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Einige Briefe
....... den 3. August.
Sehr geehrtes gnädiges Fräulein!
Auf Ihre Anzeige in der Zeitschrift »Kultur« beehre ich mich, Ihnen meine Adresse mitzuteilen. Ich möchte – ebenso wie Sie – mit einer gleichgestimmten Seele meine Anschauungen und Gedanken über allerlei Dinge des Lebens, über Künste und Künstler, über Schönheit … kurz, über alles mögliche austauschen. Ich wäre sehr glücklich, wollten Sie mir Ihr Vertrauen schenken. Und so erwarte ich mit Spannung Ihre ersten Zeilen, hoffend, die erste Anregung zu einem Gedankenaustausch möge darin gleich enthalten sein.
..... den 9. August.
Hochverehrte Gnädige!
Nein, eine Debatte über Frauenrecht oder -unrecht liegt mir leider gar nicht. Bitte, wählen Sie ein anderes Thema. Wollen wir nicht in Schönheit und also auch mit der Schönheit beginnen?
..... den 19. August.
Geschätzte Freundin!
Tausend Dank für Ihre Zeilen. Unendlich viel Anregung haben Sie mir geboten. Aber Sie erschöpften das Thema Schönheit so vollständig, daß wir es nun beschließen dürfen. Nun bitte ich um Ihre Gedanken über das Betrachten von Bildnissen. Darauf werde ich dann gewiß viel Schönes zu sagen haben. Wie immer seither, sollen Sie zuerst das Wort ergreifen dürfen.
..... den 23. August.
Liebste Freundin!
Sie tun mir unrecht, wenn Sie der Meinung sind, ich ginge nicht ausführlich genug auf Ihre lieben Briefe ein. Was Sie bis jetzt geschrieben, das ließ mir fast nichts zum Wiederschreiben übrig. Immer noch waren Sie der gebende Teil. Es kommt nur auf das Thema an, damit auch ich einmal ausführlicher werde. Heute will ich nur kurz bemerken: Ihre Anschauungen über das Betrachten von Frauenbildnissen werden mir ganz besonders willkommen sein. Ihrem Wunsche gemäß, enthalte ich mich also heute meiner Meinung und erwarte erst Ihre Nachrichten. Wie ich über unsere persönliche Bekanntschaft denken würde? Soll Humor in Ihrer Frage liegen? Nein, Sie meinen sie gewiß ernst. Ich habe dazu nur zu sagen: längst sind Sie mir durch Ihre stets lieben, stets unsagbar tiefen, immer persönlicher werdenden Briefe schon so nahe gerückt, daß ich brennend den Wunsch zu einer Zusammenkunft hätte. Und wann wollen wir sie feiern? Und wo? Ich harre!
..... den 30. August.
Meine geliebte Freundin
Vielen Dank also für Ihre Anschauung. Nun komme denn ich an die Reihe.
Was mir bei unserer Unterhaltung besonders vor Augen stünde, wären jene Bildnisse, wie sie vor allem in der auch Ihnen zur Verfügung stehenden Zeitschrift wiederkehren. Ich bin im Zweifel, ob Frauen, die zu diesen Lichtbildern Modell gestanden, der Verehrung eines Mannes wert sind; insofern seiner Verehrung wert sind, als er sie nicht bloß auf die rein äußerlichen Reize ihres Weibtumes betrachtet, sondern ihren Zügen, der Wohlgestalt ihres Körpers mehr abzulesen, mehr abzugewinnen sucht. Ob hier die Freude an der eigenen Schönheit so weit ging, daß sich diese Mädchen den Zwecken der Zeitschrift – Schönheitssinn zu erwecken und zu fördern – nackt zur Verfügung stellten … oder ob diese Modelle einem Lebenskreise entstammen, der aus der Körperschönheit zunächst Kapital zu schlagen trachtet … das sind Fragen, die des bitteren Nachgeschmackes nicht entbehren. Malermodelle – auch sie sind durch die Enthüllungen ihres Leibes, vor einer Anzahl sie lediglich als Modell und nicht als Weib betrachtender Männer, doch gewiß häufig auf eine Stufe geraten, die mit der Liebe höchstens das teilt, daß sie nicht ohne Lohn »lieben«, um auch von den realsten Dingen des Lebens nichts zu entbehren. Hier heißt »Alles verstehen ist alles verzeihen«. Und ich verachte keineswegs jene Mädchen; ich bedauere meistens nur, daß sie ihren Liebreiz nicht aus Schönheitssinn enthüllt, sondern daß die tieferen Gründe zur Entblößung gewissermaßen in einer Schamlosigkeit liegen, die ihnen Gewerbe wurde.
