Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Durch Tamburieren, Flötieren und Pfeifen wurde der zweite Teil des Turniers, der Schwertkampf, eingeleitet. Er galt mit gutem Grund für weniger vornehm und wurde bei eleganten Turnieren der Frauenritter wohl ganz weggelassen. Aber es war belustigend für starke Fäuste und den Beutesuchenden die beste Zeit, ihr Glück zu machen. Denn jetzt galt es, nur Gefangene zu gewinnen. Die Scharen ordneten sich dazu aufs neue, die Knappen legten ihren Rittern das Turnierschwert ohne Spitze in die Hand, und wieder begann das Durchreiten. Aber der Schwertkampf Gepanzerter vom Roß im Getümmel war nicht geeignet, besondere Kunst zu zeigen; man suchte den Helmschmuck des Gegners und seinen Holzschild in Späne zu zerhauen, den Kopf desselben durch Schwertschläge zu betäuben, ihm durch Ringen vom Roß das Schwert aus der Hand zu winden, den Helm vom Haupte zu würgen, endlich den Zaum zu entreißen. Es war auch nicht Kampf des einen gegen einen, man suchte in Masse zu umdrängen und die Opfer abzuschneiden. Der Waffenlose wurde, während er mit Armen und Beinen um sich schlug, von dem Sieger am Zaum fortgezogen. Wer so »gezäumt« war und gezerrt wurde, der durfte, wie vornehm er sein mochte, von dem Sieger und dem Knappen desselben starke Schläge erhalten. Die Knappen führten in den Schranken keine Waffen, wohl aber schon um 1250 einen Knüttel, und es war ihr besonderes Recht, den Gezäumten mit seinem Roß durch Hiebe aus den Schranken und zu dem Stand ihres Herrn zu treiben. Die Freunde des Gezäumten durften ihn innerhalb der Schranken, wahrscheinlich nur solange er den Helm trug, wieder befreien, wo also nicht schneller Zwang entführte, erhob sich um den Sieger ein neues Getümmel. Und dieser Kampf um die Gefangenen ballte große Haufen zusammen und schuf das wildeste Drängen, Geschrei und Kampfwut.
War das Ende des Turniers verkündet und durch die Spielleute ausgeblasen, so mußte der Streit sofort aufhören. Dann wurde der Dank an die verteilt, welche sich nach Meinung von Preisrichtern am besten gehalten; der Ruhm wurde gemessen nach der Zahl der Durchritte, der verstochenen Speere und der geworfenen und gefangenen Ritter. Wer aber gefangen war, schlich traurig zu den Juden, denn Roß und Rüstung waren seinem Gegner verfallen, und er mußte dem Pfandleiher Schmuck versetzen und Bürgen stellen, um die behandelte Auslösungssumme zu erhalten. Zuweilen löste der Veranstalter des Turniers alle Gefangenen beider Parteien. Dem Vornehmen geziemte, seine Gefangenen niedrig zu schätzen, er entließ den armen Landfahrer, der sich durch seinen Schild ernährte, wohl ganz ohne Lösegeld oder schenkte gar alles Lösegeld den armen Groiern. Das tat die fürstliche Milde des Richard Löwenherz, und die Großmut erhob den Ruhm dieses seligen Helden über alle Edlen. Achtzehn Rosse und Rüstungen schlug er aus einem Turnier heraus, und alles überließ er den Rufern und Wappenschauern an den Schranken. Da wurde mancher glücklich.
Leider war dieser ritterliche Sinn nicht immer vorhanden, ja es ist ersichtlich, daß die Turniere auch deshalb so massenhafte Teilnahme fanden, weil sie von Habgierigen als Spekulation behandelt wurden. Und man sah im Turnierkampf sehr wohl, wohin das Trachten des einzelnen ging, und unterschied solche, die um Ehre und Lob kämpften, und andere, die als Dienstmannen einer erwählten Herrin, als »Frauenritter«, sich erweisen wollten; diese trugen gern ein Zeichen geheimer Huld an Helm oder Rüstung: Schleier, Band, Fessel, sie waren zumeist Speerkämpfer und zählten die gebrochenen Lanzen und die Unfälle ihrer Gegner. Aber neben ihnen stachen und schlugen harte Gesellen, welche ihrer Faust und der Stärke ihrer Pferde vertrauend in das Turnier nur wegen der Beute zogen; und solchen war die eiserne Strenge heilsam, mit welcher der Turnierbrauch aufrechterhalten wurde.
Die Zahl der Turnierkämpfer muß zuweilen sehr groß gewesen sein. Bei dem Turnier zu Neuenburg, welches am 31. Mai 1227 von Ulrich von Liechtenstein veranlaßt wurde, waren 250 Ritter nur in vier Scharen aufgeteilt, das aber war ein kleines Turnier; in der erdachten Beschreibung des Turniers von Nantes kämpfen 4000 Ritter, im Engelhard des Konrad von Würzburg 2000 Ritter, und diese Anzahl scheint im 13. Jahrhundert auch in Wirklichkeit nicht selten gewesen zu sein. Noch zum Jahr 1360 zählt die Limburger Chronik bei dem Turnier von Nürnberg 1000 Anwesende in verbundenen und gekrönten Helmen, d. h. wirkliche ritterliche Kämpfer auf usw. Zuweilen turnierte im 12. Jahrhundert der höchste Adel allein an besonderem Tage, so 1184 bei dem erwähnten Fest Friedrich Rotbarts zu Mainz, überhaupt dem größten Fest, welches in Deutschland jemals gefeiert wurde. Dies vornehme Turnier hatte nur 20 Teilnehmer und war nur Speerkampf.
