsten neigten sich geradezu zu Napoleon hin.
Sobald Erzherzog Karl die Unvermeidlichkeit des Krieges erkannt hatte, betrieb er mit gewohntem Feuer die Rüstungen, erschien am 20. September in Padua und übernahm den Oberbefehl über das italienische Heer. Ihm stand Massena gegenüber mit 50,000 Mann, während die Oesterreicher 80,000 Mann zählten. Schon war Karl im Begriff, einen Hauptschlag wider den Feind zu führen – als er Befehl erhielt, schleunigst 20,000 Mann seiner besten Truppen nach Deutschland zu senden. Napoleon war schlau genug, den Schauplatz des Krieges nach Deutschland zu verlegen, wo er schneller seine Kräfte sammeln und seine 300,000 Mann gegen das kaum 80,000 Mann starke österreichische Heer führen konnte. Er rückte so schnell und geschickt vor, daß sich Erzherzog Ferdinand mit Schwarzenberg kaum nach Böhmen durchschlagen konnten, Mack aber mit 20,000 Mann bei Ulm eingeschlossen und gefangen genommen wurde. Dem bedrohten Tyrol mußte Karl noch von seinem Heere Truppen zu Hülfe schicken, so daß Massena immer größere Vortheile gewann, ehe er noch geschlagen hatte; dennoch besiegte ihn der österreichische Held in einer dreitägigen glorreichen Schlacht bei Caldiero (29.-31. Oktober).
Leider blieb auch dieser Sieg fruchtlos, da das Unglück der österreichischen Heere in Deutschland den Erzherzog zwang, über Görz, Laibach, Cilly seinen Rückzug anzutreten. Erzherzog Johann, sein Bruder, der aus Tyrol weichen mußte, stieß zu ihm. Schon stand der Held mit 80,000 Streitern bei Körmend in der Nähe von Wien, und Napoleon, der das in guter Stellung befindliche russisch-österreichische Heer sich gegenüber hatte, kam in nicht geringe Gefahr. Doch er wußte das letztere nach Austerlitz zu locken, und bevor Erzherzog Karl anrücken konnte, ward Rußland und Oesterreich abermals in der »Dreikaiserschlacht« am 2. Dezember besiegt.
Oesterreich schloß nach diesem verhängnißvollen Tage sogleich Waffenstillstand, und am 20. Dezember den Frieden von Preßburg, in welchem es Venedig an Italien, Tyrol und Vorarlberg nebst Eichstädt und einen Theil von Passau an Bayern, die schwäbisch-österreichischen Lande und den Breisgau an Baden und Würtemberg verlor. Die neugeschaffenen Könige und Großherzöge in Süddeutschland waren jetzt erklärte Vasallen Napoleons; es war geschehen, was der Held Karl vorausgesagt hatte.
Am 27. Dezember 1805 kamen die beiden großen Kriegsfürsten Karl und Napoleon auf dem Jägerhause zu Stammersdorf zusammen; die hohe Bewunderung, die beide einander zollten, hatte in beiden Helden den Wunsch erregt, sich persönlich kennen zu lernen, und die Anerkennung, welche jeder dem Verdienste des Andern bezeigte, war gleich ehrenvoll für beide.