Ich kann mir nichts Liebreizenderes denken als jenes Mädchen, das auf dem bekannten Kunstblatte »Am Feuer« zu sehen ist. Ist das Betrachten dieser in Wahrheit holden Reize ein ästhetischer Genuß vornehmster Art, so ist es – wenigstens für mich – andererseits doch auch wieder quälend, denken zu müssen: dies liebliche Geschöpf geriet vielleicht an einen, der sie verbrauchte, verbraucht später beiseitewarf. Denn ohne Zweifel spricht aus dem Antlitz des Mädchens, zur Zeit der Aufnahme, noch viel reiner und keuscher Sinn, wenn sie am Ende auch nicht mehr über die Geheimnisse zwischen Mann und Weib im Fremden gewesen sein mag.
Viele andere Bildnisse der Zeitschrift kann ein sinnlich gesund veranlagter Mann wohl kaum ohne das innere Verspüren des Verlangens betrachten. Bei ihnen erwachen nach dem ästhetischen Genüsse auch jene Sinne, die gewiß mit dem Schönheitssinn in engster Verbindung stehen; Sinne, die dem Anblicken eines nackten Weibes Gefolge werden als ein Naturgewolltes, aus den Gesetzen des Blutes, aus den Bestimmungen des zum Weiter-Erschaffen zwingenden Naturwillens. Nichts ist z.B. dazu mehr angetan, als die Darstellung und die Haltung jener Frau in dem Bildnisse »Spielendes Licht«. Selbst der Titel reizt zum Nachdenken, zum genaueren Betrachten der natürlichen Weibesreize jener Frau. Just daß die Schoßpartie sich in so tiefen Schatten hüllt, weckt eine Art stillen, sich kaum selbst bewußten Begehrens. Wie stets das Verhüllte weit eher sinnlich wirkt als das Enthüllte.
Ich möchte einmal im Leben erfahren, wie eine Frau beim Betrachten von Bildnissen völlig enthüllter Männer denkt. Regt sich auch bei Frauen der Traum des Genießens, die Neubegierde nach einem Zusammensein, der Wunsch nach dem Besitze eines solchen Körpers, das Verlangen: einmal auch einen männlichen Körper enthüllt nicht nur im Bilde, nein wirklichen Leibes vor sich zu sehen? Oder bleiben es reine, nur an der Schönheit sich begeisternde Augenblicke des Versenkens in den Anblick der Blöße? Ich hatte nie Gelegenheit, eine Frau danach zu fragen. Es ist gewiß auch eine Frage, die keine Frau so offen und ehrlich beantworten möchte, wie es mir wert erschiene … obwohl ich die Frage ohne Nebengedanken stellen würde. Ja, ich würde sie als redlich mitfühlender Mensch, im Falle der Beantwortung auf das Sinnliche hin, als ein mir anvertrautes Geheimnis und als ein Selbstverständliches, gar nie anders zu Erwartendes, für mich bewahren. Ohne daß die so antwortende Frau damit in meinen Augen das geringste an ihrem Werte verlöre.
