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Fern sank der Taunus langsam in den Winterschlaf, streifte sein grünes Samtgewand allgemach ab und deckte sich mit einer bescheiden braunen Hülle zu, als ihm die Blätter starben. Um den Altkönig brauten die Wolken, und der Feldberg trug Tag für Tag öfter sein greises Antlitz verhüllt, als möchte er nicht zusehen, wie dieser Erde Herbst ihn des geheimnisvollen Wundermantels seiner Forsten beraubte. Die »Höhe« war entkleidet – und so blaute sie nicht mehr herüber, sondern lag finsterer und schattenhafter als noch zu jener Sommerzeit, da Frankfurt den Hattstein berannt, gewonnen und verbronnen hatte. Der westliche Wind drückte das Gewölk mit langsamem Daherschieben vom Taunus in die Mainebene herab. Da lag über dem Main ein trüber, rieseliger Herbsttag und wob grauen Dunst um die Türme der Reichsstadt, wie er auch seine ungemütliche Nässe auf die Giebel sprühte. Es troff von den Dachrändern und weichte die Gassen auf, machte die runden Scheibengläser blind und hing Tränen an die Fenster. In den Häusern knatterten zum erstenmal seit langem wieder die Öfen, und brummten gemächlich und gemütlich die Flammen der Buchenscheite.
Im »Grimmvogel« aber rüstete man auf ein hohes Fest. Ganz Frankfurt nahm an der Feier teil, denn es galt nach langwieriger Genesung die Hochzeit jenes Mannes, den man im Hochsommer vom Hattsteiner erschlagen gewähnt, und für dessen Blut das Volk vorm »Römer« den Rat der Stadt um Rache bedrängt hatte: Echter Keseler. –
Zum Gang in den Dom sonntägig angetan, saß Merla auf dem ihr nun einmal lieb gewordenen Ofenbänklein … das warme Eck war ihr die Stätte seligen Gedenkens. Sie sah dem Vater und Geckir zu. Hanns Grysen Horne wollte nicht anders denn in voller Geschützmeister-Rüstung in den Dom gehen, weil – wie er sagte – Herr Gilbrecht Weiße auch in voller Ratsherrentracht bei der Feier gewesen wäre, wie man im September die schwarze Merla und den roten Geckir zusammengab. Und so tat es Hanns nicht anders: zu Frene Weißes Traufest wollte er der Ehre erwidern und nur mit allem Eisen angetan zugegen sein. Der Eidam half dem Schwiegervater, sich in das erzene Festkleid zwängen.
»Herr Vater«, begann Geckir. »Die Haare wollen mir gar nimmer so recht erwachsen, seitdem Eure eiserne Krebszange den wirren Schopf über der Schwertwunde fortbiß.«
»Kurze Haare sind allemal gut für einen, der ein Soldknecht worden ist«, antwortete Hanns. »So wirst du unter der Eisenkappe nicht warm werden am Köpflein, wenn es ein Hantieren an den feuerspuckenden Rohren gilt. Sieh halt zu, daß du dir schnell ein höher Amt bei der Arckaley gewinnst – dann magst du lange Haare tragen dürfen.«
»Da möcht' ich mich denn beeilen, denn mein junges Weib schilt immer, weil keine Löcklein werden wollen.«
»Dem Stückknecht ziemen Löcklein gar nicht«, belehrte Hanns mit einem freundlichen Blick zu Merla hinüber.
»Und wie lange muß ich Stückknecht sein und die Haare kurz tragen?«
»Das kommt auf des Rates guten Willen, meinen Fürspruch und auf unsers neuen Hauptmanns Gerlach von Londorf Wohlmeinen an. Immerhin mögen es drei Jahre werden.«
Da Geckir nun gerade hinter des Geschützmeisters Rücken stand, wo er eine Schließe zubastelte, warf er seinem jungen Weibe einen warnenden Blick zu: nun wollte er hinterrücks die Gelegenheit nützen, das endlich loszuwerden, um das er mit all dem Reden wie die Katze um den heißen Brei getäppelt war.
