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Allmähliche Umwandlung. – Charakter des Götz von Berlichingen. – Aus seiner Selbstbiographie. – Charakter Schärtlins. – Erzählung des Schärtlin. – Die Verschlechterung seiner Wehrkraft wird dem Adel zum Heil. – Hofadel. – Die Fürstenhöfe seit 1550, Feste, Turniere, Inventionen, Liebhabereien, Sammeltrieb, Hauswesen, Jagd, spießbürgerlicher Charakter der Fürsten am Ende des Jahrhunderts. – Hans von Schweinichen und Herzog Heinrich von Liegnitz. – Erzählung des Schweinichen
Kurz vor 1500 begannen unter dem neuen Kaiser Maximilian die denkwürdigen Versuche, dem zerrütteten Körper des Reiches eine neue Verfassung und die Möglichkeit eines neuen Lebens zu geben. Die großen Institutionen, welche Waffenruhe und Gesetzlichkeit allgemein machen sollten, waren der Ewige Landfriede und das Reichskammergericht. Langsam setzten sie sich durch, nicht ohne viel Störungen und Unterbrechungen. Mehr als hundert Jahre dauerte es und drei Menschengeschlechter starben dahin, bevor der niedere Adel sich an den Zwang der neuen Gesetze gewöhnte, während Fürsten und Städte, wie oft sie selbst feindlich gegeneinander haderten, beide das größte Interesse hatten, ihn zum Gehorsam zu zwingen. Der Adel verlor einen Teil seiner wilden und offenen Entschlossenheit und eignete sich vorzugsweise die Fehler der neuen Zeit an. Gleich einem besiegten Stamm, dem der Überwinder neue Tracht, Sprache und Sitte aufdrängt, kränkelte das Geschlecht der alten Raubgesellen am Rhein und Neckar, an Elbe und Oder. Wie die Wandlung nach und nach geschah, soll hier an einigen Beispielen gezeigt werden.
Ein glücklicher Zufall hat uns drei Selbstbiographien deutscher Adligen aus verschiedenen Zeiten des 16. Jahrhunderts erhalten, die des Berlichingen, des Schärtlin, des Schweinichen, alle drei wohlbekannt, die erste, solange es deutsche Sprache gibt, innig verbunden mit dem Namen des größten deutschen Dichters. Die drei Männer, deren Blütezeit in den Anfang, die Mitte und das Ende des großen Jahrhunderts fällt, sind in Charakter und Lebensschicksalen durchaus verschieden, aber alle drei sind Gutsbesitzer, und jeder von ihnen hat seine Lebensereignisse so erzählt, daß man in die gesellschaftlichen Zustände seines Kreises belehrende Einblicke erhält. Am bekanntesten ist Götz von Berlichingen, seine Lebensgeschichte am häufigsten (zuerst 1731) gedruckt. Da auf seinem Bilde die Verklärung liegt, welche ihm Jahrhunderte nach seinem Tode durch das Gedicht Goethes ward, so hat jetzt der Leser seiner Biographie einige Mühe, die idealen Linien des Dichters von der Gestalt des historischen Götz fern zu halten. Und doch ist das nötig. Denn wie bescheiden und liebevoll auch Goethe die geschichtlichen Züge verwertet hat, der historische Götz sieht in seiner wirklichen Umgebung anders aus. Als er sein Leben schrieb, ein Greis, in einer Zeit, der er fremd geworden war, weilte seine Erinnerung am liebsten bei den Reiterstückchen seiner wilden Jugend. Daß sein Treiben unfruchtbar für ihn selbst und schädlich für andere gewesen, vermögen wir ohne Mühe hinter den Zeilen zu lesen. Und vorzugsweise charakteristisch ist, daß er in der Mitte seines Lebens gebrochen und gedemütigt wurde, weil er bei dem großen Bauernaufstand ratlos auf die falsche Seite geriet. Um politische Fragen zu sorgen war nicht seine Sache; kam er in eine Krisis, so handelte er nach dem Rat seiner Gönner, größerer Dynasten, welche seinen starken Arm und beharrlichen Willen für ihre Zwecke gebrauchten. Als das Bauernheer über seinen Grund hereinbrach, wußte er sich mit seinen Sippen keinen Rat und schrieb an einen Ratgeber. Die Antwort wurde durch seine Schwiegermutter und seine Frau unterschlagen, er war dem eigenen Urteil überlassen und besaß nicht Geschick genug, sich den drängenden Insurgenten zu entziehen. Wäre er gewesen wie viele seiner Standesgenossen, etwa wie Max Stumpf, so hätte er die Bauern trotz allem Gelöbnis verlassen. Aber treu dem Buchstaben seines Wortes hielt er bei ihnen aus, ohne wirkliche Treue, nicht ohne zweideutige Handlungen, bis die vier Wochen, für die er sich ihnen verpflichtet hatte, vergangen waren, er hielt aus, obgleich er in der Tat nicht ihr Führer, sondern ihr Gefangener war. Seitdem lebte er einige Jahre in enger Haft, lange Zeit unter starken Freiheitsbeschränkungen auf seinem Schloß. Um ihn tummelte sich ein neues Geschlecht in leidenschaftlichem Kampf, ihn selbst bekümmerte fortwährend, daß er in der Bauernzeit doch als ehrlicher Reiter gehandelt habe, und daß er jetzt wieder sein Wort halten und die Schritte zählen müsse, die ihm aus seinem Burgtor zu schreiten vergönnt war. Nach sechzehn Jahren einsamer Zurückgezogenheit ward er als alter Mann noch zweimal in die Kriegshändel eines jüngeren Geschlechts gerufen, die ihm keine Abenteuer und keine Gelegenheit zu Ruhm und Beute brachten. Da er endlich zweiundachtzig Jahr alt auf seiner Hornburg in Frieden starb, war Luther seit sechzehn Jahren tot, Kaiser Karl V. war vier Jahre vorher im Mönchskloster eingesargt worden, aber seine Selbstbiographie, obgleich in dem letzten Lebensjahr geschrieben, hat für die lange Zeit seit dem Jahre 1525 nur wenige Seiten. – Hier seien außer einem kleinen Abenteuer aus seiner frühen Jugend, welches zeigt, wie man sich damals in einer Dorfgasse raufte, Bruchstücke aus seinem Bericht über die Nürnberger Fehde mitgeteilt.