Das Betrachten jener Frauenbildnisse aber macht mich auch über dies grübeln:
Bestünde wohl die Möglichkeit, daß eine von der Schönheit des Menschen angeregte und begeisterte Frau – ob sie auch noch keusch sei – es über sich gewönne, einen den gleichen Idealen nachsinnenden Mann dadurch zu beglücken, daß sie ihm irgendwie und irgendwann volles Vertrauen schenken könnte? Dieses Vertrauen ginge freilich weit über alle Grenzen des Erlaubten und würde einen Mut erfordern, der vielleicht einzig dastünde, ohnegleichen wäre. Denn dies Vertrauen sollte in nichts Geringerem bestehen, als daß eine solche Frau gestatten müßte, sie in ihrer ganzen Schönheit so zu betrachten, wie es die Bildnisse unserer Zeitschrift erlauben; freilich nur als ein unvermittelndes Gedrucktes. Zu diesen Bildern gehörte nur der Mut, dem Vertrauten einen Augenblick vor dem Apparat stillzuhalten – sofern es sich nicht um Malermodelle oder um Mädchen handelte, denen das Entblößen ein Gewerbe ist. Ich kann mir sehr gut denken, daß eine so stark vertrauende Frau – wie ich sie meine – im letzten Augenblick alle Schönheitsideale fahren lassen und sich die Entkleidung sehr überlegen würde. Oder sie müßte denn aufs tiefste überzeugt sein, daß auch der in Frage kommende Mann im unberührten Betrachten aller ihrer Schönheiten nur das üben will, was ich höchst berechtigt einen »Gottesdienst« nennen darf. Man kann sich selbst rein genug erscheinen, um eine solche stille Stunde höchsten Vertrauens und innigen Betrachtens ohne einen Nebengedanken zu ertragen. Man kann sich sogar in diesen Traum einspinnen, kann ihn als hochbeglückende Wirklichkeit träumen, um schließlich doch dahin zu gelangen: es gibt Träume, die sich nie verwirklichen lassen!
Denn das will mir einleuchten: nicht vergebens erschuf Natur den Leib des Weibes mit so unzähligen Reizen eigenster Art … Natur begehrt, daß diese Reize wirken ihrer Bestimmung nach … das Ende eines solchen Traumes wäre also vielleicht dennoch und allen reinsten Vorsätzen zum Trotz: die Sünde.
Ginge Sünde nun vom betrachtenden Manne oder von der sich enthüllt habenden Frau aus – was wäre dann die Folge? Reue … oder Glück oder das Bewußtsein, dem Leben abgewonnen zu haben, was uns das Leben als Bestimmung eingeprägt: die Vereinigung zweier verschiedener Geschlechter als Naturgesetz. Ist es denkbar, daß die Frau – denn der Mann bereut wohl niemals! – ohne Reue aus dieser Stunde hervorginge? …
Gedanken eines Mannes! … könnten die Gedanken einer Frau beim Betrachten von Männerbildnissen den gleichen Weg wandern? Ist eine Frau je auf ähnliche Träume gekommen, sich sehnend nach einem in Halblicht getauchten Raume, in dem sie still dasitzen und das sich regende und Leben gewinnende Bild in Andacht anstaunen möchte. Ach, eine Abbildung – sei sie auch noch so hohen künstlerischen Wertes – was ist sie angesichts der Natur! Oder wirkt der Manneskörper nicht in so hinreißender Fesselung auf die Frau, weil sie die Hingebende bleibt? Denn der Frauenkörper wirkt hinreißend auf den Mann, weil er naturbestimmt der Begehrende sein muß. Sind hier Unterschiede, die man nicht beantworten kann … oder gäbe es keine Frau, die den Unterschied bekennen will? Malermodelle oder die Modelle jener Lichtbilder haben nichts zu bekennen; sie schreiten nicht auf den Holdnissen der Naturandacht dahin. Es schiert sie gewiß nicht – auch nicht mehr in Eitelkeit – ob der sie betrachtende Mann geistigen Genuß bei ihrem Anblick hat und sein Herz dazu erhebt, oder ob er sich geistig und sinnlich ebenso kühl verhält wie sie. Von ihnen Antwort zu heischen, hieße den Wind nach etwas fragen …
In allem, was ich hier ausführte, ist selbstverständlich die Rede nur vom Körper der Europäerin. Exotische Frauen ertragen ihre Blöße mit so großer Selbstverständlichkeit, daß auch beim ersten Augenblick ein weißer Mann nicht den geringsten erotischen Reiz vermittelt fühlt; das scheint von diesen Frauen ohne weiteres so auszugehen. Ihnen fehlt das Geheimnisvolle, das den Faden des Verlangenmüssens wie den des Gewährenmüssens spinnt. Kein Forscher vermochte deshalb je das Geschlechtsleben exotischer oder wilder Völker ganz zu ergründen. Und deshalb wird es auch meist dahin ausgelegt: das rein Tierische obwalte – die Natur ließe bei den Nacktgehenden nur die Gesetze der Fortpflanzung erfüllen – von geistigen Genüssen an den Körperreizen des Weibes habe der Wilde keine Ahnung – weshalb diese Völker auch das nicht kennen, was wir Liebe heißen.
