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Telemach kommt nach Salent zurück, und ist voll Verwunderung, die Felder so wohl bestellt, und in der Stadt so wenig Pracht zu sehen. Mentor sagt ihm die Gründe dieser Verwandlung, macht ihn auf die Fehler aufmerksam, durch die das Aufblühen eines Staates gehindert wird, und stellt ihm das Verhalten und die Regierung des Idomeneus zum Muster vor. Telemach öffnet hierauf Mentorn sein Herz über sein Verlangen, sich mit Antiope, der Tochter dieses Königs, zu vermählen. Mentor lobt mit ihm ihre Vorzüge, und versichert ihn, daß die Götter sie für ihn bestimmt haben, daß er aber jetzt nur denken müsse, nach Ithaka abzureisen, und Penelopen aus den Händen ihrer zudringlichen Freier zu retten.
H eißes Verlangen füllte Telemachs Brust, seinen Freund Mentor zu Salent wieder zu finden, und sich mit ihm gen Ithaka einzuschiffen, denn er hoffte, daß nun sein Vater dort angelangt sein würde. Er erstaunte, als er sich der Stadt näherte, das ganze Land umher, das er beinahe unangebaut und einer Wildniß ähnlich verlassen hatte, gleich einem Garten angebaut und mit fleißigen Arbeitern bedeckt zu sehen. Er erkannte in allem diesem die Hand des weisen Mentor.
Als er in die Stadt trat, bemerkte er, daß die Zahl derer, die für die Annehmlichkeiten des Lebens arbeiteten, und mit ihnen Aufwand und Pracht merklich abgenommen hatten. Dies mißfiel ihm, denn er war von Natur für Alles, was glänzend war, und einen feinen Geschmack ankündigte. Aber bald machten diese Gedanken andern Empfindungen Platz.
Er sah von fern Idomeneus und Mentorn auf sich zukommen, und sein Herz schwoll von Freude und Zärtlichkeit. Aber so glücklich er auch in dem Kriege gegen Adrasten gewesen war, fürchtete er doch, daß Mentor nicht mit ihm zufrieden sein möchte, und je näher er ihm, kam, desto mehr bemühte er sich, in den Augen seines Freundes zu lesen, ob sie ihm keine Vorwürfe machten.
Idomeneus umarmte zuerst den Telemach mit Vaterzärtlichkeit, dann flog dieser an Mentors Brust und benetzte ihn mit seinen Thränen.
»Ich bin mit dir zufrieden,« sprach Mentor zu ihm, »zwar hast du große Fehler begangen, aber sie lehrten dich Selbstkenntniß und Mißtrauen gegen dich selbst. Nicht selten sind uns unsere Fehltritte nützlicher, als selbst unsere schönsten Handlungen; Großthaten erzeugen Uebermuth und einen verderblichen Dünkel; unsere Fehltritte hingegen machen, daß wir in uns gehen, und führen uns wieder zur Weisheit zurück, von der das Glück uns entfernt hatte. Jetzt bleibt dir nichts übrig, als die Götter zu preisen, und nicht nach dem Beifall der Menschen zu geizen. Zwar hast du rühmliche Thaten gethan, aber sei wahr und gestehe, daß du nicht der eigentliche Urheber derselben warst, daß sie die Wirkung einer fremden Kraft waren, die in dich gelegt wurde. Hätte deine Uebereilung und deine Unbesonnenheit sie nicht leicht vereiteln können? Fühltest du nicht, daß Minerva dich gleichsam in ein anderes Wesen verwandelt, und über dich selbst erhoben hatte, um dich zu ihrem Werkzeuge zu machen? Sie hielt alle deine Unvollkommenheiten zurück, wie Neptun die zürnenden Wogen bezähmt, wenn er den Stürmen zu schweigen gebietet.«
Indeß Telemach Mentors weisen Lehren horchte, that Idomeneus neugierige Fragen an die Kreter, welche aus dem Kriege zurückgekommen waren.
