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Satirisch-lyrisches Epos
Dem Tannenhäuser ging's wahrlich gut:
der saß im Venusberge
und labte sich an süßer Glut;
deß wehrte ihm kein Scherge.
Und wenn er ausgeschlafen hat
von süßer Lust und Küssen,
dann hat nach der Frau Venus Rat
er Leier schlagen müssen.
Und sang mit schmetterndem Organ
ein Liebeslied, der Kecke,
so war's um Frau Venus getan
in ihrer Rosenhecke.
Doch ach, in diesem Paradies
ward er sich selbst zum Raube,
achtete nicht des weißen Knies,
das vor ihm lag im Staube.
Er zog mit einem Fluch davon,
nach Rom des Wegs zu pilgern,
wo er den Pfaffen ward zum Hohn,
den grimmen Lustvertilgern.
Er kehrte um und weinte viel,
den Venusberg zu finden;
zerrissen war sein Saitenspiel,
sein Leib bedeckt mit Grinden.
Solange harrte sein in Lieb
Frau Venussin, die nackte;
sie nahm ihn wieder – er verschrieb
sein Leben ihr im Pakte.
Er soll bei ihr geblieben sein,
bis Satanas ihn freite;
den weiland Pakt ging gern er ein,
moralisch tot und pleite.
Der Papst Urban mit Grausen fand
das Grünen an dem Stecken;
stracks hat er Leute abgesandt
in seinem frommen Schrecken:
»Sucht mir den Minnesänger auf,
fragt nach dem Ofterdingen …
es soll ein frommer Brüderhauf
ihm nach das Wunder bringen!«
So lief der fetten Pfaffen Schar
denn bis nach Deutschlands Gauen;
als da die Welt mit Brettern war
vernagelt, faßt sie Grauen.
Sie guckten dumm und pflogen Rat;
da sprach ein feister Pater:
»Das also ist das Resultat? …
Lohn's Gott dir, heil'ger Vater!
Wir laufen ganz vergebens hin –
der Stab treibt Blättermassen …
der Teufel hol' die Venussin
samt dem, der sie verlassen!
Nun schleppen wir schon einen Baum
nebst Astwerk, Stamm und Wurzeln –
ihr armen Brüder tragt ihn kaum
ohn' Schwitzen und ohn' Purzeln.
Und tragen wir ihn weiter, bald
wird sich das Ding noch mehren
und wird wohl gar ein ganzer Wald;
das müßt uns arg beschweren.
So will ich sagen, was ich mein':
dort bei den Haselstücken
da pflanzen wir das Wunder ein.
sonder der güldnen Krücken.
Die güldne Krücke tragt zurück
und grüßt Urban indessen –
's ist immerhin ein wertreich Stück …
ihr dürft es nicht vergessen.
Und fragt der Papst nach mir, so sagt:
ich scheut der Alpen Stege,
ich bliebe hier – ich hätt's gewagt –
und nähm' den Baum in Pflege.
Ich bauet mir die Klausnerei,
ein Haus aus Äst' und Rinden;
und käm' der Tannhäuser vorbei,
sollt' er sein Heil hier finden.
Ich künd' ihm frei des Wunders Preis
mit frohem Gottesmute
und stecke ihm ein grünes Reis
ins Band an seinem Hute.
Dann kann er selig weitergehn –
ich half ihm von den Sünden;
ich bleib, solang mein Haus mag stehn,
mein Haus aus Äst' und Rinden.« –
Da riefen sie: »Halleluja!
Preis sei dir, Frater Thomas!
Nun sind wir denn bald wieder nah
den sieben Hügeln Romas.«
Dann gruben sie ein tiefes Loch
und pflanzten ein den Stecken
und zogen fort. Der Pater kroch
zum Schlaf in Haselhecken.
Und ruht vom weiten Weg sich satt,
trotz Nesseln, Wurz' und Kletten
auf seiner schatt'gen Lagerstatt,
und träumt von Wein und Metten.
Und als das Haus war aufgericht
genau am dritten Tage,
da schrieb er nieder ein Gedicht:
die ganze Wundersage.
