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Tannhäuserfahrten

Gedichte

 

Moderner Venusdienst

Dem Wunsch nach Liebe seufzend hingegeben,
schritt ich zum Tempel freier Liebe hin,
wo still verborgen Venus sollte leben …
das heißt: verkörpert durch die Priesterin.

Vernahm ich auch wohl bachanalsche Sänge,
der Pforte ihres Reiches nahe schon,
so waren's doch nur Gassenhauerklänge,
und als Sirene lockt ein Grammophon.

Harrt Venus mein mit liebeweiten Armen,
zu bieten mir den beerenroten Mund? …
hier nicht – hier fleht die Liebe um Erbarmen
und graut sich vor dem leicht geschloßnen Bund.

Das Opfer brennt nicht hell auf Marmelsteinen –
es schwelt, des Weihrauchs und der Flamme bar;
hier fehlt der Trank von liebgegärten Weinen …
beim Opfern wird der Nachttisch zum Altar.

 

Schritt ins Leben

Du zogst an deines Hemdes Rüsche,
und mir erstand dein weißer Leib;
du sprachst: aprés nous le deluge
von heute an bin ich dein Weib!

Da stand ich zitternd nun und schaute,
wie stolz der Altar meiner Brunst …
und über uns die Ampel blaute
gleißend im Zigarettendunst.

Der Tag rief mich zurück dem Leben,
ein kalter trüber Wintertag …
ich fühlte deine Brust sich heben,
ich lauschte deines Herzens Schlag.

Und noch das Licht der Ampel blaute,
vermählt dem frühen Morgenschein …
vor allen fernern Nächten graute
mir nur. – Wie kannst du teuflisch sein!

Wie kannst du teuflisch sein im Minnen!
Weh mir, wenn wiederkehrt die Nacht …
ich muß mich auf mich selbst besinnen:
So also ist's, wenn Lust erwacht?

Die Sonne lockt mich aus den Sünden,
aus schwüler schwerer Luft hinaus …
die Ampel schwelt in gelbem Zünden. –
sie zuckt und zuckt und lischt dann aus.

Sahst du, wie's ist, wenn Männer weinen,
da über sie die Reue kam …?
So hell kann nie ein Tag mehr scheinen,
als jenen Morgen tiefster Scham.

 

Wanderungen nach …

1.

Die Gier, die mir das Blut ins Kochen brachte,
zog mich nach jenem Tempel, der geweiht
der Göttin Venus; doch die Liebe lachte
mit frechen Augen, feiler Lüsternheit.

Mit schlaffen Brüsten, welken Schminkewangen
trat dort die Priesterin vor meinen Blick;
bereit, zu stillen meiner Brunst Verlangen,
rühmt sie in Liebeskünsten ihr Geschick.

Und von den heißen Wünschen blindgeschlagen,
erschien sie mir als Weib begehrenswert …
und ich entehrte meine Niederlagen,
da ich mich selbst schon durch den Kampf entehrt.

O schrecklicher Ernüchtrung Tageshelle! …
ist dies Natur – ist dies nicht Freveltat?
Und ich entfloh der Geilheit Tempelschwelle,
wo ich, was Mannsein heißt, mit Füßen trat.

2.

Noch eine solche Nacht der Liebeskämpfe,
wo geile Kunst den Sinnen Lust ersetzt,
wo Liebessehnsucht fällt in brünstge Krämpfe,
ihr zart Gewand von frevler Hand zerfetzt.

Noch eine solche Nacht der Opferflammen,
die auf Altären tier'scher Brunst entfacht,
und mich wird barschen Munds der Gott verdammen,
der einer reinen Lust lieh Himmelsmacht.

Und doch – und doch … ich muß sie wieder suchen …
wo ließ ich sonst der Mannheit Übermacht –
ich müßte sonst den wilden Säften fluchen,
die, in mir kreißend, Lust zur Welt gebracht.