Telemach blickte mit Verwunderung um sich her, und sagte zu Mentorn:
»Ich lebe hier eine Veränderung, deren Grund ich nicht begreife. Hat Salent in meiner Abwesenheit irgend ein Unglück betroffen? Was ist aus jener Pracht geworden, die sich vor meiner Abreise von allen Seiten zeigte? Ich sehe nirgends mehr weder Gold noch Silber, noch kostbare Steine. Die Kleidung ist einfach; die Gebäude, die man errichtet, sind minder geräumig und schmuckloser; die Künste sind in Verfall gerathen; die Stadt ist eine Einöde geworden.«
Lächelnd gab ihm Mentor zur Antwort:
»Hast du den Zustand der Felder rings um die Stadt bemerkt?«
»Ja,« antwortete Telemach, »ich sah das öde Land aller Orten angebaut, und den Ackerbau geehrt.«
»Was ist wohl besser,« fuhr Mentor fort, »eine Stadt, glänzend von Marmor, Gold und Silber, mit vernachlässigten und unfruchtbaren Feldern, oder wohlbestellte, fruchtbare Felder und eine minder glänzende und mäßig große Stadt mit Bewohnern, die einfach in ihren Sitten sind? Eine große Stadt, voll von Einwohnern, die für die Vergnügungen des Lebens arbeiten und die Sitten verderben, umgeben von armen und schlecht angebauten Provinzen, gleicht einem Ungeheuer, dessen Kopf von übermäßiger Größe ist, und dessen ausgemergelter, der Nahrung beraubter Körper in keinem Verhältniß mit diesem Kopfe steht. Die Zahl der Einwohner und der Ueberfluß an Nahrungsmitteln macht die wahre Stärke und den wahren Reichthum eines Landes aus. Das ganze Reich des Idomeneus ist jetzt mit einem zahllosen, der Arbeit gewohnten Volke angefüllt. Sein ganzes Land gleicht nur einer einzigen Stadt, wovon Salent der Mittelpunkt ist. Wir haben alle Menschen, die in der Stadt überflüssig waren und dem Lande abgingen, auf dasselbe verpflanzt. Außerdem haben wir viele Fremde in das Land gezogen. Je mehr die Zahl der Bewohner eines Landes steigt, desto mehr vervielfältigen sich die Früchte der Erde, die sie anbauen. Eine solche unmerkliche und ruhige Vergrößerung trägt mehr zur Erweiterung eines Reiches bei, als eine Eroberung. Man hat nur diejenigen Künste aus der Stadt verbannt, welche die Armen von dem Ackerbau abzogen, der uns die Nothwendigkeiten des Lebens verschafft, nur die Künste, welche die Sitten der Reichen verdarben, indem sie sie zur Pracht und Wollust verleiteten. Dadurch sind aber weder die schönen Künste selbst, noch die Menschen, die das Geschick haben, sie zu bearbeiten, beeinträchtigt worden. So ist also Idomeneus jetzt weit mächtiger, als er war, da du seine Herrlichkeit bewundertest. Dieser blendende Schimmer verbarg eine Schwäche und ein Elend, welche seinem Reiche bald den Untergang gebracht haben würden. Jetzt hat er mehr Unterthanen, und es wird ihm leichter, sie zu nähren. Alle diese Menschen, welche an Arbeit, Mühseligkeit und Verachtung des Lebens gewöhnt sind (die Wirkung ihrer guten Gesetze), sind stets bereit, zur Vertheidigung des Landes, das sie mit eigenen Händen gebaut haben, die Waffen zu ergreifen, und bald wird dieser Staat, den du in Verfall glaubtest, die Bewunderung Hesperiens werden.
Vergiß es nie, o Telemach, daß es zwei Uebel gibt, welche die Staaten drücken, und denen fast niemals abgeholfen wird: Die Ungerechtigkeit und Gewaltthätigkeit, mit der die Fürsten herrschen, und die Ueppigkeit, die die Sitten zerstört. Wenn die Fürsten sich einst gewöhnt haben, kein anderes Gesetz mehr über sich zu erkennen, als ihren ungebundenen Willen, wenn sie ihren Leidenschaften keinen Zügel mehr anlegen, so steht ihrer Gewalt nichts mehr im Wege; aber eben dieses Vermögen, alles zu thun, was sie wollen, untergräbt die Grundpfeiler ihrer Macht. Sie werden bei ihrem Regieren von keinen sichern Regeln, von keinen Grundsätzen mehr geleitet. Ihre Handlungen werden von allen wetteifernd erhoben; sie haben kein Volk mehr, sie haben nur Sklaven, und auch die Zahl dieser nimmt mit jedem Tage ab. Wer sollte ihnen die Wahrheit sagen? Wer diesen Strom in seinem Lauf aufhalten? Jedermann weicht vor ihm zurück. Die Weisen fliehen, verbergen sich und seufzen. Nur eine plötzliche und gewaltsame Umwälzung des Staats kann diesen Strom von Ungebundenheit wieder in sein natürliches Bett zurückführen. Nicht selten zertrümmert der Schlag, der dieser Gewalt Einhalt thun sollte, den Staat ohne Rettung. Nichts ist einem traurigen Umsturz so sehr unterworfen, als eine zu weit getriebene Gewalt; es ist damit, wie mit einem zu sehr gespannten Bogen, der auf einmal bricht, wenn man ihn nicht nachläßt; aber wer sollte ihn nachlassen? Dieses bethörende Allvermögen hatte das Herz des Idomeneus bis auf den Grund verdorben. Er stürzte von seinem Thron, aber noch zerrann die Täuschung nicht. Die Götter mußten uns hierher führen, um ihm die Augen über eine blinde und zu weit getriebene Gewalt zu öffnen, die keinem Menschen zukommt. Ja, es mußten sogar beinahe Wunder vor seinen Augen geschehen, um ihn aus seinem Irrthum zu reißen.
