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Die letzten drei Romane, Glieder in der langen Kette, die die Forsytes mit ihren Seitenlinien und Nachkommen verbindet, liegen hier als Trilogie vor.
Der erste Roman dieser dritten und letzten Trilogie, «Ein Mädchen wartet», wurde am 23. März 1928 in Bury House, Galsworthys Landsitz in der Grafschaft Sussex, begonnen. Wegen dringenderer Arbeiten mußte er das Werk für eine Zeitlang beiseitelegen. Er setzte es in Palma (Majorca), Biarritz, Hampstead (London) und in Mont Dore (Auvergne) fort; den Schluß schrieb er in Bury im Oktober 1930.
Einen Monat später begann er, ebenfalls in Bury, das zweite Buch, «Blühende Wildnis», setzte es während seines Winteraufenthaltes 1930/31 in Arizona (Vereinigte Staaten) fort, schrieb es in Hampstead, Bury und Ischl (Österreich) weiter und beendete den Band in Meran (Italien) im September 1931.
Im November 1931 begann Galsworthy «Über den Strom», das dritte und letzte Buch, in Bury; er arbeitete in Biarritz und Hampstead daran weiter und schrieb den Roman in Bury am 13. August 1932, einen Tag vor seinem letzten Geburtstag, zu Ende.
Der für diese Trilogie ursprünglich geplante Gesamttitel lautete: «Die alte Ordnung» oder «Eine alte Familie»; diese Titel hätten jedoch zu der Annahme führen können, es sei eine Analyse der Klassenunterschiede oder Klassenkämpfe beabsichtigt gewesen. Nichts hätte den Absichten Galsworthys ferner liegen können. Er wünschte eine Gruppe von Leuten vornehmer Herkunft (welch seltsame Bezeichnung!) darzustellen, die in unserer tüchtigen Welt von heute leben müssen und sich in ihrer Umgebung nicht übermäßig wohl fühlen; sie sind sich dessen bewußt, daß ihre Überzeugungen, Traditionen, seelische Einstellung zum alten Eisen gehören und etwas unbequem sind. Diese Idee liegt keineswegs der ganzen Anlage oder der Handlung der Trilogie zugrunde, schwingt aber wie ein Grundbaß mit. Schließlich wurde der Titel «End of the Chapter» («Die Cherrell Chronik») gewählt, und er deckt vielleicht den Inhalt von mehr als einem Standpunkt …
Man darf wohl behaupten, daß alle drei Trilogien «aktuell» sind, aber in jeder einzelnen spiegelt sich die «Gegenwart» in einer verschiedenen Facette. Insbesondere «Die Forsyte Saga» unterscheidet sich von den beiden folgenden Trilogien durch die Tatsache, daß sich ihre Handlung etwa zwanzig Jahre vor der Zeit abspielt, während der sie in der Vision ihres jungen Schöpfers entstand. Die jüngeren Forsytes waren in Wirklichkeit bereits ältere Leute, als Galsworthy sie im «Reichen Mann» 1904 bis 1905 zu porträtieren begann; sie gehören einer durch die Zeit erstarrten und einbalsamierten Epoche an. «Moderne Komödie» und «Die Cherrell Chronik» sind Studien der Zeitläufte, in denen der Autor lebte. Tatsächlich datiert in Galsworthys letztem Roman «Über den Strom» Adrian Cherrell einen an seine Frau gerichteten Brief vom 10. August – der Autor schrieb die letzten Worte dieses Buches nur drei Tage später!
An der Reihe der neun Romane der drei Trilogien läßt sich die Entwicklung Galsworthys als Dichter und Mensch verfolgen. Ein weiter, weiter Weg zieht sich von dem leidenschaftlichen jungen Satiriker, der 1904 die Worte schrieb: «Kommt, sprengen wir mit leichter Lanze los – Windmühlen unser Feind», bis zu dem duldsamen, weisen Betrachter der Menschen und Dinge vom Jahre 1932. Der «Reiche Mann» zeigt uns den zerstörenden «Einfluß der Schönheit auf eine Welt des Besitzes» – eine Welt der Forsytes und des Besitzes; ein Einfluß, der sich noch bis zum Ende der «Saga» geltend macht, und der sich indirekt noch bis zum Ende des letzten Romans auswirkt. Irene, die als Verkörperung der zerstörenden Schönheit gelten mag und deren Wesen die ganze «Saga» durchdringt, Irene, die so wenig gibt und so viel erdulden muß; Fleur, die in der «Modernen Komödie» dominiert, die nichts gibt, aber viel nimmt, in der zerfahrenen Nachkriegswelt jedoch in bewunderungswürdiger Weise sich die Vernunft bewahrt; Dinny, in den letzten drei Romanen das Leben und die Seele der Familie und aller Menschen, die sich um sie gruppieren, Dinny, die so viel gibt, aber so wenig dafür nimmt – diese drei Gestalten könnte man fast als inoffizielle Wegweiser der frühen, mittleren und späten Periode des Dichters betrachten, die auf den Entwicklungsgang ihres Schöpfers hindeuten.
Aber es wäre wohl ein müßiger Versuch, den weiten Bereich des Autors in einzelne Teile zu zergliedern, Wegweiser darin aufzustellen und Analogien und sonstige Zusammenhänge zu konstruieren, die am Ende keineswegs beabsichtigt waren.
Aus diesen Bänden geht jedoch hervor, daß auf seiner Reise durchs Leben Galsworthys Menschenliebe stets gewachsen ist, während seine Verabscheuung der Grausamkeit, Feigheit und Unduldsamkeit sich nicht im geringsten vermindert hat. Aber darüber und über alles andere hinaus blieb es, ebenso wie bei seinem Ferrand in der Tragikomödie «Der Menschenfreund», noch immer sein sehnlichster Wunsch: «Du lieber Gott, hilf mir die Menschen und Dinge verstehen.»
Im Dezember 1934
Ada Galsworthy