Friedrich Gerstäcker
General Franco
Friedrich Gerstäcker

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4.

Der quitenische Officier.

Fortunato hatte an jenem Morgen das junge Mädchen in einer Art Verzweiflung von dem vermeintlichen Opfer fortgezogen, denn ihre Einmischung drohte nicht allein seinen ganzen menschenfreundlichen Plan, sondern auch seine eigene Sicherheit zu gefährden. Espinoza selber kam ihm aber dabei zu Hülfe.

Wie durfte und konnte der Verurtheilte, rings umgeben von Franco's wilden Horden, auf Rettung hoffen! Das Trostwort jenes ihm fremden Officiers – wie konnte der ihm helfen? Nur die letzte Stunde – den letzten qualvollen Augenblick hatte er einem Kameraden erleichtern wollen, das war Alles, und Jacinta konnte er nicht länger leiden sehen, ihren Jammer wenigstens wollte er abkürzen. Armes Mädchen, so hatte sie ihn doch geliebt, während er einem andern Herzen – einer zauberisch schönen Gestalt – die Liebe dieses treuen Wesens zum Opfer brachte. Aber er sollte ja auch dafür büßen. Dort standen seine Henker, die Gewehre im Anschlag. Fast ohne Bewußtsein dessen, was er that, kniete Espinoza nieder und bot die entblößte Brust den gegen ihn gehobenen Rohren. Das Commandowort erscholl – er sah den zuckenden Blitz der abgefeuerten Gewehre, fühlte einen betäubenden Schlag und sank bewußtlos in den von seinem Blut gerötheten Sand.

Was weiter mit ihm vorging, wußte er nicht – nur wie in einem halben Traum hörte er die dicht über ihm geflüsterten Worte einer leisen Stimme: »Haben ihn die Halunken doch umgebracht?« Dann lag er in voller, todtähnlicher Ohnmacht, bis er seine Schläfe und Pulse gerieben fühlte und sich, als er die Augen aufschlug, in einem unbekannten düstern Raum, von fremden Leuten umgeben sah.

»Gott sei Dank, er lebt!« schlug ein fröhliches Jauchzen an sein Ohr, und als er bestürzt und fragend um sich schaute, schlangen sich ein paar weiche Arme um seinen Nacken. »Jacinta!« wollte er hervorstöhnen, als die Lippen des Mädchens ihm den Mund verschlossen, während ihre heißen Thränen seine Wangen netzten. Neben ihr aber stand jener Officier in der verhaßten Uniform des Usurpators und sagte kopfschüttelnd:

»Ein einziges Gewehr von allen neun Mann war geladen, und ich bin fest überzeugt, daß der Träger desselben ein ganzes Balsahaus unter zehn Schüssen auf zwanzig Schritt neunmal fehlen würde, und doch ist Ihnen seine Kugel um kaum eines Messerrückens Breite am Leben vorbeigegangen. Aber er hat mehr Nutzen als Schaden damit gestiftet, denn ich bezweifle sehr, ob Sie Ihre Rolle als Todter nach der Salve ohne den etwas rauhen Kugelgruß so vortrefflich gespielt haben würden, wie es unter diesen Umständen der Fall gewesen.«

»Aber was ist mir geschehen?« frug Espinoza.

»Nichts weiter, als daß Sie standrechtlich und in aller Form verurtheilt und erschossen sind und bei der Gelegenheit einen Streifschuß am Kopf erhalten haben, der uns die Arbeit, Sie fortzuschaffen, außerordentlich erleichterte.«

»Und jetzt? –«

»Müssen Sie sich bis nach Dunkelwerden versteckt auf dieser Balsa halten,« erklärte Fortunato, »dann aber setzen Sie sich auf ein Pferd, das ich Ihnen bis dahin durch einen zuverlässigen Diener schicken werde, und machen – wenn Sie gutem Rath folgen wollen – daß Sie so rasch als irgend möglich in die Berge kommen. Einmal sind Sie dem kleinen Tyrannen Franco entgangen – das zweite Mal möchten Sie nicht mit einem leichten Fleischritz am Kopf davonkommen.«

»Aber wer sind Sie?« rief Espinoza erstaunt, »der solchen Antheil an einem Fremden nimmt, um sein eigenes Leben an seine Rettung zu wagen?«