Das andere, fast unheilbare Uebel ist die Ueppigkeit. Wie der Mißbrauch der Gewalt den Fürsten tödtlich ist, so vergiftet die Ueppigkeit ein ganzes Volk. Man sagt, daß sie die Armen auf Kosten der Reichen nähre: als wenn die Armen ihren Unterhalt nicht auf eine weit nützlichere Art durch Vervielfältigung der Früchte der Erde finden könnten, ohne daß sie nöthig hätten, die Reichen durch Verfeinerung der sinnlichen Genüsse zu verzärteln. Die ganze Nation gewöhnt sich, die entbehrlichsten Dinge als Nothwendigkeiten des Lebens anzusehen. Die Erfindung dieser Nothwendigkeiten vermehrt sich mit jedem Tage, und was man vor dreißig Jahren noch nicht einmal kannte, ist jetzt unentbehrliches Bedürfniß geworden. Man nennt diese Verderbniß guten Geschmack, Vervollkommnung der Künste, Verfeinerung der Nation, und erhebt dieses Laster, welches tausend andere nach sich zieht, zum Range einer Tugend. Das ansteckende Gift verbreitet sich von dem Fürsten bis zu dem Niedrigsten des Volks. Die nächsten Verwandten des Königs wollen seine Pracht nachahmen; die Großen wetteifern mit seinen Verwandten; Leute vom Mittelstande wollen es den Großen gleich thun; – denn wo ist der Mensch, der sich zu bescheiden wüßte? – die Geringen wollen für Leute vom Mittelstande gelten, und Jeder strengt sich über seine Kräfte an, der eine, um groß zu thun, und sich mit seinem Reichthum zu brüsten, der andere aus falscher Scham, und um seine Armuth zu verbergen. Diejenigen selbst, die weise genug sind, eine solche Unordnung zu mißbilligen, sind es doch nicht in dem Grade, um sich zuerst gegen diese Mißbräuche zu erheben, und ein besseres Beispiel zu geben.
Die ganze Nation stürzt sich ins Verderben; die Stände kommen in Verwirrung; die Sucht, Reichthümer zu erwerben, um einen glänzenden Aufwand machen zu können, verdirbt die edelsten Gemüther, der Reichthum wird das einzige Bestreben der Menschen, die Armuth eine Schande. Sei einer noch so gelehrt, geschickt, tugendhaft, unterrichte er die Menschen, gewinne er Schlachten, rette er das Vaterland, opfere er dem gemeinen Besten alles: er wird verachtet sein, wenn er seinen Vorzügen durch eine prunkvolle Lebensart keinen Glanz zu geben weiß. Selbst diejenigen, welche keine Reichthümer besitzen, wollen den Schein derselben haben, und ahmen die Reichen in ihrem Aufwande nach; sie borgen, sie betrügen und bedienen sich tausend niedriger Mittel, um empor zukommen.
Wer soll diesen Uebeln abhelfen? Der Geschmack und die Gewohnheiten des ganzen Volks müssen geändert werden; man muß ihm neue Gesetze geben, und wer kann dieses thun? Wer anders, als ein Fürst, der zugleich ein Weiser ist, und der allein durch das Beispiel seiner eigenen Mäßigung diejenigen, die einem üppigen Aufwand ergeben sind, beschämen, und die bessern aufmuntern kann, die sehr erfreut sein werden, ihn in Befolgung einer einfachen Lebensweise zu ihrem Vorbild zu haben.«
Telemach hörte diese Worte, und ihm war, als ob er aus einem tiefen Schlaf erwachte. Er fühlte ihre Wahrheit, sie drückten sich seinem Herzen ein, wie die Züge sich dem Marmor eindrücken, durch die ein weiser Künstler ihm Sanftheit, Leben und Bewegung mittheilen will. Er schwieg still, aber er erwog das Gehörte in seiner Seele, und seine Augen durchliefen alle Veränderungen, welche in der Stadt vorgegangen waren.
Endlich sagte er zu Mentorn:
»Durch dich ist Idomeneus der Weiseste aller Fürsten geworden. Ich kenne weder ihn noch sein Volk mehr, und ich muß gestehen, daß das, was du hier gethan hast, die Siege bei weitem übertrifft, die wir erfochten haben. Zufall und Uebermacht tragen sehr viel zum glücklichen Erfolg im Kriege bei. Der Ruhm, den man sich in Schlachten erwirbt, gebührt zum Theil dem gemeinen Krieger; aber was du gethan hast, ist das Werk eines einzigen Kopfs. Du allein mußtest den Widerstand besiegen, den dir ein Fürst und sein ganzes Volk entgegensetzte, um sie zu bessern Menschen zu machen. Das Kriegsglück ist immer mit traurigen und widrigen Zufällen begleitet. Hier hat eine himmlische Weisheit Alles gethan. Alles zeigt, daß eine überirdische Macht im Spiele war, so sehr athmet Alles sanfte, ungekünstelte Anmuth und eine Würde, die keinem Menschen gegeben ist. Wenn die Menschen nach Ruhm streben, warum suchen sie ihn nicht in der Anstrengung, Gutes zu thun? O wie wenig verstehen sie sich auf denselben, wenn sie durch Verheerung der Erde, durch Vergießung des Menschenbluts, einen dauerhaften zu erlangen hoffen!«
Lebhafte Freude erheiterte Mentors Antlitz, als er sah, daß Telemach von seinem Wahn über Siege und Eroberungen zurückgekommen war, und dies in einem Alter, wo es so natürlich war, von dem Ruhm, den er erlangt hatte, berauscht zu werden.
