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Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809 von J. v. Hormayr, 2 Thl. Leipzig 1845. Tyrol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen, von J. J. Staffler, 2 Bde. Innsbruck 1842. Tyrol im Jahre 1809. Nach Urkunden dargestellt von Dr. J. Rapp (Innsbruck, 1852). Der Mann von Rinn (Jos. Speckbacher) und Kriegsereignisse in Tyrol 1809. Nach historischen Quellen bearbeite: von J. G. Mayr, Innsbruck 1851.
Nachdem Preußen 1806 aufs Haupt geschlagen worden, nachdem der schmachvolle Frieden zu Tilsit 1807 das, was der Rheinbund begonnen, nämlich die Zerreißung Deutschlands, vollendet hatte, nachdem Napoleon am 24. Dezember 1808 wieder als Sieger in Madrid eingezogen war: da, so schien es, war für das geknechtete Deutschland jede Hoffnung abgeschnitten, unter dem Druck des Allgewaltigen sich wieder erheben zu können. Aber gerade von Spanien her ward den Völkern das Signal gegeben zur muthigen Ausdauer wie zur kühnen Erhebung; hier ward zum ersten Mal sichtbar, daß, wo anstatt der besoldeten zum Kriegsdienste gezwungenen Truppen ein ganzes Volk freiwillig, ohne Sold für Herd und Altar streitet, der Sieg ihm endlich werden muß trotz allen schlagfertigen Armeen und der Kriegskunst ihrer Führer.
Oesterreich, nach so vielen Niederlagen und Verlusten an Geld, Menschen und Ländergebieten, hatte aber auch – und darin stand es ruhmvoll und für die Zukunft Vertrauen erweckend da – keineswegs die Besonnenheit und den Muth verloren. Es war entschlossen das Aeußerste zu wagen, denn es galt das Aeußerste, es galt den Kampf für die eigene Existenz, da Rußland sich willig hatte finden lassen, den französischen Interessen die Hand zu bieten, durch die von Napoleon ihm vorgespiegelte Aussicht auf eine Theilung Europa's zwischen der Macht des Ostens und des Westens. Mit richtigem Gefühl wandte sich die österreichische Regierung an die Volkskraft, und damit zum Quell der Lebenskraft, der nicht versiegt, auch wenn die Heere geschlagen sind. Neben dem Minister Stadion waren es hauptsächlich der Kriegsheld Erzherzog Karl und der mit dem Volksleben sympathisirende Erzherzog Johann, der spätere deutsche Reichsverweser, welche sich an die Spitze der neuen Bewegung stellten. Sie leiteten die Vorbereitungen zur allgemeinsten Volksbewaffnung, zur Errichtung der Landwehr; opferbereit stellten hohe und niedere Familien in allen Provinzen (mit alleiniger Ausnahme von Ungarn) ihre Söhne als Freiwillige; keine Kosten der Ausrüstung wurden gescheut, eine hohe Begeisterung hatte Aller Herzen erfaßt.
Von Wien aus wurden geheime Verbindungen mit Tyrol angeknüpft, das seit dem preßburger Frieden unter bayrische Herrschaft gekommen war. König Maximilian Joseph war ein wohlwollender edler Fürst, aber seine »Schreiber«, wie sie der Tyroler nannte, wußten sich nicht in Art und Sitte des freien Bergvolkes zu finden, das auf seine Gemeindefreiheiten und Privilegien stolz, an altem Herkommen mit aller Zähigkeit haftend, die Religion der Väter ehrend und mit dem poesie- und bilderreichen katholischen Kultus auf das engste verwachsen, sich die Neuerungen der nach französischem Muster centralisirenden bayrischen Beamten auf keine Weise gefallen lassen wollte. Bayern als ein kleiner Staat mußte freilich auch seine neue Provinz Tyrol mit Aushebung von Mannschaften und Abgaben drücken, aber das ebenso rohe als unkluge Benehmen der Militär- und Civilbeamten, die mit wahrem Uebermuth die tyroler Bauern in ihren heiligsten Gefühlen kränkten, brachte diese bald dahin, daß sie ihre Ketten zerrissen, um sich dem geliebten angestammten Haus Habsburg wieder in die Arme zu werfen. Die treuen Tyroler zeigten dem erstaunten Frankreich und dem gefesselten Deutschland ein Volk, das, ohne Magazine und Kriegsvorräthe, bloß Gott und seinem kräftigen Arm vertrauend und seine Berge als Schanzen und Festungen benutzend, das Kriegsspiel spanischer Guerillas auf deutschem Boden fortsetzte, sein Land von der bayrischen und französischen Besatzung reinigte und selbst dann noch muthig fortkämpfte, als es bereits abermals dem allgewaltigen Despoten Preis gegeben war. »Wie sehr,« rief Stein, der auf österreichischem Boden ein Asyl gefunden hatte, bewundernd aus, »kontrastirt dieses Betragen mit dem Sklavensinn der deutschen Fürsten des Rheinbundes, die, um ihre hinfällige Existenz und ihre erbettelte Macht zu erhalten, sich zu Vögten der verhöhnten, erdrückten, ausgesogenen Nation brauchen lassen. Mehr als sie und alle ihre Umgebungen ehre ich den tapfern Tyroler, der für seinen Kaiser ficht und blutet.«
Es fehlte dem tyroler Aufstande die kräftige Unterstützung und das folgerechte Mitwirken eines österreichischen Heeres; es fehlte sogar eine entschieden durchgreifende einheitliche Leitung, an strenge Disciplin war gar nicht zu denken: und dennoch wurde Großes erreicht, denn es fehlte nicht an Männern, die ganz sich der großen Sache hingaben und zu Opfern bereit waren. Unter diesen haben sich Andreas Hofer, der Sandwirth von Passeyer, Joseph Speckbacher, der Mann von Rinn, und Joachim Haspinger, der Kapuzinermönch aus dem Pusterthale – wenn auch nach der Eigenthümlichkeit eines Jeden in verschiedener Weise, unvergänglichen Ruhm erworben. Wenn nicht die Seele, so doch das Herz des Aufstandes und der anerkannt oberste Leiter desselben war der durch seine Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Milde gleich ausgezeichnete Hofer, den die Zeitverhältnisse aus dem beschränkten Kreise eines Gastwirths und Handelsmanns plötzlich zur Höhe der Regierungsgeschäfte erhoben, der durch seine Treue für Oesterreich, durch seine Ehrfurcht für die Religion, durch seine Pietät für die Gerechtsame Tyrols nicht minder wie durch seine Tapferkeit und seinen Fremdenhaß ausgezeichnet, ganz der Mann dazu war, den Aufstand zu regieren, die Leidenschaften auf Einen Zweck zu lenken, innere Spaltungen wieder auszugleichen. Aber es mangelte ihm jene Charakterfestigkeit und die den Augenblick stets sicher in seiner wahren Bedeutung erfassende Gewandtheit des Geistes (beides besaß Speckbacher in hohem Grade), wodurch er eine freie Stellung gegen die oft unklugen Einflüsterungen seiner Freunde hätte gewinnen und jener traurigen Katastrophe hätte vorbeugen können, die ihn den Händen seines Todfeindes überlieferte.
