Jeremias Gotthelf
Leiden und Freuden eines Schulmeisters
Jeremias Gotthelf

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Zwanzigstes Kapitel

Wie ich also sitzen blieb und zwar in der Klemme

Während meines Rausches, während die Mädchen mich wirbelsinnig machten, während ich von Reichtum träumte, von Land und Kühen, war ich in Schulden gekommen bis über die Ohren. Ich bin aber nicht der einzige, der sich auf einmal arm findet, während er träumt von Reichsein. Ja, ich bin auch nicht der einzige, der arm wird, eben weil er von Reichwerden werden träumt, arm wird durch diese Träume. Amerika, Lotterieen, Spiel, Heirat, Erbe, Handel sind es, die den Menschen in die glücklichsten Träume wiegen, um ihn im Schlaf um das zu bringen, was er bereits hat.

Man wird sich erinnern, daß ich arm auszog mit entlehnten Sachen und entlehntem Gelde, und was mir alles fehlte, wußte ich selbst nicht. Alle Tage merkte ich, daß ich noch dieses oder jenes nicht nur haben sollte, sondern müsse, wenn ich Haushaltung tung machen wollte. Ich hatte gleich nach den ersten Tagen angefangen für mich zu leben, nachdem ich für alles Notwendige gesorgt zu haben glaubte: 2 Lot Kaffeepulver, für 1 Kreuzer Schwefelholz, etwas Mehl waren da, und ich glaubte nun vollkommen gerüstet zu sein auf alle möglichen Vorfälle mit meinen zwei Kachelene, der Kaffeekanne, der Pfanne, zwei Kellen und einem Züber. Ich besaß viel mehr als jenes Volkslied singt: »Ein Kachel, ein Häferl ist all mein Küchengschirr.« Aber als ich das erste Mal meinen Kaffee gemacht, die Milch gewellt und getrunken hatte, geriet ich in die allerschrecklichste Verlegenheit. Könnt Ihr Weiber erraten, warum und was mir fehlte? Ich will wetten, es kömmt nicht der hundertsten in Sinn.

Als ich nach eingenommenem Mahle das Geschirr hinaustrug und die von der Milch weiß gewordene Pfanne sah, da dachte ich ans Abwaschen, dachte daran, daß die Mutter einen Hudel in der Gepse gehabt, mit dem sie im und um das Geschirr herumgefahren sei. Ich wollte es auch machen, allein ich hatte keinen – Hudel, keinen Wäschlumpen, hatte gar nichts, um abzuwaschen. Meine Hemder, meine Nastücher hätten sich nicht übel dazu geschickt; aber wo sollte ich dann andere Hemder nehmen? Ich stund mitten in meiner Küche mit der Pfanne in der Hand, wie der Butter an der Sonne; ich fuhr mit allen fünf Fingern darin herum, aber das half nichts, die Pfanne wurde nicht schwarz; ich schwenkte mit Wasser hin und her, aber die Pfanne blieb weiß. Endlich fielen mir einige Hobelspäne in bie Augen und halfen mir glücklich aus meiner Verzweiflung, und putzten die angesessene Milch rein weg. Da beschloß ich, mit Hobelspänen mich nie auskommen zu lassen. Freilich fehlte mir nun auch eine Handzwechelen, allein da wußte ich mir schon viel besser zu helfen. Einige gewaschene Sachen ließ ich trocknen. Das kömmt ja nicht darauf an, ob man eine Sache abtrocknet oder trocknen läßt; daß sie trocken werde, ist ja doch die Hauptsache. Andere Sachen, z. B. die Kaffeekacheli, wischte ich an den Kuttenfecken ab, und so lange man Hosen an hat, ist es nur Hochmut, wenn man seine Hände anderswo abwischt als an ben Schenkeln.

Eine ähnliche Verlegenheit bestund ich, als ich zum ersten Male statt der bis dahin getragenen Holzschuhe die Lederschuhe anziehen wollte und keinen Schuhlöffel beim Ofen fand. Mein Lebtag hatte ich die Schuhe nie ohne Schuhlöffel angezogen, in allen Häusern solche gefunden, so daß ich gar nicht daran gedacht, einen anzuschaffen, nicht daran gedacht, daß er in einem Hause nicht vorhanden sein könne, so notwendig wie der Ofen, wo auch niemand daran denkt, einen mitzubringen, wenn er in ein Haus zieht. Ich lief in die Schulstube hinab, hoffend, dort einen solchen Löffel zu finden; allein da war auch keiner und ich mußte in den Fürfüßen ins Nachbarhaus laufen, um dort mir zu helfen. Hier nur zwei Müsterli von Verlegenheiten, deren ich zu Dutzenden anführen könnte.

Meine Spekulation, für mich selbst zu sein und nicht z'Kost zu gehen, war so übel nicht; denn in letzterm Falle wären alle Geschenke zurückgeblieben, und ich hätte fast den ganzen Lohn als Kostgeld zahlen müssen. Nun waren die Leute ganz herrlich gut im Anfang; es bregelte von Geschenken auf mich ein, daß ich zu Zeiten im Überfluß fast erstickte. Ich hatte, nach Rat meines Alten, einige Dutzend Buchzeichen gekauft, um sie dann als Trinkgeld den Kindern, die etwas brachten, zu geben. Sie hatten den doppelten Vorteil, daß sie fast nichts kosteten und dennoch die Kinder gar sehr lockten, so daß sie die Eltern immerfort plagten, dem Schulmeister etwas bringen zu können, um ein Buchzeichen zu bekommen. Und wer am meisten dergleichen in seinen Büchern aufzuweisen hatte, der meinte sich nicht wenig. Am Morgen vor der Schule hatte ich alle Hände voll zu thun mit Abnehmen von Brot, Milch, Äpfeln in ordinäri Zeiten, Ringen und Zupfen ums Neujahr, Küchli zur Fasnachtzeit, und Fleisch bei den Metzgeten. Es machte mir manchmal den größten Kummer, wie die Milch alle versorgen, wenn sie in meinem einzigen Hafen nicht Platz hatte; das Brot erhielt oft einen langen Bart, die Ringe wurden so hart, daß sie klepften, wenn ich sie brach, und Würste hatte ich so viel zu essen, daß man mir auf zwanzig Schritte die Wurstzeit anroch.