In jungen Jahren lebte ich einige Zeit auf einer Südseeinsel und war dort glücklicher als je nachher. Dort war üblich, daß man sich eine braune Dienerin hielt, weil sie weit zuverlässiger und weniger betrügerisch veranlagt ist als der braune Diener. Nun, diese Dienerin vertritt – das ist dort ebenso üblich und etwas so Selbstverständliches, daß man sich wundern würde, wollte einer die Ausnahme machen – sie vertritt zugleich die Stelle des »Weibes«. Der spätere braune Gatte betrachtet diese Vorbereitung auf den künftigen Ehestand sogar als eine Ehre für die zu erwerbende Gattin. Das Mädchen, das mit mir – wie ebenfalls üblich – die Hütte teilte, verstand nicht, was ich bezweckte, als ich sie einst sich völlig entkleiden hieß und danach lediglich die wirklich erstaunliche Schönheit ihres jungen Leibes bewunderte. Sie erwartete das Selbstverständliche – das heißt: das für sie Selbstverständliche. Hiervon aber konnte in meiner schönheitsdurstigen Stimmung nicht die Rede sein. Vergeblich suchte ich ihr das zu erklären. Sie begriff mich durchaus nicht, ja sie fühlte sich aufs tiefste beleidigt und trennte sich andern Tags von mir, weil sie nach ihrer naturgewollten Auffassung von dem Vorgange meinte, ich verachte sie.
Wo liegt nun das Recht? Auf seiten der weißen Frau, die gewiß in der ihrer Schönheit gewidmeten Andacht etwas Wundervolles sähe – oder auf seiten der Braunen, die ihre Schönheit zur Erfüllung der Naturgesetze bereit gehalten und aus der Nichterfüllung schloß, sie werde verachtet? Wo liegt hier das Glück? Bei jener, die geben wollte, was sie besaß – oder bei einer Frau, die den Mann ohrfeigen würde, vergäße er sich, erregt, auch nur im geringsten gegen das Vertrauen, das sie ihm schenkte; als sie ihm ihre Schönheit bot, freilich nur zur Andacht und mit dem Bewußtsein, es dürfe hinterher nichts Selbstverständliches geben.
Denn in jenen verschwiegenen Dingen zwischen zwei Geschlechtern gibt es ganz gewiß ein Etwas, das der Andacht gleichkommt. Sich beherrschen können, ist freilich nicht die Sache unirdisch veranlagter Menschen. Beispielsweise die Französin sagt, Sichbeherrschenkönnen bedeute das meiste im Liebesspiel und schließe das wahre Glück der Liebe in sich ein. Sie meint damit die Andächte, die den letzten Dingen vorangehen müßten, wenn aus der Stunde das Glück gerettet werden solle und nicht nur die Ermattung bliebe, das rätselhafte Einandergrollen, das unausbleibliche. Mit diesem gegenseitig verschwiegenen Grollen ist der Reiz der Stunde verwischt – es bleibt fortan nur noch das Allerletzte. Hier schweigt alles Ästhetentum, und nur der Schöpfungswille hat das Wort in seiner unbezwinglichen Härte.