Andreas Hofer wurde am 22. November 1767 im Thale Passeyr, Gemeinde St. Leonhard, auf dem Einzelhofe zum »Sande« geboren, wo der Vater eine Wirthschaft führte. Im Dorfe St. Leonhard empfing er seine Schulbildung, so gut sie die Landschule zu bieten vermochte, half frühzeitig dem Vater in seinem Geschäft und zeichnete sich durch sein gesetztes Wesen aus. Wie seine Vorfahren sich bereits durch ihren patriotischen Sinn einen Namen erworben hatten, so eiferte ihnen auch Andreas Hofer würdig nach, indem er als junger Mann von 22 Jahren auf den Landtage zu Innsbruck, der 1790 nach dem Tode des Kaisers Joseph II. gehalten wurde, muthig für die Erhaltung der ständischen Verfassung seines Vaterlandes in die Schranken trat. Nachdem er selber die Wirthschaft übernommen und nebenbei auch einen Wein-, Getreide- und Pferdehandel in Gang gebracht hatte, lernte er auch das italienische Tyrol kennen, erwarb im Norden und Süden sich gute Freunde und Bekannte und war überall gern gesehen, seiner Ehrlichkeit und Gutmüthigkeit willen, der die Heiterkeit und der Witz keineswegs fehlte. Dabei war seine äußere Erscheinung sehr einnehmend; er hatte einen starken, ziemlich hohen Körperbau, breite Brust, ein blühendes, rothbäckiges Gesicht mit kleinen, aber lebhaften Augen, eine zwar etwas weiche, aber wohlklingende Stimme und schon früh einen gemessenen, würdevollen Gang. Als er einst mit seinen Freunden beim fröhlichen Schmause zusammen saß und ein Bettler, dessen schon an sich häßliches Gesicht noch durch einen langen Bart verunstaltet wurde, sich ein Almosen geholt hatte, fragte ihn neckend einer der Gäste: »Hättest Du nicht Lust, Dir auch so einen Bart wachsen zu lassen?« »Warum nicht?« antwortete Hofer. »Dazu würde Deine Anna (Hofers Ehefrau) nicht Ja sagen!« hieß es nun. Hofer entgegnete lächelnd: »Meint Ihr, daß ich unter dem Pantoffel stehe?« Er ging willig auf eine vorgeschlagene Wette ein, deren Preis ein paar Ochsen waren und die der Gegner verlieren sollte, wenn Hofer nach einem Jahre noch den Bart trüge. Hofer gewann nicht nur die Wette, sondern er trug fortan seinen langen schwarzen Bart bis an seinen Tod, und dieser Bart trug nicht wenig zu dem würdevollen Ansehen des Mannes bei.
Zweimal ward Hofer zum Landesdeputirten erwählt; in den Kriegen 1796 bis 1805 kämpfte er wacker als Hauptmann der passeyer Schützenkompagnie gegen den Feind. Im presburger Frieden (26. Dezember 1805) ward Oesterreich gezwungen, Tyrol an Bayern abzutreten. Dieser Wechsel der Herrschaft wollte dem treuen Hofer schwer in den Sinn; er ward aber empört, als die bayrischen Beamten ihre tolle Wirthschaft begannen und selbst die Kirchen beraubten und die Priester beschimpften. Sein frommes Gemüth ward auf das Tiefste erregt. Da erhielt er zu Anfang des Jahres 1809 eine Einladung nach Wien. Oesterreichische Sendlinge hatten bereits im vorhergegangenen Jahre sich von der Stimmung des Volkes Kenntniß erworben, die glimmenden Funken der Unzufriedenheit geweckt und dabei namentlich auch den Sandwirth Hofer als ebenso einflußreiche wie Oesterreich treu ergebene Persönlichkeit ihrer Regierung empfohlen. Freiherr v. Hormayr, ein geborener Tyroler, damals Direktor des kaiserlichen Staatsarchivs zu Wien, hatte für seine Landsleute schon einen sehr gut angelegten Plan zum Aufstande ausgearbeitet, mit welchem nun Hofer vertraut gemacht wurde, der (nebst zwei Vertrauten) schnell dem an ihn ergangenen Rufe gefolgt war. Von Wien zurückgekehrt, theilte er, was Oesterreich versprochen und was in Tyrol geschehen müsse, unter dem Siegel der Verschwiegenheit seinen Landsleuten mit, und selten hat ein Volk so gut sein »Staatsgeheimniß« zu bewahren gewußt.
Im April erfolgte die Kriegserklärung Oesterreichs gegen Napoleon und seine Bundesgenossen, und bald darauf betraten österreichische Truppen unter Marquis Chasteler bei Linz den österreichischen Boden. Am 7. April waren die verabredeten Signale durch's ganze Land gegangen; am 8. April schwammen Brettchen, auf denen ein kleines rothes Fähnlein wehte, den Innfluß hinab, auch warf man Sägespäne und Mehl in den Fluß, um die an beiden Ufern aufgestellten Wächter zu benachrichtigen; in der Nacht des 9. April loderten auf den Anhöhen die »Kreuden-Feuer«, um allen braven Tyrolern zu sagen: »Es ist Zeit?«
Die Bayern hatten keine starke Besatzung im Lande und wollten sich in Innsbruck vereinigen. Als am 10. April eine ihrer Abtheilungen aus der Stadt Bruneck abzog und sich anschickte, die Rienzbrücke bei Lorenzen hinter sich abzubrennen, kamen die Bauern der umliegenden Dörfer, mit Stutzen und Mistgabeln bewaffnet, eilends herbei und retteten durch ihr tapferes Vordringen die Brücke, so daß die heranziehenden österreichischen Truppen schon am 12. April zum großen Jubel der Einwohner in Bruneck einziehen konnten. Jene von Bruneck abgezogenen Bayern (zum Bataillon Wreden gehörig) wandten sich gegen Sterzing. Dort war aber am Morgen desselben Tages auch schon der Sturm losgebrochen. Die beiden Kompagnieen daselbst hatten sich auf den sterzinger Mooswiesen in's Carré aufgestellt, durch zwei Kanonen gedeckt, und kämpften mannhaft den ganzen Vormittag. Die Passeyrer aber unter ihrem Sandwirth Andreas Hofer rückten ihnen eben so tapfer auf den Leib, und schoben einen Heuwagen als bewegliche Schanze vor sich hin, bis sie mit ihren Schießgewehren den Kanonieren beikommen konnten. Den Heuwagen hatte zuerst das Bauernweib Maria Porer, geborne Hofer aus Wiesen, mit Hülfe der sterzinger Schneiderstochter Anna Zoder in Bewegung gesetzt. Die geübten Schützen fehlten keinen Schuß, gleich zu Anfang ward der kommandirende Major verwundet, bald verlor die Truppe den Muth und wurde gänzlich gefangen genommen. Das war die erste Waffenthat, mit welcher Hofer den Befreiungskrieg begann.
Zu gleicher Zeit hatte der kühne Speckbacher Hall überrumpelt, alles Landvolk um Innsbruck hatte zu den Waffen gegriffen, und war bald zu einer so furchtbaren Masse angewachsen, daß die Garnisonstruppen der Landeshauptstadt unter ihrem altersschwachen General von Kinkel nicht widerstehen konnten, obwohl sie tapfern Widerstand leisteten, und sich erst als Gefangene ergaben, nachdem der ritterliche Oberst von Dietfurt tödtlich verwundet vom Pferde gesunken war. Alles noch wehrhafte Militär wurde entwaffnet und in die Kaserne abgeführt; der General und 14 Offiziere wurden theils im Servitenkloster der Stadt, theils in einem Privathause zu Hötting bewacht. Die Bauern besetzten die Hauptwache und bemächtigten sich des Geschützes (sechs Kanonen), mehrerer Munitions- und Bagagewagen, beträchtlicher Militärmagazine und zweier Fahnen, wovon eine mit dem Bande geziert war, das die Vizekönigin von Italien, Prinzessin Augusta von Bayern, eigenhändig gestickt hatte. Ungefähr 10,000 Bauern mochten am 12. April gegen die Bayern gestanden haben; in dem blutigen Kampfe war auch mancher tyroler Familienvater gefallen, doch die Bayern hatten einen dreifach größeren Verlust an Todten erlitten.