Es brachten nicht nur Reiche, sondern auch Ärmere, oft mit der Entschuldigung: Müetti löy mi grüeße u hätt mr scho lang neuis gschickt, we si's selber nit so übel gmanglet hätten. Es waren nur zwei Familien im Dorfe, die mir nichts geschickt hatten, obgleich sie zu den Vermöglicheren gehorten. Ich setzte voraus, sie hätten etwas gegen mich, und doch wußte ich nicht, was ich ihnen z'wider dienet hätte. Allein sie machten mir alle Male, wenn ich sie sah, einen übeln Eindruck, und die Kinder schienen mir am ungezogensten, machten mich am meisten böse und wurden auch am öftersten bestraft. Aber nicht nur viele Geschenke erhielt ich, sondern noch manches, das ich kaufen wollte, umsonst. Ich wollte Erdäpfel kaufen: solche brachte man mir keine; da hieß es, als ich einen Korb voll bezahlen wollte, sie hätten deren genug, ich sollte nur holen, wenn ich keine mehr hätte. Der Müller machte es mir mit dem Mehl ebenso, der Krämer mit Kaffee, oder er ließ mir wenigstens ein Bedeutendes nach, weil ich es sei, wie er sagte.

So ging es meinen Finanzen herrlich, indem ich fast keine Auslagen hatte die ersten Monate durch. Ich sah, wie viel Dinge aller Art ich nötig hatte, wollte meine Schulden bezahlen, wollte mich besser kleiden, damit ich die Hemder nur den rechten Weg zu tragen brauche, auch nicht immer eines an der Stange haben müsse. Das alles machte mir bang und angst; darum gab ich nicht nur so wenig als möglich aus, sondern suchte noch zu verdienen so viel als möglich. Sobald des abends die Schule aus war, setzte ich mich an den Webstuhl; auch des Morgens war ich fleißig, so daß ich den Winter durch manchen Batzen verdiente, mehr als ich ausgegeben hatte. Wer beschreibt aber meine Freude, als ich nach dem Examen meinen Lohn erhielt, fast zwanzig Neuthaler auf einmal! Da brachte ich die Hand nicht aus dem Sack und das Geld nicht. Selbst des Nachts stund ich auf, um es zu zählen.

Ich zahlte nun dem alten Schulmeister meine Schuld, versprach das Bett baldmöglichst zurückzugeben und konnte mir in Kleidern aller Art etwas zurecht helfen. Ich borgete dem Gelde nicht. Ich dachte, bei so großem Verdienst und so wenig Verbrauch für Kost möge es etwas erleiden. Ich kaufte mir einen Spiegel und das noch einen recht schönen; denn in den Fensterscheiben konnte ich mich nie nach Herzenslust betrachten. Das Tubaken gefiel mir auch gar wohl, oder vielmehr nicht das Tubaken selbst, denn es kostete mich anfangs eine rechte Überwindung, eine Pfeife in den Mund zu stecken, und manche herzliche Ergießung, sondern die Pfeife und die Postur, die man macht, wenn man eine Pfeife im Gesicht hat, gefielen mir. Es schien mir einer viel großer zu sein, wenn er an einer saftigen verstockten Pfeife sich die Lungen aus dem Leibe ziehen und die Backen aufblasen konnte wie Dampfkessel. Und wenn einer auch nicht zieht am Lulli, wenn er es nur aus dem Busen oder dem Lyblistäschli kann herausblampen lassen um Brust und Hals und Kinn, so hilft es ihm viel nach. Das gab nun ein Händele und Prächtle mit Tubakpfeifen, beschlagenen und unbeschlagenen, das mir gar viel Geld aus dem Sack nahm. Eine Uhr war schon lange mein größtes Gelüsten gewesen. O, wie hatte ich die beneidet, welche sich mit den Beinen weit auseinander verstellen, eine Uhr aus der Tasche ziehen und sagen konnten, welche Zeit es sei. Ich hatte es bis dahin zu keiner gebracht. Jetzt schien es mir eine Notwendigkeit, eine anzuschaffen; denn ein Schulmeister soll doch wissen, was es an der Zeit ist, und wo kein Kilchenzyt ist, da soll er das Kilchenzyt sein, so wie er auch das Kilchenlicht vorstellen soll, wo kein anderes brennt und leuchtet. Da ich jetzt Geld hatte, so säumte ich nicht langer, sondern stillte meines Herzens Wunsch und kaufte einen silbernen Bräter. Der hatte es aber wie ein koldrig Roß; wenn man am besten daran war, so stund er stille wie ein Bock und war mit keinem Lieb weiter zu bringen. Ich mußte doktern lassen und da das wenig half, so fing ich an zu händelen mit der Uhr, bekam eine schlechtere um die andere, und das Nachgeld, das ich allemal legen mußte, hätte fast zu einer goldenen hingereicht.