Götz von Berlichingen
Um 1502. Ungefähr um Michaelis hat sich zugetragen, daß ich mit Neidhart von Thüringen, dem ich damals aufwartete, von Sottenberg herabgeritten bin. Als wir so fortziehen, werden wir zwei Reiter bei einem Hölzlein gewahr, an einem Dorf, heißt Obereschenbach; das war Andreas von Gemünd, Amtmann zu Solleck, und sein Knecht, den hieß man den Affen. Nun hatte sich zuvor begeben, daß ich einst zu Hamelburg in die Herberge zu Herrn Neidhart und seinen Knechten gehen wollte, welche mehrerenteils trunken waren, da war erwähnter Affe auch da, sehr voll und hatte viel Wind in der Nase, machte viel seltsame Reden und sagte: »Was will der JunkerGötz wartete damals noch auf und hatte den Titel Junker nicht zu beanspruchen. tun, will er auch zu uns?« und dergleichen höhnische Worte, womit er mich aufzubringen vermeinte. Das verdroß mich in der Stille, und ich sagte zu ihm: »Was bedarf ich deiner Junkerei oder deines Gespöttes oder deiner Neckerei; wenn wir einmal im Feld zusammenstoßen, da wollen wir sehen, wer Junker oder Knecht sei.« Jetzt nun, da wir von Sottenberg herabzogen, dachte ich, er wird's sein und mit seinem Junker reiten. Da ritt ich auf dem nächsten Weg einen großen hohen Berg hinauf und brachte im Rennen den Pfeil auf die Armbrust und hinüber zu ihnen. Ich hatte aber noch weit bis zu ihm, da floh sein Junker dem Dorfe zu, so daß ich dachte, er mahnt die Bauern auf, aber der Knecht, der Affe, hatte auch eine Armbrust und floh ebenso wie sein Junker. Wie ich nun an ihn kam, mußte er in einem hohlen tiefen Weg dem Dorfe zu. Ich hatte noch weit bis an die Ecke, wo der Weg hineinging, ließ ihn in den hohlen Weg reiten und schoß ihn auf den Rücken. Nun hätte ich den Pfeil wohl wieder auf die Armbrust bringen können, dachte aber, er wird das nicht abwarten, weil er auch einen Pfeil auf der Armbrust hat. Da ich nun keinen Menschen bei mir hatte, so ließ ich das mit der Armbrust bleibenVon zwei Armbrüsten einer Partei deckt eine die andere, indem sie den Schuß bewahrt, bis die andere gespannt hat. Der einzelne Schütze ist während des Spannens wehrlos. und ritt ihm nach in die Hohle hinein, und da er sah, daß ich die Armbrust nicht aufgebracht hatte, wartete er meiner am Dorftor, bis ich fast an ihn kam, da schoß er mich von vorn auf den Krebs, daß der Pfeil in Splitter ging, die mir über den Kopf hinaussprangen. Da warf ich ihm meine Armbrust an den Hals, denn ich hatte keinen Pfeil darauf, das Schwert heraus und rannte ihn zu Boden, daß sein Gaul mit der Nase auf der Erde lag. Er aber kam allemal wieder auf und schrie immer die Bauern an, sie sollten ihm helfen. Und wie ich so im Dorf mit ihm umherrannte, stand ein Bauer da, der hatte eine Armbrust und schon den Pfeil darauf, ich auf ihn zu, ehe er zum Schuß kam, schlug ihm den Pfeil von der Armbrust, hielt bei ihm, stieß das Schwert wieder ein, redete mit ihm, gab ihm Bescheid und sagte: ich gehörte zu Herrn Neidhart von Thüringen, und wir wären auch gut fuldaisch. Indem kam ein ganzer Haufe Bauern mit Schweinspießen, Handbeilen, Wurfbeilen, Holzbeilen und Steinen, sie umringten mich – wirfst du nicht, so hast du nicht, schlägst du nicht, so gilt es nicht – daß mir die Beile und Steine neben dem Kopf hin fuhren und mich deuchte, sie berührten mir die Pickelhaube. Endlich lief ein Bauer heran, der hatte einen Schweinspieß, auf ihn ritt ich zu, und als ich das Schwert wieder zog, schlug der Bauer und traf mich auf den Arm, daß ich dachte, er hätte mir den Arm entzweigeschlagen, und wie ich nach ihm stach, fiel er mir unter den Gaul, daß ich nicht so viel Platz hatte mich nach ihm zu bücken. In Summa, ich brach durch, aber doch lief noch ein Bauer heran, der hatte ein Holzbeil, aber dem gab ich einen Treffer, daß er daneben auf den Zaun fiel. Nun wollte mein Gaul nicht mehr laufen, denn ich hatte ihn ganz verschlagen, und mir war angst, wie ich zum Tor hinauskommen möchte. Und wie ich demselben zueilte, war gleich wieder einer da, der wollte das Tor zuschlagen, aber ich kam doch hinaus, ehe er zuschlug, und wie ich ein wenig vor das Tor hinauskam, war auch der Affe schon wieder da und hatte wieder einen Pfeil auf der Armbrust und vier Bauern bei sich und schrie: her! her! her! und schoß damit wieder nach mir, daß ich den Pfeil auf der Erde prellen sah. Ich demnächst wieder auf ihn los, das Schwert heraus und jagte sie alle fünf in das Dorf hinein. Da fingen die Bauern an und schlugen Sturm über mich, ich aber ritt davon, und wie ich wieder Herrn Neidhart zuzog, der gar weit draußen auf dem Felde hielt, sahen wir allenthalben nach den Bauern, aber es wollte keiner mehr zu mir kommen. Als ich fast bei Neidhart war, ritt ein Bauer daher mit dem Pflug, dem Sturme nach, ich über ihn und fing ihn, daß er geloben und schwören mußte, mir meine Armbrust wieder herauszubringen, denn ich hatte sie nach dem Affen geworfen, als er mich, wie vorhin gemeldet, schoß, und hatte nicht so viel Weile gehabt, daß ich sie wieder hätte langen mögen, sondern mußte sie im Wege liegen lassen. –
Um 1512. Nun will ich niemand bergen, ich hatte Willen, auch denen von Nürnberg Feind zu werden, ging schon mit der Sache um und dachte: du mußt noch einen Handel mit dem Pfaffen, dem Bischof von Bamberg, haben, damit die von Nürnberg auch in das Spiel gebracht werden. Ich warf also dem Bischof fünfundneunzig Kaufmänner nieder, die unter seinem Geleit zogen, und ich war so fromm, daß ich nichts aus dem Haufen nahm, als was nürnbergisch war. Der Nürnberger waren ungefähr an die dreißig, ich griff sie am Montag nach unseres Herrn Himmelfahrtstag am Morgen früh um acht oder neun Uhr an und ritt denselben Dienstag, die Nacht und am Mittwoch darauf mit den Kaufmännern immer fort. Ich hatte meinen guten Hans von Selbitz bei mir und waren wir unser auch dreißig. Der andern Reisenden aber waren viele, die schob ich immer von mir, ein Häuflein nach dem andern, wo mich dünkte, daß ein jeder hingehörte. Und mein Reitgesell, Hans von Selbitz, wurde vierzehn Tage darauf von ohngefähr auch des Bischofs von Bamberg Feind und brannte ihm ein Schloß und eine Stadt aus mit Namen, wenn ich's recht behalten, Vilseck, so daß das Geschäft zwei Kappen brachte. –
Damit ein jeder wisse, wie und warum ich mit denen von Nürnberg zu Krieg und Fehde gekommen bin, so ist das die Ursache. Fritz von Littwach, ein markgräflicher Diener, mit dem ich als Knabe und im Harnisch auferzogen bin, der mir auch viel Gutes getan, der ist einst ganz in der Nähe von Onolzbach heimlich verloren gegangen, gefangen und hinweggeführt worden, daß lange Zeit niemand wußte, wo er hingekommen war oder wer ihn hinweggeführt hatte. Lange darauf warf der Markgraf einen Verräter nieder, der ihn verraten und den Reitern, die ihn niedergeworfen hatten, alle Wahrzeichen gegeben hatte. Da erfuhr man zuerst, wo Fritz von Littwach hingekommen wäre. Da habe ich Herrn Hans von Seckendorf, der selbigen Zeit markgräflicher Hofmeister war, als meinen Verwandten, der mir Gutes gönnte, angesprochen und gebeten, daß er mir das Bekenntnis des Verräters verschaffte. Dadurch wurde ersichtlich, daß es Diener der von Nürnberg getan haben sollten, auch ist anzunehmen, daß er in ihre Häuser und Fronfesten geführt worden sei. Das ist der eine meiner Gründe gegen die von Nürnberg.