Groß war die Lust und der Jubel an jenem sieggekrönten Tage, und der wieder hervorbrechende Enthusiasmus für das Haus Oesterreich. Ueber dem Oratorium der Stiftsdamen in der Hofkirche stand noch aus alter Zeit ein geschnitzter österreichischer Doppeladler, der wahrscheinlich von den bayrischen Behörden unbeachtet geblieben war. Von einem Trupp Bauern feierlich abgeholt, wurde er mit klingendem Spiele und unter beständigem Jauchzen, Vivatrufen und Freudenschüssen in Begleitung eines unermeßlichen Volkszuges durch die Hauptgassen der Stadt und endlich in die Neustadt getragen, dort am Posthause aufgestellt, mit grünen Zweigen umwunden und mit einer Ehrenwache umgeben, welche allen Vorübergehenden die Kopfbedeckung abzunehmen befahl. Viele Bauern sah man herzutreten, um ihn zu umarmen, zu herzen und zu küssen, manche das Auge voll Thränen.
Aber noch am Abend dieses Freudentages traf die Nachricht ein, die von Sterzing aufgebrochenen Bayern und Franzosen seien bereits in Steinach angelangt und rückten unaufhaltsam gen Innsbruck vor. Der unlängst mit einer Truppe Oberinnthaler in der Hauptstadt angekommene Schützenmajor Teimer schickte eilends in die Umgegend Boten aus, um die Mannschaften wieder zu sammeln; schnell wurden die südlichen Eingänge zur Stadt verbarrikadirt, die dortigen Straßen stellenweis verrammelt, die zur Vertheidigung vortheilhaft gelegenen Häuser mit guten Schützen besetzt, auch zwei Kanonen aufgepflanzt. Alle wichtigen Posten waren auch sogleich wieder eingenommen, und als früh am 13. April der Vortrab des französischen Heerhaufens die Straße des Berges Isel herabzog, waren zum nicht geringen Schrecken der Führer die streitbaren Männer über die Nachhut, der die Passeyrer beim Uebergang über den Brenner ohnedies schon hart zugesetzt hatten, hergefallen und hatten viele Beute und Gefangene gemacht. Erst im Dorfe Wilten erfuhr General Bisson, daß Innsbruck von den Bauern genommen und General Kinkel gefangen worden sei. Der bayrische Kommandant, der Oberstlieutenant Wreden, der Gegend kundig, rieth zum Durchschlagen, Bisson aber hatte den Muth verloren; das Geheul der Sturmglocken rings umher dünkte den Franzosen gar nicht erbaulich, und als bei seinen Unterhandlungen die aufgeregten Tyroler ungeduldig wurden und das Zeichen zum Angriff gaben, unterschrieb er, in's Unvermeidliche sich fügend, die vom Major Teimer ihm vorgelegte Kapitulation, zufolge der die ganze französische und bayrische Mannschaft als kriegsgefangen sich ergab. So fielen den Tyrolern abermals 4000 Mann, zwei Kanonen und mehrere Munitions- und Gepäckwagen in die Hände. Erst am 14. April Abends trafen die österreichischen Truppen, 6000 Mann stark, nachdem das ganze Land von seinen Feinden gesäubert worden war, ohne Schwertstreich in Innsbruck ein, und wurden dort mit großem Jubel empfangen. Dem Oberkommandanten Chasteler überreichte der wackere Teimer, der Held des vorigen Tagest den Degen des französischen Befehlshabers.
Noch war im Süden viel zu thun. Chasteler zog von Innsbruck in's Etschland, vereinigte sich mit den Aufgeboten dieses Thales und mit den Passeyrern unter Hofer und Hormayr, der ebenso gewandt mit der Feder als des Krieges kundig war. Die Franzosen wurden am 24. April bei Lavis und Völano geschlagen.
Wären nur die österreichischen Heere unter Erzherzog Karl eben so glücklich gewesen! In den blutigen Schlachten von Avensberg, Eggmühl und Regensburg (20., 22. und 23. April) durchbrach Napoleon das Centrum der österreichischen großen Heereskette und warf den Erzherzog nach Böhmen zurück. Damit war Salzburg Preis gegeben, wo schnell der tapfere bayrische Generallieutenant Freiherr v. Wrede eindrang, und bald darauf mit zwei bayrischen Divisionen unter dem Oberbefehl des Marschalls Lefebre, »Herzogs von Danzig«, nach Tyrol sich wandte. Am 10. Mai traf Wrede mit 14,000 auserlesenen, auf die frisch errungenen Lorbeeren stolzen Kriegern vor dem Paß Strub ein, wo nur eine Kompagnie Oesterreicher mit zwei Sechspfünderkanonen und zwei Kompagnien Landesschützen standen – im Ganzen etwa 350 Mann. Am 11. Mai, am Himmelfahrtstage, eröffneten die Bayern den Kampf mit einer furchtbaren Kanonade und mit einem Sturm ihrer Infanterie; er wurde zurückgeschlagen. Ein zweiter Sturm mit frischen Truppen, ja ein dritter hatte das gleiche Schicksal. Als den Tyrolern die Munition ausging und auch die österreichischen Geschütze zum Schweigen gebracht waren, wurden Steine und Baumstämme auf die Andringenden hinabgestürzt; endlich Nachmittags gewann der Feind die Flanken, die Tyroler wurden umgangen und fielen als Opfer ihres Heldenmuthes; nur der Schützenhauptmann Oppacher, der wie ein Leonidas gekämpft hatte, schlug sich mit wenigen Kampfgenossen durch. Wrede aber besiegte am 13. Mai die Oesterreicher und Tyroler unter Chasteler bei Wörgel.