Franz II. hatte die zum Spott gewordene deutsche Kaiserwürde niedergelegt, und nannte sich als österreichischer Erbkaiser Franz I. Daß er seinem Bruder Karl nicht unbedingtes Vertrauen geschenkt hatte, mochte er nun wohl bereuen. Doch er machte das Unterlassene wieder gut, indem er ihn zum Generalissimus des österreichischen Heeres und Chef des Kriegswesens mit unbeschränkter Vollmacht ernannte. So ward dem Erzherzog Karl Gelegenheit, das, wozu er in den Jahren 1801-1805 den Grund gelegt hatte, vollends auszuführen. Die Taktik wurde noch mehr vereinfacht, zur leichteren Bewegung der Truppen Jägerbataillons errichtet, Rekruten- und Pferde-Depôts organisirt, militärische Schulen eingerichtet; Karl selber gab seine »Grundsätze der höheren Kriegskunst für Generale« und seine »Beiträge zum praktischen Unterricht im Felde für die Offiziere der österreichischen Armee« heraus. Sodann wurde eine dreifache Reserve, die von Zeit zu Zeit einberufen und eingeübt werden sollte, geschaffen, und daneben eine Landwehr aus allen Klassen des Volks gebildet; an ihre Spitze stellten sich die kaiserlichen Prinzen selber. Der Zunft- und Kastengeist ward durch Karls Einrichtungen niedergehalten, die Kluft zwischen dem Volk und dem Wehrstande verengert. Das allgemeine Unglück hatte in Preußen wie in Oesterreich zur Folge, daß alte verrottete Zweige des Staatslebens abgeschnitten wurden und jüngere und gesündere Triebe nachwachsen konnten. Wenn es auch nicht gewollt hätte, Oesterreich, das von den Fürsten verlassen war, mußte sich auf seine Völker stützen.
Manches freilich, was Erzherzog Karl anordnete, wurde nach altösterreichischer Weise entweder sehr langsam oder gar nicht ausgeführt. Der richtige Blick des Feldherrn hatte erkannt, wie nothwendig ein Gürtel von Festungen sei, die das Land vor so plötzlichen Ueberfällen wie im Jahr 1805 schützen sollten. Statt nun das Vordringen der Franzosen von Westen her in's Auge zu fassen, fing man mit dem Festungsbau zu Olmütz in Mähren und Komorn in Ungarn an. Auch hier mußte man erst nach dem Unglück von 1809 eines Bessern belehrt werden. Wenn auch die Festungen den siegenden Feind nicht aufhalten, so erschweren sie doch sein Vorrücken, und es mußte höchst wünschenswerth erscheinen, daß den Franzosen die Straße nach Wien nicht so gar offen lag.
Wie sehr man die Tugenden des trefflichen Erzherzogs auch auswärts zu schätzen wußte, bewies die Wahl desselben als Enkel Karls III. zum König von Spanien- und Indien, die durch den berühmten Palafox in Saragossa Seitens der Länder Aragonien, Katalonien und eines Theils von Valencia geschah. Der englische Admiral Colingword sendete eine Fregatte nach Triest, um den Erzherzog abzuholen; dieser aber hatte den ehrenvollen Antrag abgelehnt und erklärt, seine Kräfte nur seinem Vaterlande weihen zu wollen.
In Spanien hatte der mit Füßen getretene Volksgeist an dem französischen Gewaltherrscher sich zuerst furchtbar gerächt; in Norddeutschland nährten Patrioten wie Stein, Scharnhorst, Gneisenau, Schleiermacher, Fichte die heilige Flamme deutscher Gesinnung; was die kühnen Helden Braunschweig-Oels, Blücher und Schill wagten, war ein Vorspiel dessen, was das Volk wagen und opfern würde. Die Entthronung der spanischen und portugiesischen Königsfamilien, die Besetzung Roms und ähnliche Gewaltschritte hatten schon längst bei der österreichischen Regierung den Entschluß gereift, abermals die Waffen wider den allgemeinen Feind des Bestehenden zu ergreifen. Man muß diese elastische Zähigkeit des österreichischen Volkes und Staatssystems bewundern, das, so oft und so blutig es auch unterlag, immer von Neuem und mit immer größerer Energie sich erhob. Das tyroler Volk, von seiner Geistlichkeit ausgestachelt, war gerüstet, die Herrschaft der Bayern abzuschütteln; das Volk war opferbereit und die Freiwilligen eilten zu den Fahnen, die der Oberfeldherr Karl versammelte; im Anfang des Jahres 1809 begann abermals der Krieg.