Ferner hatte ich einen Knecht gedungen mit Namen Georg von Gaislingen, der hatte mir versprochen in meinen Dienst zu treten, den haben die von Nürnberg bei seinem Junker Eustach von Lichtenstein hart verwundet und erstochen, auch seinen Junker hart verwundet, dieser aber ist am Leben geblieben. Obgleich nun viele andere den Nürnbergern wegen des Fritz von Littwach feindlich sein wollten, so habe ich doch keinen gemerkt, der der Katze die Schellen angehängt, wie man zu sagen pflegt, oder die Sache angegriffen hätte, als der arme treuherzige Götz von Berlichingen, der nahm sich beider an. Diesen Grund habe ich gegen die Nürnberger auf allen Tagen, an denen ich mit ihnen vor den Kommissarien Kaiserlicher Majestät, auch vor geistlichen und weltlichen Fürsten verhandelte, stets und allerwege angezeigt und dargetanWie Götz verfährt, ist charakteristisch. Er will mit den reichen Nürnbergern in Fehde kommen, wirft ihre Kaufleute nieder und sucht nach Grund zur Fehde, ihm genügt die Vermutung, daß die Nürnberger einen guten Kameraden in Haft behielten, gleichviel aus welcher Ursache, und die Tatsache, daß sie in einer andern Fehde einen Knecht erstochen haben, den er hatte in Dienst nehmen wollen. Von Fritz von Littwach ist nicht weiter die Rede, als Götz genötigt wird, sich mit den Nürnbergern zu vertragen. Daß Götz die Veranlassung vom Zaun gebrochen, war, wie aus dem Folgenden ersichtlich wird, selbst damals auffallend..
Ich will nun weiter anzeigen, wie es in der nürnbergischen Fehde mir und meinen Verwandten gegangen ist. In summa summarum, das Reich verordnete vierhundert Pferde gegen mich, worunter Grafen und Herren, Ritter und Knechte waren – ihre Fehdebriefe sind noch vorhanden –, und kam ich und mein Bruder in die Acht und Aberacht, und in etlichen Städten schossen die Pfaffen und Mönche auf der Kanzel mit Lichtern nach mir und erlaubten mich den Vögeln in den Lüften, die sollten mich fressen, und ward uns alles genommen, was wir hatten, so daß wir nicht einen Schuh breit mehr erhielten. Da galt kein Feiern, wir mußten uns verbergen, und dennoch tat ich meinen Feinden ziemlichen Schaden an Gütern und sonst, so daß sich Kaiserliche Majestät etlichemal dazwischen gelegt und ihre Kommissarien verordnet hat, die zwischen uns handeln und alle Sachen richten und vertragen sollten; dadurch hat mir Kaiserliche Majestät viele Anschläge verhindert und um mehr als Zweihunderttausend Gulden Schaden getan, denn ich wollte damals Gold und Geld von den Nürnbergern mir zuwege gebracht haben. – Und wollte ich damals den von Nürnberg wohl all ihr Kriegsvolk, auch den Bürgermeister selbst, der eine große goldene Kette am Hals hängen hatte und einen Streitkolben in der Hand hielt, auch alle ihre Reisigen und ein Fähnlein Knechte mit Gottes Hilfe geschlagen, gefangen und niedergeworfen haben, als sie gegen Hohenkrähen zogen, ich war auch schon zu Roß und Fuß dazu geschickt und gefaßt, so daß es nicht anders als gewiß war, daß ich sie ganz in meine Hände bekam. Da hatte ich aber gute Herren und Freunde, deren Rat bat ich, ob ich Kaiserlicher Majestät zu Ehren den von demselben angesetzten Tag besuchen oder ob ich meinen Anschlag ins Werk setzen sollte. Da war nun ihr treuer Rat, ich sollte der Kaiserlichen Majestät zu Ehren den Tag besuchen. Ihnen folgte ich zu meinem großen merklichen Schaden. –
Ich wußte, wann die Frankfurter Messe war, da zogen die von Nürnberg aus Würzburg heraus zu Fuß gen Frankfurt dem Spessart zu, die Kundschaft war gemacht, und ich warf fünf oder sechs von ihnen nieder, darunter war ein Kaufmann, den ich zum drittenmal und in einem halben Jahr zweimal gefangen und einmal an Gütern beschädigt hatte, die andern waren eitel Ballenbinder zu Nürnberg. Ich stellte mich, als wollte ich ihnen allen die Köpfe und Hände abhauen, aber es war mein Ernst nicht, und sie mußten niederknien und die Hände auf die Stöcke legen, da trat ich etwa einem mit dem Fuß auf den Hintern und gab dem andern eines ans Ohr, das war meine Strafe gegen sie, und ließ sie so wieder von mir fortziehen. Und der Kaufmann, den ich so oft niedergeworfen hatte, machte das Kreuz vor sich und sagte: »Ich hätte mich eher des Himmels Einfall versehen, als daß Ihr mich heute niederwerfen würdet. Denn erst vor wenig Tagen haben unser an hundert Kaufleute zu Nürnberg auf dem Markt gestanden, da ist auf Euch die Rede gekommen, und ich habe gute Kundschaft gehabt, daß Ihr eben erst in dem Walde, dem Hagenschieß, gewesen seid und dort Güter angreifen und niederwerfen wolltet.« Und ich selbst habe mich gewundert, daß in so kurzer Zeit das Geschrei von meinem Hin- und Herreiten hinauf gen Nürnberg gekommen ist. – Bald darauf hat sich die Kaiserliche Majestät in die Sache geschlagen und dieselbe zu Würzburg verglichen und aufgehoben. – Soweit Götz.