Mentor fuhr fort:
»Wohl ist Alles, was du hier siehst, gut und lobenswerth, aber wisse, daß man in der Verbesserung noch viel weiter gehen könnte. Idomeneus mäßigt seine Leidenschaften, und läßt sich angelegen sein, sein Volk mit Gerechtigkeit zu beherrschen; aber bei alledem begeht er noch viele Fehler, die unglücklichen Folgen seiner vorigen Irrthümer. Wenn die Menschen sich entschließen, ihren Lastern zu entsagen, so scheint es, als ob diese nicht von ihnen weichen wollten. Noch lange kleben ihnen ihre bösen Gewohnheiten, ihre Schwachheiten, ihre eingewurzelten Irrthümer und ihre fast unheilbaren Vorurtheile an. Glücklich ist, wer sich nie von dem rechten Weg verirrte. Er ist einer weit vollkommnern Tugendübung fähig. Die Götter, o Telemach, werden mehr von dir fordern, als von Idomeneus, denn du kanntest die Wahrheit von früher Jugend an, und warst nie den verführerischen Lockungen eines allzu großen Glückes ausgesetzt.
Idomeneus,« sagte Mentor weiter, »ist weise und aufgeklärt, aber er beschäftigt sich zu sehr mit dem Einzelnen; es fehlt ihm an einem überschauenden Blick in seinen Geschäften, der erforderlich ist, Entwürfe zu machen. Der Vorzug dessen, der die höchste Gewalt hat, besteht nicht darin, daß er Alles selbst verrichte. Es ist eine große Eitelkeit, zu hoffen, daß man damit zu Stande kommen werde, oder die Welt überreden zu wollen, daß man der Sache gewachsen sei. Das Amt eines Königs besteht darin, seine Diener zu wählen, und die Aufsicht über sie zu führen. Er braucht nicht jede Kleinigkeit selbst zu thun Diese Warnung vor Verzettelung im Detail ist mit Blick auf das Verhalten des absolutistischen Monarchen Ludwig XIV. gesagt, der - begabt mit großer Arbeitskraft und scharfem Verstand - letztlich alle bedeutsamen Entscheidungen über seinen Schreibtisch gehen ließ, was seine Minister zuletzt zu bloßen Laufburschen degradierte, anstatt ihnen politisches Handeln in Eigenverantwortlichkeit zu delegieren. - Bei seinen wiederholten Philippika gegen die ›Üppigkeit‹ übersieht Fenelon andererseits, dass die absolute Macht des Königs in Frankreich wesentlich auf der Eindämmung jener des Adels beruhte, die Ludwig dadurch erzielte, dass er ihn aus den lokalen Machtzentren entfernte und in Versailles unter seiner Aufsicht konzentrierte. Ein solcher Hofadel wollte nun allerdings beschäftigt sein; und dies gelang u. a. durch eine geradezu staatlich verordnete Kombination von Luxus und Ausschweifung, die den Adel der Zeit beraubte, an einer Opposition gegen den König zu arbeiten, und ihn zugleich in den dafür erforderlichen Mitteln schwächte. – Anm.d.Hrsg.; dies ist das Geschäft derer, die unter ihm arbeiten. Er muß sich von ihren Verrichtungen Rechenschaft geben lassen, und Einsicht genug besitzen, dieselben beurtheilen zu können.
Der ist ein trefflicher Regent, der diejenigen gehörig auszuwählen, und nach ihren Fähigkeiten zu gebrauchen weiß, denen er seine Geschäfte anvertrauen will. Die beste Art zu regieren besteht darin, das Regiment über die Staatsdiener zu führen, sie zu beobachten, zu prüfen, zurück zu halten, zurecht zu weisen, aufzumuntern, auf höhere oder niedrigere Stufen zu stellen, ihnen andere Aemter zu geben, und immer ein wachsames Auge auf sie zu haben. Der Fürst, der alles selbst untersuchen will, zeigt einen kleinen, mißtrauischen Geist. Die Sorge für das Einzelne raubt ihm die Zeit und die Freiheit des Geistes, welche zu großen und wichtigen Angelegenheiten erforderlich sind. Nur bei völliger Freiheit und Ruhe des Geistes ist es möglich, große Entwürfe zu machen; und nie wird ein Fürst die zum Denken erforderliche behagliche Muße finden, wenn er sich nicht von der Besorgung beschwerlicher und verworrener Geschäfte losmacht. Der Geist des Menschen, der sich mit dem Einzelnen befaßt, wird erschöpft, und gleicht den Hefen des Weins, die weder Stärke noch Annehmlichkeiten mehr haben.