Wenn man in die Welt trittet, so kostet es allenthalben Geld und Lehrgeld. Es kostet Geld hier für einen Schoppen, dort für eine Halbe. Man zieht des Sonntags aus. Wie die Mädchen, unter dem Vorwand, ein Rad zum Dräyer oder Tuch auf die Bleiche zu tragen, Stunden weit laufen, um einen halben oder ganzen Schoppen trinken zu können, so laufen die Bursche zu einem Uhrenmacher u., laufen manchmal z'Berg und z'Alp, alle jene vorgenannten Gelegenheiten nicht gerechnet. Oft, wenn sie nicht laufen mögen, oder das Wetter schlecht ist, läßt man Herzstärkung holen. Das alles kostet Geld und auch Lehrgeld. Wenn man Romane liest, so findet man darin Leute, welche auf anderer Leute Kosten zu leben wissen; man gibt ihnen einen gar vornehmen Namen, und nennt sie Glücksritter. Das sind Menschen, welche glücklich oder falsch spielen, unter jedem Vorwand Geld leihen, ohne es wieder zu geben; schmarotzen, wo sie können und mögen; sich als Freunde aufdrängen mit rühmen und schmeicheln, um einem unbemerkt das Hung nehmen zu können. Solche Glücksritter gibt es aber auch in Zwilchkitteln. Man liest von Spielern, die in die Bäder reisen und zur Zeit der sogenannten saison in die Hauptstädte; aber mein Gott, von denen der gleichen Art, die alle Donnstage auf Burgdorf, alle Dienstage auf Langenthal gehen, liest man gar nichts. Noch viel weniger liest man von den Knechtleins und den Bauernsöhnchen, die das gleiche treiben; die immer etwas gwerben wollen, um immer zu gewinnen; die einen antreiben unter dem Vorwand, nur zu kurzwylen, und die dann, wenn man einmal angedreht ist, den Satz immer höher treiben und ihrer erlaubten und unerlaubten Künste sich immer ungescheuter bedienen, je hitziger und also auch je blinder der Gegner wird. Auch von denen liest man nicht, die nie Geld im Sack haben und bei jedem Anlaß sagen: »Zahl doch für mi, i ha 'sGeld i de angere Hose vergesse, ih will dr's morn ume bringe,« und die dann nie mehr daran denken. Auch von solchen nicht, die alle Augenblicke einen guten Schick zu machen wissen, aber gerade das Geld nicht vorrätig haben, und es entlehnen wollen und vielleicht noch guten Zins versprechen, und die, wenn sie es einmal haben, den Buckel voll lachen und einen am Ende höhnen, wenn man sie mahnt.

Natürlich müssen diese ihre Künste bei Neulingen, Anfängern treiben, und je schüchterner und eitler einer ist, desto mehr wird er gezehntet. So geschah es mir auch tüchtig, und geschah mir nicht nur von Glücksrittern der gemeinsten Art, sondern noch von Leuten, bei denen man es wahrhaftig nicht vermutet, denen man mehr Ehrgefühl zugetraut hätte. Es ist aber um das Ehrgefühl eine ganz kuriose Sache. Das Ehrgefühl ist selten gegründet auf den wahren Grund. Der wahre Grund ist die rein christliche Sittlichkeit, ihre Ausübung bringt wahre Ehre, ihre Vernachläßigung erzeuget Flecken an der Ehre. Es ist selten einer ohne Ehrgefühl; aber er baut es aus einen eigenen Grund, auf die Thorheit seines Herzens oder die Mode seines Standes. Es schämte sich mancher für einen Kreuzer zu stehlen; allein in Handel und Wandel um Kronen zu betrügen, schämt er sich nicht nur nicht, sondern rühmt sich noch dessen. Es würde mancher wüste Händel anfangen, wenn man ihm Schelm sagen thäte; aber öffentlich im Spiel zu betrügen schämt er sich nicht. So würde ein gewisser reicher Bauernsohn sich schämen, ein Almosen anzunehmen von einem Reichen; aber von einem armen Teufel bei Gelegenheit sich eine Halbe zahlen zu lassen, ist ein Herrenfressen für ihn.

Kurz das Ehrgefühl der Menschen ist eine gar wunderliche Sache, und es würde nicht schaden, wenn viele das ihrige untersuchten. Ich wette, noch mancher würde kaput. Diese Dinge alle kannte ich einfältiger Gali nicht, aber ich erfuhr sie. Ich hielt es anfangs für eine gar große Ehre, wenn ich mit Geld andern aushelfen und gar noch einem reichen Baurensohn unter die Arme greifen konnte. Und wenn es in einem Wirtshause hieß: »Schumeister zahl du, mr we dr 's de ume gäh«, so hatte ich eine große Meinung und war nicht nur immer parad dazu, sondern bot mich noch an. Eben so viel darauf hielt ich, wenn sie an verlornen Abenden zu mir kamen, etwas zu gwerbe und kurzwyle. »Schumeister«, sagte mir dann gewöhnlich einer am Morgen, »lah doch de e Halbi oder e Maaß reyche, mr chömme hinecht, mr wey dr's de ume gäh«. Ich postete ein Schulkind mit dem Auftrage, lieferte das Brot dazu, und merkten sie, daß noch irgendwo eine Wurst war, so wußten sie die mir auch noch abzulocken. So lieferte ich das Brot, und von dem ausgelegten Geld erhielt ich selten etwas zurück.

Als der Winter kam und das Kinderlehre wieder anging, kam einst einer mit einer alten Klarinete zu mir und demonstrierte mir folgendes vor: es wäre gar kurzwylig, wenn ich auch öppis machen könnte am Sonntag nach der Kinderlehr oder an einem Abendsitze, das hülf mr allweg viel und bsunderbar beim Singen. Ich könne grad e chly druf; er well mr zeige, wie me's mach u de chönn i's noch besser lehre. Er malte mir das Ding gar schön aus, pries dann das Instrument an, das einem vornehmen Herrn gehört haben sollte, und blies mir ein Stück auf demselben vor, so daß eine Maus, die sich schreckensvoll flüchtete, mir das Tintengütterli umwarf. Ich aber horchte mit großem Wohlgefallen, und je mehr die Töne hurch Mark und Bein gingen, desto besser gefielen sie mir. Ich dachte an die Ohren, die ich bezaubern, an die Herzen, die ich erweichen, an das Erstaunen, das ich erregen werde. Mit Herzklopfen nahm ich das wundersame Ding zur Hand, ließ mir die Finger auslegen und blies nun und blies, und wie? Mein Lehrmeister erklärte: ich könne das grad, er ghöre das schon; es sei ihm noch keiner vorgekommen, der so watlich tha heyg und so styf blase. Man kann sich denken, baß ich den Blasbengel nicht mehr aus dem Hause ließ und mich glücklich schätzte, ihn um zwei Kronen einzuhandeln. Nun war ich ein glücklicher Mensch! Das Weben und fast auch die Schule vergaß ich über dem Klarineten. Höllentöne durchschauerten halbe Nächte das Haus, und doch gab es Leute, die mir andächtig mit wahrer Wohllust zuhörten. Gibt es Leute mit Büffelleder um die Herzen, warum sollte es nicht auch Leute geben mit Büffelleder in den Ohren? Ich ruhte nicht, bis ich einen Tanz konnte und dann ein Gellertlied. O wie glücklich war ich, als ich das erste mal in der Schule mit geheimnisvoller Miene sagte: »Mr wey neuis probiere!« dann ein Kind das Instrument holte und ich nun Töne angab damit und doch mit dem Munde auch noch, dann zuerst anstimmte und schnell wieder blies mit vorgebeugtem Kopf und Leib, mit Leib und Fuß den Takt schlug; manchmal schnell und halb außer Atem ein paar Töne sang, und dann wieder blies und rundum mich drehte und das Instrument bald dem einen bald dem andern gegen die Ohren richtete, um ihm Verstand zu machen. Ja da war ich glücklich und die Kinder auch. Sie glühten ten vor Freuden und strengten ihre Stimmlein an, daß man die Augen mit einem Zwilchhändsche hätte nehmen können, um so laut zu singen als ich klarinetete; aber ich gab nicht lugg, und als wir zu Ende waren, war's als ob die Wände zitterten, und wir wußten einige Augenblicke nicht, stunden wir auf dem Kopf oder auf den Füßen, so agryflich hatten wir es gemacht. Ein alter Bauer, der vorbei ging, sagte: so schön hätte er noch nie singen hören, es sei fry dür ihn düre gang« u heyg ihm fry dAuge übertriebe.