Sebastian Schärtlin gehört für seine Person nicht ganz in die Reihe. Er ist nicht von adliger Herkunft und hat die Ritterwürde seinen militärischen Talenten zu danken. Im Jahre 1498 geboren, machte er seine Schule unter Frundsberg und war von 1518–1557 fast in allen deutschen Händeln tätig, im Dienste des Kaisers, der Stadt Augsburg, eine Zeitlang auch im Solde Frankreichs, als er wegen seiner Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg gezwungen wurde Deutschland zu verlassen. Er hat mehr als einmal große Heere befehligt und stand als entschlossener, vielerfahrener Feldhauptmann in allgemeinem Ansehen. Zu Götz ist er ein interessantes Gegenbild. Jener der adlige Reiter, dieser der bürgerliche Landsknechtführer, Götz der gemütliche Speergesell, Schärtlin der praktische Geschäftsmann. Beide haben ein Leben voll von Abenteuern, nicht frei von unverantwortlichen Taten geführt; beide sind im hohen Greisenalter gestorben; aber Götz versplitterte Zeit und Gut in Raubzügen und Reiterhändeln, Schärtlin half die Geschicke Deutschlands entscheiden. Götz verstand sowenig seine Zeit und seinen Vorteil, daß er, der Aristokrat, sich zum Strohmann der demokratischen Bauern gebrauchen ließ, Schärtlin verstand seine Zeit so gut, daß er nach dem unglücklichen Schmalkaldischen Krieg als reicher Mann in die Schweiz abzog und wenige Jahre darauf wieder siegreich in alle Ehren eingesetzt wurde. Götz hatte sein lebelang ein starkes Gelüst nach Kaufmannsgold und hat doch aus allen seinen kecken Raubzügen schwerlich viel in seiner Truhe erhalten, Schärtlin machte sich Geld in allen Kampagnen, kaufte ein Gut nach dem andern und wußte seine Dienst so hoch als möglich zu verwerten. Beide erwiesen Charakter und Parteitreue, beide waren Kriegsleute von Ehre im Sinne ihrer Zeit, und beide hatten für unser Urteil ein zu weites Reitergewissen. Aber Götz, über dessen Mangel an Einsicht wir zuweilen lächeln, ist vorzugsweise beutelustig und doch in seiner Art peinlich gewissenhaft, Schärtlin überall der kluge, spekulierende, zuweilen großartige Egoist. Alle guten Eigenschaften des absterbenden Rittertums sind in der einfachen Seele des Besitzers von Hornburg vereint, der Herr von Burtenbach dagegen ist in seinem Wesen durchaus Sohn der neuen Zeit: Soldat, Händler, Diplomat. Beide waren im Jahre 1544 bei dem kaiserlichen Heer, welches in Frankreich einfiel, Schärtlin in voller Manneskraft als einer der Feldhauptleute, Götz als grauer Reiter mit einem kleinen Haufen gesammelter Knechte; Schärtlin wurde noch in demselben Jahr kaiserlicher Großmarschall und Generalkapitän und machte sich siebentausend Gulden, Götz ritt allein, krank an der Ruhr, hinter den heimkehrenden Heerhaufen nach seinem Schloß zurück. Beide haben uns mit fester Kriegerhand ihr Leben geschrieben, am wenigsten geschickt und geordnet Götz, und doch wird man seine Biographie mit größerer menschlicher Teilnahme lesen als die des Schärtlin; denn Götzens Freude ist, seine Reiterabenteuer zu erzählen, wie man beim Glase Wein, unter guten Gesellen Erinnerungen aus alter Zeit lebendig macht; Schärtlin berichtet verständlich in chronologischer Ordnung und gönnt dem Leser manchen trockenen, aber lehrreichen Bericht über politische Aktionen, aber von seinen persönlichen Verhältnissen erzählt er am liebsten den Betrag seines Gewinnes und ärgerliche Händel mit seinen Gutsnachbarn.
Diese Händel nun, wie einförmig sie verlaufen, dürfen hier das größte Interesse beanspruchen. Denn gerade an ihnen wird deutlich, wie sehr sich seit dem Anfang des Jahrhunderts das Treiben des Landadels geändert hat. Noch immer lodert wie in des Berlichingers Jugend die Fehdelust in den begehrlichen Seelen auf, noch immer ist rohe Gewalttat häufig, und zahlreich werden Duodezkriege vorbereitet; aber das alte Selbstgefühl ist gebrochen, drohend schwebt das Gespenst des Landfriedens und Kammergerichts über den Hadernden; schnell mischen sich Nachbarn und gute Freunde ein, und dem kaiserlichen Mandat wie dem Willen des Landesfürsten trotzt auch der Wilde selten ungestraft. An die Stelle offener Fehde treten plötzliche Überfälle, hinterlistige Streiche; statt der Armbrust und des Schwertes gebrauchen die Gegner andere nicht weniger schneidende Waffen, Verleumdung, Bestechung und Intrigen. Auch in den früheren Jahrhunderten hatte man Spottlieder bezahlt und gern gehört, und die fahrenden Sänger hatten sich dadurch gefürchtet gemacht, daß sie einem kargen Wirt an hundert Herdfeuern Böses nachsangen. Seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts aber rief das große Interesse an Flugschriften außer zahllosen Gelegenheitsliedern auch längere Gedichte, die zum Lesen geschrieben waren, hervor. Und der kleinste Briefmaler oder Buchdrucker, jeder Buchbinder, der nach damaligem Brauch den Vertrieb kleiner Drucksachen besorgte, vermochte für wenig Geld den Feind seines Gönners um so mehr zu kränken, je bekannter der Name des Abgesungenen war. Schärtlin erzählt selbst:
Anno 1557. In diesem Jahre habe ich, Sebastian Schärtlin, die Herrschaft Hohenburg samt Bissingen und Hohenstein von einem böhmischen Herrn, Woldemar von Lobkowitz, und von Hans Stein um zweiundfünfzigtausend Gulden erkauft und im Beisein meines Sohnes, meines Tochtermanns und vieler andern vom Adel am St. Matthäustag eingenommen und von den Untertanen zu Bissingen auf dem Markt die Huldigung empfangen. Denselben Sommer habe ich das Schloß Hohenstein wieder erneuert und so ausbessern lassen, daß man es bewohnen konnte. Um St. Michaelistag ist mein Sohn mit Weib und Kindern dorthin gezogen, hat dort zu hausen angefangen und hat rohe und gebrannte Steine, Holz und Kalk zum Bau des Schlosses Bissingen zugerüstet und im Winter den Brunnen zurichten lassen. Dazu haben mir die benachbarten Prälaten schöne eichene Hölzer gegeben, und mit ihren und der Stadt Donauwörth Rossen, auch mit allen benachbarten Bauern sind die Fuhren getan.