Nun, geliebte Freundin – Sie werden sagen, ich sei weit abgeschweift von dem, was ich erläutern wollte über den Genuß des Betrachtens von Frauenbildnissen. Sie haben recht, und so muß ich zum Schlusse wohl noch einmal darauf zurückkommen. Ich fühle sehr gesund und mit vollen Säften. Aber ein Irrenarzt versichert mir. das Sichversenken in schöne Bildnisse nackter Frauen sei unnatürlich und sei verderblich für den Geist. Was bezeugt er damit? Gewiß nichts anderes, als daß er nicht die geringste Liebe zur Schönheit besitzt und keine Fähigkeit zur Andacht vor der Schönheit. Meinen Sie nicht auch, süße Freundin? Er ist Genußmensch … oder aber er bezeugt der Bibel traurige Erzählung, nach der es kein Eden ohne Sündenfall gäbe. Ich aber meine, ein Eden ohne Sündenfall müsse weniger ein Märchen sein als das Märchen der Erschaffung der Erde und der Geschöpfe aus dem Nichts.
Es ist, schwierig, sich über diese Themata zu äußern zu einer Frau – ohne ihr Vertrauen einzubüßen. Noch schwieriger aber muß es sein, Antwort auf solche Fragen und Erörterungen zu gewinnen. Ja gewiß, die erste Stunde, die heiligste zweier Leben, darf aus dem Feuer des Zusammenseins nicht als ein Rauch verwehen. Sie muß die Flamme bleiben. Die Flamme, aus der das reinste und schönste Zusammenklingen stets aufs neue wie ein inniges und überirdisches Glück in die Sinne wie in die Herzen lodert. Allem Naturbestimmen. allen Naturgesetzerfüllens zum Trotz.
Also muß der Wille zur Schönheit alles überbrücken können. Er muß das überwältigende Vertrauen geben, von dem ich Ihnen, liebste Freundin, vorträumte. Es gibt Menschen, die den Trieb fühlen, andere glücklich zu machen – zumeist sind sie Frauen, weil der Mann vierschrötiger empfindet, an Leid und Schmerzen leichter vorübergeht, wie er leicht auch an Freude und Glück vorübergeht. Ob es aber ein Weib gäbe, das begriffe, was für ein unsagbar Glück mit dem überwinden der Scheu vor – dem Nacktsein zu schaffen ginge? Ach, das ist gewiß ein Traum, geboren im Hirne eines Phantasten. Doch, man kann solche Träume ja seelenruhig spinnen, kann glauben, sie würden einmal Wirklichkeit, kann ein ganzes Leben daraus hoffen – – – und kann doch sterben, ohne sie je erfüllt gesehen zu haben. Das ist Menschenlos: mit ins Grab das beste zu nehmen, was auf dieser Erde unerfüllbar sein sollte. Lind keiner stirbt, ohne daß ihm ein Wünschen unerfüllt geblieben
..... den 2. September.
Mein süßer Freund!
Eine ganze Nacht lang überlegte ich, ob Sie nicht nur die Kunst des Verführens an mir üben wollten. Nein, sterben sollen Sie nicht, ohne Ihren – wie mich dünkt – glühendsten Wunsch erfüllt zu wissen. Ich opfere mich ohne Reue. Darüber bin ich mit mir im reinen. Wir sind Menschen, nicht Götter. Dennoch wollen wir versuchen, dem verlockenden Märchen zu widerstehen. Holen Sie mich am Bahnhof ab, ich komme morgen um zwölf Uhr an. Nehmen Sie den guten Rat nicht übel: bringen Sie eine Reisetasche mit, so können wir als angekommenes Ehepaar gelten. Alles, was über diese List der Frau hinausgeht, muß ich Ihnen anheimstellen
...... den 5. September.
Geliebte!
Kaum von dannen bist du und wie ein überirdisch schöner Traum entschwunden, und schon folgen dir diese wenigen Zeilen. Du nahmst den roten Schleier mit, den du mir überlassen wolltest. Bitte, sende ihn sogleich an mich. Und wann kommst du wieder? Du bewiesest größeren Mut als ich. Wie danke ich dir. Die Bibel behielt recht: das Eden ohne Sünde ist ein Märchen, das ich mir träumte. Das Recht zur Sünde ist denn auch Menschenrecht auf Glück.