Am 6. April überschritt Karl mit seinem Heere bei Braunau den Inn, warf dann bei Landshut die Bayern unter Deroi zurück und ging über die Isar. Das eintretende Regenwetter und die Schwerfälligkeit des Fuhrwesens verzögerte übrigens das Vorrücken der Oesterreicher, und es war eine etwas ängstliche Behutsamkeit bei dem Erzherzog nicht zu verkennen, der sich nicht verhehlte, wie viel jetzt auf dem Spiele stand und in dem Streben, sich keine Blöße zu geben, seinen nur allzukühnen und viel schnelleren Feinden in die Hände arbeitete. Denn kaum hatte der Telegraph Napoleon den Uebergang der Oesterreicher über den Inn gemeldet, so war der Rasche auch schon auf dem Wege nach Deutschland, ohne Gepäck, fast ohne Gefolge; schon am 17. April war er in Donauwörth, mitten auf dem Schauplatze des Krieges. Der Erzherzog Karl hatte seine Schlachtlinie zu weit ausgedehnt; mit dem geübten Blick des Feldherrn sah Napoleon, daß er seine gesammte Macht auf Einen Punkt versammeln und mit dem unwiderstehlichen Keile die österreichische Aufstellung auseinandersprengen mußte. In den Schlachten bei Abensberg, Eckmühl (wo Davoust sich besonders auszeichnete) und Regensburg (19. – 23. April) wurden die Oesterreicher geschlagen, Erzherzog Karl mußte nach Böhmen zurückweichen, und ehe er noch bei Wien erscheinen konnte, war die Landeshauptstadt wieder in den Händen Napoleons (13. Mai).
Karl zog in Eilmärschen heran, und nahm in der Ebene am linken Donauufer, dem sogenannten »Marchfelde«, eine vortheilhafte Stellung. Auf diesen Gefilden hatte einst Rudolf von Habsburg die Macht des böhmischen Königs Ottokar zertrümmert. Unterhalb Wien erstreckt sich die Insel Lobau, durch einen schmalen Donauarm vom linken Ufer getrennt. Am 18. Mai ließ Napoleon diese Insel besetzen und alle Anstalten zum Uebergange treffen. Dies hatte Karls weitschauende Voraussicht erwartet; er wollte einen großen Theil des französischen Heeres erst ruhig herüberkommen lassen und zog sich in aller Stille zurück. Die Franzosen besetzten ungestört die Dörfer Aspern und Eßlingen, und am Morgen des 21 Mai – es war der erste Pfingsttag des Jahres 1809 – stand bereits ein beträchtlicher Theil der französischen Truppen auf dem linken Ufer der Donau. Aber mit dem Schlage 12 Uhr rückten die Oesterreicher, 75,000 Mann stark und in fünf Heersäulen getheilt, vor; der Oberfeldherr hatte sogleich die Artillerie so aufgestellt, daß sie die Dörfer Aspern und Eßlingen bestrich, und von 1 Uhr an bis tief in die Nacht ward Aspern zehnmal von den Oesterreichern genommen, zehnmal von den Franzosen wieder erobert. Um 5 Uhr Abends sandte Napoleon alle seine schwer geharnischten Reiter, 12 Kürassierregimenter, auf Ein Mal, die österreichische Schlachtordnung zu durchbrechen; zwei leichte österreichische Reiterregimenter weichen, die Artillerie zieht sich im Galopp zurück, das österreichische Fußvolk steht da, bereit, den mächtigen Anprall zu empfangen. An seiner Standhaftigkeit hängt das Schicksal der Schlacht. Karl sprengt heran, den Muth seiner Braven anzufeuern, sie begrüßen mit lautem Jubel den geliebten Feldherrn, schultern das Gewehr und erwarten die vordringende Reiterei. Die feindlichen Schaaren, 40 Schritt noch entfernt, stutzen über diese Ruhe der Infanterie; einige Offiziere retten vor und fordern sie auf, die Waffen niederzulegen. »Kommt und holt sie euch!« lautet die Antwort. Erbittert rücken die Kürassiere vor, aber sobald sie auf 15 Schritt sich genähert haben, erschallt der Befehl »Feuer« und Schuß auf Schuß fällt auf die Pferde und ihre Reiter, die zurückweichen und von der österreichischen Reiterei, die sich wieder gesammelt hatte, verfolgt werden. Mit erneuter Kraft dringen die Infanteriebataillons auf Aspern ein, die Stürmenden achten nicht das Kartätschenfeuer, mit gefälltem Bajonnet dringen sie in das Dorf, das bald in Flammen auflodert. Die Oesterreicher gewinnen den Kirchhof, doch das Handgemenge dauert bis in die Nacht hinein fort.