Nicht lange ging es, so kam einer mit einer alten Geige zu mir und machte mir begreiflich, dieses Instrument sei weit komoder für einen Schulmeister, er könne geigen und singen zu gleicher Zeit, auch sei es gar leicht zu lernen, man müsse nur die Finger immer am rechten Orte haben. Lange ging es nicht, so hatte er die Geige mir um drei Kronen angehängt, und ich geigete und klarinetete nun abwechselnd nach Herzenslust und zu großer Freude vieler. Doch kam einmal der Nachbar zu mir mit der Bitte, nachts nicht so lange zu fechten; sein Güggel möge es nicht erleiden, sondern erwache, und krähe dann das ganze Haus aus dem Schlafe auf. Um Fried und Ruhe willen richtete ich mich nach dieser Bitte; aber es dünkte mich doch eine strenge Sache, daß ein Schulmeister sich nach einem Güggel richten mußte.

Nun fing auch das Händelen mit diesen Dingen an. Es war, als ob im ganzen Kanton austrompetet worden wäre: der Schulmeister auf der Schnabelweid sei ein Gygenarr, und z'handle mit ihm sei nicht bös. Wo irgend einer eine verrostete Geige oder eine verlechnete Klarinete hatte oder wußte, stieg er mir auf den Leib, und wollte mich glücklich machen mit einem Instrument, wie es auf der ganzen Welt nicht mehr gebe. Mit gewichtigen Mienen probierte man meine Geige und sagte dann, sie sei auch gut, man hätte es nicht geglaubt; aber ich solle jetzt die ihre auch probieren, wie die ganz anders töne, ich werde es selbst sagen müssen. Dann fing man ein langes und breites an zu erzählen, wie hier und dort die Leute verwundert gewesen seien darüber und gesagt, sie wüßten doch auch was Geigen seien, aber so eine wäre ihnen noch nie vorgekommen, und wie viel man mehrmals hätte lösen können, aber damals sei sie nicht feil gewesen und wäre es auch jetzt eigentlich nicht; aber entweder war Mangel an Platz oder Geld, oder man hatte eine noch bessere und brauche nicht zwei, oder der Bueb wolle es nicht lernen. Wenn die Leute so redeten und meine Sachen auch noch rühmten, und besonders wenn sie sagten: me ghör grad, daß ich ein Meister sei, und es wäre ewig schade, wenn ich ihr Instrument nicht bekäme; ume so eim grad ane möchte si's nume nit gäh, da kam mir nicht von ferne in Sinn, daß ich ihnen nicht sollte glauben können. Es fiel mir nicht ein, daß Leute ganze Geschichten, an denen kein wahr Wort ist, ersinnen, lügen können wie gedruckt. Mit Schweinhändleren und Kühhändlerm hatte ich damals noch nie zu thun gehabt. Ich meinte mich ordentlich, daß die Leute es so gut mit mir meinten, und so herrliche Dinger mir brachten. Es that mir gar wohl, wenn sie so weit her kamen, und je weiter, um so wöhler; denn da müsse ich doch weit und breit bekannt sein, hatte ich das Recht zu glauben. Daß man auf verschiedene Weise bekannt sein könne, fiel mir nicht ein. Ich gebärdete mich wie ein Kunstkenner und schüttelte mit dem Kopf den Takt und trappete ihn mit dem Fuß und verstund doch nichts davon, sondern glaubte den Leuten alles; aber je besser sie sich stellten, als verehrten sie meine Kennerschaft, sdesto besser konnten sie mit mir handeln. Und daß ich nichts verstund, wußte ich nicht; daß es aber die Leute wußten und mich zum besten hielten, merkte ich nicht. Es ist jetzt mein einziger Trost, daß ich mit solcher Kennerschaft nicht der einzige Narr war, sondern daß ich gar viele Leidensbrüder habe und noch dazu gar vornehme. Ja es ist vielleicht kein Mensch auf Erden, der nicht meint, er verstehe etwas grundgut, und versteht doch so wenig davon, als ein Hopi von dem Klarineten. Und je dümmer ein Mensch ist, desto mehr begegnet ihm das, desto mehr spricht er ab, fällt Urteil über Dinge und Menschen. Ich will hier nicht von der eigentlichen Kunstkennerschaft reden, sondern von den Kennerschaften überhaupt. Wie Bäbi räsoniert über den Schulmeister, er könne nicht schulen, und Vreni über den Pfarrer, er könne nicht predigen, und beide styf und fest behaupten, sie wollten es besser machen, so meint ein anderer: er sei die wahre Posaune der Gesittung. Zu diesem Ende erfindet er siebensilbige Schimpfwörter, und als Mittel braucht er Küherknechte, Reitpeitschen, Lügen und Verleumdungen. Unterdessen kam ich um mein Geld und zu mehreren Geigen und Klarineten. Man wollte nicht immer tauschen und spiegelte mir prächtige Schicke beim Kauf vor, und ich glaubte. Aber die Schicke wollten nicht kommen. Man rühmte mir meinen Grümpel als Meisterwerke, rühmte, daß im ganzen Land gewiß kein so geschickter Schulmeister sei, der vier Geigen und fünf Klarnet besäße; aber abkaufen wollte mir niemand. Da kam einmal einer und sagte: es düech-ne doch kurios, daß ich nicht das Orgele vornehme. So-n-e Gschichte, wie ich sei, hätte das in ein paar Tagen gelernt, und das sei doch komöder und schöner in den Kinderlehren, als eine Geige, und trage gar viel ab. So ein Organist habe bis 10 Kronen und noch mehr, und dafür brauche er nichts zu machen, als alle Sonntage in die Kirche zu gehen.