»Ein Hauptmann bei den Franco'schen Tiradores,« sagte der junge Mann lächelnd, indem er militärisch grüßte; »aber,« setzte er rasch und ernsthaft hinzu – »nehmen Sie einen andern Begriff von uns mit nach Quito hinauf, als daß Sie glauben sollten, wir Officiere hier wären mit der blutgierigen und rücksichtslosen Grausamkeit des Generals in allen Stücken einverstanden.«

»Aber weshalb, um Gottes willen, bleiben Sie dann bei der Fahne, bei den Schaaren des Usurpators,« rief Espinoza, »die unser schönes Vaterland verwüsten und deshalb alle Schrecken eines zucht- und rechtlosen Krieges über den heimathlichen Boden heraufbeschwören?«

Fortunato zuckte die Achseln.

»Der Himmel weiß,« entgegnete er, »wie das Schicksal manchmal so wunderbar unsere Loose wirft und uns dabei in Bahnen schleudert, die wir nachher – wir mögen uns sträuben, so viel wir wollen – nicht wieder verlassen können.«

»Und weshalb diese Revolution? – weshalb dieser Versuch, die quitenische Regierung zu stürzen? Es ist mir unbegreiflich, daß der Mulatte so viel Helfershelfer finden konnte.«

»Bah, er hat Geld, er wußte einen Theil des peruanischen Guano-Ertrages in seine Tasche zu leiten, das warb ihm die Soldaten, seine Versprechungen aber lockten auch uns Officiere auf die Leimruthe, und einmal im Gang – wer kann die rollende Lawine aufhalten? Aber jetzt habe ich wahrhaftig keine Zeit zum Plaudern, denn nachdem ich vorschriftsmäßig Ihren Leichnam in den Fluß geworfen – zum Besten des Franco'schen Staates und der Alligatoren – muß ich wieder in das Hauptquartier zurück, wenn meine Abwesenheit keinen Verdacht erregen soll.«

»Ihnen also dank' ich mein Leben,« sagte Espinoza, indem er dem Hauptmann gerührt die Hand entgegenstreckte. »Was brachte Sie dazu?«

»Ich will Ihnen etwas sagen,« entgegnete Fortunato nach einem scheuen Blick auf das jetzt schüchtern zurückgezogene Mädchen. »Es ist in Bodegas ein ziemlich allgemein verbreitetes Gerücht, daß Sie Franco weit weniger für einen Spion als für einen Nebenbuhler hielt,« fuhr er mit halblauter Stimme fort. Aber seine Rede mußte doch an das Ohr Jacinta's gedrungen sein, denn ihre Wangen erbleichten, ihre feinen Hände schlossen sich krampfhaft zusammen, und ihre Blicke hingen wie bittend an denen des jungen Officiers.

»Celita!« murmelte Espinoza leise vor sich hin. »Arme Jacinta, – aber ich kann nicht anders – ich muß nach Bodegas zurück.«

»Nach Bodegas?« rief Fortunato erschreckt aus, »sind Sie des Teufels, Kamerad? In diesem Falle könnten wir Beide morgen früh noch einmal, aber dann zusammen, die kleine interessante Scene von heute Morgen durchleben. Was wollen Sie in Bodegas?«

Espinoza schwieg, aber der mitleidige Blick, den er auf das junge Mädchen warf, verrieth dem Hauptmann, was ihn dorthin zurücktreibe und was er in Gegenwart Jacinta's nicht auszusprechen wagte.

»Geht nicht nach Bodegas, Señor,« bat aber diese. »Eure Feinde sind wach, und sie wollen Euer Blut. Flieht, bis die Macht dieses bösen Mannes gebrochen ist. – Es kann ja nicht lange mehr dauern, bis uns General Flores von den räuberischen Horden dieses Ungeheuers befreit hat.«

»Ich danke Ihnen, Señorita, für das Compliment,« scherzte Fortunato, »als einer der Führer dieser Horden. – Doch sie hat Recht, Kamerad,« setzte er freundlicher, fast herzlich hinzu. »Sie dürfen sich und – mich nicht muthwillig einer solchen Gefahr preisgeben. Kehren Sie nach Quito zurück, aber sagen Sie dann auch unseren Landsleuten, daß unter Franco's Befehlen nicht lauter herzlose und blutgierige Menschen leben. Sie haben Freunde hier gefunden – bleiben Sie auch dort unser Freund. Wer weiß, ob wir nicht noch einmal zusammen und unter einer Fahne für die wahre Freiheit unseres Vaterlandes kämpfen.«

»Das gebe Gott!« seufzte Espinoza.