Regenten, die sich um alle einzelne Theile der Staatsverwaltung bekümmern, werden nur von dem Gegenwärtigen bestimmt, die entfernte Zukunft ist ihren Blicken verborgen. Das Geschäft des Tages verschlingt die ganze Wirksamkeit ihres Geistes; und da es das Einzige ist, mit dem sie sich befassen, so macht es einen zu starken Eindruck auf sie; es macht sie einseitig, denn man kann nur dann ein richtiges Urtheil von den Dingen fällen, wenn man sie alle miteinander vergleicht, und gehörig ordnet, um ihre Verbindung und ihren Zusammenhang einzusehen.
Ein Regent, der es daran fehlen läßt, gleicht einem Tonkünstler, der sich damit begnügte, wohlklingende Akkorde gefunden zu haben, ohne sich darum zu bekümmern, sie zu einem lieblichen und reizenden Ganzen zu verbinden, oder einem Baumeister, der genug gethan zu haben glaubte, wenn er große Säulen und eine Menge wohl behauener Steine zusammen brächte, ohne darauf zu denken, sie zu einem regelmäßigen und geschmackvollen Gebäude zusammenzufügen. Ueber die Erbauung eines Saals vergißt er die Treppen, die zu demselben führen sollten; wenn er an dem Hauptgebäude arbeitet, denkt er nicht an den Hof, noch an den Eingang des Gebäudes. Sein ganzes Werk besteht in einer unordentlichen Anhäufung schöner Theile, die aber nicht für einander gemacht sind. Eine solche Arbeit, statt ihrem Urheber zur Ehre zu gereichen, ist nur ein Denkmal seiner Schande; denn man ersieht daraus, daß der Verstand des Künstlers zu beschränkt war, das Ganze eines Kunstwerks zu umfassen; er zeigt einen kleinen und untergeordneten Geist. Wem die Natur die Fähigkeit verweigert hat, sich über das Einzelne zu erheben, der taugt nur, die Befehle eines andern zu vollziehen. Glaube mir, Telemach, in der Regierung eines Staats muß alles zusammen stimmen, eben so wie in der Tonkunst und in der Baukunst alle Theile in einem richtigen Verhältniß stehen müssen.
Solltest du Geschmack daran finden, daß ich die Vergleichung mit diesen Künsten noch weiter fortsetzte, so würdest du sehen, wie gering die Fähigkeiten derer sind, die bei ihrer Regierung nur die einzelnen Theile zum Augenmerk haben. Wer in einem Concert singt, so vollkommen auch sein Vortrag sein mag, ist weiter nichts als ein Sänger; den Namen des Musikmeisters verdient nur der, der die ganze Musik leitet, und jedem Theile derselben seine gehörige Stelle anweist. Ebenso ist der, welcher die Säulen formt, und eine Seite des Gebäudes errichtet, nur ein Maurer; nur derjenige ist der Baumeister, der das ganze Gebäude überdacht, und alle seine Verhältnisse angeordnet hat.
Auf gleiche Weise haben diejenigen den kleinsten in Antheil an der Regierung, welche sich am meisten abarbeiten, die meisten Ausfertigungen machen, am thätigsten sind; sie sind nur untergeordnete Arbeiter. Nur von demjenigen Geiste kann man sagen, daß er den Staat regiere, der, ohne selbst die Hand anzulegen, die ganze Maschine in Gang setzt, welcher denkt, erfindet, die Zukunft voraussieht., in die Vergangenheit blickt, anordnet, jedem Dinge seine Stelle anweist, für künftige Bedürfnisse sorgt, der, gleich dem Schwimmer, der gegen den Strom ankämpft, dem widrigen Geschick stets eine muthige Brust entgegensetzt, und Tag und Nacht darauf sinnt, dem Zufall nichts zu überlassen.