»Nun – vielleicht – und so Gott will«, begann er zagend, faßte aber Mut und brachte die Rede zu Ende. »Vielleicht, daß das Kindlein die Kringellocken erbt – dann hätten wir sie wenigstens, bis sie mir selbst wieder wachsen dürfen.«
»Das Kindlein …?« Eine große Verklärung überlief des Geschützmeisters ehrliches Gesicht, und aus dem Hanns Grysen Horne war ein »Hans im Glück« geworden. »Das Kindlein – so so – besteht Hoffnung? Ein Enkelkind mit einem Krullenköpflein. Ei ja! – Aber was bist du heute für ein Ungeschick?« verwunderte er sich, weil der Eidam die Nackenschließe der Halsberge gar nicht ineinander zu bringen schien.
»O es ist noch eine lange, lange Zeit bis zu dem Kindlein«, meinte Geckir und bastelte nun an einer anderen Hafte, um noch hinter dem Rücken seines Schwiegervaters bleiben zu können. Dann packte er aber fest die Schließe des Eisenkragens an. »Wir erwarten Euer Enkelkind doch erst im – Märzen …«
Jetzt endlich schnappte die Schließe ein, und Hanns fuhr stracks herum.
»Im März schon …?« Er rechnete in Gedanken schnell der Zeit nach. »Sollt meinen, das müsse verkehrt sein?«
Die junge Frau Merla wurde glühend rot. »Nein, Vater, das hab' ich mir so bestellt.« Sie zog einen roten Wollfaden hinter dem Brusttuch hervor, ein wunderlich Haarkringlein baumelte dran. »Das hier ist nämlich ein Kindszauber, den man über ein Feuer halten und – wenn er glimmen will – mit Tränen löschen muß. Das hilft, und so habe ich's gebraucht.«
Der Geschützmeister nahm diesen Kindszauber in die Hand und machte ein verblüfftes Gesicht; dann aber tat er um der Ehre willen, als ob er dem Bespruch glaube. »Solche Kraft hat das?« sagte er laut und hatte arg kurzen Atem … zu seiner Seele aber sagte er: So weit reicht das zurück! – Und er meinte die Liebe der beiden Menschenkinder und meinte den Tag, an dem er selbst diese Locke abgeschoren. Da begannen die Domglocken zu läuten, und fern vor der Bockenheimer Pforte löste man dreimal ein Geschütz zum Ehrengruß an Echter Keselers und Frene Weißes Trauungstag. »Es wird Zeit, daß wir in die Kirche kommen, sagte Hanns Grysen Horne und schritt eisenklirrend würdig voran.
Der im schwarzroten Wams der Frankfurter Söldner prächtig aussehende Geckir umhalste erst noch einmal seine Merla. »Dank dir, du Liebste, daß du das Haarkringlein wahrtest. Sieh, es hat uns nicht getrennt … es führte uns zusammen … und das ist wohl sein richtiger Zauber.«
Sie drängte sacht seine starken Arme von sich. »Mußt vorsichtiger sein, Mann. Weißt du – Frühlingspflänzlein wollen sorglich gehütet sein.«
»Ach ja«, stimmte er ihr leise bei. »Du bist der Lenz, und unser Leben wird nimmer einen Winter sehen, du Glück.« Er küßte ihr sanft den roten Mund und sah sie fromm und andächtig an, denn sie war nun ein Hort der Liebe und eine Heilige geworden. –
Die Feierlichkeit im Dom war beendet. Alles drängte sich vor den Altar, um dem Brautpaar Glück wünschen zu können. So achtete niemand auf zwei einsame Männer hinter den Säulen – einen schwer gewappneten Ritter mit fest geschlossenem Visier und einen jungen Mönch mit kurz geschorener, trotz seiner Jahre schon silberig überstreuten Tonsur.
Als sich der Hochzeitszug geordnet hatte und den Dom verließ, und wie das junge Ehepaar vorüberkam, trat der Ritter hinter der Säule hervor.
»Erlaubt mir, Herr Echter, der schönen Frau Frene und Euch Glück zu sagen!« Gütig blaue Augen blitzten aus dem Stahlschutz hervor, der das ernste Antlitz umschloß; ein unsäglich schönes Lächeln lag um des Gewappneten Mund. »Ich kam, um Euern Ehrentag nicht zu versäumen.«
Echter erschrak aufs tiefste … um seinetwillen hatte sich der Hattsteiner nach Frankfurt gewagt … der Mann, der trotz Gilbrecht Weißes zornigem Widerspruch in die Acht erklärt worden war und nun heimatlos umherirren mußte.