»Und nun, Señorita,« wandte sich Fortunato an das Mädchen, »muß ich Sie bitten, den Platz zu verlassen, denn wir dürfen um Alles in der Welt nicht die Aufmerksamkeit eines Spürhundes auf diese Balsahütte lenken. Heut Abend um zehn Uhr – haben Sie eine Uhr bei sich, Kamerad?«

»Ich hatte eine,« sagte der junge Officier, »aber Ihre Leute –«

»Das kann ich mir denken,« fiel Fortunato ein, »daß sie Ihnen die nicht gelassen haben – sie stehlen wie die Raben. Aber es bleibt sich gleich. Sie hören von hier aus den Zapfenstreich, den unsere Musiker mit einer bewundernswerthen Ausdauer durch die ganze Stadt trompeten und trommeln. Gleich nachher hole ich Sie mit einem Boot ab. Wir haben dann Fluth, und mittelst dieser bringe ich Sie eine halbe Legua aufwärts zu einer Hütte, wo ein Pferd für Sie bereit stehen soll. Sind Sie klug, so halten Sie sich dann selbst in Guaranda nicht auf, denn in kürzester Frist werden wir mit dem Heere dort sein und – unsere Spione sind uns schon vorausgegangen.«

Das junge Mädchen hatte ihre Mantille fester um sich her gezogen. Sie zauderte keinen Augenblick, der Aufforderung Folge zu leisten. So gewaltsam aber Jacinta auch ihr Gefühl in jenem ersten Moment übermannt hatte, wo sie den Todtgeglaubten lebend, athmend – gerettet vor sich sah, so schüchtern, so zurückhaltend zeigte sie sich jetzt.

»Adios, Benito,« flüsterte sie Espinoza zu, indem sie ihm die Hand entgegenstreckte. »Gott schütze Ihren Weg und führe Sie sicher aus der Gewalt Ihrer Feinde – Jacinta wird für Sie beten – heute und immer, und – wenn wir uns im Leben nicht mehr begegnen sollten, so – denken Sie wenigstens manchmal freundlich an die arme Jacinta – der Himmel sei mit Ihnen!«

»Jacinta,« rief Espinoza und streckte die Arme nach ihr aus, aber das Mädchen entzog sich ihm und glitt wie ein scheues Reh aus dem Haus, um im nächsten Augenblick draußen in den Uferbüschen zu verschwinden.

»Jacinta!« wiederholte Espinoza, von der raschen Flucht bestürzt, und machte eine Bewegung, als ob er ihr folgen wolle. Fortunato ergriff seinen Arm und sagte freundlich:

»Lassen Sie das Kind, Kamerad – es ist das Beste, was sie thun kann, denn ihr treues Herz denkt nur an Ihre Sicherheit, nicht an sich selber. Jetzt aber, da sie fort ist, noch ein Wort über jene Señorita in der Stadt, Celita Buscada, für die Sie im Begriff waren, die arme Jacinta zu opfern.«

»Und was ist's mit ihr?«

»Weiter nichts,« sagte der Hauptmann mit Nachdruck, »als daß sie eine abgefeimte, herzlose Kokette ist – halt, Kamerad – ruhig Blut. Ich erzähle Ihnen nicht blos Gerüchte wieder, die ich in der Stadt gehört und die eben so gut falsch und erdichtet sein könnten, sondern ich spreche aus Erfahrung, denn, damit Sie es nur wissen, Donna Celita war auch schon einmal – meine Braut – wenn Sie das vielleicht überzeugen kann.«