Ein solcher Massenkampf phantastisch geschmückter Kämpfer, von denen jeder für den Speerstich doch Raum zum Anlauf bedurfte, muß ein weites Feld gefordert haben und schwer übersehbar gewesen sein. Er versammelte eine ungeheure Menschenmenge und regte den leidenschaftlichen Anteil der Zeitgenossen auf, wie kein anderes Ereignis, mehr als eine Schlacht. Immer wurden der Frühlingsglanz des Mai, das frische Grün des Grundes, die Blüten am Baum und auf der Wiese als zugehörig mitempfunden. Darüber entzückte die Spannkraft von Mann und Roß, die heftigen Bewegungen, der unaufhörliche Wechsel leidenschaftlich bewegter Gruppen, Speerkrach und Schwertklang, das Wiehern und Schnauben der Rosse, welche die Aufregung der Reiter teilten, die Rufe der Ritter und Knappen und der Beamten des Turniers – sperâ, sper, wîchâ, wich, hurtâ hurt, slahâ slach, stich und stich, jarâ! urrà burrà, wurrawei! (Speer her, weiche, drauf, schlag, stich, hurra!) – Dazu unaufhörliche Erfolge und Unglücksfälle, die Gestalten und Rüstungen erlauchter Herren, bekannte und berüchtigte Reiter der Landschaft, die Tribüne mit geschmückten Frauen, die bunten Farben und Stoffe, Malerei und neue Erfindungen an Waffenkleidern und Pferdedecken, zuletzt die Menge zusammengelaufenen Volks – [...] sinnbetörende Bilder für Kämpfende und Zuschauer. [...]
Sämtliche Ritterspiele forderten große Kraft und Übung. Die Ausdauer, welche Virtuosen dabei entwickelten, war außerordentlich. Der Liechtensteiner verstach einmal an einem Tage in der Tjost fünfzig Speere und ritt ein andermal zwölf Stunden im Turnier. Am meisten litten Hände und Arme, sie waren am Abend von den Stößen und der Erschütterung durch Brechen der Speere und Ruck der Schilde geschwollen, blau und mit Blut unterlaufen, ebenso die Knie übel zerstoßen. Bei alledem fällt auf, daß die Kämpfer bei der Tjost nicht häufiger verwundet und vom Roß gesetzt werden. Durch etwa 300 Speere, welche der Liechtensteiner in vier Wochen versticht, werden sechs Gegner vom Pferd geworfen, einige leicht verwundet, er selbst erhält nur zweimal leichte Verletzungen. Unsere Herrenreiten mit Hindernissen geben fast mehr Unfälle. – Die Turniere waren allerdings viel wilder und gefährlicher, im Gewühl vom Roß zu stürzen, brachte manchem wackeren Mann den Tod oder langes Siechtum, und kaum ein Turnier mag ohne mehrere schwere Unfälle vergangen sein. Aber daraus wurde wenig gemacht, wenn der Verunglückte nicht eben ein großer Fürst war.
Diese Spiele blieben seit den Kreuzzügen die elegante Leidenschaft des Standes. Wer irgend auf höfische Sitte Anspruch machte, hatte Kenntnis davon, auch wer den Turnierring nicht betreten durfte, gebrauchte wenigstens mit Behagen die fremden Ausdrücke des Sports, vor anderen der wandernde Spielmann, der darin so gut Bescheid wissen mußte wie der Knappe eines Edlen.
Nun gab es allerdings auch unter den rittermäßigen Leuten »Träge«, welche sich verlagen und ein ruhmloses Leben in Ruhe allem Tjostieren vorzogen. Selten aus frommer Beschaulichkeit. Zu den wenigen guten Lehren, welche dem deutschen Ritter von den Romanen gekommen waren, gehörte Mäßigkeit in Speise und Trank. Die höfische Zucht weigerte der Völlerei, dem alten Laster der Deutschen, wenigstens für einige Zeit die Verklärung durch Vers und Spruch, die Dichter der guten Minnesängerzeit sangen überhaupt keine Trinklieder. Dennoch war auch in ihren Tagen das Land nicht arm an starkem Schwelgen und Schlunden, die sich gegen die Vorwürfe höfischer Genossen behaglich entschuldigten. »Ich streite nicht um eure Zucht, ihr tut ganz recht, sie ist stattlich und ehrenvoll; aber mein Leben ist auch gut, es verkürzt mir die Zeit. Ich habe nicht Jagdhunde, nicht Windspiele und Falken, ich habe auch nicht so viel Rosse, daß ich zum Turnier und Ritterstreit reiten könnte, ich weiß keine Frauen, die mich gern sehen wollten, ich habe auch kein so schönes Ritterkleid, daß ich damit durchs Land prangen möchte. Soll ich nackend zu Tanze gehen ? Es ist wahr, mein Leben ist arm an Ehre, aber ich gebe es nicht um das eure. Daß ich mir oft einen Rausch trinke, macht mir die allergrößte Freude.« Diese Art von Käuzen hat keiner Periode unserer Vergangenheit gefehlt, sie saßen als tatenlose Zänker unter den Bauern und Bürgern und schnallten die rostige Rüstung nur an, um einmal der zornigen Hauswirtin ein Rind oder ein Stück Tuch in das Haus zu schaffen. Ihre ausgebildete Trinklust galt in der guten Zeit des Rittertums für eine veraltete Unart. Aber sie erlebten die Freude, daß bald anspruchsvolle Standesgenossen in wüstem Becherturnier eine Ehre suchten, welche das Knie weniger scheuerte als die Ehren des Turnierplatzes.