»Ich danke Euch, viellieber Herr«, sagte er mit vor Besorgnis bebender Stimme. »Grüße meinen Freund, Frene«, forderte er die junge Frau auf. »Er ist der gütigste Mann, den ich kenne, und hat ein adlig Herz voll mutiger Treue.«
Frau Frene leuchtete den Ritter mit heller Freundlichkeit an. »Wie müßt Ihr wert sein, wenn Euch mein Mann dergestalt lobt. Sehen wir Euch als unseren Gast, Herr?«
»Ich bin in Trauer um eine Schwester und muß frohe Feste meiden«, antwortete der Hattsteiner und neigte den Mund zum Kuß auf Frenes Hand. »Einst – wie ich nie aufhören werde zu hoffen – darf ich den Freund und Euch wohl auf meiner Burg grüßen, ehrsame Fraue. Und es gibt der Hoffnungen, deren sich der Mensch auch im tiefsten Leide nicht entschlagen mag.« Er verbeugte sich und trat hinter die Säule zurück.
Gedankenvoll schritt Echter weiter; er hatte den Hattsteiner sehr wohl verstanden und wußte, was der Ritter meinte. Frankfurt fand noch keine Ruhe vor Herrn Hatzicho.
Der Dom lag leer und einsam, die Heiligkeit des Gotteshauses wob um die hohen Säulen. Laut hallte des erzgerüsteten Mannes Tritt in dieser frommen Stille, der als Letzter den von Weihrauch durchblauten Raum verlassen wollte. Da fiel sein Blick auf den Mönch, der vor einem herniederlächelnden Muttergottesbildnis kniete. Der Hattsteiner zögerte … dies Gesicht kam ihm bekannt vor … er wartete, bis der Andächtige sein Gebet beendet hatte. Dann trat er auf den gebeugt Davonschreitenden zu.
»Vergebnis, frommer Bruder – allein mich deucht, wir müßten einander schon begegnet sein?« redete er ihn an.
Der Mönch hob das bleiche Gesicht. »Ich kenne Euch wohl, Herr Ritter«, antwortete er, ohne Verwunderung zu äußern. »Wir standen einander weiland im Saale des Hattsteins gegenüber, und Ihr schontet meines Stolzes wahrlich nicht mit Euern Worten.«
Vergeblich suchte Herr Hatzicho dies Antlitz zu erraten – es schien noch nicht alt zu sein und sah dennoch in seinem tiefen, schweren Ernste alt und verfallen aus. »Im Hattstein? … sagt mir doch lieber Euern Namen, Bruder«, bat er.
»Ihr nennt mich heute Bruder, und der wäre ich Euch damals so gern geworden«, meinte der Mönch in wehmütigem Scherz. »Was mich Euch fremd erscheinen läßt, ist wohl das geschorene Haupt. Und meinen Namen wollt Ihr wissen? Ich habe dem Leben entsagt … aber dennoch wählte ich einen Namen, der mich daran gemahnt, daß es nicht immer Herbst war in meinem Dasein, nein, daß es einmal einen kurzen wundersamen Frühling gesehen. Heilig – und in meinem Mönchskleide unheilig zugleich – führe ich den Namen in Erinnerung an Eine, der ich durch meiner letzten Erdentage Wandel dort zu begegnen hoffe, wo sie mich erwartet: in einem Rosengarten im Himmelreich, da ewiger Frühling leuchtet. Man heißt mich Bruder Ebertus.«
Da faßte der Ritter rasch nach des Mönches Hand und preßte sie heftig; ein seltsamer Schleier trübte ihm den Blick … doch er bezwang die unmännlichen Tränen. »Wohin reisest du, Bruder?« frug er leise.