Und da ich nirgends kann die Fluren finden,
wo man den Kultus reiner Sünde übt,
so pilger' ich zum Tempel schmutz'ger Sünden,
und meine arme Seele weint betrübt.

3.

Es schwieg der Wunsch in mir, der vorher lockte;
gleichgültig war mir plötzlich, was ersehnt;
und meiner Sinne heißes Drängen stockte
in falscher Kraft, dem Augenblick entlehnt.

Nicht reizte mich das weiße Gliederprangen,
das auch das feile Menschenweibchen ziert,
und was ich gestern hegte an Verlangen,
erschien mir heute schon gemein vertiert.

Doch siehe da: es weckte mein Verschmähen
etwas im Herzen jener Priesterin …
in Sehnsuchtswünschen, reinen, wilden, jähen
hielt sie mir das zertretne Herze hin.

Und was ich der Natur wohl nimmer traute:
die Feuerflamme schlug bei mir den Brand,
und meines Herzens Sommerhimmel blaute
ob einem längst verdorrten Wüstenland.

Aus Mitleid mit dem niebebauten Garten,
der sandverweht, vereinsamt barg ein Beet,
brach ich die Schollen, die des Gärtners harrten,
und hab das Kräutlein Liebesglück gesät. –

4.

So mußte doch die Dirne in dir siegen,
und meiner Liebe Preis war schlecht verteilt:
der Frechheit mußte Scham still unterliegen …
das Glück, zu lieben, hat dich nicht geheilt.

Daß du entlohnt wardst für dein Preissichgeben –
nun, ich ertrug's mit Mut … es mußte sein;
ich glaubte ja, ich schenke dir erst Leben,
ich gösse dir den Trunk der Liebe ein.

Und nicht um Lohn, nein deine Brunst zu füllen,
hast du den War unsres Glücks entweiht!
So koste denn fortan den Widerwillen,
der Schimpf der Metze in die Ohren schreit. –

 

Vergleich.

Die Welt ist doch ein Freudenhaus,
und Glück und Leid zwei Dirnen drinnen:
Leid streckt voll Gier die Arme aus,
Glück tut, als wollt's dich zärtlich minnen.

Das Glück zeigt uns die Rosenbrüste;
man neigt das Haupt, um sie zu küssen,
erkennt die ungestillten Lüste
und wird dann weinend scheiden müssen.

Es will sich gern und willig geben
und kränzt uns bunt des Opfers Schalen …
nur das ist das Fatale eben:
nicht jeder kann das Glück bezahlen!

Das Leid hingegen ist die Dirne,
der einerlei des Preises Höhe:
es wirbt um uns mit frecher Stirne,
auf daß kein Kunde ihm entgehe;
es nimmt uns gierig in die Arme,
um billig uns zur Lust zu taugen …
doch es versteht – daß Gott erbarme! –
die letzte Kraft uns auszusaugen!

Die Welt ist doch ein Freudenhaus,
und den Genuß muß man bezahlen …
dann geht man tiefbetrübt hinaus,
das Herz voll Ekel und voll Qualen.

 

Perversin.

Zeigst du mir den weißen Körper,
deiner Brüste rundlich Wölben,
deiner Schenkel Tempelsäulen,
sind sie niemals mir die selben.

Heute Anadyomene,
morgen mädchenkeusch erscheinend,
bist du nachts mir Aphrodite,
morgens als Vestalin weinend.

Und dein Kuß so wild und flammend,
deiner Augen brünstig Glänzen,
deiner Hände sinnlich Schmeicheln,
deiner Hüften zarte Grenzen.

Und dein wollustzärtlich Weinen,
Engumschlingen deiner Glieder,
Deines Mundes irres Stammeln
des Verlangens … immer wieder …!

Weh – der Hölle wohl entstiegen,
wildes Weib, bist du in Sünden!
Hassen will ich, tief dich hassen
– – und muß stets dich wiederfinden.

Quälen will ich dich und schlagen –
mir zu Füßen sollst du wimmern …
und du küßest mir die Füße,
in den Augen lüstern Flimmern.