Ganz nahe an einander lagern die Vorposten der Streitenden; schon um 2 Uhr des andern Morgens erneuert sich der Kampf. In der Nacht ist auch der größte Theil der französischen Garde über die Donau gerückt, und mit frischen Truppen will Napoleon am 22. Mai die Schlacht erneuern. Er faßt den kühnen Plan, das österreichische Heer in der Mitte zu durchbrechen, und so einen Flügel nach Böhmen, den andern nach Ungarn zu werfen. Der trefflichste Theil des Heeres wird zu diesem Zweck herangeführt; da wanken österreichischer Seits einige Regimenter, doch der Erzherzog ist schnell zur Stelle, ergreift selber die Fahne und mit neuem Muth dringen die Seinen wieder vor. Das Feuer donnert aus 400 Geschützen; Karl achtet es nicht, seine Adjutanten werden verwundet, er aber weicht nicht, und sein unerschrockener Eifer theilt sich den Soldaten und ihren Anführern mit: der Sieg ist gewonnen!
Noch in der Nacht hatte der Erzherzog die Brücken zertrümmern lassen, indem er brennende Schiffmühlen und mit Steinen beschwerte Fahrzeuge anprallen ließ. Es war erst 9 Uhr Vormittags; bei Tage konnte es Napoleon nicht wagen, im Angesicht des siegenden Feindes seinen Rückzug über den Donauarm auszuführen. So erklärte er denn, er selber habe die Brücken zerstört, um seinen Truppen die Wahl zu lassen zwischen Sieg oder Tod, und nothgedrungen mußten sie den übrigen Theil des Tages fortkämpfen. Mit wahrhaft todesverachtender Tapferkeit behaupteten sie ihre Stellungen hinter Aspern und Eßlingen, bis die Brücken wieder hergestellt waren.
Von den Franzosen deckten 11,000 Todte und 1600 Verwundete die Wahlstatt, an 30,000 Verwundete füllten die Spitäler von Wien; von den Oesterreichern waren 4100 Mann geblieben, 11,000 Mann verwundet. Diese beiden glorreichen Pfingsttage wurden mit Flammenschrift in das Buch der österreichischen und deutschen Geschichte geschrieben; denn zum ersten Mal war der bisher Unbesiegte geschlagen, der Nimbus seiner dämonischen Größe gefallen. Es war vorerst nur Eine Hauptschlacht, in der er unterlag, aber der Ruhm derselben durchzuckte freudig die deutschen Herzen und stärkte ihre Hoffnung und ihren Muth.