Doch auch auf die höfischen Turniergenossen legte sich ein Fluch, welcher jeden trifft, der friedliche Arbeit verachtet. Und es war eine besondere Strafe, daß dieser Fluch sie zuerst gerade da schlug, wo sie am stolzesten waren, in ihrer Waffentüchtigkeit. Seit die Ausbildung des reisigen Mannes für Sport und Turf der Stechbahn Hauptsache wird, ist seine Brauchbarkeit im Kriege auffällig verringert. Dieselbe Zeit, welche den gepanzerten Reiter mit einer Ehre und Poesie umgibt, die ihn hoch über seinen Ahnherrn, den Bauer, ja über seinen Nachbar, den Bürger, erheben will, bereitet ihm in den Schlachten eine Niederlage nach der andern. Die Horden der Mongolen, die leichten Reiter der Ungarn erdrücken seine Haufen, bald schwingt der nackte Bauer und Bürger bei Morgarten, Laufen, Sempach siegreich seine Hellebarde gegen ihn, endlich auch der böhmische Landmann seine Holzkeule. Wir sehen wohl, wie das kam. Die Bewaffnung des Ritters wurde durch die Turnierspiele unpraktischer. Erst unmittelbar vor der Schlacht konnte er seine schwere Rüstung anlegen, auch seine Rosse mußten bis zu der Aktion geschont werden, der Beginn jedes Treffens forderte große Vorbereitung, der Verfolgung fehlte die Behendigkeit. Ein Ritterheer mochte günstige Entscheidung herbeiführen, wenn es einmal mit gleich geschulter höfischer Schar zusammenstieß. Es war unbehilflich gegenüber einem Kriegsvolk, welches behendere Bewaffnung hatte und nicht besondere Ehre darin fand, in rechter Tjost à travers einzubrechen. Dazu kam, daß die Übungen mit dem Speer und Turnierschwert an einen Kampf mit gewissen Rücksichten gewöhnten, sie machten freien Raum für den Anlauf nötig oder ein langes Schlagen auf die eiserne Rüstung und ein Ringen mit dem Feinde, sie waren durchweg Zweikämpfe oder willkürliches Aussuchen eines Gegners. Der Ritter wendete den Brauch und Ehrgeiz der Tjost und des Turniers immer auf die Schlacht an; Speere an den Feinden zu verstechen, ihren Haufen in übermütiger Hurt zu durchreiten, oder den Feind beim Zaum zu fassen und Roß und Rüstung sorglich aus der Schlacht in Sicherheit zu bringen, das wurde ihm Hauptsache. Friedrich von Österreich wurde im Jahr 1246 von den Ungarn hinterrücks überfallen, weil er sie wie eine feindliche Turnierschar ansah, die erst auf ein gegebenes Zeichen losbrechen werde, und unterdes vor der Front seinen Haufen sorglos ermahnte. Jeder einzelne erprobte Ritter war vielleicht mehreren Kriegern zu Fuß überlegen, aber seine ganze kriegerische Ausbildung war auf die Virtuositäten des Einzelkampfes berechnet, je stärker die Massenwirkung des Krieges, desto geringer wurde seine eigene Leistung. Nicht die Erfindung der gegossenen Büchse und des Handrohrs hat die reisige Kavallerie des Mittelalters überwunden, sie ist gerade durch ihre eigentümliche rittermäßige Ausbildung verdorben worden, weder bei Schweizern noch bei Dithmarschen war es das Pulver, welches die stolze Schar der Gepanzerten fällte.
Auch die ritterliche Gesinnung, welche in den Kämpfern leben sollte, vermochte sich in einer rauhen Wirklichkeit nicht lange zu behaupten, und schon in der Zeit Wolframs von Eschenbach machte ein Teil der Edlen und eine Mehrheit ihrer Ritter die Mode des artigen Stechens zwar mit, zumal wenn ein Gewinn zu hoffen war, aber ihr Tagesleben verlief in ganz anderen Interessen. Selbsthilfe und Gewalttat waren allgemein, und Raub auf der Landstraße, das alte Laster der reisigen Dienstleute, wucherte in der Zeit ritterlicher Virtuositäten so arg wie nur je. Seit den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts werden die gemeinschädlichen Laster der Ritter als ein unerträgliches Leiden des Landes beklagt. Und die Vornehmsten galten nur zu oft für die Beschützer dieses Unwesens. Wer eine Fehde ansagte und seine Forderung durch Krieg durchsetzte, den er mit erwähltem Gegner auf eigene Hand führte, übte noch ehrlichen Ritterbrauch; aber jede Art von Untreue, Wortbruch, tückischem Überfall wurde allgemein, und derselbe Ritter, der geladen von seinem Herrn stattlich zum Turnier zog und am Hof desselben höfisch zu tanzen und zu essen wußte, lebte oft auf seiner Burg mit harten Speergesellen als Räuber und ritt als Schacher in der Dämmerung zum Waldesdickicht, dort auf arme Reisende zu lauern, ja er brach ohne jeden Vorwand bei hellem Tag in die benachbarten Dörfer, zündete Gehöfte an, trieb die Herden weg, tötete und verstümmelte die Bewohner.