Glaubst du wohl, Telemach, daß ein großer Maler, der ein Gemälde zu verfertigen hat, vom Morgen bis zum Abend dasitzen und ohne Unterlaß arbeiten werde? Gewiß nicht, eine solche Anstrengung, ein solcher knechtischer Fleiß würde alles Feuer seiner Einbildungskraft auslöschen; er würde nicht aus innerem Antrieb seines Geistes arbeiten. Er arbeitet nicht mit sclavischer Regelmäßigkeit, er arbeitet nur dann, wenn er sich aufgelegt fühlt, ihn die Liebe zu seinem Werke treibt, oder seine Seele in Begeisterung gesetzt ist. Er bringt seine Zeit nicht damit hin, Farben zu reiben oder den Pinsel zurecht zu legen; dieses Geschäft überläßt er seinen Lehrlingen. Sein ist die Sorge des Denkens und der Erfindung der kühnen Züge, die seinen Bildungen Größe, Leben und Bewegung geben. Seine Seele ist von der Vorstellung des Helden, den er abbilden will, von den Gedanken und Gesinnungen desselben, durchdrungen. Er versetzt sich in die Zeiten, in denen er gelebt, alle Umstände sind ihm gegenwärtig, unter denen er gehandelt hat. Mit dieser Begeisterung muß sich eine Besonnenheit verbinden, die seine Lebhaftigkeit zügle, damit in seiner Darstellung alles wahr und richtig sei, und alles mit einander übereinstimme. Kannst du glauben, Telemach, daß weniger Seelengröße und Seelenstärke erfordert werde, einen großen König hervorzubringen, als einen vorzüglichen Maler? Mache also den Schluß, daß es das eigentliche Geschäft eines Königs sei, zu denken, große Entwürfe zu machen, und diejenigen auszuwählen, die geschickt sind, diese Entwürfe unter seiner Aufsicht auszuführen.«
Telemach antwortete:
»Ich glaube alles zu begreifen, was du mir gesagt hast. Aber sollte ein Fürst, dessen Sorge sich nicht auf das Einzelne erstreckt, nicht sehr oft hintergangen werden?«
»Du irrest dich,« erwiederte Mentor, »gerade die allgemeinen Begriffe über die Regierungskunst hindern es, daß ein Fürst betrogen werde. Wer seine Geschäfte nicht nach Grundsätzen betreibt, und keine Menschenkenntniß besitzt, tappt gleichsam immer im Finstern, und es ist bloßer Zufall, wenn er den rechten Weg trifft. Solche Leute wissen nicht einmal recht, was sie wollen, kennen nicht einmal das Ziel, wonach sie streben sollen. Ihre ganze Kunst besteht darin, mißtrauisch zu sein, und ihr Mißtrauen trifft weit eher diejenigen, welche ihnen widersprechen, als die Betrüger, welche ihnen schmeicheln.
Diejenigen hingegen, welchen es nicht an Regierungsgrundsätzen fehlt, und welche sich auf Menschen verstehen, wissen, was sie von diesen zu erwarten haben, und die Mittel, ihre Zwecke durch sie zu erreichen. Sie haben wenigstens eine allgemeine Kenntniß von den Menschen, deren sie sich bedienen, wissen, ob sie sich dazu schicken, ihre Absichten auszuführen, und ob sie hinlänglich in ihren Sinn eingedrungen sind, um auf das Ziel hinzuarbeiten, das sie sich gesteckt haben. Da ihr Geist nicht durch die ermüdende Sorge für das Einzelne geschwächt ist, so behält er die Freiheit, das Geschäft im Großen mit einem Blick zu überschauen, und zu bemerken, ob es seinem Hauptzwecke näher rücke. Sollten sie sich auch irren, so wird es doch nicht im Wesentlichen sein. Auch kennen sie jene kleinliche Eifersucht nicht, welche das Merkmal eines eingeschränkten Kopfs und einer gemeinen Seele ist. Sie wissen sehr wohl, daß es unmöglich ist, den Irrthum in Geschäften von großem Umfang zu vermeiden, weil man zu denselben Menschen braucht, denen es nicht selten an Rechtschaffenheit fehlt.
Man verliert weit mehr durch die Unentschlossenheit, welche das Mißtrauen erzeugt; als wenn man es darauf ankommen ließe, ein wenig betrogen zu werden. Man kann sich glücklich schätzen, nur in Dingen von geringem Belang hintergangen zu werden; Sachen von Wichtigkeit werden doch dabei ihren ungehinderten Fortgang haben, und dies ist das Einzige, was einem großen Mann am Herzen liegen muß. Jeder Betrug muß streng bestraft werden, wenn man ihn entdeckt, aber man, muß immer darauf rechnen, in manchen Dingen getäuscht zu werden, wenn man nicht wirklich hintergangen werden will. Der Handwerker kann in seiner Werkstätte alles mit eigenen Augen sehen, und mit eigenen Händen verrichten, aber der Beherrscher eines großen Staats kann weder alles selbst sehen, noch alles selbst thun. Ihm liegt nur dasjenige Geschäft ob, das kein anderen unter ihm verrichten kann, und er soll nur auf das sehen, was auf die Entscheidung wichtiger Dinge Einfluß hat.«
Zuletzt sprach Mentor noch zu Telemach:
»Die Götter lieben dich, sie bereiten alles vor, damit du einst weise regieren mögest. Alles, was du hier vorgehen siehest, bezweckt minder den Ruhm des Idomeneus, als deine Belehrung. Alle die weisen Anordnungen, die du in Salent bewunderst, sind nur schwache Abrisse dessen, was du einst in Ithaka thun wirst, wenn du durch Tugend deine hohe Bestimmung erfüllest. Es ist nun Zeit, daß wir an unsere Abreise von hier denken. Schon hält Idomeneus ein Schiff zu unserer Rückkehr in Bereitschaft.«
Und nun öffnete Telemach, wiewohl nicht ohne sich einigen Zwang anzuthun, seinem Freunde sein Herz über eine Neigung, die es ihm schwer machte, Salent zu verlassen.