Potz tausend, wie schlug das bei mir ein! Im Geiste sah ich mich schon auf der Portlaube der Kirche an der Orgel sitzen und alle Leute zu mir aufsehen und sich zuflistern: »Da cha's afe; es wird dä uf dr Schnabelweid sy; me het scho lang vo-n-em gseit, es syg gar grusam e gschichte«. Wie durch Hexenwerk waren mir auf einmal Geigen und Klarinete erleidet, und es dünkte mich, wenn ich nur schon eine Orgel hätte und kein Klarinet und keine Geige mehr sehen müßte. Der Schalk mochte auf meinem Gesichte gar deutlich merken, was vorging. Was er im Schilde führte, das merkte ich nicht. Wer handeln will, muß aber auf solche Gesichter und Absichten merken und die seinigen zu verhüllen suchen. Das ist eine Regel, die vom höchsten bis zum niedrigsten giltet, vom Handel um ein Land bis zum Handel um ein Dünkel-Tannli, von Louis Philipp weg bis zum Waurer-Vreni, das mit Kaffee und Seife husierte. Wer sich selbst verdecken, die andern erraten kann, der hat gewonnen Spiel. Ach darum auch muß die teure Eidgenossenschaft eine so traurige Figur in der Diplomatik spielen. Da meint jeder Garnhändler und jeder Uhrenmachergeselle, jede Base und ganz besonders jeder Tagsatzungsheld, er vereinige alle Weisheit in sich, und die ganze Eidgenossenschaft könne nur dann gerettet werden, wenn sie seine Ratschläge befolge. Wenn daher einmal die arme eidgenössische Weisheit in Anspruch genommen wird, da geht es los, daß man toll werden möchte. Die ganze Eidgenossenschaft scheint in einen Fröschweiher verwandelt zu sein, und die Frösche darin alle in der Paarungszeit, dem Geschrei und dem Gequake nach, das herz- und ohrzerreißend aus allen Schlünden und Thälern kömmt; denn jeder Frosch meint, wenn er nicht am lautesten, unverschämtesten quake, so werde seine Stimme nicht geachtet. Und wenn dann endlich alle Welt weiß, was die Eidgenossenschaft will und weiß, und sich säuberlich darnach gerichtet hat, und die Repräsentanten der Eidgenossenschaft sprechen eine Ansicht oder eine Maßregel aus – hintendrein, wie die Mühle von Plemp, so geht der Höllenlärm von neuem los.

Jedes Vaterlandsfreundlein oder Fröschlein, dessen Meinung nicht befolgt worden, meint gegen die unseligen Folgen des Geschehenen sich verwahren zu müssen, damit nicht nach Hunderten von Jahren ihn noch der Vorwurf und die Schande treffe. In diefem Froschweiher spielen eine laute aber traurige Figur einige Erziehungshelden, wenn sie ihre bestäubten pädagogischen Weisheitsbüchsen öffnen, und mit pädagogischer Heftigkeit und Anmaßung in die Diplomatik hineinquaken als muntere erregte Frösche, aber als nichts weiter. Wahrlich sie dauren mich, die armen Männchen, daß sie dem Gelüsten, Volksmännchen zu spielen, nicht widerstehen mögen; wahrlich sie dauren mich, daß die Hoheit ihres Berufes ihnen nicht eine größere Tiefe gibt; sie dauren mich, daß sie nicht Felsen zu sein vermögen, welche in unerschütterter Ruhe die Brandung ertragen, sondern eben nur Frösche; ja sie dauren mich, daß sie Sturmvögel geworden, bei deren Erscheinung jeder erfahrene spricht: »Gebt acht, es gibt strub Wetter, e Blost.« Darum nun, weil die Eidgenossenschaft zusammengesetzt scheint aus zwei Millionen lauter Peter Käfer, damaliger Schulmeister auf der Schnabelweid, so geht es ihr gewöhnlich wie mir mit meinem Orgelhandel – man lockt sie wohin man will und gibt ihr dann den Tätsch.

Ich fing freilich verblümte Reden an und sagte: ich könne afe genug, und begehre nichts mehr zu lernen, und wenn ich schon wollte, so hätte ich niemand, der es mir zeige, und wenn man nicht immer spielen könne, so komme man nicht fort.