Dies war die Kehrseite der stolzen Hingabe an Waffenwerk und eine Kriegerehre, welche ihre Befriedigung nur im Kampf und in den Erfolgen des Turnierrings suchte. Mancher hochgesinnte Minnesänger fühlte vor seinem Ende die Schwere des Fluches, der sich auf das Leben seines Standes gelegt hatte, und er sah noch, wie der üble Teufel viele in das Höllenfeuer riß, welche er selbst für die Lieblinge der hohen Frau Ehre erklärt hatte. Kaum einer hatte sich so behaglich die wirkliche Welt zu einem ritterlichen Rosengarten umgeträumt, der mit seidener Schnur und bunten Speeren abgegrenzt war, als Ulrich von Liechtenstein. Er hatte sein Sommerleben verstochen und versungen; auch nachdem er seine vornehme Herrin wegen schnöder Behandlung, die sie ihm zugeteilt, verließ, hatte er eine andere gefunden, die gefälliger war, und er besang ihren Mund und weißen Leib als Sachverständiger, während er bei seiner Hausfrau saß und seine Kinder in Zucht unterrichtete. Doch auch er sollte gewalttätig an den deutschen Winter gemahnt werden, und da sein Leben in die Jahre fällt, wo sich alte und neue Zeit feindlich scheiden, so darf hier aus demselben Buch, aus welchem früher seine ritterliche Huldigung mitgeteilt wurde, auch eine kurze Anekdote nicht verschwiegen werden, welche weit andere Zustände seiner späteren Lebensjahre erkennen läßt. Leider ist sein Bericht gerade für das, was wir darin suchen, ziemlich dürftig. Ulrich erzählt in seinem Frauendienst (nach Lachmann S. 537) folgendes:
In dieser Zeit – es war am 26. August 1248 – widerfuhr mir ein unbilliges Ungemach von zweien, die ich hier nennen will; der eine hieß Herr Pilgerin von Kars, der war mein Erbsasse, der hatte mir oft gedient, auch ich war ihm hold und oft in meinem Hause in seiner Gesellschaft froh gewesen. Der andere hieß Weinold, er war mir auch aufrichtig lieb, ein übergroßer Mann, mit dem ich viel Scherz trieb, sein Leib war ungestalt, sein Mund voran mit schlauen Reden, aber sein Herz barg weiß Gott geheime Untreue. Es war am dritten Tage nach St. Bartholomäus um Mittag, ich lag nach dem Bad in meiner Kammer, da kamen diese zwei nach Frauenburg an mein Tor. Mein Gesinde hieß sie Gott willkommen; sie dankten artig mit freundlicher Gebärde, und Herr Pilgerin sprach: ›Sagt an, was schafft mein Herr?‹ Die Meinen versetzten: ›Der Herr hat sich schlafen gelegt.‹ Er sprach: ›Das ist eine große Trägheit, geht zu ihm, bittet ihn aufzustehen, ich wünsche ihn bald zu sprechen.‹ Mein Kämmerer kam zu mir und sagte mir das, ich stand willig auf, ging zu ihnen und empfing sie herzlich, hatte mir Hosen, leinenes Unterkleid, Kürse (Pelzweste) und Mantel angezogen. Ich umfing beide und sprach: ›Vielliebe Freunde, seid mir Gott willkommen‹, nahm sie bei der Hand und führte sie auf eine schöne Bank unter einem Söller. Mich freundlich zu erweisen, ließ ich zu trinken hinbringen und fragte: ›Wollt ihr etwas essen?‹ – ›Wer fragt, der will nichts geben‹, versetzte Herr Pilgerin. Man brachte uns Speise, Met und Wein, wir aßen und waren froh.
Da begann Herr Pilgerin: ›Herr, wollt Ihr nicht heut zur Nacht etwas mit dem Falken beizen?‹ – ›Nein, ich will es diesmal wegen des Bades lassen.‹ Da sprach der ungetreue Mann: ›Nehmt den Falken um meinetwillen, ich werde Euch dafür verbunden sein. Wir haben zwei Sperber mit uns gebracht und dachten hier zu beizen.‹ Da sprach ich: ›Freund, geschieht euch mit dem Falken ein Gefallen, so reite ich sogleich mit euch.‹ Ich ließ also meinen Leuten kundtun, daß sie Vogelhunde und Federspiele auf das Feld führten. So sandte ich die Meinen von mir und wenige blieben bei mir zurück. Auch diese trieb Herr Pilgerin fast alle fort, sandte den einen dahin, den andern dorthin. Als ich allein bei ihnen saß, da winkte er seinen Knappen, von denen zwei bereitstanden und zu meinem Turm traten. Weinold aber und Herr Pilgerin fuhren auf, zückten Messer, fielen beide auf mich und stachen mir mit den Messern drei Wunden. Die Kürse und den Mantel wand mir Herr Pilgerin um den Hals und zog mich zu meinem Turm. Ich rief kläglich laut: ›O weh, o weh, was hab' ich Euch getan? Um Gott, laßt mich am Leben!‹
Es hatten diese zwei Männer ihre Knechte beim Tor gelassen, jetzt unterstanden sie sich, in das Haus zu dringen, und was man von meinen Leuten darin fand, herauszutreiben. Mein Weib lief zu mir und schrie: ›O weh, was soll das sein?‹ Die zwei ungetreuen Männer sprachen: ›Wollt Ihr Eure Ehre behalten, Frau, so geht sogleich vor das Tor, dort findet Ihr Eure Leute, und macht Euch fort von uns. Wir wollen ihn und all sein Gut haben, oder es muß sein letzter Tag sein.‹ Die Gute sah mich mit Tränen an; ich sprach: ›Geht schnell hinaus, wenn Euch Eure Ehre lieb ist, und bleibt nicht länger bei mir.‹ Da ging sie mit meinen Kindern auf das Tor zu. ›Frau, laßt uns Euren Sohn hier‹, sprach zu ihr Herr Pilgerin, nahm ihr das Kind von der Hand, und was er bei den Frauen von Kleidern und Kleinoden sah, das nahm er ihnen alles gegen Rittersitte, und trieb sie so vor das Tor; mein Sohn blieb bei mir zurück.