Andreas Hofer, der mit seinen Getreuen zur Vertheidigung des südlichen Tyrols unter dem General Graf von Leiningen gewirkt hatte, erfuhr mit nicht geringem Unwillen, was in Nordtyrol vorgefallen. Sogleich eilte er dem bedrängten Vaterlande zu Hülfe. Sein Aufgebot im Passeyerthale, im Burggrafenamte und Vintschgau war von dem besten Erfolge. Allein Chasteler zog trotz der inständigsten Vorstellungen Hofer's mit den österreichischen Truppen ab, und nur General Buol blieb noch in seinen Verschanzungen auf dem Brennerpaß mit 2380 Mann, 130 Pferden und 7 Geschützen. Der bayrische General Wrede, der des Oberbefehls eines stolzen und eiteln Marschalls überdrüssig, von Napoleon die Erlaubniß zur großen Armee stoßen zu dürfen, sich erbeten und auch erhalten hatte, war am 23. Mai wieder von Innsbruck aufgebrochen und nach Salzburg gegangen, den General Deroi mit einer Division zurücklassend. Der Schützenmajor Straub von Hall organisirte mit Speckbacher von Rinn die Vertheidigungskompagnieen auf dem südlichen Mittelgebirge und ließ die Uebergänge auf das rechte Innufer sperren. Hofer überschritt mit 6000 Mann Schützen, alle in Kompagnieen abgetheilt, am 24. Mai den Brenner, und erhielt nur mit Mühe vom General Buol 800 Mann zur Unterstützung. Dennoch wagte er frisch und muthig am 25. Mai den Angriff. Die Bayern, etwa 8000 Mann stark, hatten ihre Schlachtlinie zu weit ausgedehnt, fochten aber wacker; die Schlacht blieb unentschieden und es ward zwischen beiden Theilen eine dreitägige Waffenruhe verabredet. Am 29. Mai erneuerte sich die Schlacht und nun errangen die Tyroler einen vollständigen Sieg. Von der Haller Innbrücke wurden die Bayern durch Speckbacher zurückgeworfen; im Centrum, am Berge Isel, war der Kampf wüthend, dort stritt Hofer mit seinem Adjutanten Eisenstecken und dem begeisterten Mönch Haspinger sammt dem ganzen verwegenen »Passeyrer-Clan«; die Bayern, nach verzweifeltem Widerstande, wurden geworfen und mußten sich in die Ebene zurückziehen. Nachmittags 5 Uhr traf im Rücken des Feindes auch Teimer ein, und schlug mit seinen 500 Schützen wacker darauf los, so daß General Deroi nur das Dunkel der Nacht erwartete, um in aller Stille mit seinen ihm noch gebliebenen 6000 Mann an die bayrische Grenze zu marschiren. An Todten und Verwundeten hatte er 1500 Mann, an Gefangenen 200 Mann ein gebüßt; den Tyrolern kamen noch fünf Kanonen und 13 Munitionswagen zu Gute.
Dieser Sieg »am Berge Isel« befreite abermals nicht blos ganz Tyrol, sondern auch Vorarlberg, aus welchem inzwischen die Franzosen und Würtemberger nach den Treffen bei Hohenems und Bregenz vertrieben worden waren. Dazu traf auch die Siegesnachricht von der glorreichen Schlacht bei Aspern ein, die Erzherzog Karl gewonnen hatte (am 22. Mai). Hätten die Oesterreicher diesen Sieg in Napoleonischer Weise verfolgt, so wären die Franzosen von ihrer Verbindung mit Italien gänzlich abgeschlossen, und eine von Konstanz bis Salzburg nach Kärnthen hinein gebildete »Vendée« hätte dem Gewalthaber ein heilsames Herzklopfen gemacht! Doch die Dinge sollten fein langsam vorwärts gehen.
In Innsbruck ward durch ein feierliches Te deum, an welchem der Sandwirth Hofer, sein Adjutant Eisenstecken, der Major Teimer, Speckbacher und viele andere Schützenhauptleute Theil nahmen, das österreichische Waffenglück gefeiert. Doch die Freude der guten Tyroler sollte abermals nicht lange dauern. Napoleon hatte neue Siege errungen und den Kaiser zum Waffenstillstände von Znaym (12. Juli 1809) gezwungen, wodurch Tyrol wieder von den österreichischen Truppen geräumt ward. Marschall Lefebre, der Herzog von Danzig, war abermals mit großer Heeresmacht in den Paß von Strub eingedrungen, schon am 30. Juli in Innsbruck eingezogen, und hatte alsbald eine Division, das Kontingent der Sachsen (circa 4000 Mann) über den Brennerpaß gesandt, unter dem französischen General Royer.
Tyrol, ohne militärischen Beistand von Oesterreich – selbst der kaiserliche Kommissär v. Hormayr hatte das Land verlassen – ohne Geld, ohne hinlängliche Munition und doch noch im Kriege, schien dem übermächtigen Feinde rettungslos Preis gegeben. Hofer aber, in seinem unerschütterlichen Gottvertrauen und wohl bekannt mit der muthvollen Kraft seiner Landsleute, beschloß Alles zur Rettung des Vaterlandes aufzubieten, auch ohne Oesterreich. Mit dem Anfange August hatte er in aller Stille die Volksbewaffnung wieder eingeleitet (denn die Tyroler gingen stets, wenn's nichts »z'raufen« gab, heim, um ihr Feld zu bestellen). Speckbacher hatte in den Eisackschluchten Posto gefaßt; die sächsische Vorhut ward am 4. August fast ganz aufgerieben, und als der hochfahrende Marschall, der in seinem elsässischen Dialekt auf die »Sechser« weidlich schimpfend nachrückte und die Bauern zu vernichten gedachte, ereilte ihn selber das Schicksal in den tyrolischen Thermopylen. Stolz sprengte er mit seinem Generalstabe, einigen bayrischen Dragonern und französischen Gensd'armen recognoscirend voraus; kaum war er aber an das unheimliche Felsenthor zum »Sack« gekommen, so stürzte eine Schaar von Bauern wie eine Windsbraut von den Bergen über ihn her, während zugleich eine andere hinter seinem Rücken hervorbrach. Schon faßte ein riesiger Kohlenbrenner das sich bäumende Pferd des Marschalls beim Zügel und ein Anderer hatte seinen Stutzen auf das »erlauchte« Haupt angelegt, als eine Wendung des Pferdes und der Hieb eines bayrischen Dragoners den »Herzog von Danzig« rettete; der Schnelligkeit seines Pferdes, das mit ihm über Felsentrümmer, Leichen und umgeworfene Wagen setzte, hatte er es zu danken, daß er, obwohl ohne Hut und Mantel, mit heiler Haut wieder nach Sterzing zurückkam. Nur unter beständigen Gefechten und in größter Unordnung konnte er mit seinen Truppen am 11. August Innsbruck wieder erreichen. Vor den tyroler Stutzen hatte er einen solchen Respekt bekommen, daß er seine Marschallsuniform verhüllte und zwischen zwei stämmigen Reitern, deren Rosse ihm zur Schanze dienen mußten, sich fortbewegt hatte.
