Leo Frobenius
Schwarze Sonne Afrika
Leo Frobenius

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Sonne und Mond

Felszeichnung

Anjunu, die Sonne, war früher ein Pferd (Anwing). Das Sonnenpferd lief zu Anbeginn im Busch umher. Ein Jäger sah das Sonnenpferd. Er sagte: »Was ist das für ein Tier, das wie Feuer im Busch umherläuft? Es wird nicht gut sein, wenn ich dieses Tier schieße.«

Der Jäger steckte den Pfeil wieder in den Köcher und ging nach Hause. Er ging zu einem Anukomann und sagte: »Ich sah heute ein Pferd im Busch. Das war wie Feuer. Ich konnte nicht danach schießen. Was ist das?« Der Mann warf seine Anukoschnüre und sagte: »Das Tier, das du im Busch gesehen hast, ist kein gewöhnliches Pferd; das ist Anjunu, die Sonne.«

Anjunu, der Sippengott der Sonne, sagte: »Wenn ich so im Busch weiter herumlaufe, wird mich doch noch eines Tages ein Mann fangen. Ich will lieber emporsteigen.« Darauf stieg Anjunu empor. Aber wenn Anjunu Lust dazu hat, kommt Anjunu heute noch auf die Erde herab und läuft als feuriges Pferd da umher, wo keine Menschen sind. An den Tagen, an denen die Sonne nicht heiß brennt, läuft Anjunu im Busch als Feuerpferd umher. – Nun der Mond.

Der Mond (Assun) war vordem ein Schafbock (Adun). Dieser Schafbock pflegte auf der Erde immer dahin zu gehen, wo das Sorghum (Guineakorn, Hirse) gestampft wurde, dort stahl er. Eines Tages fingen die Leute den diebischen Schafbock und banden ihn im Haus an. Den anderen Morgen wurde es nicht hell. Es blieb dunkel. Die ganze Zeit blieb es dunkel. Sie riefen alle klugen Leute zusammen. Einer sagte: »Ich habe heute in meinem Haus etwas gesehen, das war früher nicht drin.« Die Leute sagten: »Man soll das herausbringen.« Die Leute gingen hin. Die Leute brachten es heraus. Die klugen Leute sagten: »Das ist ein Schafbock.« Einer der klugen Leute fragte: »Wo habt ihr den Schafbock denn her?« Die Leute sagten: »Dieser Schafbock fraß immer unser Sorghum, da wo er gestampft wird. Da sind wir denn gestern hingegangen und haben ihn gefangen und im Haus angebunden.« Der kluge Mann sagte: »Es wird besser sein, wir lassen diesen Schafbock frei.« Der Schafbock sagte selbst: »Was ihr mit mir getan habt, war nicht gut für mich.« Die Leute banden ihn los. Darauf sprang der Schafbock in die Höhe, ganz hoch hinauf. Der Schafbock wurde nun zum Mond; vorher hatte es keinen Mond gegeben. Es wurde hell und dann kam die Sonne (Anjunu; in Haussa = Rana). Es wurde richtig Tag.

Hier möchte ich eine Randglosse einschieben. Ich kenne das Motiv sowohl von den Togostämmen und von Kassaiden. Überall ist die Sonne der gefangene Dieb; also nehme ich an, daß dies auch hier in Djukun vorliegt und daß dieser Schafbock ebenso die Sonne verkörperte. Das scheint mir auch aus dem Schluß hervorzugehen.