Kam nun ein Wanderer den Pfad,
so lud er ihn zum Rasten:
»Halt ein und weilt, Herr Kamerad –
hab' dreierlei im Kasten.
Das erste ist ein frischer Trank –
aus Birnensaft der Mosten …
den dürft Ihr sonder Münz und Dank
an meiner Schwelle kosten.
Das zweite sind gar süße Kern –
vom Haselstrauch die Gaben …
ich letze damit jeden gern,
der hier auch Rast will haben.
Doch Rast und Kern gibt's nicht umsunst.
wie ich's beim Most mag pflegen:
derweil Ihr rastet, dürft der Kunst
Ihr stellen nichts entgegen.
Ihr könnt dem dritten – einem Sang
voll Wunder – nicht entgehen …
mag gar er im Zusammenhang
mit Euern Sünden stehen?
Denn einmal kommt zum Glück und Schluß
der, dem mein Lied soll gelten;
muß oft genug voll Bitternus
darob mich lassen schelten.
Ich trag es einem jeden vor
mit wohlgeübtem Singen;
so kommt's doch einst vielleicht zu Ohr
dem Heinrich Ofterdingen.« –
Das Pfäfflein las vom Venusberg
die uralt süße Sage
und sang sein selbstgeschaffen Werk
oft siebenmal am Tage.
Gar mancher schalt die Reimerei!
und lobt den Most als süffig,
obzwar er schon recht sauer sei;
vom Liede schwieg er pfiffig.
Gar mancher pries die Haselkern
und lauscht dem Sange selig;
gar mancher hört nicht Lieder gern
und schmäht die Kern als ölig.
Der andern Spott: das Wunder war.
um Heinrichs Buß zu mehren.
da sie mit einem Stecken gar
ihm nachgelaufen wären.
Das schiert den Wackern Pater nie,
der rief: »Du Baurenrüppel
weißt nichts von Text und Melodie …
acht meinen Haselknüppel!
Dereinst wird einer kommen just,
dem mag's das Herzleid stücken,
wenn er in seines Losspruchs Lust
ein grünes Reis wird pflücken.
Und wenn's der Ofterdingen wär',
dann saufen wir mit Preise
den Most aus, und der Kerne Heer
wird dann der Vögel Speise.
Vom Haselbusch schling ich den Kranz
um meine Stirn fürs Singen;
fürwahr ich glaub', mit Fug ich kann's
– – käm' halt der Ofterdingen!« –
Ein Mond ging hin, ein Jahr ging hin …
die uralt süße Sage
der splitternackten Venussin
sang er gar oft am Tage.
Wohl mancher hat das traute Lied
als einen Hort empfangen
und ist, wenn er vom Klausner schied,
drob reicher fortgegangen.
Wohl mancher zog gar still ins Weit
mit Träumen und mit Sinnen
und dacht des Wegs mit süßem Leid
an Venussin und Minnen.
Wohl mancher frug im Land umher
nach der Frau Venus Bleiben;
und ward ihm dann das Herze schwer,
begann er 's Liederschreiben.
Die Hütte und der frumbe Mann
sind längst dahingegangen,
doch in den Grund die Wurzeln spann
der Baum mit grünem Prangen.
Der Frater Thomas ward zu Staub,
ehvor der Würmer Beute …
der Baum trägt heut noch grünes Laub –
das Lied klingt süß noch heute.
Und heut – wo ist der Venusberg? …
in einer engen Gasse;
da gibt es weder Nix noch Zwerg,
doch Venusse in Masse.
Da braucht's des Leierschlagens nicht,
drob näßt kein Weib die Wimpern;
ein Sänger gilt kein Dreierlicht,
kennt er kein Talerklimpern.
Und wenn man eine dort verschmäht
und geht davon mit Fluchen,
so wartet sie nicht früh und spät,
daß du den Berg sollst suchen.
Es braucht auch nicht des Suchens erst –
er ist gar leicht zu finden;
und wenn du wieder ein dort kehrst,
muß dich kein Pakt erst binden.