Napoleon nahm eine feste Stellung auf Lobau; sein Plan war verzögert, aber nicht zerstört, und er wartete nur die nöthige Verstärkung ab, um abermals hervorzubrechen. Der Erzherzog seinerseits rechnete auf die Erhebung Preußens, des ganzen norddeutschen Volkes, vergeblich; noch sollte Napoleon seine Triumphe nicht erschöpft haben. Die italienische Armee unter dem siegreichen Vizekönig, der den als Feldherr sehr unglücklichen Erzherzog Johann vor sich hertrieb und nach Ungarn drängte, kam heran; es kam Bernadotte mit den Sachsen, es kamen die Bayern und andere französische Hülfstruppen. Erzherzog Karl befand sich keineswegs in so günstiger Lage; er konnte seinen Verlust nur durch jungen unerfahrenen Landsturm ersetzen, und über die Ungarn hatte er keine Macht. Napoleon stärkte sich in Wien, und schickte das schwere Geschütz aus den Zeughäusern auf die Befestigungen von Lobau; mit meisterhafter Umsicht ordnete er die neuen Rüstungen an, und in der Nacht vom 4. zum 5. Juli bei einem erschrecklichen Regen- und Sturmwetter ging er gerade an dem gefährlichsten Punkte über die Donau, wo man es am wenigsten erwartet hatte. Schnell und sicher ordneten sich die französischen Schaaren, die Vorhut des österreichischen Heeres unter General Nordmann mußte sich zurückziehen. Unter diesen Umständen entschloß sich Karl, die Schlacht nicht an der Donau, sondern weiter rückwärts bei dem Dorfe Wagram anzunehmen. Die Zeit, welche die Franzosen zum Vorrücken brauchten, wollte er benutzen, um seine in etwas weiter Ausdehnung aufgestellten Truppen zusammenzuziehen, und in dieser vortheilhaften Stellung dem ersten Stoß zu begegnen. Dann aber wollte er selbst mit ganzer Macht zum Angriff übergehen, den linken Flügel des französischen Heeres werfen und von seiner Verbindung mit den Brückeninseln abschneiden. Um schließlich den Sieg zu vollenden, sollte der Erzherzog Johann über Marcheck heranrücken, dem etwas schwachen bloßgestellten österreichischen linken Flügel zu Hülfe kommen, und die Franzosen von der Seite und in den Rücken nehmen. Am frühen Morgen wurde dieser Befehl an Bruder Johann abgesendet, und da die sichere Ueberbringung gemeldet ward, konnte man für den Morgen des folgenden Tages sicher auf die Verstärkung rechnen. Erzherzog Johann kam aber nicht, er war kein »Marschall Vorwärts«, und Napoleon wußte geschickt durch verstärkte Angriffe auf den schwächeren linken österreichischen Flügel die Niederlage des ganzen österreichischen Heeres zu entscheiden. Es war eine blutige Schlacht, die Oesterreicher verloren an Todten und Gefangenen 23,000 Mann, die Franzosen fast ebensoviel; wie tapfer aber die Oesterreicher gekämpft haben müssen, beweist die Thatsache, daß sie 7000 Gefangene machten, 11 Kanonen eroberten und 12 Adler und Fahnen. Der österreichische Bericht sagt: »Es gehört unter die sonderbaren Ereignisse des Krieges, daß in dieser Schlacht der Sieger mehr Trophäen verlor, als der Besiegte.