Und wenn so die Nacht vergangen,
wenn du alles Glück genossen,
jagst du mich von deinem Herzen,
und dein Herz bleibt mir verschlossen.

Deiner Liebesworte Lechzen
ist gemeinem Schimpf gewichen …
und ich bin in stillem Kummer
trostlos stets von dir geschlichen.

 

Novize der Hetären.

Weißt du, daß du – schön und unverdorben,
wie du dich dem Leben suchst zu nahen –
endlich all die Wünsche mußt bejahen,
wenn du für die Liebeskunst geworben?

Und was lockt dich, armes Kind, zu suchen
gift'ge Blumen auf der Liebe Fluren,
eins zu fühlen dich mit Kreaturen,
die dem Leben und dem Schicksal fluchen?

Oder suchst du jene Lesboskinder,
die in Schlaf nicht Thanatos mag wiegen,
wenn sie sterbend an den Wegen liegen …
sie, geweiht dem Teufel und dem Schinder …?

Wahrlich, deiner Brüstlein rosig Wallen,
weihe Hüften und der Unschuld Blühen
sind zu köstlich, um dort einem frühen
häßlichen Verwelken heimzufallen.

Komm zum Jüngling Glaukos, der dich freien
und auf Purpurkissen betten will in Räumen,
die er schmückte, um mit dir zu träumen
des lebendigen Genießens Gaukeleien.

 

Frau Venus.

Wunderlieb in Rosenschleiern
zeigtest du mir deine Pracht,
und ein heilig Fest zu feiern,
kamst du zu mir eine Nacht.

Und du hauchtest brünstig Sehnen
mir mit deiner Lippen Glut
in das Herz; und der Sirenen
Flammensänge ward ich gut

Fesseltest mit schwarzen Locken
den, der Liedern unterlag …
da – mit hellen Freudenglocken
grüßte schon der Dämmertag.

Und der Spuk zerrann im Morgen,
zum Olymp floh er zurück,
schlummert tief im Tag verborgen …
Nacht, wann bringst du mir mein Glück?

 

Sodom.

So fiel ich denn in deine Netze,
du sündig siche Zauberin,
daß ich den Durst nach Nacktem letze,
auf daß ich ferner sündig bin.

Und Liebesnächte, toll und frevel,
vereinten uns zum wilden Spiel …
es regnete kein Himmel Schwefel,
und nicht aus Wolken Feuer fiel.

Wir fuhren nicht dahin in Sünden,
kein Engel hat uns fort gebannt
aus eines Paradieses Gründen,
wo unsrer Sünden Lust entbrannt.

Es einen nächtens unsre Glieder
sich einem Chaos von Genuß –
es brandet wild und immer wieder
ein Meer von Liebe, Guß um Guß.

Und wie der Felsen schließlich zittert,
den stürmend Wogen angerannt,
sind wir, wenn endlich ausgewittert
das Stürmen, das in uns entbrannt.

 

Glücksbetrug.

Es kam einmal das Glück und fing mich ein
mit einem goldnen Netz und Blumenzierden,
und gab sich mir im nächt'gen Stelldichein
zum Liebesspiel, auslodernd in Begierden.

Es zeigte Elfenglieder mir, und kühn
griff ich danach, sie ewig zu besitzen
in nächt'ger Stunde und in Dämmerfrühn …
ich sah den Leib der Seiden bar und Spitzen.

Die ros'gen Schultern sah ich weit enthüllt,
die Blütenbrüste und die runden Hüften …
ein offnes Paradies … es war erfüllt
das Zimmer rings mit schwülen Liebesdüften.

Es flüsterte das Glück: Nach dir allein
zog meine Sehnsucht, jedes Wunschs Verlangen. –
O trugvoll Glück, wie logst du! … Hinterdrein
hast du dir einen andern eingefangen.

 

Weibwerdung.

