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Don Pedro Caro y Sureda, Marquis de la Romana, war im Jahr 1762 zu Palermo auf der Insel Majorka geboren, von Geburt Grand von Spanien und durch seine Dienste Großkreuz des königlich spanischen Ordens Karls III. und Generalkapitän der spanischen Armeen. Nach einer sorgfältigen Erziehung, die auch gründliches Studium der alten Sprachen nicht vernachlässigte und den Knaben schon früh mit den Hochbildern der Helden des Alterthums erfüllte, begann er seine Laufbahn in der spanischen Marine, mit dem Entschluß, sich dem Ruhme seines Vaters würdig zu zeigen, der 1775 in der Expedition gegen die Algierer fiel. In dem Kriege, der auf die französische Revolution folgte, erhielt er das Kommando einer Fregatte, ging aber dann zum Landdienst über und ward zum Obersten in der Armee von Navarra ernannt, die damals sein Oheim, der Generallieutenant Don Ventura Caro befehligte. Seine ausgezeichneten Talente empfahlen ihn bald noch mehr als seine Verwandtschaft; im Jahre 1801 wurde er zum Generalkapitän von Katalonien und zum Präsidenten der Audienzia jener Provinz ernannt, in welcher Stellung er häufig Gelegenheit fand, seine umfassende Gelehrsamkeit und seine gesunden politischen Ansichten zu zeigen. Der Ruf, den er sich in dieser Stellung erwarb, bewirkte seine Ernennung zum Generaldirektor der Ingenieurs und zum Kriegsrath.
Im Jahr 1807, als Napoleon seine Pläne zur Absetzung und Vertreibung der spanischen Königsfamilie vorbereitete, wurde Marquis de la Romana mit 10,000 Mann spanischer Truppen nach Dänemark entsendet und dem Oberbefehl des General Bernadotte untergeben. Am 10. August erschien in pariser Blättern ein (zum Schein) aus Hamburg datirter Artikel, daß die spanischen Schaaren unter Marquis von Romana aus freiem Antrieb gekommen wären und dem neuen Herrscherstamm mit großem Eifer Lehnstreue geschworen, sogar einen Theil ihrer Lanciers als Ehrenwache für den König Joseph angetragen hätten. Dies war napoleonische Lüge. Denn kaum waren jene wackeren Krieger von der erzwungenen Abdankung und Gefangennehmung ihrer Königsfamilie benachrichtigt, so sammelten sie sich um das spanische Banner und leisteten in Gegenwart ihres Generals auf den Knieen einen feierlichen Schwur, nie von der Sache des Vaterlandes abzulassen oder ihrer Treue gegen das angestammte Herrscherhaus zu vergessen.
Man hatte den Marquis und seine Soldaten absichtlich über Alles, was in Spanien vorging, in Unkenntniß gelassen; auch der britischen Regierung war es nicht gelungen, ihm Nachrichten mitzutheilen und Mittel zur Flucht an die Hand zu geben. Zum Glück fand sie ein willkommenes Werkzeug in einem schwedischen Geistlichen von schottischer Abkunft, auf dessen Redlichkeit und Unternehmungsgeist sie bauen konnte. Dieser, wie ein Handelsjude gekleidet, ging über Helgoland in das Standquartier des spanischen Generals. Da derselbe von Spionen umgeben war, hielt es schwer, an ihn zu kommen, ohne die Aufmerksamkeit der Franzosen zu erregen. Der Handelsmann stieß ihn von ungefähr auf der Straße an, stellte ihm mit ausgezeichneter Höflichkeit mehrere Proben seiner Waare zu und empfahl namentlich seinen vorzüglichen Kaffee. Der Marquis behandelte den Antrag verächtlich und so, als ob er mit einem Schleichhändler spräche. Dieser rühmte jedoch immer eifriger seinen Kaffee, ließ aber im Gespräch merken, daß er kein Schmuggler, sondern ein Mann von Bildung sei. »Das wollen wir bald sehen,« erwiderte Romana und fragte, ob er lateinisch spräche? Nun erfolgte ein etwas leiser gehaltenes Gespräch in lateinischer Sprache, worin der General von dem, was in Spanien sich zugetragen und von der Bereitwilligkeit der englischen Regierung, jede Maßregel zu unterstützen, die zur Rettung Spaniens dienen könnte, unterrichtet wurde.