Mein Weib und mein Gesinde schieden gezwungen, sie fuhren im Jammer dahin den geraden Weg nach Liechtenstein. Schnell wurde die Märe überall in der Gegend bekannt, von meinen Freunden waren in kurzem wohl drittehalb hundert oder mehr bereit. Meine Freunde von Judenburg waren schnell auf und kamen nach Frauenburg. Ich sah es ungern, denn es schaffte mir fast den Tod. Da sie an die Burg herankamen, nahm mich Herr Pilgerin, führte mich zu einem Söller und sprach: ›Wollt Ihr das Leben behalten, so heißt diese von hinnen fahren.‹ Er band mir ein Seil um den Hals und rief: ›Ich hänge Euch sogleich über dem Söller ihnen gegenüber auf, damit sie die Lust zu stürmen verlieren. Ich fürchte sie alle nicht mehr als ein Ei.‹ Kläglich laut schrie ich den Bekannten zu: ›Was wollt ihr? Ihr seid töricht, wollt ihr mich töten? Ihr könnt mich auf die Art nicht erlösen von diesem großen Unglück. Kommt ihr näher, so bin ich tot, und ihm könnt ihr doch nichts schaden.‹ So drohte ich, so bat ich, bis sie von dannen fuhren und mich gefangen zurückließen. In der Tat litt ich große Not, man drohte mir oft, ich müßte sterben, sobald es Tag würde. Als der nächste Tag anbrach, bereitete ich mich zum Tode; ich suchte nach, ob in dem Turm, wo ich gefangen lag, etwas von Brot zu finden wäre; ich fand ein Brosamen, das hob ich weinend auf, kniete nieder und klagte dem, der in alle Herzen sieht und dem man nichts verhehlen kann, meine Sünde, nahm dann weinend das Brot als seinen Leib, wie Brauch ist, und empfahl ihm meine Seele.
Da trat Herr Pilgerin zu mir ein, er war gerüstet, mich zu töten. ›Und wollt Ihr länger atmen, so sagt, was Ihr uns geben wollt.‹ Ich sprach: ›Ich gebe Euch alles, was ich habe und was ich je gewinnen mag.‹ – Wie feindselig mir der Treulose war, die Lösung half, daß ich gerettet wurde; er dachte: ich nehme sein Gut und tue dann doch noch meinen Willen an ihm. Er befahl, mich an eine unmäßig große Kette zu schmieden, und fürwahr, darin ward mir mancher Tag lang. In dieser Not riet mir mein Herz, meiner Frau ein Lied zu singen. Manchem dünkte wunderlich, daß ich Neues sang, während ich in solchen Nöten lag, ich aber wollte die nicht vergessen, die ich zur Herrin meines Lebens gemacht hatte.
Ich lag gefangen ein ganzes Jahr und drei Wochen. Ich litt viel Ungemach, oft war mir der Tod nahe; oft hätte er mich beinahe erschlagen, mit Messer und Schwert drang der heftige Mann oft auf mich ein.
Endlich ward Graf Meinhard von Görz uns vom Kaiser als Herr in das Steierland gesandt. Als dem ehrliebenden Mann meine Gefangenschaft berichtet wurde, war es ihm von Herzen leid; der Wackere kam mit vielen Herren nach Frauenburg geritten, er machte mich ledig, ich mußte als Pfand des Vertrages dort lassen meine zwei Söhne und zwei Kinder (die Töchter). Später löste ich meine Burg wieder ein, mit welchen Kosten, das will ich verschweigen und lieber von Fröhlichem sprechen. Als ich der Gefahr entledigt war, wurde ich wieder, wie ich früher gewesen, ich hatte viel Gut verloren; was mehr, ich gewann meinen Frohsinn zurück. Ich sang neue Lieder, aber die rechte Freude war krank in Steier und auch in Österreich, alle lebten traurig, die Reichen waren schlechtgesinnt, sie taten einander Leides und dachten nur an Raub, der Frauendienst lag darnieder, auch die Jungen verschwendeten lästerlich ihr Gut, Rauben war ihre stete Gewohnheit, ihr Leben verlief übel.
Soweit der Bericht des Liechtensteiners. Er sagt leider nicht, was seinen untreuen Mann zu der Missetat gestachelt hat. Erwägt man, wie ein alter Gönner Ulrichs, der Graf Görz, die Sache mit einem Vergleich endet und dem Übeltäter eine starke Abfindungssumme gewährt, so möchte man meinen, daß die Gefangenschaft Ulrichs noch einen anderen Grund hatte als die Raubsucht seines treulosen Vasallen und einiger Spießgesellen. Aber die Erzähler des Mittelalters verstehen ausbündig die Kunst, das zu verschweigen, was ihnen ungemütlich ist. Dafür gönnt uns Ulrich das Lied, das er im Kerker seines eigenen Turmes, in Eisen geschmiedet, an seine vertraute Herrin dichtet, während sein Sohn in den Händen des Todfeindes ist und sein Weib mit den übrigen Kindern bei seiner Sippe das Flüchtlingsbrot verzehren muß. Er blieb der höfische Frauenritter bis zu seinem Ende. Der tieferen Natur Walthers von der Vogelweide wurde der Schmerz nicht erspart, daß ihm sein früheres Leben schal und inhaltslos erschien.
Unter den ersten Habsburgern, unter Ludwig dem Bayer und den Luxemburgern ging den Rittern in harten Jahrzehnten vieles von der höfischen Bildung verloren, Sprache und Sitte wurden bäurischer und roher, in kleinen Fehden und Wegelagereien vertat sich ihr kriegerischer Mut. Öfter muß im folgenden die Rede sein von der Einwirkung, welche die Ritter auf alte und neue Landschaften der Deutschen ausübten.