Ein Wunder ist an dir vollbracht:
vor Tagen noch Kind und kindlich denkend,
bist du zum Weib erwacht.

Nun träumst du von der heißen Nacht,
die kennen dich lehrt Genuß, Genießen
und nackter Schönheit Pracht.

Jetzt bettelst du: »Laß mich zu dir …
ich will – ich muß es nun kennenlernen –
lösche die Glut in mir!

Du wecktest der Erkenntnis Sinn,
hast mich mit glühenden Händen betastet –
nimm meine Jugend hin!

Sieh meine jungen Gliederlein,
sie wachsen so rund, zum Weib mich schaffend –
nimm, sie sind dir allein!

Sieh meine Brüstlein zart und weiß,
sie blühen so schön, rosig sich krönend –
dir allein sind sie preis!

Sieh meinen jungen reinen Schoß …
wie brennend, will ich mit dir mich einen
wild und schrankenlos!« –

Die Nacht verhieß dein künftig Los …
du weintest vor Glück und doch voll Grämen
wild und schrankenlos.

 

Die Ängstliche.

Was nützt es mir, dich gierig zu betasten –
was nützt es noch, daß du dich so erregst …
mir bürdest auf du schwüle Sinnenlasten,
für die du scheinbar kein Verstehen hegst.

Und einmal bin ich über dich gesunken,
schon glaubte ich, den Sieg errang die Stund,
ich hörte deine Stimme taumeltrunken
und fügte, küßte dir den roten Mund.

Da rafftest du die letzte Kraft zusammen,
verleugnend kaum gesprochenes süßes Ja –
der Zorn schlug mir ins Antlitz blut'ge Flammen …
der Augenblick des Todes war dir nah.

 

Liebesweise.

Rotes Licht so sanft umfließend
deine weißen zarten Glieder
und ein Meer von Gluten gießend
auf die seidnen Kissen nieder.

Heiße Nacht so reich an Träumen,
die uns still zusammenführte
und ein wildes Überschäumen
unsrer beider Liebe schürte.

Grauer Tag – so kalt ernüchtert
floh die Liebe uns von dannen,
und das Lied entklang verschüchtert,
das wir zu verstehn begannen.

Wildes Lied – so leis verklingend
bist zur Sehnsucht du geworden …
und wir wandeln beide singend,
suchend nach den Mollakkorden.

 

Hochzeit der Liebe.

Der Tag erstand im Lied der Lieder,
das eine Drossel jubelnd kündet,
wie gestern er gestorben wieder,
da eine Nachtigall gesungen.

Da sah die Morgensonne schlafen
in meinen Armen dich, die Keusche,
und daß nicht ihre Schimmer trafen
dein Antlitz hüllt' ich dich in Decken.

Doch deines Lebens wärmend Wecken
fühlt' ich an meinen Pulsen zehren …
da riß ich wieder fort die Decken,
um deine Schönheit anzubeten.

Und was die Nacht sonst keusch verhüllte –
– der Liebe selig Wunscherfüllen –
enthüllte Tag mir und erfüllte
dir einen Wunsch, mir einen Willen.

 

Erste Nacht.

Du warst so schüchtern und befangen,
als meine Liebe ich gestand,
und meiner Sinne wild Verlangen
in dir noch keinen Nachhall fand.

Selbst nicht den Kuh nur willst du leiden
und keinerlei vertrautes Wort …
so sagtest du und schobst bescheiden
den Arm von deiner Hüfte fort.

Und da du endlich nachgegeben,
als du mich mitnahmst eine Rächt,
da wurde von den Spinnenweben
der Tugend frei die Sinnenpracht.

Und deines Körpers weißes Prangen
enthülltest du, getaucht in Glut,
und stürztest lechzend vor Verlangen
dich in der Schöpfung tiefe Flut.

Du gabst die jungen keuschen Glieder
von neuem allen Opfern preis …
verblüht war jene Nacht der Flieder,
verwelkt – denn jene Nacht war heiß.


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