Romana theilte alsbald seinen Offizieren Alles mit, und verhehlte nicht, was er sich vorgenommen. Bei allen fand er willige Herzen, und ein spanischer Offizier erbot sich sogleich, mit dem englischen Kontreadmiral Keats das Nöthige zu betreiben. Das englische Geschwader kreuzte im Belt; jener Offizier gelangte glücklich zu Keats und dieser leitete nun auf der Höhe von Soroe eine Korrespondenz mit Romana ein, wodurch der Plan genau verabredet und dessen Ausführung auf den 9. August bestimmt wurde.
Die Spanier auf der Insel Fühnen, 6000 Mann stark, bemächtigten sich an diesem Tage des Hafens von Nyborg. Die dänische Garnison war zu schwach, um Widerstand leisten zu können; aber eine bewaffnete dänische Brigg von 18 Kanonen und ein Kutter von 12 Kanonen legten sich quer vor den Hafen und feuerten sowohl auf die spanischen Truppen, die in diesem Augenblicke noch durch 1000 Mann von Jütland verstärkt wurden, als auch auf die englischen Kriegsfahrzeuge, welche die Spanier an Bord zu nehmen suchten. Die Spanier schossen aber wacker vom Lande, die Engländer von der See auf die dänischen Schiffe, bis diese die Flagge strichen und sich ergaben.
Es wurden nun auf 57 Sloops in der Nacht vom 9. zum 10. August die Artillerie, Bagage und Vorräthe von Nyborg nach Slipshaven geschafft und von da nach der Insel Langeland übergeschifft, wo man die spanischen Truppen erst hinlänglich versorgte, dann auf englischen Transportschiffen 7000 Mann nach England überführte. Die Begierde zu entkommen war auch bei den Spaniern in Jütland so groß gewesen, daß das Regiment Zamora in 21 Stunden einen Marsch von 18 dänischen Meilen gemacht hatte. Nur zwei Regimenter, die auf Seeland standen, waren nicht so glücklich; unterrichtet von dem Vorhaben ihrer Waffenbrüder, hatten sie bei Rothschild einen gefährlichen Aufruhr gegen ihre französisch gesinnten Offiziere erregt, wobei der französische Kapitän Mirabel erschossen wurde, aber sie wurden bald darauf von einer überlegenen Zahl dänischer Truppen umzingelt, entwaffnet und vorerst nach Kopenhagen in Verwahrung gebracht.
In den Herzogthümern verbreitete die Nachricht des außerordentlichen Vorfalls, den man vergebens zu verheimlichen suchte, allgemeine Bestürzung. Alle französischen und holländischen Divisionen in Hamburgs Umgebungen brachen schnell nach Jütland auf, und man erwartete noch blutige Szenen zwischen diesen und den zurückgebliebenen spanischen Truppen, die verhindert worden waren, sich an ihre Waffenbrüder anzuschließen. Der zurückgebliebene spanische Generallieutenant Kindelan erließ daher eine Proklamation, worin er die spanischen Soldaten einlud, nach Flensburg zu kommen, indem er versprach, es würde Jedem die Erlaubniß zu Theil werden, nach Spanien zurückzukehren. Bernadotte bestätigte dies Versprechen in einer besondern Proklamation, die (sehr charakteristisch) also lautete:
»Spanische Soldaten! Ein Mann, der mit seinen Grundsätzen von Ehre und Rechtschaffenheit prahlte, dem ihr euer Zutrauen schenktet, da ihr ihn als jenen Mann von Ehre achtetet, hat damit geendet, daß er eine selbst unter Tataren unerhörte Treulosigkeit beging, indem er den schändlichsten Handel mit euren Personen, eurem Eigenthum, euren Kindern trieb. Dieser Mann ist der Marquis de la Romana! Er hat euch als spanische Thiere an die Feinde eures Ruhmes, eures Vaterlandes, eurer Ehre und eurer Religion verhandelt! Dieser Elende! Er hat seine Heuchelei bis zu der Höhe getrieben, daß er die unsinnigsten Gerüchte ausstreute; er schildert euch euer Vaterland als in die größten Unordnungen versunken; es giebt keine List, keinen Trug, der nicht von ihm ersonnen ward, um sein Ziel zu erreichen; denn er wußte sehr gut, daß keiner von euch jemals sein Vaterland oder die Gegenstände seiner innigsten Liebe wieder erblicken würde; er machte das Anerbieten, euch nach Kanada oder Indien zu führen, wo ihr ewig unter dem Joche der Engländer werdet weinen können. Soldaten! Diejenigen unter euch, denen diese Proklamation vor ihrer Einschiffung in die Hände kommen sollte, werden verpflichtet, an dem Orte zu bleiben, wo sie sich befinden und mit Abscheu die Befehle zu verachten, die ihnen von Jemand anders als dem General Kindelan zukommen möchten. Ich nehme euch in meinen Schutz und biete einem Jeden an, der es wünscht, ihn zu seiner Familie zurückzusenden. Ihr könnt euch dann selbst von dem freudigen Enthusiasmus des ganzen Spaniens für den Bruder des unsterblichen Napoleon des Großen überzeugen. Soldaten! So lange ich lebe, habe ich noch Niemand betrogen. Das Urtheil der Truppen, die ich kommandirte, muß euch Bürge für die Wahrheit sein!«
Diese Proklamation that jedoch keineswegs die gewünschte Wirkung. Man mußte sämmtliche zurückgebliebene Spanier entwaffnen, der Reiterei ihre Pferde nehmen und so, nur mit Wanderstäben versehen, die ganze Schaar in einzelnen Haufen als Gefangene unter starker Bedeckung in's Innere von Frankreich abführen, während la Romana in England hoch geehrt und gepriesen am 28. September dem Könige Georg III. feierlich vorgestellt, huldreichst aufgenommen und mit allen seinen Truppen neu gekleidet und beschenkt, in Gesellschaft des außerordentlichen englischen Gesandten nach Spanien gesandt wurde, dessen Küste man schon am 30. September erreichte, an welchem Tage auch sogleich die Ausschiffung bei Coruña erfolgte. Der obersten Insurgenten-Junta übersandte König Georg sein köstlich mit Edelsteinen eingefaßtes Bildniß und er ließ die Versicherung ertheilen, daß er die Wiederherstellung Spaniens zur nothwendigen Bedingung jeder Friedensunterhandlung machen würde.
Fortan war Romana unermüdlich, seine Landsleute in den Kampf zu führen gegen ihre Unterdrücker. Er gab zuerst die Idee an, die Bauern zu bewaffnen und die unter dem Namen der »Guerillas« bekannten Banden zu bilden, welche, aus ihren Schlupfwinkeln in den Gebirgen hervorbrechend, sich auf einzelne Heerhaufen der Franzosen stürzten, ihre Verbindungen abschnitten und durch diesen kleinen Krieg sie auf allen Punkten beunruhigten. Romana's Scharfblick sah wohl, daß sein Volk, der Kriegszucht entwöhnt, schlecht disciplinirt und auch schlecht angeführt, sich auf solche Weise am besten seiner eigenthümlichen Kraft bedienen und auf eigenen Füßen stehen lernen könnte. Die landschaftlichen Behörden der »Junta's«, die sich in allen Provinzen bildeten, unterstützten eifrig die Thätigkeit der Guerillas. Leider waren eben diese Junten der Stein des Anstoßes für die spanische Einigkeit, denn jede wollte befehlen, sich keiner obersten Leitung unterordnen und bloß ihr spezielles Interesse befriedigen. An dieser Uneinigkeit und Selbstsucht ging ein edler Charakter, wie der des Marquis Romana, zu Grunde.