Die große Masse des begeisterten Landvolks, der Kern der deutschtyrolischen Landeskraft, versammelte sich am folgenden Tage unter dem Oberbefehl des Sandwirths auf den südlichen Höhen oberhalb Wilten. In der Nacht auf den 13. August waren schon circa 18,000 Mann beisammen, an die sich ein Rest zurückgebliebener Oesterreicher von etwa 300 Mann schloß. Das Heer des Herzogs von Danzig war trotz der erlittenen Verluste noch immer 25,000 Mann stark, und ward vom Marschall selbst in den Ebenen von Wilten und Ambras aufgestellt. Er hatte noch 2300 Reiter und 40 Stück Geschütze zur Verfügung. Auf dem Berge Isel standen bayrische Pickete. Der Aufstellungsplan der Tyroler war derselbe wie am 29. Mai, dem Tage der zweiten Befreiung des Landes. Den rechten Flügel, der sich von der Höhe des Paschberges bis zum Inn hinunter ausdehnte, befehligte der kühne todesmuthige Speckbacher; der begeisterte Kapuziner Haspinger übernahm die Führung des linken Flügels, und das Centrum, auf den Berg Isel verwiesen, war nebst der Reserve unter Hofer's Befehl. Mit wechselndem Glück ward gestritten, die Bayern kämpften mit bewundernswerther Tapferkeit, mit Uebermacht drängten sie die auf den Höhen von Hötting und Kranebitten aufgestellten Tyroler zurück, steckten dann die Höhen von Allheiligen und das große Wirthshaus von Kranebitten in Brand, und darauf ging es in Sturmkolonnen auf den Berg Isel, wo die ausgezeichneten Kompagnieen der Passeyrer sich kaum noch zu halten vermochten. Doch die Reserven brachten die furchtbaren Gegner wieder zum Weichen. Der Marschall, welcher durchaus die Iselhöhe gewinnen wollte, ließ das bayrische Bataillon Habermann sieben Mal stürmen, und sieben Mal ward es zurückgeworfen, jedes Mal mit einer Ladung sicher treffender Kugeln empfangen. Auf allen Punkten behaupteten die Tyroler das Feld, das mit den Leichen ihrer Gegner wie übersäet war. Der Sieger von Danzig, untröstlich über diese Niederlage und zur bittern Ueberzeugung gelangt von der Kraft und Ausdauer dieses Gebirgsvolkes, beschloß den Rückzug. Nachdem er noch die Höfe oder Wilten und die Häuser an der Sillbrücke hatte anzünden lassen (eine Menge der Gebliebenen wurden in die Flammen geworfen, um die Zahl der Todten zu verringern), trat er den Rückzug durch's Unterinnthal nach Salzburg an. Hofer aber hielt am 15. August seinen Einzug in Innsbruck, und feierte die dritte Befreiung des Vaterlandes, die glorreichste für die tyrolischen Waffen. Die freudetrunkene Menge begrüßte jauchzend den Vater Hofer als Retter des Vaterlandes, Aus der Stadt zogen ihm die fröhlichen Schaaren, worunter viele Studenten, mit Musik und lustigen Liedern entgegen; da ward der fromme Mann ernst, gebot Schweigen: »Bst! bst! jetzt beten, nit schreien und musiziren; i nit, ös a nit, der droben hat's than,« sprach er mit aufgehobenem Zeigefinger. die Beamten der Stadt und die Schützen-Hauptleute vereint mit dem Wunsche der Geistlichkeit bestimmten ihn, die Oberleitung des verwaisten Landes zu übernehmen. Fast beschämt und ängstlich über seine neue Würde zog er in die Hofburg, und gleichsam um den eigenmächtigen Schritt zu versöhnen, gab er sogleich an Speckbacher Befehl, in Salzburg vorzudringen, ja er gedachte auch die Kärnthner zum Aufstande zu bewegen, um so dem verehrten Kaiserhause einen guten Dienst zu erweisen.
Man muß über die Einfalt lächeln, mit der er den Plänen des feurigen Paters Haspinger, der bis nach Wien vorzudringen gedachte, Gehör schenkte, aber doch die deutsche Gesinnung anerkennen, die sich in der Proklamation aussprach:
»An die Bewohner Kärnthens.«
»Unter dem sichtbaren Beistande des Himmels ist es uns Tyrolern gelungen, vier Heere des Feindes theils zu vernichten, theils zu fangen, theils zur Flucht zu nöthigen. Was hierzu von menschlicher Seite beigetragen werden konnte, war Unerschrockenheit und Thätigkeit der Streitkräfte, vorzüglich aber der feste Entschluß, sich eher unter der Hausschwelle begraben, als für den unersättlichen Feind deutscher Nation sich auf die Schlachtbank führen zu lassen. Dieses haben leider so viele deutsche Völker empfunden, von welchen 30 bis 40 Tausend Mann gleich einer Heerde Schafe von den französischen Generalen mit dem Degen in der Faust angetrieben, ihr Blut auf deutschem Boden verspritzen mußten. Wie viele hiervon liegen in Tyrol begraben, die von unsern Feuergewehren durchbohrt, von unsern Felsenmassen zerschmettert worden sind! Kärnthner, Oesterreichs Unterthanen! Euch droht dasselbe Schicksal, wenn ihr eure Streitkräfte nicht anwendet. Diese sind größer als jene des größtentheils unfruchtbaren Tyrols. Auch ihr habt hohe Gebirge, die euch die Natur zur Schutzwehr gegeben hat; bedient euch derselben! Ich schicke euch tyroler Schützen unter muthigen Anführern zu Hülfe. Schließt euch an selbige an, machet Hand in Hand Brüderschaft mit ihnen. Die Gebirgsvölker müssen diesem Kriege ein Ende machen. Laßt euch nicht schrecken, wenn es dem niederträchtigen Feinde gelingt, da oder dort noch zwecklose Grausamkeit zu begehen, dieses muß unsern Muth nicht nur nicht niederschlagen, sondern sogar noch erhöhen, Gott wird zwischen ihm und uns Richter sein.
Innsbruck, am 27. September 1809.
Andreas Hofer,
Oberkommandant.«
Solche Ausrufe blieben nicht ganz wirkungslos; in Kärnthen und Krain rührte sich das Volk, aus dem Salzburgischen kamen Abgeordnete nach Innsbruck, der Markt Mittersill brachte allein 300 Mann auf die Beine. Die an der Grenze belegene Festung Kufstein, die einzige in Tyrol, ward bewacht, am 25. September wurden die Bayern aus den Grenzpässen herausgeschlagen, wobei Speckbacher in trefflicher Weise den Angriff leitete.
Während so für das Ministerium des Kriegs gesorgt wurde, blieb aber auch das Ministerium des Innern nicht unthätig. Unter dem Titel »Provisorische General-Landesverwaltung« errichtete Hofer ein Kollegium aus vier Räthen und einem Präsidenten, und zog den Sitzungen desselben noch sechs Volksrepräsentanten (aus jedem Kreise zwei) hinzu; diese hatten entscheidende Stimmen. Die Verwaltung war aber höchst schwierig, denn alle öffentlichen Kassen waren leer, die Hülfsquellen erschöpft, die Wege nach Oesterreich gesperrt, die Grenzen vom Feinde bedroht. Unter solchen Umständen hätte auch wohl der geistreichste und entschlossenste Staatsmann den Muth sinken lassen. Hofer that, was in seinen Kräften stand, und Jeder blickte mit Vertrauen auf ihn, denn seine reine Liebe für das Beste des »Landls« offenbarte sich überall, wenn er auch manchmal in der Wahl der Mittel fehlgriff. Dabei lebte er als Regent im Hofpalast ebenso einfach wie als Sandwirth in Passeyer, behielt feine Landmannstracht bei, ließ sich für 24 Kreuzer aus dem nächsten Wirthshause sein Mittagsessen bringen, und während der sechswöchentlichen Regentschaft kostete sein ganzer Hofstaat, bei dem die vier von dem bayerischen Oberst Epplen eroberten Schimmel das kostbarste waren) nicht mehr als 500 Gulden. Nach wie vor redeten ihn die Meisten bei seinem Taufnamen »Anderl« an und nannten ihn »du«, Speckbacher nannte ihn, wenn er zu ihm kam, gerührt »Vater«, und nur, um ihn zu necken, »Excellenz«. Streng hielt aber Hofer auf Frömmigkeit und sittliche Zucht, und erließ mehrere Verordnungen gegen Tanzmusik und nächtliches Herumschwärmen; auch stiftete er gern Ehefrieden. Früh und Abends besuchte er die mit der Burg in Verbindung stehende Pfarrkirche und widmete namentlich dem dort aufgestellten schönen Mariahilf-Bilde große Verehrung. Sein Wahlspruch, mit dem er so viele Besorgniß verrathende Anfragen abfertigte, war: Vertrauen wir auf Gott, und es wird Alles gut gehen!
