Friedrich Gerstäcker
General Franco
Friedrich Gerstäcker

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18.

Nach Camino real.

Wir haben das Franco'sche Lager nach Fortunato's Flucht verlassen, wo Barbadoes wie ein Wüthender die Treppe hinabfuhr und Belohnung über Belohnung auf Einbringung des Flüchtigen setzte. Das aber war ein schweres Stück Arbeit.

Ehe ihn nur Jemand verfolgen konnte, hatte er – durch den Sprung auf den Bananenstamm, der mit ihm zusammenknickte, nicht im geringsten beschädigt – unter dem Schutz der breiten deckenden Blätter hin seine Flucht bis zu der Umzäunung fortsetzen können. Draußen stieß der Platanar aber an ein fast eben so dichtbewachsenes Yukafeld, dessen gerade Reihen ihn wohl noch etwas gefährdet hätten, wenn einer der Bewaffneten dort schon mit seinem Gewehr gewesen wäre. Ehe sie sich aber nur über die Richtung klar geworden waren, die er genommen haben könnte, hatte er das Ende auch dieses Feldes erreicht, durchschritt eine schmale Baumwollenpflanzung und tauchte wenige Minuten später in das Walddickicht selber ein, in dem eine Verfolgung bei der einbrechenden Nacht positiv unmöglich wurde.

Die Soldaten hetzten freilich noch eine Weile in den benachbarten Feldern herum und feuerten auch hier und da ihre Gewehre ab, um den Major glauben zu machen, daß sie scharf auf der Fährte des Flüchtigen seien; einen Erfolg erreichten sie aber durchaus weiter nicht, als daß sie dem Fliehenden genau die Richtung angaben, wo sie sich befanden, und als die Nacht völlig eingebrochen war, kehrten sie einzeln und ohne sich weiter zu melden, zu ihren verlassenen Lagerfeuern zurück. Fortunato war frei und hatte jetzt nur die Schwierigkeit zu überwinden, die ihm das wilde Terrain entgegenstellte.

Franco kochte vor Zorn, und sein Grimm steigerte sich, da er eigentlich Niemand hatte, auf den er die Schuld wälzen konnte, als eben den Major. Den überschüttete er nun mit den gemeinsten und pöbelhaftesten Schimpfworten. Barbadoes hielt geduldig still, bekannte de- und wehmüthig, daß er einen Fehler begangen habe, indem er nicht vorher den ganzen Platanar mit Militär besetzen ließ, daß sich der Hinabspringende in den Bajonnetten hätte spießen müssen und – bat den General um Verzeihung – schwor aber dabei, daß er nicht ruhen noch rasten wolle, bis er den Schuft, der sich nicht gutwillig hatte hängen lassen, mit eigenen Händen wieder eingefangen und an den nächsten Baum aufgeknüpft habe. Dann führte er, um seinen Privatzorn doch auf irgend Jemand zu übertragen, die beiden gefangenen Officiere, die dem Treiben ruhig, aber mit dem gespanntesten Interesse zugesehen, in strenge Haft, und zwar in die schräg gegenüberliegende Brennerei ab.

Dort wurden sie in eine kleine Kammer eingesperrt, in eine Art von Keller, der zufällig leer stand, weil die Soldaten die frische kühle Nachtluft diesem eingeschlossenen, dumpfigen Raum vorzogen, und dort unter scharfer Bewachung ohne frische Luft und ohne alle Bequemlichkeit allein gelassen.

Am nächsten Morgen ertönten wieder in aller Frühe die Signalhörner, und Barbadoes hatte nicht übel Lust, neue Streifpatrouillen nach dem Entflohenen auszusenden. Franco wußte aber nur zu gut, wie völlig nutzlos das sein würde, und befahl, zum Aufbruch zu blasen. Das Frühstück sollte später in einem der nächsten Thäler, wo es Holz und Wasser im Ueberfluß gab, gehalten werden.

Hierbei zeigten sich ihm aber die Gefangenen unbequem. Am liebsten hätte er sie freilich mitgeführt – und wäre es auch nur gewesen, um sie zu züchtigen. Einestheils machte das aber eine Menge Schwierigkeiten, und dann fürchtete er auch, daß sie noch mit dem übrigen Officieren Verkehr halten und diese ebenfalls aufreizen könnten. Das Beste war also, sie zurück zu senden, und mit zusammengebundenen Händen wurden sie vier Mann mit geladenen Gewehren übergeben. die strengen Befehl bekamen, sie ohne Weiteres niederzuschießen, sobald sie den geringsten Fluchtversuch wagen sollten.