« Vom 7. bis zum 10. Juli zog sich der Erzherzog unter fortdauerndem Gefecht auf die Höhen von Znaym zurück, wo ihn Marmont und Massena erreichten. Der Kampf erneuerte sich, ward aber durch den am 12. Juli abgeschlossenen Waffenstillstand unterbrochen. Der Muth der österreichischen Truppen war ungebeugt, Karl rüstete für den Fall eines erneuerten Kampfes, da trat er, Allen unerwartet, am Ende des Monats plötzlich vom Schauplatze des Krieges ab. Was im wiener Kabinet unterdessen vorgegangen, ob und inwiefern die Untersuchung wegen des Nichterscheinens des Erzherzogs Johann auf dem Punkte der Entscheidung den edlen Oberfeldherrn manche schon früher gemachte bittere Erfahrung abermals machen ließ: das ist nicht bekannt geworden. Er legte am 31. Juli den Oberbefehl nieder und richtete folgende Worte an das trauernde Heer: »Wichtige Beweggründe haben mich bestimmt, Seine Majestät zu bitten, mir den Oberbefehl der Armee, den Allerhöchstdieselben mir anvertraut hatten, wieder abzunehmen. Ich habe die Einwilligung des Kaisers und zu gleicher Zeit den Befehl erhalten, das Oberkommando dem General der Kavallerie, Fürsten v. Lichtenstein, zu übertragen. Indem ich die Armee verlasse, höre ich keineswegs auf, den lebhaftesten Antheil an ihrem Schicksal zu nehmen. Meine vollkommenste Ueberzeugung von ihrer Tapferkeit, das Zutrauen, das ich in sie setze, und die Gewohnheit, ihr stets mein ganzes Bestreben zu weihen, machen mir diese Trennung schmerzhaft. Ich schmeichle mir, daß sie dieses Gefühl theilt«
Der für Oesterreich so schimpfliche Friede zu Wien (14. Oktober), worin auch das treue Tyrol preisgegeben werden mußte, erhob Napoleon auf den Gipfel seiner Macht, und seinem Glücke schien nichts mehr zu fehlen, als ihm noch überdies die Hand der Erzherzogin Marie Luise zu Theil wurde. Am 11. März fand zu Wien die Vermählung pro cura Statt, bei welcher Erzherzog Karl zum Stellvertreter des französischen Kaisers ernannt war, der dem erlauchten Oheim seiner Gemahlin bald darauf folgendes Danksagungsschreiben übersandte: »Ew. kaiserliche Hoheit wissen, daß die Achtung, welche ich für Sie hege, schon alt und auf Ihre großen Eigenschaften und Thaten gegründet ist. Ich wünsche sehr, Ihnen ein unverkennbares Merkmal davon zu geben, und bitte Sie daher, den großen Adler der Ehrenlegion anzunehmen. Ich bitte Sie auch, das Kreuz der Ehrenlegion zu empfangen, welches ich trage und welches von 20,000 Kriegern, die sich auf dem Felde der Ehre ausgezeichnet haben, getragen wird. Das eine ist der Beweis der gerechten Anerkennung Ihres Geistes als Feldherr, das andere Ihrer seltenen Tapferkeit als Krieger.«
Der Glanz der Machtherrlichkeit, welcher Napoleons Kaiserthron umstrahlte, war aber doch nicht im Stande, die Völker über ihr Unglück zu täuschen und das erwachte Nationalgefühl niederzudrücken. Als der Allgewaltige im Brande von Moskau und in den Schneefeldern Rußlands die erste entscheidende Niederlage erlitten hatte, als Rußland und Preußen zum neuen Kampfe sich erhoben, da zauderte auch Oesterreich, trotz der Verwandtschaftsbande, nicht länger, und sandte seine wohlbewaffneten Schaaren, mit vereinten Kräften den Kriegsgewaltigen zu stürzen.
Der große Sieger von Aspern kämpfte nicht auf den Feldern von Leipzig; man weiß nicht, warum? Doch als Napoleon von Elba wieder zurückkehrte und die Brandfackel des Krieges aufs Neue unter die Völker Europa's warf, da eilte der hochherzige Feldherr nach Mainz, um unter seinen Fahnen die kampfesmuthigen Deutschen zu sammeln. Aber ehe der Erzherzog den Feldzug begann, hatten schon zwei ebenbürtige Helden, Wellington und Blücher, die Schlacht von Waterloo gewonnen, welche für immer den Riesen zu Boden warf.