In Rüstung und Reiterbrauch kam Neues auf. Die Rüstung wurde massiger, einzeln erscheinen die Schienen. Schon Ulrich von Liechtenstein hatte in späteren Jahren eine Brustplatte über sein Eisenhemd gelegt, gegen Mitte des Jahrhunderts fing man an, auch das Ritterroß mit Eisen zu bedecken. Aber die Schienen kamen wieder einmal aus der Mode, um 1350 wurden plötzlich die alten Schuppenpanzer und Eisenhauben modisch, und 1389 warfen die Ritter gar auf kurze Zeit ihren Schild beiseite. – Bei Tjost und Turnier häuften sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Unglücksfälle, vergeblich mühte sich die Kirche, die Turniere zu verbieten; damals scheint der Gebrauch einer Speerspitze ohne Widerhalt – das Scharfrennen – aufgekommen zu sein. Diese Unsitte blieb deutsche Eigentümlichkeit, auch der furiose Anlauf in gestrecktem Galopp galt bis ans Ende des 15. Jahrhunderts als deutscher Brauch.
Die Ritterwürde selbst verlor schnell an Bedeutung. Sie wurde reichlich ausgeteilt, von König Rudolf und Ludwig dem Bayer gern an Städter; auch Bischöfe schlugen zu Rittern, z. B. 1298 der Bischof von Straßburg, und sein Ritterschlag erschien besonders ansprechend, denn er trug den neuen Rittern dreifaches Gewand von kostbarem Stoff ein. Sogar ein Zwerg im Gefolge König Rudolfs und des Bischofs von Basel wurde mit dem Schwertgurt geschmückt und stolzierte als Ritter Konrad im Gesinde. Der Hohenstaufe Friedrich II. hatte zuerst einmal durch Brief den Rittergurt erteilt, unter den Luxemburgern geschah dies häufig bereits um Geld.
Wichtiger war eine andere Veränderung. Die Privilegien der Ritterschaft waren in den Kreuzzügen und den Römerfahrten des 12. Jahrhunderts eine persönliche Ehre des schwergepanzerten Reiters, welche Freigeborenen wie Unfreien erteilt wurde, wenn letztere durch die Gunst ihres Herrn instand gesetzt waren, mit Reiterschild zu dienen. Damals war es eine aristokratische Bestimmung in dem Ordensstatut der Templer und hundert Jahre später der Marianer, daß nur Freigeborene in ihre geistlichen Orden treten durften. Denn dadurch waren – dem Statut nach – nicht die freien Stadtbewohner, wohl aber die meisten Dienstmannen und ihre Söhne ausgeschlossen. Die herkömmliche Ausstattung des Reiters für den Kriegsdienst aber war ein Lehngut oder Hofgut, das ihn in den Stand setzte, Roß und Knecht zu halten. Diese Lehngüter wurden allmählich erblicher Besitz der begabten Familien. Da geschah es, daß Ritterwürde und Lehnbesitz sich nicht decken wollten. Einmal wurde der Zudrang zum Rittertum im 12. Jahrhundert groß, bei jeder Heerfahrt hatten König und Edle das Interesse, die Zahl der Ritter zu steigern, es entstand ein Ritterproletariat, welches den Kaisern, die selbst Ehre der Ritterschaft hochhielten, ebenso lästig war als den friedlichen Arbeitern des Landes. Und wieder auf den erblichen Lehngütern saßen auch Träge und Rohe, welche Rittersitte nicht übten, und wenn ein Lehngut erledigt war, kamen die Herren in Versuchung, dasselbe an nützliche Leute zu geben, die bis dahin dem Ritterorden nicht zugehört hatten. Daher bemühten sich die Hohenstaufen, zuerst Pfaffen- und Bauernsöhne von Ritterschaften auszuschließen (1187), dann unter Friedrich II. die Erteilung eines freien Lehnguts von rittermäßiger Geburt durch Vater und Großvater abhängig zu machen.
Diese Bestimmungen des Lehnrechts wurden nicht mehr beobachtet als andere Reichsgesetze. Aber sie drückten eine Tendenz aus, welche im Rittertum bereits vorhanden war, und sie beförderten deshalb etwas anderes, als die Gesetzgeber wahrscheinlich beabsichtigt hatten. Nicht die Ritterwürde und die gepanzerten Heergesellen wurden dadurch gehoben, sondern die Familie mit rittermäßigen Vorfahren. Als das Rittertum verfiel, der Zudrang zu den Turnierplätzen aufhörte, der Schwertgurt von unritterlichen Kaisern achtlos verliehen wurde, da suchten viele, welche durch ihren Lehnbesitz zum gepanzerten Felddienst verpflichtet waren, nicht mehr die Ritterwürde, aber sie führten den Ritterschild mit dem Wappen der Vorfahren und beanspruchten die wesentlichen Ehrenrechte des Rittertums als erblichen Vorzug. So hörten allmählich im 14. Jahrhundert diese Rechte: Wappenschild, Rüstung und Turnierteilung auf, ein persönlicher Vorzug zu sein, welcher nur durch Verleihung des Rittergurtes erworben wurde, sie wurden ein erbliches Recht der Familien, nicht nur der Nachkommen, welche im Lehnbesitz waren, auch ihrer besitzlosen Verwandten. Die Wappen der Vorfahren gewinnen deshalb höhere Bedeutung, rittermäßige Abkunft wird wertvoller als die Ritterwürde selbst, obgleich diese einzelnen Ritterbürtigen noch erteilt wird und außerdem immer neue Familien mit den Vorrechten des Ritterstandes versieht, den älteren Besitzern der Vorrechte nicht zur Freude.