»Ich gebe dir dein Du zurück, Hatzicho«, sagte Bruder Ebertus herzlich. »Brüder sind wir Menschen nicht nur vor Gottes Angesicht – wir beiden sind es auch, weil wir um des gleichen Frühlings Sterben trauern. Ein Sonnenschimmer wandelte auf Erden, und als er erloschen war, ließ er nur die selige Erinnerung an ihn zurück. – Möchtest du mich geleiten, Hatzicho? Mich führt der Weg – – ach, irgendwohin, denn ich bin ohne Heimstatt, weil ein Wandermönch.«
»Mein Bruder Ebertus«, flüsterte der Hattsteiner. »Komm denn, auch ich bin ein Heimatloser – schlimmer als du – denn wo du weilen willst, findest du Frieden – mich aber treibt die Acht durchs Land. Und dennoch weiß ich eine Stätte zu kurzer Rast. Sie liegt im herbstlichen Taunus und ist ein Grab.«
»Dorthin wollte auch ich. Wir Menschen haben, scheint es, alle das gleiche Ziel. Jenseits der Höhe, die wir ersteigen, wähnten wir ein Glück und finden doch nur das wieder, dem wir entsagen mußten: Leben, das kurz unser war und nun begraben liegt. – Wir wollen in den Herbst wandern, Hatzicho. Das stille Sterben der Natur tut dem einsamen Herzen wohler als der auferstehende Lenz. Denn wer traurig ist, lernt von der todgeweihten Schöpfungswelt, wie man sich geduldig in ein Schicksal ergeben kann.«
Sie verließen den Dom. –
Im Erker des »Grimmvogel« standen Echter und Frene, blickten auf die herbstliche Gasse und warteten, daß man das junge Ehepaar zum Hochzeitsmahl riefe.
»Siehe da – führen sie das Mönchlein gefangen?« fragte die junge Frau, als sie eines eisengepanzerten Reiters ansichtig wurde, neben dessen Roß ein Klosterbruder dahinwanderte. Ein finster um sich blickender Knecht ritt hinterher und starrte wild jeden des Wegs kommenden an, als gälte es, im Augenblick seinen Herrn zu verteidigen.
Echter erkannte den Hattsteiner und seinen getreuen Knecht Engelbert Riedesel, der die Acht des Ritters teilte und also selbst vogelfrei genannt werden mußte. Wer der Mönch sein mochte, erriet Echter nicht und ersparte seinem Weibe damit eine trübe Minute.
»Es scheint, daß die dreie Freunde sind«, urteilte er. »Denn der Mönch hält sich an des Ritters Steigbügel fest, um mit dem Hengst Schritt halten zu können. Sicherlich – denn jetzt lächeln sie einander an, der Herr und das Pfäfflein.«
Ein Windstoß drängte sich wider die Erkerscheiben, sauste wild durch die enge Gasse und rüttelte an Fenstern und Türen. Die Dachrinnen klapperten – ein fernes Heulen – dann war der kurzstoßige Atem des Herbstes verweht.
»Die Ärmsten – bei diesem Wetter unterwegs«, sagte Frene mitleidig und sah den Reitern und dem Mönche traurig nach.
»Wie dich das Erbarmen noch schöner macht!« bewunderte Echter sie.
Sie errötete tief, schlug aber den Blick dankbar zu ihm auf. Der Schritt der Gäule war in der Gasse verhallt.
»Was ich dich übrigens in all dem Trubel zu fragen vergaß«, hob Frene an, als möchte sie ihren Mann auf andere Gedanken denn die ihrer Bewunderung bringen. »Wer war eigentlich der Ritter, der sich im Dom so freundlich mit uns unterhielt?«
»Der? … das war Hatzicho der Wolf und einstens Herr auf Hattstein.«
Frene wurde schneeweiß und blieb still. Die letzte Erinnerung an Philipp von Hattstein stieg vor ihr auf und schwand wieder … für immer wohl, denn an ihrer Seite stand ihr Glück … hatte nicht hier wie bei der schwarzen Merla und dem roten Geckir des toten Hattsteiners Grimm aus dem vergossenen Blute Sichfinden und Einanderangehören geschaffen …
Der alte Klaus Keseler betrat die Stube. »Nun, meine lieben Kinderlein?« Er wackelte vor Vergnügen mit der Knollennase. »Das Mahl ist bereit, man harret eurer.« Er stellte sich vor den hochgewachsenen Sohn hin und zwinkerte mit den Huschaugen an der breiten Gestalt hinauf. »Wer wird denn nun in eurer Ehe das Wort im Hause führen?«
Von Echter kam das gute, tiefe Lachen. »Das wird wohl deine Schwiegertochter gründlich besorgen, Vater.«
»Wieso denn ich?« rief Frene in heller Empörung.