Er widerlegte mir eins ums andere, vergaß den nötigen Ruhm nicht und deutete mir von weitem an, das gescheuteste wäre, eine Orgel zu kaufen; sie stehe der Schulstube wohl an und trage mir viel mehr ein, als sie mich koste. Ich wehrte mich gerade wie ein Meitschi, daß für sein Leben gerne zu einem Antrage Ja sagte. Ich meinte, so eine Orgel wäre schwer zu bekommen, und dann könne ich nicht all mein Geld (es war nicht mehr ds Tüfels viele) in solche Dinge stecken, ich hätte schon gar viel ausgegeben. Er drehte lange, bis er sich zu besinnen schien, eine zu wissen, wo ich vielleicht von meinen Geigen und Klarineten dagegen geben könne. So war eine sicher gut abgekartete Sache angesponnen, und da die Sucht nach einer Orgel stündlich wuchs, mich gar nicht mehr schlafen ließ, so kam ich zu einer fast ohne zu wissen wie. Sie kostete mich 70 Kronen baar, die Klarineten und Geigen, die ich dazu gab, nicht gerechnet. Man hatte diese (eine Geige ausgenommen, die ich behalten wollte) für 30 Kronen angeschlagen und die Orgel zu 100 Kronen. Ich meinte mich noch ordentlich, daß ich an meinen Instrumenten noch fast gewonnen hätte; ich bedachte nicht, daß die Orgel vielleicht nicht mehr als 50, höchstens 60 Kronen wert war. Zwar sagten mir alle Leute, sie dünke sie bsunderbar wohlfeil; aber so sagten sie mir nur, weil ich sie fragte: ob sie nicht wohlfeil sei? Wenn man die Meinung der Leute vernehmen will, so muß man es ganz anbers anfangen. Die gleichen Leute, welche mir ihre Wohlfeilheit priesen, lachten sich sicher kaum zwanzig Schritte von mir halb tot und sagten: »Üse Schumeister isch aber agschmieri worde; es nimmt mi Wunger, we dä o witzig wird; aber er wird's o ha, wie's im Lied heißt: »Damaße, Damaße, wenn wen mr witzig werde? Jo hossoso, du liebi Gret, wenn alle Narre sterbe!«

An der Orgel konnte ich sehr wenig bezahlen, obschon ich alles hingab, was ich hatte; den Rest versprach ich zu verzinsen, und dieser Rest betrug noch 65 Kronen! Diese Schuld betrug mehr als ein doppeltes Jahreinkommen, und doch lud ich sie mir ganz wohlgemut auf; ich dachte, ich hätte doch etwas dafür, was immer noch mehr wert sei als die Schuld, besäße also immer noch reines Vermögen. O Schulden machen ist gar eine leichte Sache, sie werden erst mit der Zeit schwer und immer schwerer. Das erfährt mancher, der ein Haus mit Schulden baut, um dem Hauszins zu entrinnen; mancher, der mit Schulden Land kauft, um keins mehr zu empfangen. Das Kaufen und Bauen ging leicht, aber das Behalten ist nun schwer, und sein ganzer Lebenslauf besteht oft darin, daß er von Ast zu Ast springt, bis endlich einer der äußern Äste unter ihm bricht.

Ich orgelete nun darauf los, um bald Organist werden zu können; und weil das Orgelen dem Güggel nichts machte, so trieb ich es halbe Nächte durch, und hängte das Weben immer mehr an den Nagel. Es verminderten sich nach und nach auch immer mehr die Geschenke. Ich führte zwar kein Buch darüber, und wog auch nicht das wägbare vor den Kindern, wie es wohl geschieht, aber ich mußte immer mehr Sachen kaufen, auch Milch und Brot; und wenn ich etwas zu kaufen kam, so gab es mW niemand mehr umsonst; das war gut gewesen für einmal. Im Gegenteil forderte man mir manchmal mehr als andern Leuten, aus dem Grunde, ich könne meinen Lohn gar ring verdienen an Schatten und Schermen.

Die Leute gaben mir weniger, wahrscheinlich aus manchen Gründen. Im Anfang wollte jedes ein Zeichen thun, eine gute Meinung von sich erwecken, hinter den andern nicht zurückbleiben, die Gunst des Schulmeisters gleichsam erkaufen. Auch der Gwunder, das armütige Wesen zu sehen, meine zwei Kacheli zu zählen und den mangelnden Spiegel zu suchen, trieb manches Weib an, mir etwas selbst zu bringen, was es nicht durch die Kinder geschickt hätte; und was die Mutter erzählte, trieb auch die Tochter her, die das Gleiche sehen und auch den Schulmeister in der Nähe betrachten wollte. Diese Gründe fielen nun von selbst weg. Man wird sich alt und gleichgültig. Es entstehen aber auch bald allerlei Mißverhältnisse, erzeugt durch allerlei Gründe, von denen ich nur den anführen will, daß es noch eine Menge Leute gibt, die meinen, durch Geschenke kaufe sich ein Kind nicht nur von Strafen los, sondern es erkaufe sich damit das Vorrecht, daß der Schulmeister ihm mehr zeige, als andern, es fleißiger bhöre, es weiter oben aus den Rodel setze. Man kann sich den Zorn dieser Leute gar nicht vorstellen, wenn die Geschenke nicht in allen Beziehungen diese Wirkung haben, und namentlich wenn ihr Lisabethli oder ihr Joggeli am Examen nicht oben an sitzen. Da vernimmt dann der Schulmeister Herzensergießungen, die ihm die Augen übertreiben, und fühlt es in der Tischdrucke. Nun war ich kein alter Praktikus, sondern ein junger ehrlicher Tschalpi. Man denke, wie viel ich in meiner Einfalt auf diese Weise gesündigt habe. Doch muß ich zu Entschuldigung meiner Bauren sagen, daß sie nicht die einzigen von dieser Nasse sind, sondern daß Leute, die auf große Bildung Anspruch machen, eben so gemein denken, oder nicht leiden mögen, wenn ihre Kinder weit unten sitzen, indem sie erstlich nie glauben, daß die Schuld ihrer Ungeschicklichkeit am Fabrikanten selbst liege, sondern sie der Methode des Lehrers zuschreiben, und zweitlich durchaus nicht dulden wollen, daß das weit unten sitzen der Kinder an den Examen durch vernünftige Einteilung bemerkbar werde.