Ein neuer erblicher Stand bildete sich und war bemüht, sich in Ehe und Geselligkeit vom Bauer und Bürger zu scheiden. Aber er hatte keinen Namen. Die meisten der Männer, welche ihm angehörten, waren nicht mehr Ritter, jeder Kundige wußte, daß sie nicht vom Adel waren; das alte Wort Degen, welches einst die reisigen Lehnsleute bezeichnet hatte, war in der höfischen Ritterzeit außer Gebrauch gekommen. Durch das ganze vierzehnte Jahrhundert schwankte die Sprache wie verlegen. Endlich entschied die enge Verbindung der Ritterbürtigen mit den Familien der Freien und Edlen, und der Umstand, daß dem Volk die Achtung vor adligem Blut überhaupt vermindert wurde. Unter den Hohenstaufen hatte man die Söhne aus rittermäßigen Familien, welche neben edlen Knaben Ritterdienst lernten, wie diese »edle Knechte« genannt, um sie von anderen Reisigen zu unterscheiden; am Ende des 14. Jahrhunderts gewöhnte sich das Volk, die rittermäßigen Familien als Adel dem Bürger und Bauern gegenüberzusetzen.
Und merkwürdig ist, wie zäh und treu die Familien der reisigen Lehnsleute die Traditionen des Rittertums, die ihnen aus der Zeit Friedrich Rotbarts überliefert waren, bewahrten, die Turnierbräuche, in Jahrzehnten roher Fehde fast vergessen, wurden doch immer wieder an den Fürstenhöfen in Übung gebracht; wenn in Deutschland ritterliches Spiel daniederlag, wurde es durch die abenteuerlichen Kreuzfahrten, welche normannische und flandrische Herren nach dem neuen Ordensland Preußen unternahmen, aufgefrischt.
In dieser Zeit des absterbenden Rittertums schrieb etwa um 1400 ein wackerer Thüringer, der Chronist Johannes Rothe aus Creutzburg, in poetischer Form ein Büchlein, »Ritterspiegel«, worin er Brauch und Recht des Rittertums darstellt und einer schlechten Gegenwart die Auffassung gegenüberstellt, wie sie in den Besseren seiner Zeit lebte. Sein Gedicht ist für Kenntnis dieser Verhältnisse sehr wertvoll und nicht zur Genüge gewürdigt. Aus ihm wird hier im Auszug mitgeteilt, was damals unter Ritterschaft verstanden wurde, [...]
Niemand hat Adel, als wer nach Lehnrecht rittermäßige Leute zu Mannen haben darf. Ritter und Knechte sind im Dienst der Edlen, man gibt ihnen nicht den Beinamen edel, sondern gestrenge. Wer von seinen Eltern wacker und ehelich geboren ist und selbst nicht unehrlich geworden, der kann durch Erwerb eines Lehngutes, das ihm ein Edler oder Fürst gibt, zum Ritterschild kommen, wenn ihm sein Herr oder Fürst den verleihen will.
Jetzt aber hatte der Ritterorden keine große Geltung, Räuber und Diebe haben ihm Ehre und Wert genommen, auch sind viele nicht auf richtigem Wege in den Orden gekommen.
In früheren Zeiten wurde man Ritter durch den Schlag eines Herrn, darauf ging der Knappe in die Kirche und wurde unter der Messe in den Orden aufgenommen von einem Priester, der ihm sein Schwert, seinen Ritterschmuck und Sporen segnete, dabei schwor er einen Eid, daß er ein Verfechter der heiligen Christenheit sein wolle, das Reich nach geschriebenem Kaiserrecht vor Schaden behüten, Witwen und Waisen beschirmen, Ketzern und ungläubigen Heiden schädlich sein. Darum legte ihm der Priester an seine Hand den goldenen Fingerring und mahnte ihn dabei zur Treue gegen Gott. Dann war ihm als Ritterrecht gesetzt, daß er auf der Straße nicht ohne Diener oder Knecht gehen durfte.
Niemand sollte nach Recht zum Ritter schlagen, als wer selbst ein Edler ist, von dem man Lehn empfangen darf, und selbst ein frommer Ritter. In unserer Zeit aber werden viele zu Rittern auf einem Wege, der ihnen keine Ehre gibt; diese trauen sich nicht in ein Turnier zu reiten.
Denn jetzt gibt es dreierlei Ritter, erstens solche, die weder Ehre noch Gut haben, sie sind Wegelagerer und ehrlos. Die zweiten haben zwar Lehngut von den Edlen, aber obwohl ihre Güter frei sind, so nähren sie sich doch nur von Raub und anderen unehrlichen Sachen, sind Kuhritter und entehren Klosternonnen. Kommen sie zu einem Turnier gezogen, so werden sie vielleicht sehr geschlagen von frommen Rittern und Knechten, die von ihren Klostertaten gehört haben. Sie tragen Gold und schöne Kleider, aber sie mögen sich ihrer schämen, denn sie halten Diebe und Mörder, mit denen sie den Raub teilen. Auch wenn sie jemand eine Fehde vorher ansagen, so rennen sie schon in das Feld, während der Brief noch unterwegs ist, und bevor der andere den Fehdebrief gelesen hat, haben sie schon die Kuh gegessen. Nur die sind wahre Ritter, die für ihre Fürsten um gerechte Sache und zu gemeinem Nutzen gegen des Landes Feinde streiten oder die zum Heiligen Grab ziehen und sich dort zu Rittern weihen lassen. Nicht mit dem Sack dient der Ritter wie Bürger und Bauer, sondern mit seines Leibes Stärke folgt er dem Herrn in saurer Arbeit.