»Ihre Braut?«

»Nach allen Regeln bürgerlicher Sitte, denn wir hatten die Ringe gewechselt und ein solennes Verlobungssouper in Guajaquil genossen. Señora Buscada aber, die – was man ihr lassen muß – die Augen offen hält, wo es ihren eigenen Vortheil oder den der Ihrigen gilt, und die sich Gott weiß aus welchem Grunde eingebildet hatte, daß ich steinreich wäre, kam bald dem Gegentheil auf die Spur. Meine liebenswürdige Celita verlangte nämlich eine Unmasse von kostbaren Geschenken und entwickelte eine solche Leidenschaft für Diamanten und ähnliche Spielereien, daß ich ihr geradezu gestand, ich hoffe sie als ihr Gemahl von meinem Solde anständig ernähren zu können, aber zu solchen theuren Liebhabereien reiche meine Kasse lange nicht hin. Damit war dem Faß der Boden ausgestoßen. Celita fand in Kurzem, daß sie – was sie anfangs nicht für möglich gehalten – doch vielleicht im Stande sein würde, ohne mich leben zu können; außerdem machte ihr gerade in der Zeit ein junger, sehr reicher und sehr splendider englischer Marineofficier den Hof, und die Mama hielt es für passend, den Moment zu benutzen und mir in einer geheimen Conferenz zu gestehen, sie glaube nicht, daß mich Celita glücklich machen könne, deshalb sei es heilsamer für mich, ich träte zurück. – Seitdem hat die junge Dame ihre Liebhaber noch ein paar Mal gewechselt, und ganz natürlich, denn Liebhaber sind, wie sich nicht leugnen läßt, überhaupt eine Liebhaberei – und Donna Celita ist, was sich ebenfalls nicht leugnen läßt – ein sehr interessantes und pikantes Mädchen, aber – ein Herz hat sie nicht, Kamerad, und daß Sie ein treues Gemüth, ein liebes Mädchen jener grundfalschen Dame wegen von sich stoßen sollten, das mögen Sie mit Ihrem Gewissen berathen.«

Espinoza hatte in zitternder Spannung dem Bericht gelauscht, und kaum hörbar stahlen sich ihm die Worte über die Lippen: »Und wer sagt Ihnen, daß sie mich nicht in diesem Augenblick beweint?«

»Wer mir das sagt?« lachte Fortunato, »Compañero, dazu brauche ich keinen Argus. Meinen Hals wollte ich gegen eine Flasche Champagner wetten, daß sie in diesem Augenblick mit Ihrem Mörder, dem kleinen Mulattengeneral, kokettirt, denn Señora Buscada ist, wie gesagt, eine gescheidte Frau, und Franco, der ›Sieger Ecuadors‹, liegt nicht zum ersten Mal zu den Füßen Ihrer Angebeteten und – wohnt jetzt nicht umsonst in deren Hause.«

»Franco?«

»Seine Excellenz,« bestätigte Fortunato. »Doch nun zum Abschied, Kamerad. Also verlassen Sie diese Balsawohnung unter keiner Bedingung vor Nacht. Ihr Leben hängt davon ab. In dem kleinen Gemach nebenan haust ein alter, mir vollkommen ergebener Quitener – ihm dürfen Sie vertrauen, und er wird Ihnen bis dahin verschaffen, was Sie hier brauchen. Noch Eins – bei Gelegenheit der Uhr sind Ihnen von meinen liebenswürdigen Kampfgenossen wohl auch die Westentaschen ausgeräumt worden, wie?«

»Sie haben nichts vergessen,« lächelte der junge Officier.

»Selbstverständlich,« sagte Fortunato und fügte hinzu: »Ich bin freilich selber nur in sehr seltenen Fällen gut bei Kasse, aber etwas müssen Sie haben, um Ihren Weg zahlen zu können. Bitte, machen Sie keine Umstände, Kamerad; wer weiß, wie bald ich einmal in dieselbe Lage kommen könnte, Geld bei Ihnen zu borgen« – und dabei drückte er ihm ein Unzenstück in die Hand. – »So,« fuhr er dann fort, »das wäre also abgemacht. Punkt zehn Uhr bin ich mit dem Boot hier, oder – wenn ich nicht selber kommen könnte – denn Franco's Launen kennt Niemand – so schicke ich Ihnen einen zuverlässigen Mann.«

»Und wie soll ich Ihnen für solche Güte danken?«

»Reden wir nicht davon,« beschwichtigte der leichtherzige Officier, »hab' ich doch meinen Spaß wie mein innerlichstes Genüge an dem kleinen Abenteuer gehabt – also hasta luego, Kamerad – hasta luego,« und seine Dienstmütze ergreifend, trat er zu der Thür der Balsahütte, sah erst einen Augenblick hindurch, ob er Niemand draußen bemerkte, und schritt dann rasch über die Planken, die das auf das Floß gebaute Haus mit dem Ufer verbanden.