Beide protestirten dagegen und verlangten auf ihr Ehrenwort, nicht wieder gegen Franco zu dienen, freigelassen zu werden; aber was wußte der Mulatte von einem Ehrenwort, und der Major lachte geradezu über eine solche Forderung. Jede Widerrede war nutzlos, und zu Fuß, mitten zwischen der rohen Escorte, mußten sie den Rückweg nach Guajaquil antreten.

Es war indessen fast sieben Uhr geworden, ehe das Heer in vollständige Marschordnung kam und sich in Bewegung setzen konnte. Der Marsch selber ging auch heute nicht besser, der Weg war sehr schmal; ein gerade in die Straße gestürzter starker Baum hielt den Maulthiertrupp, der den Ort nicht passiren konnte, ehe dieses Hinderniß weggeräumt war, ebenfalls lange auf, und außerdem zog sich der Pfad von hier ab ziemlich steil bergauf in die kälteren Regionen hinein.

Auf dem nächsten Hügel hielt Franco, um die langsamer nachrückende Masse zu erwarten, und jeder Andere an seiner Statt würde in dem Anblick dieser Scenerie, die sich hier dem entzückten Auge bot, geschwelgt haben.

Vor ihm ausgebreitet, als er den Kopf seines Thieres zurückwendete, lag das flache Land, aus dem die hellgrünen Platanare und Zuckerrohrfelder der heute Morgen verlassenen Hacienden noch klar und deutlich herüberschimmerten, während darüber hinaus der zarte Duft, in den das Bild zerfloß, die riesige Fläche des Stillen Oceans zeigte.

Links davon thürmten sich, in grauen nebelhaften Umrissen, die gewaltigen Bergmassen des Sangai, dessen mächtiges Grollen aber noch manchmal bis zu diesen Hügeln hinauftönte, und während das Land hier, unmittelbar neben dem Reiter, zu einem mit Gebüsch bewachsenen, zerrissenen Thal hinablief, begannen zur Rechten schon die dichtbewaldeten Hänge der Vorberge des Chimborazo. Hier aber waren sie noch überall mit Palmen dicht bestanden, deren gefiederte Blattkronen ein ganz eigenthümliches Grün zeigten und sich scharf und deutlich von den Laubholzstämmen unterschieden.

Auch das Ohr wurde hier daran erinnert, daß man sich noch an der Grenze der Tropen befand, denn drüben im Walde zankte sich ein Schwarm munterer Affen, und Papageien, immer zwei und zwei zusammen, strichen kreischend und mit scharfen Flügelschlägen von einem Hügel zum andern hinüber. Dicht am Wege aber, als Wahrzeichen einer gemäßigteren Zone, begann die Aloe ihre stachligen Fleischblätter zu treiben, und einzelne Cactus dehnten die mit Stacheln gespickten Knollenzweige am Boden hin, denn das Klima war ihnen hier doch noch ein wenig zu warm, um zu der vollen Stärke empor zu schießen, mit der sie höher hinauf starke Büsche und Bäume bilden.

Aber das Alles sah der kleine Mulatte nicht, der verdrossen auf seinem Maulthier hockte und gotteslästerliche Flüche dabei zwischen den Zähnen zerbiß. – Wie sollten sie auch heute noch das ersehnte Camino real erreichen, wenn der Troß so lange zögerte und nicht von der Stelle zu bringen war!

Endlich tauchten die blitzenden Bajonnette zwischen den Büschen auf, und mit einem gemeinen »Grandisima« drehte Franco den Kopf seines Pferdes herum, um seinen Weg wieder zu verfolgen und weiter oben einen Platz zu bestimmen, wo die Truppen frühstücken sollten.

Bis dahin war das Wetter wundervoll gewesen, und die Sonne schien voll und glühend auf ein Landschaftsbild, wie es nur die reichste Phantasie im Stande wäre herauf zu beschwören. Drüben aber über den Sangai sammelten sich die Nebelschichten und rückten langsam, aber sicher in das niedere Land hinab, so daß Barbadoes, der diese Zeichen kannte, oft und eben nicht freundlich den Blick dorthin zurückwandte.