Anno 1560, den 18. September hat mir Graf Ludwig von Öttingen meinen Bauern von dem Reutmannshof gefangen nach seinem Amt Harburg führen lassen, wo der Bauer weder zu beißen noch zu brechen hatte, weil er und seine Söhne sich gegen etliche öttingische Bauern, die ihm ein Gatter aufgemacht und mit Gewalt über sein Land gefahren sind, gewehrt und einen Zank mit denselben angefangen, doch niemand verwundet hat. Und am Montag darauf ist der Graf mit fünfhundert Bauern und fünfzig Pferden mit gewalttätiger Hand in mein Holz gefallen, wo er doch keine obrigkeitlichen Rechte hatte, hat meine Eicheln abschütteln lassen und hat mit Weibern und Kindern und Wagen das Meine, ohne mich zu warnen, ohne mir aufzusagen, mit Gewalt hinweggeführt. Als ich nun am selbigen Tag zu Bissingen ankam und solches alles erfuhr, bin ich und meine beiden Söhne mit unserm Vetter Ludwig Schärtlin und Hans Rumpolt von Elrichshausen zweiunddreißig Pferde stark in seine Grafschaft gezogen und haben einen Bauern dicht am Schloß zu Harburg und zwei seiner Untertanen von Korbach dagegen gefangen und nach Bissingen in das Schloß geführt. Und weil seine Reiter und Schützen nach ihrem Einfall nahe an Bissingen mit Abschießen und großem Prangen bei der Nase vorübergezogen sind, so bin ich, um das auszugleichen, mit gemeldeten Reitern auf Harburg zugeritten, den Gegner zu einem Scharmützel zu bewegen, aber niemand wollte zu uns heraus. Doch zuletzt schossen sie mit Doppelhaken auf uns. Der Graf ritt am Donnerstag darauf nach Stuttgart zu einem Schießen, und da er wohl voraus wußte, daß ich ihm nicht nachgeben würde, hat er mich bei Seiner Fürstlichen Gnaden, dem Kurfürsten und Pfalzgrafen, andern Grafen, Herren und Adel übel ausgeschrien und sich unterstanden, mir dadurch Ungnade und Ungunst aufzulegen. Insbesondere Herzog Christoph zu Württemberg, der mir sonst zu Gnaden gewogen gewesen, hat mir dies Jahr hundert Gulden Gnadengeld, die er mir gab, unerwartet aufgekündigt. Der Graf hat auch seinen Bruder, den Grafen Friedrich, so auf mich gehetzt, daß auch dieser später sich mit tätlicher Hand gegen mich erhob. – Darauf haben sich beide Grafen zu Roß und Fuß verstärkt, wogegen auch wir hundert gute kriegserfahrene Schützen in das Schloß Bissingen brachten, und der Zulauf von Kriegsvolk wurde auf beiden Seiten groß. Und es haben die Grafen mich und die Meinigen schmählich mit Liedern und andern Gedichten, mit Sprüchen und Schriften unter das Volk gebracht, auch vor die Kaiserliche Majestät, vor Kur- und andere Fürsten, Grafen und Herren. Haben mich einen Aufrührer und friedlosen Landfriedensbrecher gescholten, mich auch für ihren Incola, Landsassen und Untertan, auch Lehnsmann, der ihnen doppelt verpflichtet sei und seine Amtspflicht vergessen habe, allenthalben mit Lügen ausgegeben, in der Hoffnung, mich und die Meinigen durch Unwahrheit so zu verdämpfen. Während ich mich nun eines großen Auflaufs und Überzugs versehen mußte, haben sich der Pfalzgraf Herzog Wolfgang und Herzog Albrecht zu Bayern, als die nächsten Fürsten, darein gelegt, haben beiden Teilen geschrieben Frieden zu halten und sich erboten, mit Herzog Christoph gütlich darin zu verhandeln, doch so, daß man beiderseits die Gefangenen frei und das geworbene Kriegsvolk laufen lasse. Das bewilligte ich, doch weil Graf Ludwig von Öttingen, genannt Igel, allen Unrat angefangen, forderte ich, daß er's zuerst tun solle. Aber der Graf hat die Leute nicht frei lassen wollen, sondern hat den Ratzebauern, der allein mein Untertan ist und zu Öttingen weder gelobt noch geschworen hatte, vor das Malefizgericht gestellt. Und in Ewigkeit wird nicht bewiesen werden, daß ich und die Meinen jenem durch den Kauf mit Recht untertan geworden sind, sondern wir haben Hohenburg und Bissingen samt Zubehör als ein freies Gut und als eine Herrschaft, die unlehnbar ist und das Halsgericht hat, erkauft. Dennoch haben uns die Fürsten nicht zusammenlassen wollen, haben uns beide vielfältig ermahnt Friede zu halten; darauf habe ich mein geworben Kriegsvolk beurlaubt und bei dieser Tragödie recht wohl gemerkt, daß Herzog Wolfgang, der zuvor mein gnädiger Herr war, mir auch abgefallen und feindselig geworden ist. Aber ungeachtet aller fürstlichen Unterhandlungen ist Graf Ludwig doch an einem Abend mit vielen Pferden und etlichen hundert Bauern gegen das Schloß Bissingen gerückt, hat mit unsern Reitern, von denen etliche im Felde waren und etliche herauskamen, ein Scharmützel angefangen, bei welchen keiner viel Schaden empfing. Da die Feinde nichts schaffen konnten, sind sie wieder mit Spott abgezogen.
Dies alles hab' ich beim Kammergericht angebracht und Graf Ludwigs mir zugefügte verbrecherische Handlungen geklagt, und habe so gehofft, wie mir auch gelungen, ich wollte diese Sache im Wege Rechtens durchführen, besonders weil sich die Fürsten parteiisch zeigten. Unterdes hat Graf Igel mich allenthalben jämmerlich mit gedruckten Schriften und schmählichen Liedern verstänkert und im Beisein der Grafen von Mansfeld meinem Sohn Hans Bastian auf seinem Wappenschild über dem Wirtshaus den Zusatz »Herr von Bissingen« ausgetan, den doch nicht mein Sohn selbst, sondern der Wirt hinzugefügt; und Graf Friedrich hat zu Buchenhofen auf der Kirchweih öffentlich seinen Vogt ausrufen lassen, wenn ein Schärtlinscher hinzukomme, solle jeder auf ihn schlagen.