Die Wachtposten in und vor der Burg versahen Hofers Passeyrer. Sie hatten Stühle zur Seite, um sich zu setzen, wenn sie des Stehens müde waren. Nicht selten sah man sie auch in dieser Dienstleistung mit ihren kurzröhrigen Tabakpfeifchen im Munde.
Während seiner kurzen Herrschaft ließ Hofer in der ehemaligen Münzstätte zu Hall auch Münzen schlagen, Kupferkreuzer und Silberzwanziger mit dem tyroler Adler und der Umschrift: Gefürstete Grafschaft Tyrol 1809. Daß der Kaiser mit dem Allen nicht unzufrieden war und in den Oberanführer seiner treuen Tyroler das unbedingteste Vertrauen setzte, bewies er durch Uebersendung einer goldenen Kette und 3000 Stück Dukaten an Hofer – die erste Geldunterstützung, welche die Tyroler von Oesterreich empfingen. Die Schützenhauptleute Sieberer und Eisenstecker, welche der österreichischen Armee bei ihrem Abzüge im Juli gefolgt waren, überbrachten das Geschenk, nachdem sie auf den unwegsamsten Pfaden über die höchsten Gebirge sich glücklich durchgeschlagen hatten. Am Namenstage des Kaisers Franz, den 4. Oktober, ward Hofer nach beendigtem Gottesdienste feierlich mit dem kaiserlichen Gnadengeschenk dekorirt; das Volk jubelte – für Hofer war es der letzte Freudentag.
Während die Tyroler in ihrem Glauben, Oesterreich werde wieder losschlagen, auf's Neue bestärkt wurden, schloß Kaiser Franz, durch die Noth gezwungen, den schönbrunner Frieden (14. Oktober), worin Tyrol der Gnade und Ungnade Napoleons überlassen ward. Der Allgewaltige übergab dies Mal den Oberbefehl über die für Tyrol bestimmten Truppen dem kriegserfahrenen und edelmüthigen Vizekönig von Italien, Eugen, der alsbald 12,000 Mann unter General Baraguay-d'Hilliers von Kärnthen aus in's Pusterthal dringen ließ, welche Bewegung durch das Vorrücken von 10,000 Mann aus Italien unterstützt wurde. Drei Divisionen Bayern mußten von Norden her, unter dem Oberbefehl des Generals Drouet, nach Innsbruck vordringen. Die tyroler Streitmacht zog sich wieder am Berge Isel zusammen, nachdem die nach Salzburg unter Speckbacher und Wintersteller vorgeschobenen Posten fast aufgerieben worden waren.
General Drouet ließ dem tyroler Kommandanten den zwischen Oesterreich und Frankreich abgeschlossenen Frieden melden, erhielt aber von Hofer eine ziemlich derbe Antwort zurück, worin es hieß, daß die Tyroler an solchen Friedensabschluß nicht glaubten und gerade das Vorrücken der Bayern keine friedlichen Absichten verrathe. Ludwig, der Kronprinz von Bayern, der sich dies Mal selber an die Spitze einer Division gestellt hatte, wollte die Tyroler möglichst geschont wissen, und so blieb es vorläufig bei einigen Plänkeleien. Am 27. Oktober sprengte, die weiße Fahne schwingend, ein bayrischer Dragoner durch die Stadt Innsbruck und überbrachte zwei Packete, eins an Andreas Hofer, das andere an den Stadtmagistrat. Sie enthielten die in der That sehr versöhnlich abgefaßten kürzlich abgedruckten Proklamationen des Vizekönigs von Italien, dato Villach, den 25. Oktober. Dieses Datum aber, und das noch ganz feuchte Druckpapier erregte bei den vorsichtigen Tyrolern Verdacht, und so setzten die Bauern ihren kleinen Krieg fort, der die Bayern sehr erbittern mußte. Hofer verlegte sein Hauptquartier auf den Schönberg; allda traf ihn am 29. Oktober der eiligst aus dem kaiserlichen Hauptquartier abgesandte österreichische Kurier, Freiherr v. Lichtenthurn, der nebst der Proklamation des Vizekönigs Eugen auch noch ein Schreiben des Erzherzogs Johann überreichte, worin nachdrücklichst ausgesprochen war, die Tyroler möchten sich jetzt nach abgeschlossenem Frieden ruhig verhalten und sich nicht zwecklos aufopfern. Der Freiherr v. Lichtenthurn hatte schon von Jugend auf an der Epilepsie gelitten; als er nun, von der schnellen Reise aufgeregt, auch mündlich die für die Tyroler niederschlagende Nachricht bestätigte, daß Bayern wieder Herr des Landes sei, fiel er plötzlich, von seinem Uebel betroffen nieder. Hofer hielt mit seinen Getreuen eine geheime Konferenz, und, da man sich überzeugte, daß der Friede wirklich geschlossen und aller Widerstand nutzlos sei: so wurden Befehle an alle Hauptleute ausgestellt, sie möchten die Waffen niederlegen und auseinander gehen. Hofer selber war entschlossen, mit jenen vier eroberten Schimmeln nach Hall in das bayrische Hauptquartier zu fahren, die Pferde zurückzugeben und sich dem leutseligen Kronprinzen von Bayern vorzustellen. Schon war der Wagen angespannt, als der Kapuziner Haspinger, welcher gleich nach dem Empfang seiner Abberufungsordre vom Berg Isel eiligst nach dem Schönberg geritten war, fast athemlos zu Hofer in's Zimmer stürzte, die Friedensbotschaft für erdichtet und das sich darauf beziehende Schreiben als gefälscht erklärte. Er berief sich auf die Worte des Kaisers, daß dieser erklärt habe, niemals einen für sein geliebtes Tyrol nachtheiligen Frieden schließen zu wollen, setzte seine priesterliche Ehre und Würde zum Pfande und wies geschickt noch auf das Gottesurtheil hin, das den Kurier betroffen habe, der die falsche Nachricht überbrachte. Hofer, dessen Herz nur zu sehr an das zu glauben geneigt war, was der Pater in seiner Begeisterung vorbrachte, und der auch vor keinem Opfer zurückschreckte, wenn er sein Vaterland nur bei Oesterreich erhalten könnte, ward abermals schwankend, und Haspinger, dem der Eindruck seiner Rede nicht entgangen war, ließ den Wagen sogleich umkehren, und fuhr trotz allen Gegenvorstellungen der Anwesenden mit Hofer, der ihm mechanisch folgte, nach Matrei. Dort wurde Hofer nun vollends bearbeitet, und namentlich mit der Vorstellung geängstigt, welches Unheil für die wahre katholische Religion sich zeigen würde, wenn die mit den gottlosen Franzosen verbündeten Bayern wieder die Herren im Lande wären. Auch sparte der schlaue Pater nicht die Appellation an Hofers Gottvertrauen, das er bis an's Ende bewahren müsse, wenn's echt sei, fügte selbst Berichte über die Schwäche der feindlichen Truppen hinzu, obwohl ihm darüber gar nichts bekannt war. Zum Unglück für Hofer traf jetzt auch der Fanatiker Kolb in Matrei ein, der von Bayernhaß glühte. Hofer wurde in seiner Sinnesänderung noch mehr bestärkt, als General Drouet den von ihm erbetenen 14tägigen Waffenstillstand nicht bewilligt hatte, und so wurden eilends wieder Gegenbefehle an die Hauptleute erlassen, die zum Theil mit ihren Mannschaften schon auseinander gegangen waren, da sie wirklich an den Frieden und an das Vergebliche eines längern Widerstandes glaubten. Die Einheit war bereits aufgelöst, die Begeisterung geschwunden und die Schlacht verloren, noch ehe sie begonnen hatte.