»Ich fürchte, General, wir bekommen schlechtes Wetter,« redete er endlich den neben ihm langsam hinreitenden Franco an – »da drüben der Nebel gefällt mir gar nicht.«

Er bekam keine Antwort; der kleine Mulatte war mit seinen ärgerlichen Gedanken beschäftigt und nicht in der Stimmung, sich um das Wetter zu bekümmern. – Was that es auch, wenn es regnete! Er selber hatte seine schützenden Ponchos hinten am Sattel festgeschnallt, und die Soldaten – nun die wurden naß und trockneten auch wieder. Die Unterhaltung war jedenfalls damit abgebrochen.

Endlich erreichten sie eine nur spärlich mit Büschen bewachsene Einsenkung, durch welche ein Wasser rieselte und die sich vortrefflich zu einem Rastplatz eignete. Franco stieg auch ohne Weiteres aus dem Sattel, warf dem ebenfalls abspringenden Major seinen Zügel zu und sich selber unter den nächsten Busch, um dort die Ankunft der Truppen abzuwarten.

Diese kamen endlich, aber mit ihnen stieg auch die Wolkenschicht am Horizont höher und höher empor und nahm durch die noch darauf fallenden Sonnenstrahlen eine fast schwarze, drohende Färbung an. Aber kein gastliches Dach bot hier oben Schutz gegen etwa ausbrechenden Sturm, selbst die hohen, breitästigen und dichtbelaubten Bäume hatten die Truppen hinter sich gelassen, und das niedere Gestrüpp hier umher konnte ihnen nur wenig und geringen Schutz bieten. Was half's – die Leute waren hungrig geworden – ein Haus lag hier auf weite Strecken nicht, und hätten sie auch eine menschliche Wohnung gefunden, wie wenige von ihnen konnten darunter Schutz suchen – noch nicht einmal sämmtliche Officiere. Also war es das Beste, sich in die Umstände zu fügen. Die Wetter, welche sich von den Kratern der Berge ablösten, als ob sie dort den elektrischen Stoff eingesogen hätten und nun, wie eine Seifenblase von der Pfeife, durch einen Windstoß losgehoben würden, um an einer anderen Stelle zu zerplatzen, sahen auch manchmal viel schlimmer aus, als sie sich nachher wirklich zeigten. Die ersten Trupps hatten deshalb kaum die Einsenkung erreicht und von dem Major Befehl erhalten, Feuer anzuzünden, als sie ihre Waffen bei Seite stellten und sich über den Platz vertheilten.

Trockenes Holz gab es hier in Ueberfluß, und während sich Einige damit beschäftigten, an verschiedenen Orten Flammen anzufachen, schleppten Andere Reisig und dürre Aeste herbei, um das Feuer zu nähren. Wie die übrige Mannschaft jetzt nachrückte, wimmelte der kleine Platz bald von dunkeln, wilden Gestalten, die sich lachend und tobend den Küchengeschäften unterzogen und in wilder Eile die Feuer zu prasselnder Gluth schürten, damit sie ein vielleicht nur flüchtiger Regen nicht so leicht auslöschen könnte.

Höher und höher aber stiegen die Wolken, und je mehr sie sich ausbreiteten, desto größere Flugkraft schienen sie zu gewinnen. Einzelne Nebelstreifen reichten schon bis nach Osten hinüber und legten sich vor die Sonne – und jetzt erhob sich der Wind – rauschte über die Büsche, schüttelte drüben die Palmenkronen an dem steilen Berghang und sandte einzelne schwere Tropfen auf die Erde nieder, während ein zuckender Blitz und bald nachrasselnder Donnerschlag den Beginn des Unwetters ankündigte.

Die Affen drüben am Berg, die sich noch vor wenigen Augenblicken auf das Grimmigste gescholten und einen tollen Lärm vollführt hatten, den man am stillen Morgen oft Stunden weit hört, schwiegen plötzlich. Lautlos und wie ein Pfeil vom Bogen schoß noch ein einzelnes Papageienpaar vorüber, unter den Schutz des dichten Laubes – jetzt wieder ein Blitz, der die Wolken zu spalten schien, und mit ihm fast zugleich ein Schlag, als ob ein Sechzigpfünder über ihren Köpfen abgefeuert würde, und die Schleusen des Himmels öffneten sich.