»Nun – ich weiß nicht, ob man sich in so kurzer Zeit abgewöhnen kann, ein Büblein mit dem Hemdzipfel in einem Manne zu sehen … noch dazu er wie ein Kindlein fromm auf dem Siechbette lag und ganz in eines guten Mädchens Hand gegeben war.«
»Was? … Büblein mit dem Hemdzipfel? Wann hat sie dich je so genannt?« forschte der Alte streng und ergriff der Schwiegertochter Partei. Er schob das Kinn nach der Nasenspitze, trat dichter noch vor Echter hin und sah fast wütend drein, »beginnst du jetzt schon auf mein lieb Kindlein zu schelten?«
»Nimmer wirst du das erleben, Vater. Aber ich kam einmal dazu, als meine Frene an einem weißroten Bandelier stickte …«, wollte Echter zu erzählen beginnen.
Aber sie unterbrach ihn. »Vergebnis, Herr Vater – sagt den Gästen, daß wir sogleich kämen. Ich muß meinem Manne noch etwas weisen, das ich vergaß … denn ich schulde ihm eine Bitte um das Wiedergutsein!« fügte sie leise hinzu. Sie drängte das putzige Männlein einfach hinaus. Dann trat sie in ihrer schlanken Schönheit vor den Gatten. »Magst du, daß ich ein Geheimnis lüfte, das ich bis zu unserem ersten Streit zu bewahren gedachte?«
»Tu's, meine traute Gesponsin.«
Da lief sie geschäftig an die Truhe und kniete davor, daß sich das brokatene Brautkleid bauschte. Wie ein Engel in einer weißen Sommerwolke! stellte Echter still für sich einen seiner geliebten Vergleiche an. Sie kramte ein langes Weißrotes aus dem Kasten und trat damit vor den Mann.
»Weißt du noch, was für einen Namen ich einstickte?« frug sie, und ihr Blick war fest und ohne Verlegenheit.
»Gewißlich«, antwortete er und ward in der Erinnerung an die Stunde jener heißen Eifersucht auf Flink von Hasselbach und an den damals so schlimmen Zwist ganz klein.
»Und weißt du auch, wann ich die Zeichen herauszufädeln begann?«
»Ich denke mir, kürzlich erst …«
»Nein!« widersprach sie ehrlich. »Das begann bereits an jenem Tage, an dem du nach Speyer rittest, um dich angeblich mit Lene Hecker zu versprechen.«
»Frene – meine Frene!« rief er laut und glücklich und drückte sie, daß der Brokat knisterte und arg verknittert ward. Das weißrote Bandelier flatterte zu Boden; da lag es nun langgereckt und wie ein in zwei Farben geteilter Weg. Echter blickte, die Heißerglühte im Arm, darauf hin. »Du Gute und Liebe – ach, was wehrtest du dich nur immer gegen mich, der ich dich seit Kindertagen liebe. Sieh, du Meine, so soll unser Leben sein – wie dies Bandelier: weiß und rein in Treuen, leuchtend und rot in Liebe … immer eines neben dem anderen her.«
Wieder schnob der Wind um den »Grimmvogel«, daß sich der vergoldete Adler als Wetterfahne kreischend um seine Eisenstange drehte.
»Wie es herbstet«, sagte Frene erschauernd und flüchtete das blonde Haupt an ihres Mannes Brust.
»Nein – es lenzet!« entgegnete er stark und koste zärtlich ihr stolzschönes Antlitz. »Es lenzet – denn auf deinen Wangen blühen holdselige Röslein und deine Augen leuchten wie Sonnen, deine Haare sind hellgolden wie Saalweidenkätzlein und deine Lippen sind frisch wie ein Frühlingsquell, deine Haut ist wie Apfelblüten und du selbst wirst die Erde sein, die neues Leben gebiert …«
Da verschloß sie ihm rasch mit einem Kuß den Mund, damit er keine weiteren Vergleiche anstellen sollte. –
Ende.