Eine der wichtigsten Ursachen aber, warum man mir die Spendmütschen und Spendwürste entzog, war sicher meine Gastfreiheit gegen die Nachtbuben. Wenn am Morgen beim Essen ein Knecht oder ein Sohn die Bemerkung machte, gestern abend habe er auch von diesem Brot gegessen, und es dann herauskam, daß es beim Schulmeister gewesen, so kann man sich denken, was die alten sagten. Natürlich ist's freilich, daß man dem Schulmeister nicht Geschenke bringt, damit er die Kiltbuben anlocke und abfüttere. Wenn das so gemeint sei, war gewöhnlich der Schluß der Rede, so wollten sie es selber fressen, und wenn sie es nicht selbst möchten, so gebe es noch andere Leute, die es nähmten, als die Nachtbuben.

So wurde geredet im einfachsten Falle, aber es gab noch ein zusammengesetzter, dann ging es ganz anders los. Wenn von den Buben noch Bemerkungen gefallen waren über Brot oder Würste, z. B. Hanse Durs habe den Roggen nicht gespart; dGrichtsäßi hätte früher auf sollen um zu kneten; sie liege, scheine es, gerne lange; dsKreuz-Trini habe der Speck gereut, seine Würste seien trocken wie ein Käferf....; es scheine, dsBannwarts Frau habe aber kein Geld gehabt, um Kuchipulver zu kaufen, man spüre in den Würsten nichts als Knoblauch; und wenn dann dieses beim z'Morgenessen in allen Häusern verhandelt wurde, so kann man sich denken, in welche Wut die Betreffenden geraten mußten.

Denn so verhandelt zu werden wegen Würsten und Brot, die man noch dazu zum Geschenk gegeben, das ist mehr als eine erleiden mag. Gutes Brot backen gehört zur Reputation einer Frau, und ist einer der chutzlichsten Punkte; darum muß ihr auch gewöhnlich der Mann dabei helfen. Wenn dann eine noch mästen kann und kücheln, und allfällig noch strehlen und züpfen ohne fremde Hülfe, dann ist sie eine ausgespitzte (oder in alle Spitzli gestochene), wie man zu sagen pflegt, und sie trägt ihr Haupt so stolz, als wenn ein Basler oder Zürcher oder Berner Doktorhut darauf säße. Dann aber verhandelt zu werden und noch dazu von den Nachtbuben, wo einer nichtsnutziger ist als der andere, wenn es giltet die Leute auszuführen, und von diesen in allen Häusern herumgetragen zu werden, das war eine Sache, welche die empfindlichste Seite traf, und welche natürlich der Schulmeister entgelten mußte. Nicht nur die wurden erbittert, über welche die Kritik ergangen war, sondern auch die andern Bäuerinnen sagten: Nein, beim Dolder, wenn das so gehen muß, so kann er sehen, wer ihm etwas bringt; in der Nachtbuben Mäuler will ich nicht; ich weiß, was die können, wenn sie bei einander sind; da ist einer schlimmer als der andere. Sie hatten Recht, sie kannten die Nachtbuben, die aber auch ehedem viel mehr Witz hatten als jetzt, wie die übrige Welt auch; denn der Witz ist ein Kind der Natur und nicht der Kunst. Sie wußten, was die Nachtbuben alles anstellten, um hinter die innersten Geheimnisse einer Haushaltung zu kommen, um zu wissen, wie in jeder gekocht und hantiert werde, und was demgemäß von den Töchtern als künftigen Hausfrauen zu erwarten stehe. Es mochte eine halb aus Mißtrauen in ihre Kunst, halb aus Mißgunst, daß sie ihr niemand ablerne, noch so heimlich alles thun, keine Magd über ihre Kochkunst guggen lassen, mochte um Mitternacht kücheln, die Nachtbuben kamen ehedem doch darüber, und erdachten sich dazu die lustigsten Streiche und scheuten keine Mühe.

Nachdem ich mich selbst so auf das Trockene gesetzt und doch fast täglich Ausgaben hatte, kam eines Tages ein Wägeli vor das Haus, und der Fuhrmann erklärte mir: er sei Knecht bei dem Bauren, der mir das Bett geliehen hätte, und er komme dasselbe abzuholen. Die Meisterfrau lasse mir sagen, sie mangle das Bett nun gar übel; sie ließen bauen und müßten viele Handwerksleute über Nacht behalten, so daß sie fast nicht Gliger genug hätte.

Ich mußte das Bett verabfolgen lassen, ohne daß ich wußte, wo ich in der Nacht liegen solle. Mir hätten nun die Augen aufgehen sollen, wie es einem gehe, wenn man gänggele statt das Nötige sich anzuschaffen; wie man in Verlegenheiten kommen könne, wenn man jedes aufsteigende Gelüsten befriedigen wolle und sich selbst einzuwiegeln suche in Sorglosigkeit durch thorrechte Rechnungen in die blaue Luft hinaus. Ich hätte böse über mich werden sollen, daß ich es darauf ankommen kommen lasse, mir geliehene Sachen wegnehmen zu sehen und auf dem Boden schlafen zu müssen, während ich gar füglich ein schönes Bett hätte anschaffen können, wenn das Händeln mit Tabakpfeifen, Uhren, Geigen, Klarinetten, Orgel und alles andere nicht gewesen wäre. Statt dessen wurde ich böse über die guten Leute, die mir über zwei Jahre ein Bett geliehen hatten und sich endlich unterstunden, ihr Eigentum zurückzufordern. Ich lief in ein Haus und klagte dort, wie uverschant man es mir gemacht habe, und ersuchte um ein anderes Bett. Die Leute waren nicht dumm. Sie halfen mir schimpfen, sagten, das müßten doch wüste Leute sein. Aber ein Bett zu geben, schicke sich ihr wäger gar nicht diesen Augenblick, sagte die Bäuerin, sie habe die Fassene aufgethan, um sie waschen zu lassen, und die Federn seien in einem Bocki im Spycher. Aber an meinem Platz wollte sie sich nicht lange besinnen, sondern ein eigenes machen lassen. Ich werde wohl bald wybe wollen und ein eigenes Bett sollte ich notti haben. Ich solle nur die Kosten nicht scheuen; eine reiche Frau und eine schöne Ehesteuer werden mir ja nichi fehlen. Unterdessen, bis das Bett fertig sei, könne ich bei ihrem Hans schlafen, er lieg alleine und hätte ein Bett wie die Huttwyler Allment.