Das war kein Regen mehr von rasch hintereinander fallenden Tropfen, das war ein solider Guß wie mit Kübeln und Kannen, der eine Welt von Wasser auf die Erde schüttete und nicht nur durchnäßte, sondern überschwemmte. Ueberall unter die Büsche drückten sich die Soldaten, um dort wenigstens einen eingebildeten Schutz zu suchen, aber nicht lange sollten sie sich selbst dieser kleinen Hülfe erfreuen, denn kaum waren zehn Minuten vergangen, als das winzige, in der Senkung niederrieselnde Wässerlein zu wachsen anfing, weil gelbe Fluthen von allen Seiten hereinstürzten. In kaum einer Viertelstunde war der Bach ein tosender Bergstrom geworden, der Alles was in seinen Bereich kam, mit sich fortriß, und die Leute mußten jetzt hinaus in den ärgsten Sturm, um nur ihre Kochgeschirre und abgelegten Waffen zu retten – ja das Wasser trennte sie zu gleicher Zeit in zwei Hälften, denn es war schon unmöglich geworden, es zu durchwaten, ohne sich der Gefahr auszusetzen, mit fortgerissen zu werden.

Franco saß ebenfalls unter einem Busch. Wie der Regen nur seine ersten Vorläufer zeigte, hatte ihm der aufmerksame Major die Decken und Ponchos abgeschnallt und umgehangen; so kauerte er dort, das dunkelgelbe Gesicht von Nässe triefend und in verbissener Wuth, einer fetten Spinne nicht unähnlich, die sich mit zusammengezogenen Beinen in ihr vom Sturm geschütteltes Netz zurückgezogen hat.

Nur der Major stand aufrecht und unerschüttert in dem Rasen der Elemente – wie hätte er sich auch unter den verkrüppelten Büschen decken wollen! Ein kleiner kurzer Poncho sah allerdings so aus, als ob er den Oberkörper gegen die niederwaschende Fluth schützen könnte, aber schon lange hatte sich diese ungehindert einen Weg durch das dünne Gewebe gebahnt, und das Einzige, was an ihm dem Regen noch erfolgreichen Widerstand bot, war seine eigene Haut, er selber aber so durch und durch geweicht, als ob er die ganze Nacht im Wasser gelegen hätte. Aber er rührte und regte sich nicht, nur bei den allzu grell zuckenden Blitzen schloß er die Augen und öffnete sie dann erst wieder, wenn der Donner schmetternd hinterdrein rasselte.

Zwei volle Stunden dauerte der Orkan – der Bach in der Senkung war zu einem Flusse geworden, und die Menschen zitterten vor Kälte und Nässe, während die Thiere mit gesenkten Ohren dem Wind den Rücken zukehrten und Alles geduldig über sich ergehen ließen. Waren sie doch einmal zur Mißhandlung auf der Welt, und ob diese von ihren Herren oder von den Elementen ausging, blieb sich gleich.

So lange der Sturm dauerte, war natürlich an einen Aufbruch nicht zu denken, und erst als er nachgelassen hatte, erging auf's neue der Befehl, jetzt rasch zu frühstücken und sich dann bereit zu halten. Von einem Feuer war aber keine Rede mehr; man hätte mehrere Stunden gebraucht, um wieder eine Flamme anzufachen, und die Leute schienen dadurch in eben nicht besonders gute Laune versetzt. Außerdem kühlte das Gewitter die Luft außerordentlich ab, und man spürte schon deutlich, daß man die warmen Niederungen hinter sich gelassen und eine weit kühlere Region betreten hatte.

Die an das Klima von Guajaquil gewöhnten und danach gekleideten Soldaten klapperten ordentlich mit den Zähnen, verschlangen das Wenige, was sie an genießbaren Sachen bei sich hatten, und sehnten sich nur danach, den Marsch aufs Neue anzutreten, um erst wieder einmal warm zu werden.

Endlich gaben die Trompeten das Zeichen zum Sammeln. Die Arrieros hatten die weich gewordenen Riemen aus roher Haut, die ihre Fracht zusammenhielten, nachgeschnürt, und die Vorhut setzte sich in Bewegung. Jetzt aber zeigte sich erst, daß das Gros der Armee noch nicht folgen konnte, bis der tosende Bergbach nicht wenigstens etwas gefallen wäre, denn die Lastthiere liefen Gefahr, mit fortgerissen zu werden, und selbst die Fußgänger wagten sich nicht in die gelbe schäumende Fluth hinein.

So rasch solche Wasser in den Gebirgen aber auch steigen, eben so rasch, ja oft noch viel schneller, laufen sie wieder ab, und nach einer Stunde etwa konnte der Uebergang ohne die geringste Schwierigkeit bewerkstelligt werden. Der Marsch war aber durch das Alles natürlich entsetzlich aufgehalten, und die Thiere hätten tüchtig austraben müssen, wenn sie Camino real noch an diesem Tage erreichen wollten.