Doch Glut und Liebe nimmer rankt
um dich die Rosennetze;
fürs Küssen und Umarmen dankt
nur, wenn du zahlst, die Metze.
Du brauchst nach Rom nicht wanderen,
mit Buße dich zu lösen …
nie gleichst du jenem anderen
Tannhäuser, dem seriösen.
Und nimmer grünt ein dürrer Stab,
das Heil dir zu verkünden –
du steigst auch so erlöst ins Grab,
nicht zehren dich die Sünden.
Und feierst du ein Bachanal,
so wirst du dabei nüchtern …
der Trank ist trüb und schmeckt dir schal,
und macht dein Freuen schüchtern.
Und nimmer naht der Teufel sich,
auf Pakt und Blutschrift pochend …
du holst ihn dir, nicht er holt dich –
der Höllenstank schwelt kochend.
Dein Herze weint, dein Seelenfried
wird dir zum Menetekel …
der Schlußvers von dem Venuslied
ist ungeheurer Ekel. –
Drum hab' ich einen Brennewunsch;
oft muß ich ihn ersäufen
in Kognak, Bier und Eierpunsch,
und fluch' den Zeitenläufen.
Lebt' ich im Jahr Zwölfhundert-X,
wie wollt' ich Venus preisen
führt' mich zu ihrem Berg ein Nix,
den Eingang mir zu weisen.
Da lebt kein Papst auf dieser Erd',
der mich verfluchend bannte
ich säße an der Venus Herd,
wär' wahrlich kein Pedante.
Ich pfiff auf Seelenheil und Sünd',
ich pfiff auf alle Pfaffen,
wenn Venus nackigt vor mir stünd'
mit Brüsten, runden, straffen.
Ich gäb' mich ihren Küssen hin,
in Glut mit ihr mich einend …
nicht nach der Erde stünd' mein Sinn,
nicht nach dem Frühling greinend.
Ich wollt' kein Glockenläuten hörn,
nicht sehn der Knospen Treiben …
mich braucht Frau Venus nicht beschwörn.
in ihrem Reich zu bleiben.
Mich schierte nicht Elisabeth,
nicht Gnadenheil noch Sünden,
wüßt' ich nur, wo die Straße geht
nach der Frau Venus Gründen. –
Drum, wird vom Hörselberg mir kund
und von Frau Venussinne,
dann blutet eine Herzenswund,
und Groll zehrt mich statt Minne,
Steh ich vor einem Hügel still
und schau auf seine Lehnen,
dann ist's, als ob mir brechen will
das Herz vor süßem Sehnen.
Mein Auge wird von Tropfen naß,
mein Selbst fühlt sich betrogen …
ich setz mich vor mein Tintenfaß
und schreib auf weiße Bogen:
Das ist das ew'ge Sehnsuchtsleid,
weil Venus längst gestorben …
die Liebe trägt ein Trauerkleid,
die Rosen sind verdorben.
Das ist das ew'ge Sehnsuchtsweh
der ungeweinten Tränen …
es stillt uns heute keine Fee
das heiße, wilde Wähnen.
Das ist der ew'ge Sehnsuchtsfluch …
wer sah drin die Parabel? …
Der Tannhäuser war nur ein Buch,
Frau Venus eine Fabel.
Das ist der ew'ge Sehnsuchtswunsch:
der Mensch bedarf der Liebe …
wie wär's, wenn nicht der Eierpunsch.
ihn zu betäuben, bliebe! –
So klag' ich, daß Frau Venus schied,
daß sie versank, entschwunden,
und hab' das alte Venuslied
vergleichend neu erfunden.
Wärmt' ich ein Mahl von gestern nun,
sei gnädig, Herr, der Seele! …
War's Sünde, wollt' ich Sünde tun
und büße gern die Fehle.
Man mag mich epigonenhaft
und unmoralisch nennen,
wenn eins nur glaubt, daß ich's geschafft
mit Leid und Lippenbrennen.
Nun auf, zernichte mich, Kritik! …
Es hieß, daß sie verroht ist – – –
am besten wär' ja doch ein Strick.
weil Venus längst schon tot ist.
* * *