Die Balsahütte lag etwa tausend Schritt oberhalb Bodegas, dicht unter dem stark mit Weidenbüschen bewachsenen Ufer, das jetzt, da die Fluth kaum erst zwei Stunden eingesetzt, noch ziemlich hoch mit seinen lehmigen Bänken emporragte. Was der Eigenthümer des ziemlich unbeholfenen Fahrzeugs hier an diesem abgelegenen Winkel suchte, wäre zwar in ruhigen Zeiten ein schwer zu lösendes Räthsel gewesen, denn nicht einmal eine menschliche Wohnung lag in der unmittelbaren Nähe des Platzes. Jetzt aber in Kriegszeiten ließ sich schon eher eine Vermuthung aufstellen, denn Maulthiere mit ihren Lasten brauchten eben keinen gebahnten Weg, um diesen Platz zu erreichen, und ob er nun aus- oder einladen wollte, gestört wurde er hier von Franco's Truppen sicher nicht. Vom Ufer aus war die Balsa auch fast gar nicht zu erkennen, und man mußte sich, oben angelangt, wirklich erst durch das Gewirr dichtverwachsener Zweige hindurcharbeiten, wenn man den Platz, in der Richtung nach der Stadt zu, verlassen wollte, denn der vorerwähnte Maulthierpfad führte nur von Norden, und eine kurze Strecke dicht am Ufer hinlaufend, hier herein.

Fortunato hatte jetzt den obern Rand erklommen und wollte eben in das Gestrüpp eintauchen, als er, ordentlich wie auf einer bösen That ertappt, zusammenschrak, denn dicht neben ihm richtete sich eine Gestalt empor, die dort jedenfalls auf der Lauer gelegen haben mußte, und worin er auf den ersten Blick jenen Mulatten erkannte, der den Gefangenen heute Morgen mit bewacht und den er nachher mit mußte zum Transport der »Leiche« verwenden, um keinen Verdacht zu erregen.

»Und was thust Du noch hier, mein Bursch,« fuhr er ihn, rasch gesammelt, an – »hab' ich Dir nicht befohlen, Dich augenblicklich wieder den Kameraden anzuschließen? Glaubst Du, daß der General seinen Leuten gestattet, Strandspaziergänge ohne seine Erlaubniß vorzunehmen?«

»Was thut's,« feixte der Mulatte und zeigte dabei zwei Reihen scharfer und blendendweißer Zähne, »General Franco ist gut genug und gönnt einem armen Teufel auch einmal einen Nebenverdienst. Señor haben aber so gut für die Kleinigkeit gezahlt, daß ich Sie auch nicht gern allein hier durch den Busch wollte gehen lassen. Die verdammten Quitener streichen in der Nähe herum, und einen Officier unserer glorreichen Armee abzufangen, wäre ihnen gerade recht.«

Fortunato sah ihn scharf an. Aus den verschmitzten gelben Zügen war nichts herauszulesen, als was der Bursche gelesen haben wollte, und der junge Officier, der seine Gründe hatte, ihn bei guter Laune zu erhalten, sagte so freundlich, wie es ihm in dem Augenblick möglich war:

»Es ist gut – ich danke Dir, Viruta, aber jetzt komm, denn wenn Seine Excellenz nach uns Beiden verlangen sollte, wäre es doch besser, daß man uns nicht zu suchen brauchte.« Damit brach er sich seinen Weg durch das Gestrüpp.

Der Mulatte schien nicht übel Lust zu haben, noch eine Weile auf seinem Platz auszuharren, und warf einen verlangenden und raschen Blick dorthin zurück, aber es ging doch nicht gut. Er hatte selber erklärt, daß er nur seines Officiers wegen hierher gekommen war, und konnte diesen jetzt nicht allein gehen lassen. Als er ihm aber folgte, murmelte er leise vor sich hin:

Mit der Dämmerung bin ich wieder hier, und dann wollen wir doch herausbekommen, was in dem Hause steckt; umsonst zahlt der Hauptmann kein Trinkgeld für das, was wir so thun müssen, und wenn ich bei einem Geheimniß mithelfen soll, will ich es ganz haben – oder gar nicht.«



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