Das aber zeigte sich bald unmöglich, denn durch den Regen war auch der Weg ausgewaschen und weich geworden, und Franco, der nicht die geringste Lust hatte, die Nacht nach einem solchen Wetter bei der immer kälter werdenden Temperatur im Freien zuzubringen, hinterließ die Ordre, die Truppen so weit als irgend möglich vorzuschieben und erst mit einbrechender Dunkelheit Halt zu machen, und sprengte dann mit dem Major, einigen Officieren und einem Piket Cavallerie voran, um selber unter Dach und Fach zu kommen.

Und selbst das war nicht so leicht. Bis zu der Anhöhe, die zu dem kleinen Dorf Camino real hinaufführte, ging es so ziemlich; denn das Wasser war entweder abgelaufen oder von dem sandigen Boden aufgesogen; den eigentlichen Berg aber zu erklimmen, daran scheiterte jeder Versuch. Die Straße öffnete sich hier allerdings breit genug, denn zahllose Maulthierzüge hatten lange Jahre hindurch die Büsche zu beiden Seiten niedergetreten, aber der Abhang zog sich unerbittlich steil empor, der Boden bestand aus einem, durch den Regen an der Oberfläche schlüpfrig gewordenen harten Lehm, der die Hufe der Thiere nicht einmal haften ließ, und mit dem Reiter im Sattel waren sie nicht im Stande, empor zu klimmen.

Hartnäckig, wie die Maulthiere sind, die eigentlich vor keinem Weg zurückschrecken, der nicht sumpfigen Boden zeigt, versuchten sie allerdings immer von Neuem die Hufe in den Boden einzuschlagen und an dem Abhang empor zu klimmen. Wenn sie aber kaum dreißig oder vierzig Fuß vorwärts gekommen waren, so brachte sie ein einziger Fehltritt zum Rutschen, worauf sie sich auf der Stelle umdrehten, sich auf das Hintertheil setzten und blitzschnell den eben zurückgelegten Weg wieder hinabglitten.

Wenn es aber schon den Maulthieren so schlimm erging, so zeigten sich die Pferde noch viel unbrauchbarer, denn bei ihrem viel unsicherern Gang, auf ihren breiteren und glatteren Hufen rutschten sie nicht allein, sondern stürzten und überschlugen sich und gefährdeten nicht selten den Reiter.

Der Major hatte sich am Sattel halten wollen, – denn er war, was sein eigenes Thier und überhaupt seine Untergebenen betraf, noch störrischer als sein Maulthier – aber er sah bald die Unmöglichkeit ein, hier seinen Willen durchzusetzen, und wenn etwas dem General seine gute Laune in diesem Augenblick hätte wiedergeben können, so wäre es gewiß der Major gewesen, wie er selber auf dem Rücken, neben seinem Pferde liegend, den schmutzigen Abhang hinabschoß und dabei von Schlamm und Koth förmlich überzogen wurde. Franco lachte auch ein paar Mal hell auf, aber der Dämon in ihm gewann doch immer wieder die Oberhand, und häßliche, gemeine Flüche und Verwünschungen mischten sich mit den Spöttereien, mit denen er diesen seinen ergebensten Anhänger überschüttete.

Aber auch der Cavalleriebedeckung ging es nicht besser. Es blieb daher nichts weiter übrig, als den Pferden das Gebiß mit dem Zaum abzunehmen und sie voraus zu treiben und dann, so gut es gehen wollte, zu Fuß zu folgen. Selbst Franco und der Major mußten sich endlich dazu verstehen, und es war dunkle Nacht geworden, ehe sie das kleine, nur aus einer einzigen Straße bestehende und von dichtem Wald umschlossene Dorf endlich erreichten und ihr Nachtquartier beziehen konnten.

Und was für einen traurigen Aufenthalt bot für die Nacht dieses dunkle, schmutzige, von Ungeziefer wimmelnde Quartier, wo erst eine ganze Familie mit Kindern und Hausthieren auf die Straße gesetzt werden mußte, um nur dem commandirenden General Raum zu geben. Aber was konnten ihm die Leute Anderes bieten, als was sie selber ihr ganzes Leben lang gehabt.