Weiter eine Legende vom Streit der Gestirne:

Zwischen Sonne und Mond entstand einmal Streit über den Weg, den sie herabliefen. Der Weg der Sonne ist nämlich ein guter, breiter Weg. Auf dem Weg des Mondes sind aber viele steinige Spitzen, die den Fuß verletzen. Einmal wollte der Mond auf dem guten Wege der Sonne laufen. Da wurde aber die Sonne sehr böse. Sie fing den Mond. Dann steckte die Sonne den Mond in den Mund. Das war aber nicht nur einmal, sondern das kommt von Zeit zu Zeit vor (Sonnenfinsternis). Wenn der Mond dann bettelt: »Laß mich wieder gehen!«, so läßt die Sonne den Mond wieder frei. Die Sonne sagt dann aber zum Mond: »Geh du auf deinem schlechten Wege!«

Bei den Djukun am Benue gilt eigentümlicherweise nur die Sonne, nicht der Mond als Sippengottheit. Der Name der Familie der Sonnennachkommen ist Apa-wunjunu. Der König gehört ihr an und er hat seine eigene »Sonnenbank«. Was das heißt, soll sogleich erklärt werden. Die Sonne scheint vor allen Dingen von Wanderern und Kauffahrern verehrt zu werden natürlich immer mit Ausnahme der eigenen Familie, die ihr selbstverständlich höchste Verehrung entgegenbringt. Unwahr ist, was mir zuerst gesagt wurde, daß nur Mitglieder der Sonnenfamilie diesem Kultus huldigen. Das würde nirgends dem Sinn dieser alten Mythologie entsprechen und stimmt auch hier nicht mit den Tatsachen überein. Die Verehrung der Akikatta (Sippengottheit) entspricht vielmehr dem Orischasystem der Yoruba. Zunächst hängt also jeder Mann an seinem Ur-Aki-katta-Ahnen, aber wenn es die Not oder ein Wunsch bedingt, kann er sich immer an jenen Aki-katta wenden, der just die maßgebende Kraft beherrscht; also wer mit der Fruchtbarkeit etwas zu tun hat, wendet sich an Ma, ob er nun ein Ma-Nachkomme oder ein Sohn des Gewitters ist. Die Verehrung der Sonne hat aber folgende Hauptzeremonie.

Man sagt, Njunu (die Sonne, ein andermal hören wir Anjunu) tue alljährlich dasselbe Werk: sie gibt zu essen. Deshalb wendet man sich gerne an sie, wenn man von den väterlichen Eßkalebassen fort und einer sehr unsicheren Zukunft entgegengeht. Wenn daher – besonders in älterer Zeit wurde das eifrig geübt – ein junger Mann in ein anderes Land ging, um etwas zu kaufen oder zu verkaufen, so setzte er vor den Toren seiner Heimatstadt am Kreuzwege (Adschuadanja) eine kleine Erdbank. Auf sie steckte er Blätter vom Baume Anjo. Dann trug er zwei Hühner (Hahn oder Huhn) und eine Ziege hinaus, schlachtete sie und goß deren Blut über die Opferbank. Mit den geschlachteten Tieren ging der Apan-saki heim, bereitete selbst gute Suppe und guten Brei oder ließ sie bereiten und brachte von beidem auf die Sonnenbank.

Danach entkleidete er sich vor der Opferstätte vollkommen. Er legte auf die andern Opfergaben die beiden Hühnerköpfe und eine Keule der Ziege. Er kniete nieder und betete etwa folgendermaßen: »Ich bin ein junger Mann, der jetzt als Kaufmann (= Sukiom) in ein anderes Land geht. Du Sonne, mach mir an allen Orten, an die ich komme, alles recht. Wenn ich gut von der Reise heimkehre, werde ich dir von allem Guten, was ich mitbringe, etwas abgeben.« Danach kleidet der junge Mann sich wieder an und geht heim.

Am andern Tage begibt er sich auf die Wanderschaft. Seinem Glauben nach wird er nun überall gut geschützt werden. Überall wird es ihm gut gehen. Wenn er heimkehrt, wiederholt er das Opfer. Dieses Mal sagt er seinen Dank. Er muß aber nun sein Versprechen erfüllen und von allem Guten, Gewonnenen der Sonne auf der Sonnenbank (= twun) etwas abgeben.


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