»Du wirst mich vielleicht tadeln,« sagte er zu ihm, »daß ich an den Oertern, wo ich hinkomme, zärtlichen Regungen in meinem Herzen allzuleicht Raum gebe; aber wie könnte ich es mir je verzeihen, wenn ich dir verbärge, daß ich Antiopen, die Tochter des Idomeneus liebe? Aber irre dich nicht, Mentor, theurer Freund; die Neigung, die ich jetzt empfinde, hat nichts mit jener Verblendung auf Kalypsos Insel gemein, von der du mich heiltest. Tief war die Wunde, die mir die Liebe schlug, als ich mit Eucharis lebte. Noch kann ich ihren Namen nicht nennen, ohne in Unruhe zu gerathen; weder Zeit noch Entfernung hat ihn aus meiner Seele vertilgen können. Diese traurige Erfahrung lehrt mich ein Mißtrauen in mich setzen. Aber was ich für Antiopen fühle, ist von einer andern Art; es ist keine ungestüme Leidenschaft, es ist Wohlgefallen, Achtung, Bewußtsein ihres Werths. Wie glücklich würde ich sein, meine Tage mit ihr verleben zu können! Wenn mich je die Götter meinen Vater wieder finden lassen und mir vergönnen, eine Gattin zu wählen, so, wird nur Antiope die Meinige sein. Ihr Schweigen, ihre Bescheidenheit, ihre Eingezogenheit, ihr nie ermüdender Fleiß, ihre Geschicklichkeit in weiblichen Arbeiten, die Emsigkeit, womit sie seit dem Tode ihrer Mutter das Haus ihres Vaters besorgt, die Verachtung jedes eitlen Schmuckes, – daß sie vergißt, daß sie es selbst nicht einmal weiß, wie reizend sie ist, – dies sind die Vorzüge, die Antiopen meinem Herzen theuer gemacht haben. Führt sie, auf des Vaters Geheiß, die Reihen der jungen Kreterinnen beim Tone der Flöten, so gleicht sie der lächelnden Liebesgöttin, im Gefolge der Grazien. Folgt sie ihm in die Wälder auf die Jagd, so glaubt man Diana unter ihren Nymphen zu erblicken, so herrlich erscheint sie, so geschickt weiß sie den Bogen zu führen. Sie allein kennt ihren Werth nicht, und jeden, der sie sieht, erfüllt ihr Anblick mit Erstaunen. Tritt sie in den Tempel der Götter, die heiligen Opfergaben auf ihrem Haupte, wer sollte nicht wähnen, in ihr die Gottheit selbst zu sehen, die den Tempel bewohnt? Welch heiliger Schauer, welche Ehrfurcht durchbebt sie, wenn sie Opfer darbringt, die zürnenden Götter zu versöhnen, ein Verbrechen zu büßen, oder irgend eine Unglück weissagende Vorbedeutung abzuwenden Sieht man sie unter ihren Frauen, in der Hand die goldene Nadel, so gleicht sie Minerven, die in menschlicher Gestalt zur Erde gekommen, die Menschen in den schönen Künsten zu unterweisen. Emsig arbeiten die andern, von ihr zum Fleiße ermuntert, und vergessen des Unmuths und der Beschwerde, wenn sie mit lieblich tönender Stimme der Götter wunderbare Geschichten singt. Das feinste Gemälde weicht der Kunst ihrer Stickerei. Glücklich der Mann, dem sie einst Hymen in die Arme führt! Ihn wird dann nichts mehr schrecken, als der Gedanke, sie zu verlieren, sie zu überleben.