Da war kein Bett im Haus – kein bequemes Lager, nicht einmal ein ordentlicher Stuhl – kein brauchbarer Feuerherd; denn das Feuer – um den späten Besuch nur irgend zu erwärmen – mußte mitten im Hause angezündet werden, wo sich der Rauch dann durch das Dach und die Seitenwände seinen Ausgang suchte. Und wie kalt war's hier oben schon geworden! wie erstarrend strich der Wind über diese Höhe hin! so daß der Wanderer kaum ahnen konnte, daß er sich unter drei Grad südlicher Breite, also dicht am Aequator befinde.

Die armen Soldaten fühlten das am meisten. Die Officiere trugen immer warme Kleider und waren auch eher im Stande, sich eine Bequemlichkeit zu verschaffen, denn was geschehen konnte, geschah für sie. Die Cavalleristen aber wurden untergesteckt, wo sich eben Raum finden ließ, und ihretwegen konnte man natürlich die Familien, die Frauen mit ihren kleinen Kindern, nicht hinaus in's Freie jagen. Diese behaupteten auch in den Häusern ihren Platz am Feuer, und die durchnäßten, frierenden Soldaten mußten sehen, wie sie sich irgendwo in einen Winkel drücken, dort zusammenkauern und der Nacht ein paar Stunden Schlaf abgewinnen konnten.

Für Lebensmittel wurde noch so ziemlich gesorgt – es gab Hühner und Eier und einzelne kleine Schweine, dabei Kartoffeln und Bohnen, und die Leute, die heute über Tag noch gar keine ordentliche Mahlzeit gehalten hatten, waren nicht blöde mit dem Zulangen, besonderes da der General für sie gutsagen mußte.

Die Bewohner erfuhren aber kaum, daß morgen das ganze übrige Heer nachrücken würde, als sie in der Nacht heimlich ihre sämmtlichen Vorräthe in den Wald und in schon bereit stehende Verstecke schafften; denn wozu sollten sie die Truppen füttern und nachher selber Noth dafür leiden? Ob es nun Soldaten von Franco oder Flores waren, ob Franco oder Flores das Land regierte, was kümmerte das sie? Abgeschieden von der Welt und nur auf die durchpassirenden Arrieros und Reisenden angewiesen, lebten sie hier, und wie sie sich nicht um die Außenwelt bekümmerten, so verlangten sie auch, daß die Außenwelt eben so wenig Notiz von ihnen nähme, keinesfalls aber Forderungen stellte.

Die Nacht war sternenhell, aber ziemlich kalt, und den Major besonders, der seine einzige warme Satteldecke ebenfalls noch für den General hergegeben hatte, um ihm ein weicheres Lager herzustellen, fror entsetzlich; aber die aufgehende Sonne verscheuchte bald die kalten Schwaden, und die armen Teufel, welche die ganze Nacht hindurch in ihren nassen Kleidern den Morgen herbeigesehnt, waren jetzt wenigstens im Stande, sich zu trocknen und zu erwärmen.

Gleich nach Sonnenuntergang schickte nun freilich der General einen Boten in das Thal hinab, um sich zu vergewissern, wo seine Leute standen und bis wann er sie hier oben erwarten durfte. Dieser kam aber erst gegen Mittag zurück und meldete, daß sie allerdings unten am Fuß des Berges angelangt wären und versuchen wollten, ihn zu erklimmen. Die Sonne war aber auch noch nicht im Stande gewesen, den Abhang vollständig zu trocknen, und der Aussage des Burschen nach würde es nicht wenig Schwierigkeiten machen, die beladenen Lastthiere hier herauf zu bringen. Keinenfalls konnte er vor Abend darauf rechnen, seine Armee wieder beisammen zu haben.

Die Kunde lautete nicht erfreulich, der Marsch wurde dadurch entsetzlich verzögert, aber Franco hatte doch dafür den Trost, hiermit auch die größte Schwierigkeit überstanden zu haben. Von hier aus lag noch ein hügeliges, aber leicht zu passirendes Terrain vor ihm. Keine störenden Bergströme durchkreuzten mehr den Weg, keine steilen Schluchten lagen mehr zwischen hier und Quito, durch die er nicht bei jedem Wetter hätte vorrücken können. –

Und mehr als das, in Guaranda fand er wieder einen trefflichen Platz, um seine Truppen nicht allein nach den Beschwerden des letzten Marsches sich ordentlich restauriren und ausruhen zu lassen, sondern um sie auch in der reichen Beute, die er dort sicher erwartete, für alle die Mühseligkeiten des Weges zu entschädigen und mit frischen warmen Kleidern für die Bergregionen zu versehen. Deshalb nur erst Guaranda erreicht, und die Hauptschwierigkeit war überwunden.



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