Das leuchtete mir ein. Ich lief über Hals und Kopf zum Krämer und wollte ein Bett kaufen, im Wahn, er habe deren vorrätig so gut als geröstetes Kaffeepulver. Ich mochte eben nicht lange bei Hansen sein; er brauchte nicht zu wissen, wie oft ich des Nachts fort ging und wann ich wieder kam. Aber zu meinem großen Leidwesen wollte die Krämerin keine aufgerüsteten Bette haben; sie sagte: ein jeder Mensch habe seinen Gring, und wenn man eine Sache dä Weg habe, so wollen sie die Leute dr anger Weg; aber die Sachen dazu hätte sie, Federn und was man sonst brauche; ich soll nur sagen, was für Gattig ich wolle und wie viel von einer jeden. Du lieber Himmel, was man doch einem Schulmeister alles zumutet! Nun sollte ich wissen, was und wie viel man zu einem Bett brauche; ich hatte mein Lebtag nichts anders von einem Bett gewußt, als daß ein Bett ein Bett sei, daß man darin schlafe und daß es weicher oder härter sein könne. Da fing die gewandte und in den Leuten wohlbewanderte Krämerin (darum ist auch meist eine Krämerin besser als ein Mann, weil sie ihre Leute besser kennt und jeden nach seiner Art zu behandeln weiß, während der Krämer seine Ware besser kennt, aber die Menschen schlechter) an, mir vorzulegen und in die Weite und Breite zu erzählen, die einen Leute nehmen von dem, darum, und andere von jenem, und wieder darum; die einen brauchten so viel und andere nur so viel. Sie flößte mir so viel Zutrauen ein in ihre Einsicht und Gutmeinenheit, daß ich auf ihren Rat alles ankommen ließ. Am Ende war ich aber wieder in großer Verlegenheit, wer mir das Bett nun machen könne? Auch da erbarmte sie sich und sagte: sie kenne eine geschickte Näherin; wenn ich es begehre, so wolle sie mit dieser reden, und mir alles besorgen, wie wenn es für seye wäre. Einen rechten Stein wälzte sie mir mit diesem Anerbieten vom Herzen, und ich konnte ihr nicht genug für ihre Bereitwilligkeit danken. Daß so ein junger Kerli, der weder Gix noch Gax von einem Bette versteht, als darin zu liegen, ein wahrer Schleck für eine schlaue Krämerin sei, wenn sie ihm eins kann machen lassen, daran dachte ich nicht, als ich so inbrüstig dankte.

Endlich kam mir doch in Sinn zu fragen: was das alles dann koste? Du liebe teure Zeit, wie fing es mir an zu gruseln und zu gramsein, als sie bei dem Strohsack anfing, vom Unterbett zum Dackbett, von den Fassenen zu den Federn kam, immer eines teurer als das andere, so daß das Bett fast halb so teuer kam, als die Orgel. Trotz allem meinem Hochmut und Leichtsinn konnte ich es doch nicht über mich erhalten, nicht ein Gesicht zu machen, wie ein Schaf und mit beklemmter Stimme zu klagen: das sei doch gar teuer, und ob man es denn nicht wohlfeiler machen könne? Die Krämerin sagte, man könnte wohl schlechtere Sachen nehmen, aber sie rate es mir nicht; das wohlfeilste sei am Ende doch immer das teuerste. Ich mußte mich ergeben. Nun mußte ich mit schwerem Herzen bekennen, daß ich jetzt nicht Geld bei mir hätte; aber sobald mir eingehe, wolle ich bezahlen. Die Frau machte mir das Schuldigsein gar leicht, machte mir weiß, es pressiere ihr mit dem Gelde gar nicht; ich solle nur machen, wie es mir komod sei, und wie die Redensarten alle heißen. So treiben es die Leute. Fängt man an Schulden zu machen, so hält sich selten ein Mensch dafür, daß er nichts dings gebe, daß er nicht warten könne; da ist lauter guter Bescheid, und kein Mensch mangelt Geld. Merkt man aber, daß der Schuldner in der Klemme sitzt, dann mangelt auf einmal jeder Geld, und jeder bestürmt ihn mit Vorstellungen, wie er in Verlegenheit sei, hier und dort zu zahlen habe, und es nicht machen könne, wenn er nicht bezahlt werde.

So machen es aber nicht nur Krämer oder gemeine Leute. Es rennen und fahren eine Menge Menschen in der Welt herum, und, wenn man sie reden hört, allein zum Nutzen der Welt. Sie dringen ihre Waren auf, als ob es keine solchen mehr gebe, um einen Spottpreis, wie sie sagen, bloß um des Artikels los zu werden, oder weil sie es viel wohlfeiler geben könnten als andere Leute; und ums bezahlen brauche man sich nicht zu kümmern, sie seien gar nicht so geldhungrig wie andere. Wenn dann das arme Krämerlein sich bethören laßt, so kömmt Ware mehr als er verlangt, anders als er geglaubt, und ein Wechsel, ehe er daran denkt, und er kehrt die Beine gen Himmel, ehe er sich's versieht.

Mit Not und Angst konnte ich den Macherlohn zahlen. Die Bettstatt blieb ich schuldig und nach und nach manches kleine Bedürfnis. Aber das muß ich sagen, wohl schlief es sich im eigenen Bette. Ich probierte es hinten und vornen, und immer da, wo ich war, lag ich am wöhlsten. Am Morgen konnte ich gar nicht daraus, und den ganzen Tag dünkte es mich, wenn es nur Abend wäre, daß ich wieder hinein könnte, und träumen könnte, wie Stüdin das Bett gefiele und die Orgel, und was ich aus den Kühen ziehen wolle?

Wie es mir aber mit Stüdin ging, wißt ihr; daß ich in der Klemme sitze, seht ihr; aber ich fühlte es damals noch nicht; fühlte es nicht, daß ich mir selbst den Boden unter den Füßen abgrub, nicht nur ökonomisch, fondern auch sittlich.


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