Anno 1561 in der Fasten ist Graf Lothar zu Öttingen nach Augsburg gekommen, hat mir viel Gutes sagen lassen, ihm sei leid samt seinen andern Brüdern, daß Graf Ludwig so unschicklich gegen mich handle. Auch ließ er mir klagen, da der Bruder ihm nicht sein Heiratsgut, auch keine Residenz geben wolle, so wolle und müsse er feindlich gegen ihn handeln und lasse mich bitten, ihm einen Reiterdienst zu tun. Darauf bedankte ich mich für sein Mitgefühl und beklagte ihn, daß es ihm auch nicht nach Willen ginge, ließ ihm aber dabei sagen, ich stände zu seinem Bruder auf gebotenem Frieden und hinge mit ihm am Kammergericht, ich steckte auch meine Füße nicht gern zwischen Tür und Angel; wenn er aber sonst Reiterarbeit hätte und mir's berichtete, wollte ich ihm Knecht, Pferd und Harnisch nicht versagen.
Am heiligen Himmelfahrtstag pflegt man jährlich zu Bissingen hinterm Schloß einen Jahrmarkt und Tanz zu halten, auch zu schießen, wobei mein Sohn Hans Bastian in diesem Jahr selbst war und Gesellschaft leistete. Da haben beide Grafen, Ludwig und Friedrich, den Vogt von Unterbissingen samt einem andern reisigen Knecht gerüstet mit fünf Hakenschützen auf den Platz geschickt. Sie haben sich dort aufgestellt und den Platz halten wollen. Die hat mein Sohn angeredet, was sie sich so bewaffnet aufstellten. Dem hat der Vogt geantwortet, seine Herren hätten ihm diesen Platz zu halten daher geschickt, und die hohe Obrigkeit gehöre dem Grafen von Öttingen zu. Dem hat mein Sohn widersprochen. Die Eltern der Grafen hätten sie verkauft und sie gehörte mir zu, sie sollten sich hinwegmachen. Darauf ist der Vogt mit den Worten weggeritten, er wollte bald in anderer Gestalt wiederkommen, und alsbald haben sich vom Fußsteig her Reiter und Fußvolk sehen lassen, worauf mein Sohn etliche Diener und Untertanen ins Schloß und auf den Kirchturm schickte, den Feind zu erwarten. Plötzlich sind die Gräflichen ungefähr mit vierzig Pferden und dreihundert zu Fuß spornstreichs dahergeritten und gelaufen, haben in meinen Sohn, meinen Vetter Ludwig, in die Schützen und Untertanen gestochen und geschossen; sind auch vom Platz bis zu den Schranken des Marktes gedrungen und haben das Tor mit Übermacht geschlossen. Dagegen hat mein Sohn sich samt den Seinen zur Wehr gestellt, auch so gut er vermochte auf sie geschossen, aus der Hand und vom Schloß und von den Türmen, hat dabei dem Grafen zwei Pferde erschossen und zwei Mann verwundet, einen in den Leib, den andern in den Schenkel, hat sich so ihrer erwehrt und sie wieder in die Flucht getrieben. Aber ihm und den Seinen ist nichts widerfahren, gottlob! Als aber mein Sohn mit den Seinen wieder in das Schloß zog, zur Nacht aß und nichts mehr besorgte, zogen sie um sechs Uhr wieder heran, und Graf Lothar, der ehrbare Mann, der mir vorher viel Gutes hatte sagen lassen, tat mit vier starken Büchsen auf Rädern bis an dreißig Schüsse in das Schloß und zerschoß wohl zwölf Ziegel. Um neun Uhr zogen sie wieder ab nach Unterbissingen, verstärkten sich die Nacht und kamen beide Grafen mit Geschütz und Leuten am Morgen wieder. Da mein Sohn und mein Vetter Ludwig nichts weiteres besorgt hatten, waren sie am Morgen früh zu mir geritten; deshalb ging der Bürgermeister und etliche vom Rat zu den Feinden hinaus und fragten sie, was sie damit beabsichtigten, es sei niemand im Schloß als die Frau mit den Kindern, auch stünden die Herrschaften im Rechtsstreit und kaiserlichen Frieden. Darauf antwortete der Beamte von Harburg, sie seien gestern und auch noch heute nur in guter, freundlicher Meinung hergekommen, ihrer Herren oberste Rechte zu suchen, man habe aber auf sie geschossen und ihnen großen Schaden getan. Sie wollten auch heute den Platz besetzen, wenn man aber auf sie schösse, solle man sehen, was sie dagegen tun würden. Darauf antworteten die von Bissingen: sie wären arme Leute, man möchte tun, was zu verantworten sei. Darauf zogen abermals die Gräflichen, zweihundert Mann stark, wieder mit vier Büchsen und einer Trommel auf den Platz, taten etliche Tänze, tranken, und jeder nahm ein Laub von der Linde. Mit solchem Trutz und Schießen zogen sie ab und hatten einen Hinterhalt von zweitausend Mann. – Das habe ich der Kaiserlichen Majestät und darauf beim Kammergericht angezeigt und geklagt, darauf sind beiden Teilen Mandate gekommen, bei Ungnade und Strafe der Acht de non ulterius offendendo solle man sich nicht weiter beleidigen, und eine Zitation, zum 20. August beim Kammergericht zu erscheinen, welches alles den Grafen insinuiert wurde, worauf beide Grafen unschicklich antworteten, es sei alles erlogen. Ich habe aber außerdem wegen Injurien protestiert.
Aus oben erzählten Gründen und weil das feindselige Wesen kein Ende nahm, auch weder Gericht noch Recht helfen konnte, habe ich notgedrungen, um meiner Ehre willen, zur Abwehr der Belästigungen vermeldeter beider Grafen, ein Ausschreiben an die Römische Kaiserliche Majestät, an Kur- und Fürsten, Grafen, Herren, Städte und Stände des Heiligen Reiches, auch an die fünf Viertel des Adels und gemeiner Ritterschaft gesendet, habe auch den Ständen des landsbergischen Vereins mündlichen Bericht abgestattet, sie und ihren Oberhauptmann, meinen gnädigen Herrn zu Bayern, dem ich als Stellvertreter bestellt bin, ferner die Stadt Augsburg, deren Diener ich bin, von der ganzen Handlung wohl informiert und sie allesamt insbesondere um Rat, Hilfe oder Beistand gebeten. Diese haben ein drohendes Schreiben an die Grafen gerichtet, sie ermahnt, mich und die Meinen bei Frieden und Recht zu lassen, mit dem Zusatz, wenn dieses nicht geschehe, würden sie mich nicht verlassen. Mir aber haben sie geraten, nichts als das Recht anzuwenden. Und weil so viele schändliche Lieder und Sprüche über mich ausgegangen sind, hat einer, dem ich vielleicht Gutes getan, auch einen schönen Pasquillus und Lied von gemeldeten Grafen Igel von Marburg gemacht und hat ihn ziemlich wohl angebunden.