Am 1. November sollte noch vor Tagesanbruch der Angriff auf die Bayern beginnen, und zwar zuerst auf dem linken Innufer, wo Martin Firler stand. Dieser war angewiesen, das Signal zu geben für den Aufbruch der ganzen Linie auf dem rechten Ufer. Firler zögerte, denn es war der Tag Aller-Heiligen, und da glaubte er ein gutes Werk zu thun, wenn er nicht nur die Feldmesse lesen, sondern auch seinem Volke unter freiem Himmel eine lange Predigt halten ließ über Napoleons Charakter und Wortbrüchigkeit. Darüber verstrich kostbare Zeit, die Bayern kamen den Tyrolern zuvor und griffen zuerst an; vom Herbstnebel unterstützt, waren sie auf allen Punkten den Bauern nahe gerückt, und diese geriethen in Verwirrung, als plötzlich 40 Kanonen gegen ihre Stellung auf dem Berge Isel und Paschberg donnerten. Ihre schlecht gebauten Erdwälle stürzten zusammen, ihr eigenes Geschütz ward des Nebels willen nicht auf den rechten Punkt geleitet; die Linie der Bauern ward durchbrochen, und bald war ihr Rücken und ihre Flanke bedroht. Speckbacher focht zwar am rechten Flügel bei Hall mit höchster Tapferkeit, er hielt sich bis an den Abend, dann zog er sich nach Rinn zurück. Die Bayern hatten einen vollständigen Sieg erfochten.
Aber die empörten Wellen waren nicht so schnell zu beruhigen. Im Oberinnthal und in den Hoch- und Seitenthälern, wo das Bergvolk noch gar keine Friedensnachrichten empfangen hatte, mußten die Bayern noch manchen harten Kampf bestehen; noch blutiger war der Widerstand, der den in's Pusterthal vordringenden Franzosen und Italienern entgegengesetzt wurde. Manches Dorf, mancher Meierhof ging da in Flammen auf und die ergrimmten Soldaten hausten fürchterlich. Hofer erließ am 5. November folgende Proklamation:
»Brüder! Gegen Napoleons Macht können wir nicht länger Krieg führen. Von Oesterreich gänzlich verlassen, würden wir uns einem unheilvollen Ende Preis geben. Ich kann euch nicht ferner gebieten, sowie ich nicht für weiteres Unglück und unvermeidliche Brandstätten gut stehen kann. Eine höhere Macht leitet Napoleons Schritte. Siege und Staatsumwälzungen gehen aus den unabänderlichen Planen der Vorsehung hervor. Wir dürfen uns nicht länger dawider sträuben. So wehe es meinem Herzen thut, an Euch gegenwärtigen Bericht erlassen zu müssen, so sehr finde ich mich doch getrost dadurch, mich einer Pflicht zu entledigen, zu deren Erfüllung mich auch der edle Fürstbischof von Brixen aufgefordert hat.
Andre Hofer.«
Die inzwischen an den Vizekönig nach Villach abgeschickten Sendboten brachten die vertrauenerweckendsten Versicherungen jenes edlen Fürsten zurück; Hofer ging heim nach Passeyer und wollte alle seine Leute entlassen. Aber wie Dämonen zogen ihm jene überspannten Menschen Haspinger, Kolb, Firler nach, sprachen sogar davon, daß man den ungetreuen Kommandanten erschießen müsse und brachten ihn abermals zur Erneuerung der Feindseligkeiten. Zum Unglück mußten jetzt noch englische Agenten dazu kommen, die Geld unter die Bauern vertheilten und auch die Aufhetzerei nicht sparten.
Noch einmal ließ sich der General Baraguay d'Hilliers bereitwillig finden, dem Insurgenten-Chef Hofer die schriftliche Versicherung zukommen zu lassen, daß er sich beim Vizekönig für seine Begnadigung verwenden wolle und daß dieser ihm verzeihen werde, wenn er sein Thal zur Niederlegung der Waffen bestimmen würde. Hofer wies auch diesen Antrag zurück; seine Frau mit dem Sohne und vier Töchtern hatte er bereits nach dem Schneeberg geschickt, er selber stieg nun ober Brentach auf die höchste Alpe hinauf, bloß von seinem Schreiber Cajetan Sweth begleitet. Dort verbarg er sich in einem Heugaden, erhielt zur Nachtzeit von einigen Vertrauten Lebensmittel und Nachrichten über das Schalten und Walten der französischen Machthaber, auch meldete man ihm, daß auf seinen Kopf eine Prämie von 1500 Gulden gesetzt sei.
Einige Wochen hatte Hofer in seinem Schlupfwinkel gelebt, als eines Tages ganz unerwartet Frau und Sohn zu ihm heraufkamen. Sie waren auf dem Schneeberge entdeckt und mußten sich flüchten; die andern Kinder hatten sie bei einem Freunde im Dorfe St. Martin untergebracht. Bei so augenscheinlicher Gefahr riethen die Vertrauten dem armen Hofer dringend, er solle nach Oesterreich wandern; noch sei es Zeit, und wenn er seinen Bart abgenommen und andere Kleidung angelegt hätte, würde seine Flucht wohl gelungen sein. »Ich kann mein liebes Heimathland nicht verlassen!« sprach Hofer, und blieb. Wenige Tage nachher erschien ein Mann vor seiner Hütte, der zwar in Passeyer wohnhaft war, aber schon lange ein herumtreibendes Leben führte und vielleicht eigens das Aufspüren des Sandwirths sich zum Zweck gesetzt hatte. Durch den von der Alp aufsteigenden Rauch aufmerksam geworden, war er hinaufgestiegen. Als Hofer den Joseph Raffl – so hieß der Mensch – erblickte, ahnte ihm nichts Gutes; er bot ihm Geld an, wenn er seinen Aufenthalt verschwiege; Raffl schlug's aus, versprach jedoch unter Handschlag, nichts verrathen zu wollen. Hofer hätte nun sogleich die gefährliche Stelle verlassen sollen, die Freunde machten ihm ernstliche Vorstellungen, allein er blieb und achtete selbst der Thränen seiner tief bestürzten Gattin nicht.