Wenn auch keine frischen Lorbeerkränze, brachte jedoch Karl vom deutschen Rhein ein anderes Kleinod mit nach Wien, die Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg, mit der er am 17. September 1815 sich vermählt hatte. Der glückliche Gatte lebte mit seiner edlen Gemahlin abwechselnd in Teschen bei seinem väterlichen Freunde, Herzog Albrecht, auf dem schönen Sommersitz zu Weilburg, und in Wien. Sein reicher Geist fand in den Schätzen der Kunst und Wissenschaft stets neue Nahrung und Freude. Von seinen Thaten ausruhend, beschrieb sie der Held in klassischen Werken (»Grundsätze der Strategie« und »Geschichte des Feldzuges von 1799«), von denen ein Sachkenner sagt: »Sie sind klar, streng in ihren Ansichten, voller Lichtblicke eines seltenen Geistes, voll der merkwürdigsten Erfahrungssätze, und sehr belehrend in Hinsicht der Militär-Administration. Sie konnten nur von einem großen Feldherrn geschrieben werden, dessen Talente auch durch große Erfahrung entwickelt zu werden Gelegenheit hatten. Es ehrt übrigens den Charakter des erlauchten Autors, daß er, so großmüthig fremdes Verdienst bei jeder Gelegenheit anerkennend, so strenge im Urtheil über sich selbst ist.«
Der Erzherzog war fast der einzige kaiserliche Prinz, der, weil er selbst so viel Poesie und einen so reinen Kunstsinn besaß, den fremden Künstlern, Dichtern, Schriftstellern die wärmste Theilnahme bewies. Als er von der Anwesenheit Uhlands vernommen, lud er ihn gleich zur Tafel und verkehrte als Mensch mit dem Menschen. Mit gleicher Humanität ging er mit allen Ständen um; ohne alle Ansprüche erschien er auf öffentlichen Spaziergängen und mischte sich unter das Volk.
In vier trefflichen Söhnen, welche sämmtlich dem Vaterlande ihre Dienste widmeten, fühlte sich der erlauchte Greis wieder verjüngt. Auf den ältesten, Erzherzog Albrecht (geboren 3. August 1817), ist vorzüglich des Vaters kriegerischer Geist übergegangen. Im Jahre 1829 traf ihn der herbste Verlust, der Tod der theuren Gemahlin; doch die Seelenstärke, mit welcher Karl so vielen Wechselfällen des Lebens gegenübergetreten war, half ihm auch diesen Verlust ertragen.
Am 16. September 1830 ward in Krems, wo sein Regiment in Garnison stand, ein frohes Fest gefeiert, das Jubiläum des Erzherzogs als Inhaber des dritten k. k. Infanterieregiments, das der Jubilar durch eine sehr wohlthätige Stiftung verherrlichte, indem er zehn Stiftsplätze, jeden mit 150 Gulden Zins alljährlichen Erziehungsbeitrag, für Töchter mittelloser Offiziere anwies.
Noch großartiger war das Jubelfest Anfangs April 1843, die Feier des 50sten Jahres, seitdem der Erzherzog das höchste kriegerische Ehrenzeichen, das Maria-Theresienkreuz als Held auf dem Schlachtfelde erworben. An dem festlichen Tage hielt Kaiser Ferdinand eine glänzende Heerschau in Wien, wobei er das nämliche Maria-Theresien-Großkreuz seinem ruhmwürdigen Oheim Karl an die Brust heftete, welches einst Kaiser Joseph, der Ordensstifterin Sohn, von seiner Brust genommen, um es, mit Brillanten reich überzogen, dem Heldengreis Laudon, dem Eroberer Belgrads, zu überreichen. Zur Verherrlichung des Tages hatte u. A. auch die Gesellschaft der wiener Tonfreunde einen Tonwettkampf veranstaltet, der durch ein dichterisches Vorwort eröffnet werden sollte. Lenau, der sonst kein Vergnügen daran fand, »Fürstenlieder« zu dichten, unterzog sich gern der Dichtung des Prologs, der also beginnt:
Schnell ist die That dem Aug' des Tags entschwunden;
Doch ist sie nicht verloren und zu nichte,
Sie bleibt, als hätt' ein Zauber sie gebunden,
Gefesselt vor dem Auge der
Geschichte.
Sein Strahl ruht liebend, lohnend auf dem Guten;
Vor dieses ernsten Auges Zornesgluthen
Ist das Gewölk der Lüge bald zerronnen,
Das hüllend um den Frevler ward gesponnen.
Gesegnet und gefeiert sei der Mann,
Der frei in dieses Auge blicken kann;
Und wenn es freudig ihm entgegenglänzet,
Verdient er, daß die Menschheit ihn bekränzet.