Am 3. Oktober ist Igel fünfzehnhundert Mann stark zu Fuß und zu Roß, darunter etliche Landsknechte, samt fünf Stück grobem Geschütz gegen meinen Vetter Ludwig von Oberingingen gezogen, hat ihm etliche vom Adel hingeschickt und hat ihn auffordern lassen, sein Haus zu übergeben. Ludwig Schärtlin aber hatte, wie ihm zwei Tage vorher von mir befohlen worden, drei Landsknechte und von meinem Sohn zu Bissingen etliche Doppelhaken, Handgeschütze, Pulver und Blei zu sich hereingenommen. So wollte er den Sturm abwarten, da er von mir väterlichen Ersatz bei ritterlicher Treue und Glauben hoffte. Er ist selbst zu denen vom Adel hinausgegangen und hat ihnen mit drohenden Worten geantwortet, wenn Graf Igel freundlich und nachbarlich zu ihm käme, wie seine Brüder wohl getan, so wolle er seinen sauern Wein mit ihnen teilen, aber dergestalt könne er sein Haus nicht öffnen. Er habe ein Haus für sich selbst und nicht für den Grafen von Öttingen, und der Graf werde einen Kriegsmann darin finden. Jeder Teil zog sich hinter seine Deckung, der Graf aber schanzte sich in den Vorhof ein, schoß ihm die Zinnen von den Türmen, alle Fenster, Dächer und Essen und zwei Personen. Ludwig Schärtlin dagegen wehrte sich tapfer, erschoß dem Grafen einen Büchsenmeister und noch eine Person, schädigte auch sonst viele vom Kriegsvolk, von denen etliche später starben. So haben sie es vom Morgen sieben Uhr bis zu sechs Uhr in die Nacht feindlich gegeneinander getrieben. In der Nacht hat Ludwig dem Grafen Lärmen und große Unruhe gemacht, sich auch unterdes befestigt und am Morgen wieder nach seiner Zusage tapfer gewehrt. Aber als ich, Sebastian Schärtlin, Ritter, solches erfuhr, habe ich eilends vierhundert Knechte, darunter gute Schützen aus Augsburg, nach dem Rat Herzog Albrechts von Bayern vorlaufen lassen, habe sie mit Pulver, Blei, Fußeisen und gutem Kriegsgerät auf Bissingen geschickt. Ich habe sechsundzwanzigtausend Gulden zusammengerafft, Sturmhüte, Pulver und Blei besorgt, aus der Stadt Memmingen etliche Wägen und Geschütz, einen großen Haufen Landsknechte, auch Reiter, soviel ich von den Nachbarn erhielt, alles zum 4. Oktober nach Burtenbach beschieden, und ich selbst kam abends dahin, als ich alles in Bewegung gesetzt hatte. In derselben Nacht sind Graf Wolf und Graf Lothar von Öttingen in Person freundlich zu mir nach Burtenbach gekommen, haben mir geklagt, daß auch ihnen ihr Bruder Graf Ludwig von ihrem väterlichen Erbteil nichts geben wolle und haben mich gebeten, mich mit ihnen zu verbinden. So wurde zwischen uns ein geschriebener, besiegelter Vertrag gemacht, daß die beiden Grafen ihren Bruder Friedrich mit seinem Geschütz auch auf unsere Seite bringen und ihre Macht zu Fuß und Roß vereinigen sollten, ich aber wollte fünftausend Knechte oder andere Reiter aufbringen und die Kosten des Krieges auslegen. Doch wenn ich die jungen Grafen zu ihrem väterlichen Erbteil brächte, sollten sie zwei Drittel und ich ein Drittel von den Kriegskosten bezahlen. Wir hofften, Graf Igel sollte vor Oberingingen verharren und im Fall er es eroberte, vor Bissingen ziehen, meinen Sohn zu belagern; der Graf aber hat sich am Morgen des 4. Oktober erhoben und ist schändlich wieder abgezogen, nachdem er meinem Vetter den Vorhof und das ganze Dorf verwüstet, zerschlagen, geplündert und alles, Weiber und Kinder genommen, gestohlen, geraubt, weggeführt und getrieben. Doch fehlte wenig, daß man Vetter ihm das eine Geschütz abgenommen. – Aber als der Graf Igel vernommen, daß seine eigenen Brüder und ich uns verglichen hatten – Graf Friedrich ausgenommen, der nicht mit ihm und nicht wider ihn handeln wollte – ist er aus dem Lande geflohen und zum Pfalzgrafen Herzog Wolfgang und dann zu Herzog Christoph von Württemberg geritten, hat große Sachen gelogen und vorgegeben, daß ich mit Hilfe Kaiserl. Majestät, Bayerns, Augsburgs und des landsbergischen Vereins ihn von Land und Leuten vertreiben wollte.
Dazwischen habe ich mich verstärkt und wollte in zwei Tagen ausziehen und zu Fuß und zu Roß siebentausend Mann stark über die Donau kommen. Als aber die beiden Fürsten, Pfalz und Württemberg, wohl erkennen konnten, daß der Graf vertrieben und ein Gast in seinem Lande werden würde (denn schon hatten seine Räte und ganze Landschaft alles übrige weggebracht und Vieh, Getreide und Habe nach Nördlingen, Donauwörth und in alle umliegenden Städte geflüchtet), da sind sie beiderseits ausgezogen, der Herzog von Württemberg persönlich mit seinen Reitern und etlichem Geschütz, im Willen mich nicht über die Donau zu lassen oder sich mit mir zu schlagen. Doch hat Pfalz vorher hoch in mich gedrungen, ich solle von den Waffen ablassen, Seine Fürstliche Gnaden könnte mir diesen Zug nicht gestatten. Mir haben auch die Kaiserliche Majestät und der schwäbische Kreisoberst Frieden geboten, dazu haben Bayern und die Stadt Augsburg mich vielfältig und höchlich abgemahnt und sich allerwege erboten, diese Sache im Vertrage zu schlichten. So hab' ich mit Verlust von viertausend Gulden trotz meiner Beraubung und meines Vetters Gefahren diesmal einstecken, Friede halten, eine gütige Vereinigung und einen Tag zu Donauwörth einräumen müssen. Vierzehn Tage ist dort verhandelt worden und von beiden Fürsten, von bayrischen und pfälzischen Räten damit geendet worden, wir sollten beiderseits Frieden halten, und da zwischen uns kein Friede zu hoffen, sei kein besserer Weg, als daß ich das Gut dem Grafen verkaufe. Das wollte ich mitnichten tun und mit dem Grafen nichts zu tun haben. Doch zuletzt habe ich mich laut der gemachten Abrede darein ergeben, beide Fürsten untertänigst zu ehren, die Herrschaft Hohenburg und Bissingen gegen bare Bezahlung von zweiundsechzigtausend Gulden zu verlassen, doch davon nicht eher abzuziehen, bis ich friedlich und sicher bis auf den letzten Pfennig bezahlt sei.