Zwar hatten die Vaterlandsfreunde schnell genug ein großes Heer auf die Beine gebracht, mit dem sich die Schaaren Romana's vereinigten; aber die spanischen Generale waren den französischen gegenüber rohe Anfänger, die Fehler über Fehler begingen, und doch von großem Eigendünkel eingenommen waren. Auch Palafox war in offenem Felde kein sonderlicher Held und konnte gegen die französischen Heerhaufen nie Stand halten. Romana ward in das Nordwestheer unter Blake, 55,000 Mann stark, eingereiht. Ohne von den Bewegungen des Feindes Kunde zu haben, faßte Blake den übereilten Entschluß, Bilbao anzugreifen, und den Versuch zu wagen, sich mit Palafox und der Armee Don Aragonien im Rücken der französischen Armee zu vereinigen. Während er diesen Plan ausführen wollte, hatte schon ein französisches Korps seinen rechten Flügel umgangen, während zwei andere, 50,000 Mann stark, in der Front gegen ihn vorrückten. Am 10. November 1808 ward er vom Marschall Viktor angegriffen und gänzlich geschlagen. Romana floh mit seiner Abtheilung nach St. Andres, Soult war ihm über so auf den Fersen, daß er am 11. November auch diesen Platz räumen und sich nach Asturien werfen mußte.
Unterdessen hatte Wellington seine ruhmvolle Heldenlaufbahn in Portugal begonnen. Romana, nach vielen Unfällen und vereitelten Hoffnungen, setzte auf die englische Mitwirkung das größte Vertrauen, und fand in Wellington den Feldherrn, der ihn zu würdigen wußte. Er schloß sich an die Linie an, die Lord Wellington vor Lissabon in fester Stellung eingenommen hatte. Als er aber im Januar 1811 von dem Anrücken des Feindes auf Badajoz hörte, befahl er seinem Korps, nach den Grenzen unter General Mendizabals Leitung zu ziehen. Am 20. Januar traten die Spanier ihren Zug an; eine Abtheilung von 3000 Mann war von ihrem Befehlshaber in das schlecht befestigte, wenig mit Mundvorrath versehene Olivenza geworfen worden. Diesen Platz umzog der Feind mit etwa 7000 Mann Fußvolk und 1500 Mann Reiterei, nahm am 23. den Ort, und die spanische Mannschaft ward gefangen genommen. Den Tag darauf starb zu Cartaxo im britischen Hauptquartier der Marquis Romana nach kurzem Uebelbefinden, allgemein vom spanischen Heere betrauert. Lord Wellington sagt von ihm in seinem Bericht vom 26. Januar: »Seine Tugenden und seine Vaterlandsliebe waren der Regierung Sr. Majestät wohl bekannt. In ihm hat das spanische Heer seine glänzendste Zier, sein Vaterland den rechtschaffensten Freund, die Welt den ernstesten, eifrigsten Verfechter der Sache, die wir übernommen, verloren; und stets werde ich dankbar den Beistand anerkennen, den er mir, seitdem er sich an dies Herr geschlossen, durch Unternehmungen, wie durch Rath geleistet.«
Auch die französischen Offiziere sprachen mit dem größten Loben von la Romana, und nannten ihn le seul général Espagnol digne de son grade.
Steffens, der Romana in Hamburg kennen lernte, hat uns in seinem »Was ich erlebte« ein freundliches Charakterbild gezeichnet, das hier folgt.
»In der Stadt fand man außer der französischen Besatzung eine spanische. Das Regiment Prinzessa, eines der vorzüglichsten Regimenter des spanischen Volks, ward von Napoleon aus Spanien nach dem Norden gebracht und gehörte einem Armeekorps zu, welche von dem General Romana kommandirt aus den besten spanischen Truppen bestand, deren nationale Gesinnung dem neuen französisch-spanischen Könige Joseph verdächtig schien. Diese Spanier waren in Hamburg sehr beliebt, zum Theil wohl, weil sie ihren Haß gegen die Franzosen nie verbargen. In den Dörfern des Hamburger Gebietes, wo sie anfänglich zusammenlagen, fanden nicht selten heftige Streitigkeiten Statt, die oft von Seiten der Spanier mit einem Dolchstoß endigten. Man war genöthigt, sie sorgfältig von den Franzosen entfernt zu halten. In den Häusern von Hamburg dagegen, in welchen sie einquartiert waren, erschienen sie freundlich, vertraulich, und waren mit Wenigem zufriedenzustellen. Sie wußten sich meist bei den Familien einzuschmeicheln, ja selbst durch Hülfsleistungen aller Art sich nützlich zu machen. Die Mißverständnisse, zu welchen die fremde Sprache zum Theil Anlaß gab, endigten, so viel ich erfuhr, jederzeit auf eine freundliche Art. Wenn sie auf ihren Mauleseln seitwärts (nach der Frauen Art) sitzend die Straßen durchzogen, gaben sie sich freiwillig und ohne sich beleidigt zu fühlen, den Späßen der jubelnden Knaben Preis. Besonders ergötzlich war es den Einwohnern, ihr Erstaunen zu betrachten, als die Elbe und Alster sich in dem ziemlich strengen Winter mit Eis belegten, und nun das bunte Leben auf den stark gefrorenen Flüssen begann. Schlitten mit Masten und Segeln versehen bewegten sich nach dem Winde, Zelte, in welchen Lebensmittel allerlei Art angehäuft waren, wurden hier und da errichtet, und die Spanier betrachteten das mit unverholener Freude und äußerten ihre Verwunderung auf die naivste Weise. Viele ließen sich Schlittschuhe anbinden, stürzten aber sogleich hin und schienen sich zu ergötzen, wenn die Umstehenden ihr Ungeschick belachten.