Ich nehme die Götter zu Zeugen, theurer Mentor, daß ich bereit bin, mit dir abzureisen. Zwar werde ich Antiopen lieben, so lange ich lebe, aber sie soll meine Rückkehr nach Ithaka keinen Augenblick verzögern. Sollte ein anderer sie besitzen, so würde ich mein übriges Leben in Wehmuth und Traurigkeit hinbringen, aber doch werde ich sie verlassen, ob ich gleich weiß, daß meine Abwesenheit mich der Gefahr aussetzt, sie zu verlieren. Ich werde weder mit ihr, noch mit ihrem Vater von meiner Liebe reden; du allein darfst darum wissen, bis einst Ulysses seinen Thron wieder besteigt, und meine Neigung billigt. Du siehest hieraus, geliebter Mentor, wie sehr meine jetzigen Empfindungen von der blinden Leidenschaft verschieden sind, die ich für Eucharis fühlte.«
Mentor antwortete:
»Ich erkenne diesen Unterschied mit dir, mein Telemach. Antiope ist ein Mädchen voll Sanftmuth, Unschuld und Klugheit. Ihre Hände schämen sich der Arbeit nicht. Ihr häuslicher Blick sieht in die Ferne; sie sorgt für Alles. Schweigend, mit anhaltendem Fleiß und ohne Uebereilung verrichtet sie ihre Arbeit. Immer ist sie beschäftigt, und nie geräth sie in Verlegenheit; denn Alles thut sie zu rechter Zeit. Ordnung in ihrem Vaters Hause zu erhalten, ist ihr Stolz, und diese Gesinnung schmückt sie mehr, als ihre Schönheit. Ob sie gleich das ganze Hauswesen zu besorgen hat, und ihr obliegt, die andern zurecht zu weisen, sich ihnen zu widersetzen und das Vermögen zu Rathe zu halten, was fast allen Weibern den Haß ihrer Untergebenen zuzieht, so hat sie sich doch die Liebe aller Hausgenossen erworben, denn sie ist weder heftig, noch eigensinnig, noch wankelmüthig, noch launisch, wie andere Weiber. Mit einem einzigen Blicke gibt sie sich zu verstehen, und man hütet sich, ihr zu mißfallen. Ihre Befehle sind bestimmt, und sie gebietet nur das, was ausführbar ist. Ihr Tadel ist mit Güte verbunden, welche dem Getadelten neuen Muth einflößt. Das Herz ihres Vaters ruhet in ihrem Umgang aus, wie ein Wanderer, von der Sonnenhitze ermattet, im Schatten eines Baumes auf weichem Grase ausruhet.
Du täuschest dich nicht, Telemach, Antiope ist ein Schatz, werth, in den entlegensten Ländern aufgesucht zu werden. Sie verschmäht es eben so sehr, ihren Geist mit bloß schimmernden Vorzügen, als ihren Körper mit eitlen Zierathen zu schmücken. Die Lebhaftigkeit ihrer Seele mildert bescheidene Zurückhaltung. Sie spricht nur dann, wenn es nöthig ist, und öffnet sie den Mund, so fließen süße Ueberredung und holde Anmuth von ihren Lippen. Alles verstummt, wenn sie spricht; sie erröthet, und gern unterdrückte sie die angefangene Rede, wenn sie sieht, mit welcher Aufmerksamkeit man auf sie horcht; kaum hörten wir noch den Ton ihrer Stimme.
Denkst du noch des Tages, Telemach, als ihr Vater sie zu sich rief? sie erschien mit gesenkten Blicken, ein großer Schleier verbarg ihr Antlitz. Ihr Vater wollte einen seiner Sklaven mit strenger Strafe belegen lassen; sie sprach für ihn und suchte den Zorn ihres Vaters zu besänftigen. Anfangs theilte sie seinen Unwillen, alsdann beruhigte sie ihn, endlich sagte sie, was zur Entschuldigung dieses Unglücklichen gesagt werden konnte; und ohne die Empfindung bei ihm zu erwecken, daß er zu weit gegangen sei, flößte sie seinem Herzen Gefühle der Gerechtigkeit und des Mitleids ein. Nicht sanfter weiß sich Thetis, wenn sie die empörten Wogen beruhigen will, in das Herz des alten Nereus einzuschmeicheln. Wer sollte zweifeln, daß einst Antiope, fern von jeder Anmaßung, und ohne die Gewalt ihrer Reize geltend zu machen, das Herz ihres Gemahls eben so leicht lenken werde, als sie die Saiten ihrer Leier rührt, wenn sie ihr zärtliche Töne entlocken will.
Ich wiederhole es, o Telemach, mit Recht fühlst du Liebe für Antiopen. Die Götter haben sie für dich bestimmt, denn deine Neigung zu ihr gründet sich auf Vernunft. Warte, bis Ulysses Einwilligung sie zu der Deinigen macht. Ich billige es, daß du ihr dein Herz nicht entdeckt hast; auch würde sie gewiß, wenn du Umwege gesucht hättest, deine Anträge verworfen, und die Achtung für dich verloren haben. Nie wird sie ihr Herz einem Manne versprechen; ihr Vater wird ihre Wahl leiten, und nur derjenige wird ihr Gemahl werden, der die Götter fürchtet, und alles erfüllt, was die Wohlanständigkeit erfordert. Hast du es auch bemerkt; wie ich, daß sie seit deiner Rückkehr aus dem Krieg sich mehr verbirgt, und die Augen mehr niederschlägt, als sonst? Sie weiß, wie sehr das Glück deine Unternehmungen im Kriege begünstigte; deine Geburt, deine Schicksale, die Vorzüge, die dir die Götter ertheilt haben, sind ihr nicht verborgen, aber deßwegen ist sie sittsam, so zurückhaltend.
Wohlan, mein Telemach, laß uns nach Ithaka zurückkehren. Was ich jetzt noch für dich thun kann, ist, daß ich dir behülflich bin, deinen Vater zu finden, und eine Gattin zu erlangen, die des goldenen Alters würdig ist. Wäre sie auch nur ein Schäfermädchen auf dem kalten Algidus, statt daß sie die Tochter des Königs von Salent ist, dennoch würdest du höchst glücklich sein, sie zu besitzen.«