Soweit Schärtlin. Es ist trotz seiner Klagen über Verluste anzunehmen, daß der Verkauf für ihn wenigstens pekuniär vorteilhaft war, sicher aber ist, daß seine Händel mit dem Grafen deshalb nicht aufhörten. Noch jahrelang verklagten sich die beiden Nachbarn beim Kammergericht und beim Kaiser. [...] Zuletzt mußten die Gegner vor dem Kaiser einander die Hand reichen.
Um das Ende des 16. Jahrhunderts wurden die Gewalttaten der adligen Gutsbesitzer anspruchsloser und seltener. Der größte Teil von ihnen verwandelte sich in friedliche Landjunker, die fähigeren und ärmeren suchten Unterkommen an den zahlreichen Höfen. In der Jugend des Götz war jeder Landjunker ein Kriegsmann gewesen, denn er war ein Reiter, und die Stechkunst des Rittertums galt immer noch als vornehme Kriegsarbeit. Aber schon damals war die große Umwandlung vollzogen, welche das Fußvolk zum Kern der neuen Heere machte, schon galt ein erfahrener Landsknecht, der Einfluß auf seine Kameraden hatte, oder ein bürgerlicher Büchsenmeister, der eine Kartaune gut zu richten verstand, dem Kriegsherrn in Wirklichkeit zuweilen mehr als ein Dutzend zugerittener Junker mit ihren Knechten. Diese Veränderung des kriegerischen Wertes bewirkte fast ebensosehr als die Reformation Hebung des Adels. Allerdings auf einem Seitenpfad. Der große Territorialherr hatte nicht mehr nötig, um den guten Willen seiner Junker zu werben und ihrer Räuberei durch die Finger zu sehen, er vermochte, wenn ihm Geldtruhe und Kredit nicht völlig erschöpft waren, durch ein Ausschreiben, einen Musterplatz und zwei Trommelschlegel vor den Herbergen seines bestallten Oberst einen Söldnerhaufen zu werben, der ihm im Notfall die Junker seines eigenen Landes zu Paaren trieb. Der Fürst wurde unabhängig von den Waffen des Landadels und dadurch in neuem Sinne seines Adels Herr. Für den Junker kamen neue Wege sein Glück zu machen, Geschmeidigkeit gegen Höhere, das Hauptmann- oder Oberstpatent eines größeren Herrn oder eine Stelle als Jagdjunker und Hofdiener. Dieser Übergang wurde ihm nicht leicht. Es war charakteristisch für die Verwilderung des kleinen Adels, daß um das Jahr 1530 die Hofämter, welche eine administrative Gewandtheit forderten, wie des Hofmeisters, dessen Tätigkeit an unseren Höfen der Hofmarschall versieht, gar nicht überall mit Adligen zu besetzen waren. Und noch lange nachher im 17. Jahrhundert wurden höhere Staatsstellen, welche Kenntnis und Geschäftsgewandtheit verlangten, sogar wichtige Gesandtenposten, vorzugsweise mit Nichtadligen besetzt, und in einer Zeit, welche nur den Adel für Hofämter befähigt hielt, waren die Fürsten häufig genötigt, den Sohn eines Handwerkers oder Dorfpfarrers mit dem Abglanz der Souveränitätsrechte zu umgeben und den adligen Hofmann zu seinem untergebenen Reisebegleiter zu machen.
Auch die Zucht des Hauses wollte dem Landadel nicht sogleich gedeihen. Das alte Selbstgefühl höherer Wehrkraft war verloren, aber das Bedürfnis der Aufregung war geblieben. Immer waren die Deutschen starke Trinker gewesen, jetzt blieb die rohe Völlerei, besonders in den Landschaften, welche nicht selbst Wein bauten, das herrschende Laster. Zerrüttete Vermögensumstände, massenhafte Schulden und unerträgliche Prozesse störten vielen vom Landadel die nüchternen Stunden des Tages.
Aber die Besseren begriffen doch allmählich ihren Vorteil. Größer wurde die Zahl ihrer Söhne, welche die Universitäten besuchten. Die Wahrheit zu sagen, sie standen dort in üblem Ruf. Trotz ihrer Privilegien, der adligen Kleidung und besonderer Sitze in den Auditorien und trotz dem Eifer der Universitäten, ihnen für ritterliche Übungen: Fechten, Tanzen, Reiten und Fahnenschwenken eigene Lehrer zu halten, war eine gewöhnliche Klage, daß sie sich in die Gesetze durchaus nicht fügen wollten und ihre Zeit allzu liederlich verbrachten. Dennoch kam der volle Segen dieser Bildung manchem von ihnen zugute. Um das Ende des 16. Jahrhunderts sitzen in allen Landschaften einzelne Gutsbesitzer, welche Lateinisch verstehen, sich eine Bibliothek einrichten, im Notfall ein lateinisches Distichon verfertigen und einen politischen Diskurs, sowie eine wohlgesetzte Rede an den Landesherrn zu halten wissen.
Im ganzen Mittelalter hatte man Reisen für das beste Erziehungsmittel eines Deutschen gehalten. Dieser Zug nach der Ferne wurde größer. Mit guten Empfehlungsbriefen fremde Höfe besuchen, Frankreich und Italien durchreiten und sich dabei mit fremder Sprache und Sitte befreunden, wurde seit dem Schmalkaldischen Krieg allgemein. Ja noch weiter gingen die Reisen, auch protestantische Junker besuchten wie Kaufleute aus Nürnberg und Augsburg die griechischen Inseln und das Heilige Land. Und wenn sie heimgekehrt von ihren Fahrten gut zu erzählen wußten, gab ihnen das in ihrer Landschaft und bei Hofe ein hohes Ansehen, und die Fürsten waren bemüht, derlei wohlbewanderte Männer in ihren Dienst zu ziehen. So war ein Schlieben, im Anfang des 17. Jahrhunderts brandenburgischer Diener, als Johanniter zweimal in Jerusalem und einmal als Gesandter in Ägypten gewesen, er galt dafür fast alle Königreiche und Völker Europas betrachtet zu haben. Ein Schlesier, Abraham von Bibran, sammelte kurz nach 1600 auf einer Reise durch Spanien und Portugal lateinische Inschriften in einem sauberen Heft und zeichnete sorgfältig die Trümmer eines antiken Sturmwidders hinein, die er in einer alten Kapelle des Kastells von Murviedro gefunden. Auch von solchen adligen Touristen, welche nicht stolz darauf waren, mit den großen Gelehrten Casaubonus und Gruterus zu verkehren, wurden die Erlebnisse solcher Reisen gern niedergeschrieben, mehrere dieser Arbeiten sind uns erhalten, einige gedruckt, und sie verdienen Erwähnung, weil sie den ersten Anteil darstellen, welchen der landsässige Adel seit der Hohenstaufenzeit an deutscher Literatur nahm.