Besonders aber erwarben sie sich die Zuneigung der Familien durch die rührende Liebe zu den Kindern des Hauses. Sie waren die sorgfältigsten Kinderwärter, und wenn sie auf solche Weise vertraulich am Familienleben Theil nahmen, brach das Heimweh hervor, das, obgleich man ihre Sprache nicht verstand, die Zuschauer tief erschütterte. Ueberhaupt zeigte sich neben der südlichen Gluth und leichten vorübergehenden fröhlichen Beweglichkeit dieser Männer, bei vielen ein tiefer Gram, der sich vor Allem in ihren Nationalliedern aussprach, die sie oft hören ließen, bald einzeln, bald im Chor.
Perthes besaß auf dem Jungfernstiege ein Bücher-Assortiment von seltener Güte. Er versorgte das nördliche Deutschland nicht allein, sondern ganz Skandinavien und Rußland, besonders mit Werken der ausländischen Literatur. Ich besuchte seinen Buchladen sehr fleißig, nicht bloß der Werke wegen, sondern weil Perthes zu meinen bedeutendsten Freunden gehörte. Seine Gespräche waren stets belehrend und inhaltsreich, seine Vaterlandsliebe in dieser bedenklichen Zeit entschieden und warm.
In Perthes Buchladen fand ich oft einen kleinen Mann, in einen einfachen Ueberrock gekleidet, der uns besonders auffiel. Er war ein Ausländer, das hörte man wohl an seiner Sprache, obgleich er ziemlich fertig deutsch sprach; seine Physiognomie verrieth den Südländer und war höchst bedeutend. Obgleich freundlich, erschien er vornehm, gebieterisch, und seine Freundlichkeit hatte etwas Herablassendes. Was uns in Erstaunen setzte, war seine genaue Bekanntschaft mit der deutschen Literatur, obgleich nicht mit der neuesten. Dieser Mann war uns beiden lange ein Räthsel.
Einst traten ein paar spanische Offiziere herein, die, als sie ihn erblickten, sich ehrerbietig hinstellten und Front machten. Er ging bei ihnen vorbei, mit der entschiedenen Miene des Gebieters, und verließ den Laden. Wir erfuhren nun, wer dieser Mann war. Wir hatten den General Romana kennen gelernt. Er erschien öfter, und als ich einst den Laden verließ, sprach er mich als einen Bekannten an. Als ich gegen ihn meine Verwunderung über seine Bekanntschaft mit der deutschen Literatur äußerte, erfuhr ich, daß er in seiner Jugend einige Jahre in Leipzig studirt habe, wo ihm der bekannte Schriftsteller Garve Unterricht ertheilt hatte. Unsere Ansichten über die Literatur waren freilich sehr verschieden, aber diese Bekanntschaft interessirte mich dennoch sehr, obgleich er in seinen Aeußerungen äußerst vorsichtig war, und jedes Gespräch, wenn es politische Gegenstände berührte, plötzlich abbrach Romana hatte offenbar die stolze Absicht, sich durch spanische Großmuth auszuzeichnen und in dieser Hinsicht den französischen Befehlshaber Bernadotte zu überbieten. Seine Wohnung war bei einem reichen Handelsherrn der Stadt. Diesem bot er eine ansehnliche Entschädigung an, die jener natürlich ausschlug, indem er ihn versicherte, daß die Stadt die Unkosten der Einquartierung trage. Jetzt wandte er sich an die Frau des Hauses und forderte sie auf, einen Schmuck zu besorgen. »Er ist,« sagte er, »für eine Dame bestimmt, die ich in hohem Grade verehre. Ich überlasse Ihrem Geschmack die Wahl des Gegenstandes, und bitte das Geld nicht zu schonen.« Als der Schmuck fertig war, zeigte er sich sehr zufrieden, dankte für die Mühe, welche die Frau sich gegeben und bezahlte die bedeutende Summe. Wie überrascht war aber die Frau, als Romana am Weihnachtsabend ihr selbst dieses ansehnliche Geschenk überreichte, welches sie zwar in Verlegenheit setzte, das sie aber doch nicht wohl ausschlagen durfte.