Der Lebensabend des Helden war heiter; er erlebte noch die Zeit der friedlichen Eroberungen der Dampfkraft und eröffnete mit zweien seiner Söhne am 21. November 1837 die Fahrt auf der Nordbahn, auf welcher er noch einmal den klassischen Boden von Aspern theilweis berührte. Als schlichter Privatmann hatte er, obwohl an Ehren und Würden reich, auf allen äußern Glanz verzichtet, aber den großen im staatsmännischen und nationalen Sinne begonnenen Unternehmungen, die Oesterreichs innere Kraft zu entwickeln geeignet sind und zur fruchtbaren Blüthe bringen werden, schenkte er bis an das Ende seines Lebens das regste Interesse. Er starb am 30. April 1847 um 4 Uhr Morgens, ruhig und gefaßt, wie er gelebt hatte. »Seht,« sprach er lächelnd zu den Seinen, »da geht wieder ein Soldat zur großen Armee!« Ein gütiges Geschick ließ ihn vor dem Ausbruch des neuen Revolutionssturmes von hinnen gehen, der Oesterreich in seinen Grundvesten erschütterte, aber nur dazu diente, die Säulen des neuen Oesterreichs um so fester zu gründen und das Werk um so schneller fortzusetzen, wozu Erzherzog Karl als guter deutscher Baumeister den Grund zu legen geholfen hatte.
Kaiser Franz Joseph hat dem Helden ein würdiges Denkmal gesetzt, eine kolossale Reiterstatue in Erz, vom Bildhauer Fernkorn modellirt, im Guß 1856 begonnen und 1859 vollendet. Am 22. Mai 1860 ward das Standbild enthüllt und es war ein echtes patriotisches Fest. Der Jubel, der an diesem Tage in Wien laut wurde, war ein schöner Nachklang des unermeßlichen Jubels, den vor 51 Jahren die Nachricht des herrlichen Sieges bei Aspern und Eßlingen in allen Ländern verbreitete, wo deutsche Herzen für die Befreiung Deutschlands schlugen.
Der Feldherr ist in dem glorreichen Momente dargestellt, wo er seine Grenadiere zum Siege führt, die auf der Plinthe unter den Hufen des Pferdes liegenden Stücke – Fahne, Küraß und Waffen – deuten an, daß der Sieger bereits in die feindlichen Reihen eingedrungen ist.
Trotz der großen Erzmasse, die hier zur Verwendung gekommen ist (420 Zentner für das Reiterstandbild, 100 Zentner für die Verzierungen), ist im Ganzen nichts Schwerfälliges, Mann und Roß ist in lebendiger Bewegung, voll feurigen Muthes und Siegesfreude, es ist, als hätte der Künstler dem kalten Erz warmes Leben eingehaucht.
Der Kern des Postaments bildet sechs vortretende Pfeilerflächen, welche sich zur Bedeckung mit geschmückten Bronzetafeln und Reliefs eigneten. Die 4 diagonal gestellten Eckpfeiler sind durch 4 Adler geziert, welche Lorbeerkränze halten, in deren Mitte der Namenszug des Kaisers steht, Adler und Kränze sind mit einer reich ciselirten Bronzeplatte verbunden, welche die Befestigung an den Marmorpfeiler vermittelt.
Die vordere Stirnseite gegen den Kaisergarten trägt die Widmung:
Kaiser Franz Joseph I. dem Erzherzog Carl von Oestreich.
Auf der Seite gegen die Hofburg stehen die Worte:
Dem heldenmüthigen Führer der östreichischen Heere.
Auf der Seite gegen das Burgthor:
Dem beharrlichen Kämpfer für Deutschlands Ehre.
Auf der Seite gegen den Volksgarten befindet sich das erzherzogliche Wappen.
Auf der Plinthe neben dem französischen Küraß steht die Inschrift:
Modellirt und gegossen von A. Fernkorn in Wien 1853-1859.
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