Raffl war schlecht genug, sein Geheimniß mehreren Personen mitzutheilen, die es anfangs nicht glauben wollten, weil man im Thal meinte, Hofer sei längst in Oesterreich geborgen. Am 27. Januar 1810 ward jener Verräther Nach Hormayr's Angabe galt der Priester Donay, dem der Jos. Raffl sein Wissen um den Aufenthalt Hofers mitgetheilt haben soll, als Derjenige, welcher diese Mittheilung an den General Baraguay d'Hilliers gemacht habe. Donay, weil er französisch sprach, war allerdings öfters bei dem General, doch dieser erklärte in einer Urkunde vom 16. Februar 1810 selber: »daß Herr Joseph Donay, Priester von Schlanders, an den Anzeigen, die den verborgenen Aufenthalt des Andrä Hofer und seiner Familie entdeckten, und die Gefangennehmung dieses Hauptanführers der Tyroler-Insurrektion zur Folge hatten, nicht den geringsten Antheil Habe.« (Abgedruckt in der Innsbrucker Zeitung vom Jahre 1810, Nr. 36.) Vergl. Staffler im o. a. W. II. Band, S. 722. zum General Huard geführt, welcher sogleich ein italienisches Freikorps, 1500 Mann stark, mit Raffl als Wegweiser nach Passeyer abschickte. Die Truppe marschirte die Nacht hindurch; eine Abteilung von 600 Mann bestieg von St. Martin aus das Brentach-Gebirge, und langte nach dem beschwerlichsten Steigen durch den schon tiefen Schnee 4 Uhr Morgens auf der Hochalpe an. Die Unglücklichen schliefen; unten in der Hütte Hofer und seine Gattin, oben Hofers Sohn und Sweth. Der letztere, durch die knarrenden Fußtritte aufgeschreckt, sprang auf und erblickte durch die Ritzen der Hütte den Wegweiser mit einem Trupp Soldaten. Sogleich weckte er den jungen Hofer und stieg mit ihm am hinteren Theile der Hütte herab, als im selben Augenblick auch schon beide ergriffen und gebunden wurden. Das Jammergeschrei des Sohnes erweckte die Eltern; Andreas Hofer kam mit seiner Gattin zur Thür, sah die bewaffnete Masse und sprach mit fester Stimme zum Anführer: »Sie sind gekommen, mich gefangen zu nehmen. Gut, ich bin Andreas Hofer. Mit mir thun Sie, was Sie wollen, ich bin schuldig; aber für mein Weib, für mein Kind und für den jungen Menschen da (auf Sweth zeigend) bitte ich um Gnade; sie sind unschuldig.« Kaum hatte er diese Worte beendigt, so traten einige Soldaten heran und fesselten ihn mit Stricken, andere höhnten und schlugen ihn und rauften die Haare aus seinem ehrwürdigen Bart, daß überall Blut herabrann und bei der großen Kälte dieser zum blutigen Eise erstarrte. Die Häscher durchsuchten die Hütte und fanden noch einen Schatz an Geld und Waffen; dann wurden die vier Gebundenen bergab gegen St. Martin geführt. Man hatte ihnen nicht einmal ein Oberkleid gegönnt; die beiden jungen Männer mußten barfuß wandern und bald bezeichneten Blutstreifen auf dem gefrornen Schnee ihre Tritte. Kein Klageton kam über Hofers Lippen; als die Seinigen über Kälte und Schmerzen klagten, tröstete er sie: »Seid standhaft,« sprach er, »und leidet mit Geduld, dann könnt ihr von euren Sünden etwas abbüßen!« Unten am Berge wartete die andere Abtheilung der Truppen, welche unterdeß den Sandhof geplündert hatte; ohne Aufenthalt ging der Zug nach Meran, durch die Straßen der Stadt mit klingendem Spiel. Die Bürger von Meran, als sie ihren lieben Hofer sahen, weinten.
Vor dem General Huard bekannte Hofer unumwunden, daß er, von Seiner Majestät dem österreichischen Kaiser dazu ausgefordert, allerdings der Urheber des Tyroler-Aufstandes gewesen, nach dem Friedensschlusse aber von seinen eigenen Leuten unter Androhung des Todes zur Fortsetzung der Feindseligkeiten gezwungen worden sei. Die Gefangenen wurden weiter nach Botzen gebracht, wo General Baraguay d'Hilliers die Freilassung der Gattin und des Sohnes und Hofers bessere Behandlung befahl. Mit seinem Schreiber ward der Sandwirth in einer Kutsche unter starker Bedeckung nach Mantua geführt und daselbst auf die Festung gebracht. Der Gouverneur der Festung war General Bisson, derselbe, welcher von den Tyrolern am 3. April 1809 gefangen genommen wurde. Unter seinem Vorsitz ward in der Nacht vom 18. zum 19. Februar ein Kriegsgericht gehalten; einige der Richter sprachen für Freilassung, andere für lebenslängliche Gefangenschaft, andere für den Tod. Nun fragte man durch den Telegraphen in Mailand an, und sogleich kam die Antwort zurück: »Andreas Hofer ist binnen 24 Stunden zu erschießen.«
Hofer, dem dieses Urtheil am Morgen des 20. Februar feierlichst verkündet wurde, zeigte die größte Seelenruhe und war auf Alles gefaßt. Als ihm General Bisson Tags zuvor einen Besuch gemacht und ihn zum Eintritt in den französischen Dienst ermuntert hatte, wodurch er sein Leben retten könne, antwortete er: »Ich bleibe dem Hause Oesterreich getreu und dem Kaiser Franz.« Wie innerlich gefaßt, wie rein und edel Hofers Gemüth war, wie echt christlich seine Gesinnung, leuchtet gar schön aus einem Briefe hervor, den er noch kurz vor seiner Hinrichtung an seinen Freund v. Pichler in Neumarkt schrieb Das Original bewahrt der Erzherzog Johann auf., und dessen letzte Worte also lauten: »Ade, du schnöde Welt! So leicht kommt mir das Sterben vor, daß mir nicht einmal die Augen naß werden!« Gegen 11 Uhr Vormittags ertönte der Generalmarsch; von Offizieren und seinem Beichtvater geleitet, trat der Verurtheilte auf die breite Bastei hinaus, ging festen sicheren Schrittes den Reihen der Grenadiere entlang, die ein Viereck schlossen, und grüßte rechts und links. Nachdem er mit dem Priester noch einige Zeit gebetet hatte, stellten sich zwölf Mann, Gewehr im Arm, auf 20 Schritte ihm gegenüber. Das weiße Tuch, womit man ihm die Augen verbinden wollte, wies er zurück; auch weigerte er sich, niederzuknieen. »Ich will,« sprach er, »dem, der wich erschaffen hat, meinen Geist stehend zurückgeben!« Noch einmal rief er: »Hoch lebe Kaiser Franz!« Dann betete er mit aufgehobenen Händen und kommandirte selber mit fester Stimme: »Gebt Feuer!«
Die ersten sechs Schüsse trafen schlecht, vielleicht wegen der erschütternden Szene, denn der Held sank nur auf die Knie; die andern sechs Schüsse streckten ihn zwar zu Boden, brachten aber noch nicht den Tod, und erst der dreizehnte Schuß, indem ihm der Korporal die Mündung seiner Muskete an den Kopf setzte, machte dem Leben des unerschrockenen Märtyrers ein Ende.
Auf einer schwarz ausgeschlagenen Bahre trugen die Grenadiere den Leichnam in die Pfarrkirche St. Michael, und nach abgehaltenem Gottesdienste ward er im Garten des Pfarrers beerdigt; eine einfache Marmorplatte deckte das Grab, bis 1822 das erste Bataillon der tyroler Kaiserjäger, aus dem neapolitanischen Feldzuge zurückkehrend, in Mantua eintraf, und die Offiziere desselben den Entschluß faßten, die Gebeine auszugraben und nach Innsbruck zu bringen. Solches geschah, und am 21. Februar wurden die irdischen Reste des tyroler Helden feierlich in der Hofkirche beigesetzt, unfern vom Grabmale des Kaisers Maximilian. Die ältesten Schützenhauptleute, die noch unter Hofer gedient hatten, trugen den Sarg, den nun ein würdiges Denkmal deckt, durch die Freigebigkeit des Kaisers errichtet. Auf einem marmornen Fußgestell steht die sieben Fuß hohe Statue Hofers, den Mann darstellend nach seiner Landessitte gekleidet, die Kugelbüchse über die Schulter, die tyrolische Feldfahne in der Rechten, mit entblößtem Haupt, den Blick zum Himmel gerichtet.