Die spanischen Truppen wurden nachher, wie bekannt, nach Dänemark verlegt, und in Jütland und auf den Inseln vertheilt. Ich habe bei meinen Besuchen in Dänemark viele Jahre nachher Manches über diese den Dänen so seltsamen Gäste gehört, besonders aber von der schlauen und geheimen Art, mit der sie ihre Unterhandlungen mit den Engländern, durch welche die Küsten des Landes beunruhigt wurden, einzuleiten verstanden, und wie erstaunt man war, als die kühne Entweichung der Truppen fast zu derselben Zeit vor sich ging.
Bekanntlich hat General Romana nach seiner Zurückkunft vorzüglich dazu beigetragen, den den Franzosen so gefährlichen Guerillakrieg in Spanien zu organisiren. Durch Romana wurde nun zuerst mein Interesse für das spanische Volk erregt, und erregte nachher den höchsten Grad, als der Widerstand gegen die Feinde, die das Land besetzten, immer entschiedener und großartiger wurde. Wenn man sich erinnert, wie lebhaft die vorzüglichsten Geister Deutschlands sich damals für die glänzende Epoche der spanischen Literatur interessirten; wie Cervantes und Calderon mit Shakespeare, Dante, Ariost und Tasso eine Zeit bezeichneten, die einen lichten Glanz über alle Völker warf, in welchen sie gelebt und gedichtet hatten: so wird man wohl begreifen, wie ein Jeder, der für das vornehm Geistige in der Geschichte lebte, eben dieses vor der rohen Gewalt eines Volkes retten wollte, das durch die starre Einseitigkeit seiner flachen Bildung keine Ahnung hatte von dem Werthe der Schätze, die es zu vernichten drohete; und wie ein Jeder sich hingezogen fühlen mußte zu einem Volke, in welchem die kühne Kraft vergangener Zeiten wieder aufzuleben schien. Es war, ich will es nicht leugnen, als müßte der alte verschwundene Geist durch diesen mächtigen Kampf wieder erstehen, als sollte ein wunderbares Gebilde der Vergangenheit, zwar uns fremd, räthselhaft, aber in seiner Eigenthümlichkeit von unergründlicher Tiefe, wieder lebendig werden, und fast unwillkürlich erschienen mir die kühnen Heere, die rastlos kämpfenden Banden der Guerillas, die belagerten Städte, wenn sie sich verzweiflungsvoll wehrten, nicht allein die Wälle, sondern auch die Straßen gegen die eingedrungenen Feinde vertheidigten –: wie ein mythisches Volk, welches allen übrigen unterjochten Völkern in Europa streng strafend, aber auch ermunternd gegenüber trat. Und in der That, wie viel hat Deutschland den Spaniern zu verdanken! Die Kämpfe auf der Halbinsel von den Engländern unterstützt, kann man als die erste Niederlage des kühnen Eroberers betrachten; und kein echter Deutscher, welcher jene Periode durchlebte, wird es leugnen, daß Spanien als mahnendes Muster im höchsten Sinne ihm vorschwebte, und die Gesinnung, welche Deutschlands Befreiung herbeiführen sollte, förderte und stärkte.«