Zur Ritterschaft gehören sieben besondere Ehren. Zuerst das Schwert, welches durch Ritterschlag zugeteilt wird; zweitens ein goldener Fingerring mit einem Edelstein, der an den Goldfinger gesteckt wird; drittens ein frommer Knecht, der dem Ritter beständig aufwartet und ihm sein Schwert nachträgt, denn dem Ritter ziemt nicht, das Schwert selbst zu tragen wie ein Büttel. Viertens ist sein Recht, Gold an seinem Leib und eine goldene Spange an seinem Gewand zu tragen, fünftens ein buntes Kleid von mehrerlei Farben. Sechstens führt er den Ehrennamen Herr, den er nicht seiner Herkunft verdankt (nicht von sîme geslechte), sondern der eigenen Tüchtigkeit, und endlich hat er das Vorrecht, daß man nach Tisch Wasser über seine Hand gieße und ihm ein reines Handtuch reiche.
Ein richtiges Wappenschild muß Silber oder Gold im Feld oder Bild weisen; fehlt eines der beiden, so ist es kein Wappen. Goldenes Metall gilt mehr als silbernes. Zwei gute Farben gehören zum Feld und Bild; je mehr ein Schild Farben hat, desto minder wird das Wappen geachtet, je weniger Bilder darin stehen, desto adliger ist es usw.
Ein Ritter soll sich begnügen an den Einnahmen, die ihm sein Erbe bringt, und was ihm Gott beschert im Dienst oder an Sold und Gold, Silber und Geschenken. Wird ihm das zu wenig, so darf er freilich kein Handwerk treiben; es kann auch nicht jeder zu Hofe kommen oder ein Fürstenamt erhalten. Da ist ihm erlaubt, sich mit einem andern zu gesellen, der Handlung treibt und aus fremdem Land Güter bringt; in diesen Gütern soll er seinen Anteil am Geschäft nehmen, soweit er sie im Hause gebraucht. Ferner darf er Pferdehandel und -zucht treiben. Er darf Handarbeit nicht üben, aber wohl seine Pferde beschlagen und die kranken mit Arznei heilen. Bei seiner Ernte darf er in der Scheune das Getreide einbansen helfen, bei der Feldarbeit darf er auf seinem Roß eggen; Pfeile, Bolzen, Köcher darf er verfertigen, sein Geschütz zurechtmachen und Büchsen gießen. Auch um seine Viehzucht darf er sorgen, um Rinder, Schafe und Schweine.
Will ein Ritter seinem Feind Schaden tun, so soll er offen zu Werke gehen und seine Ehre dadurch behüten, daß er ihm drei ganze Tage vorher die Fehde anzeigt. Hat er seines Feindes Erbe in Besitz genommen und ihn gefangen, so soll er ihn nicht in Grund verderben, sondern er soll ihn so schätzen, daß das Erbe die Schätzung ertragen kann; ist er ehrbar, so entlasse er den Gefangenen gegen Gelöbnis. Niemand soll man so schätzen, daß er zum Bettler wird. Wer das tut, wird ehrlos und einem Räuber gleich geachtet.
Einem guten Ritter steht es wohl an, wenn er lesen und schreiben kann; ist er gelehrt und kunstvoll, so wird es sein Glück.
Ein vollkommener Mann soll siebenerlei Behendigkeit haben. Er soll verstehen reiten, schnell auf- und absitzen, traben und rennen, umwenden und im Reiten etwas von der Erde aufheben. Zum zweiten soll er schwimmen und tauchen, zum dritten schießen mit Armbrust, Büchse und Bogen, zum vierten klettern an Leitern, Stange und Seil, zum fünften gut turnieren, stechen und tjostieren, zum sechsten ringen, parieren und fechten mit der linken Hand wie mit der rechten und weit springen, zum siebenten wohl aufwarten bei Tisch, tanzen und hofieren und das Brettspiel verstehen.
Jedermann wird der Meinung sein, daß der Bauer sich besser dazu eignet, ein Wappen zu tragen, als ein anderer Handwerksmann, auch wenn dieser größer, stärker und reicher ist. Denn der Bauer ist von Jugend auf gewöhnt an harte Arbeit, an Sonnenhitze und die Kost von Wasser und Brot, wenig schlafen und viel wachen, im Harnisch Tag und Nacht, mit Mühe heben und tragen.
Denn Adel wird dem ersten Ahnherrn nicht angeboren, er steigt auf und fällt. Der eigene Mann kann durch die Hand des Herrn freigegeben werden und dann, selbst wenn er nicht ein Freigut erwirbt, als frommer Zinsbauer leben. Seine Kinder ziehen in die Stadt, mehren das Gut im Schutz der Stadtfreiheit, und wieder ihre Kinder reiten in einem Herrenhof und treten in den Dienst eines Edlen, und sind sie brauchbar bei Fechten und Streiten, so belehnt sie ihr Herr mit einem Freigut, das ihm durch den Tod der Besitzer zufällt. So werden sie Mannen eines edlen Herrn. Und halten sich wieder ihre Kinder tüchtig, so werden diese zu Rittern geschlagen. Erlangt der Ritter aber Schlösser, und wird er ein wohlhabender und fester Mann, so wird er mit allen seinen Kindern edel gemacht. Jetzt kann er Mannlehen verleihen und selbst rittermäßige Leute halten; entziehen diese sich nicht ihrem Dienst und helfen sie ihm in seinen Kriegen, so wird wieder sein Sohn ein Graf des Reiches. Gewinnt dieser das Ansehen eines großen Herrn, erwirbt er das Land eines Fürsten oder belehnt ihn der König damit, so wird er gefürstet, und stirbt der König oder Kaiser, so kann ihm Gott die Ehre bescheren, daß er an seiner Statt geküret wird. Manneswert und Kraft gewinnt, sorgloses Vergeuden wirft nieder.
So frei und groß war noch um das Jahr 1400 die Ansicht über die Bewegung deutscher Volkskraft im Staat!