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16.

Die schrecklichste der Möglichkeiten
malt ihr die Phantasie mit warmen Farben vor,
umsonst bemüht sie sich, mit ihrer Furcht zu streiten.

Wieland.

Dagmar von der Ropp hatte soeben einen Brief an ihren Onkel abgesandt, welcher die überraschende Nachricht enthielt, daß die junge Dame bereits in drei oder vier Tagen von Casgamala abreisen werde, um der Familie des Pflegevaters in das Seebad zu folgen. Alle Aufklärungen hatte sie mündlich versprochen, der Hauptgrund ihrer plötzlichen Abreise sei ein andauerndes Unwohlsein, welches auf diesem entlegenen Felsennest für sie selber, wie ihre Umgebung zu lästig sei. Und wer die Baronesse jetzt mit tiefgeneigtem Haupte stehen sah, der hielt diese Aussage gewißlich für keine Ausrede. Dagmar war auffallend bleich, ein Zug nervöser Erregtheit lagerte um den kleinen Mund und der Blick der dunklen, sonst so lachenden Augen, welcher jetzt regungslos und feucht verschwimmend in das flüsternde Gezweig starrt, der schien von heimlichen, bitter empfundenen Thränen zu erzählen.

Unter dem Fenster dehnte sich die Terrasse, leise Schritte klangen empor und Dagmar schrak zusammen bei dem Klang einer Stimme, deren Flüstern deutlich zu verstehen ist. »Auf einen Augenblick, maman!« sagte Lothar eifrig, »ich habe von dem Kiosk zu erzählen!«

Wie gebannt steht Dagmar und lauscht, die Hände gegen die schnell athmende Brust gepreßt.

»Du willst mir Confidenzen machen und bestellst dabei das Frühstück sammt Deinem entsetzlichen Mister Dickens hierher auf die Terrasse? Wie ungeschickt gewählt, mon ange, Du weißt, daß ich derartige Angelegenheiten gern in Ruhe mit Dir erörtere!« Und Dagmar hörte nun, wie sich Ihre Excellenz in einen Rohrsessel fallen läßt und den Fächer klappernd auf und nieder bewegt.

»Weder Dejeuner noch Dickens werden uns momentan hier stören, ich erwarte beide erst in einer Viertelstunde,« lachte Lothar, sich ebenfalls setzend »der gemästete englische Krautjunker zählt erst seine Banknoten droben zusammen, um sie mir nachher als Dessert zu überreichen. Wir werden hier unsern Handel abschließen, ich habe vorhin die Ländereien mit dem wackeren Beef umfahren, ihn alles bis auf die Eingeweide beschnubbern lassen, ha ha ha, ich glaube wahrhaftig, m'amour, der Kerl hätte am liebsten die einzelnen Körner in den Halmen gezählt!«

»Krämerseele!« schüttelte sich Frau Leontine mit hochgezogenen Schultern.

»Verzeihen wir es ihm, Mister C. R. Dickens bezahlt wenigstens gräfliches Gut mit gräflichen Pfunden, er handelte nicht.«

»So seid Ihr einig?«

»Bis auf den Abschluß. Die Vorwerke Rübelsdorf und Groß-Ulmstedt werden wohl nachher bei einer Flasche Johannisberger – flöten gehen!« und Lothar warf sich mit untergeschlagenen Armen zurück und zeigte die blendenden Zähne.

»Und der Mensch im Kiosk weiß gar nichts von dem ganzen Verkauf?« sagte Gräfin Echtersloh mit unsicherer Stimme, »ich fürchte, mein Liebling, Deine Selbstständigkeit war hier zu groß!«

»Gab mir Herr Desider nicht vor Zeugen die Vollmacht, hier in Casgamala nach Gutdünken zu schalten?« Die Stimme des jungen Offiziers klang barsch und er zog seinen Stuhl knirschend über die Steinplatten, dichter zu der Mutter heran. »Außerdem wird sich der saubere Bursche seine Schollen leichter wieder zusammenkaufen können, als wir es ahnen, Mama,« fuhr er gedämpfter fort, »ich bin einem Geheimniß des schlauen Herrn auf der Spur, welches ihm eventuell den – Hals brechen kann!« Leises, diabolisches Lachen schallte zu dem Fenster empor, an welchem Fräulein von der Ropp mit todtbleichen Wangen, athemlos vorgebeugt, lehnte, Gräfin Mutter aber umklammerte den Arm des schönen Mannes und flüsterte fast keuchend vor Aufregung: »Rede Lothar, ich beschwöre Dich!«

»Hör' an, m'amour! Wir wissen, daß Desider ein enormes fast fürstliches Vermögen hat, die Welt findet es natürlich, denn der verrückte Gesell schlägt ja die Zinsen sorgsam zum Kapital und wenn er Sonntags einen Braten essen will, dann geht er auf das Feld und schießt sich einen Hasen, vielleicht auch, daß sich mal ein mitleidiges Feldhuhn, welches nichts kostet, auf seinen Tisch verirrt, im Brunnen giebt es gesundes Wasser und die Kartoffeln läßt der liebe Gott auf dem Felde wachsen, außerdem freie Wohnung und von Sonne und Mond unentgeltliche Beleuchtung – da muß ja der größte Lump ein Millionär werden. So kalkulirt das Publikum, ich schaute hinter die Coulissen und weiß es bester!«

»Zur Sache, zur Sache!!«

»Immer Geduld, meine gnädigste Gräfin! Gestern Abend trieb mich ein plötzliches Verlangen, einen Blick in das mysteriöse Reich meines Herrn Bruders zu werfen, um mir den absoluten Beherrscher dieser tausend und einen Nacht einmal ohne den obligaten Turban der Unnahbarkeit zu betrachten. Todtenstille rings. Von den Tannen gedeckt erreiche ich das Gebüsch vis-à-vis des Thurmes und höre plötzlich ein seltsames Geräusch durch das offene Fenster klirren. Ein Picken und Hämmern, Aufschlagen und Knirschen, dann wieder minutenlange Stille, bis jene leisen Töne, hell wie klingendes Gold, abermals an mein Ohr schlugen. Hierauf eine längere Pause, es schien mir, als würde ein schwerer Gegenstand mühsam fortgeschoben. Zu gleicher Zeit öffnete sich die Thür nach der Vorhalle und Graf Desider von Echtersloh, in weiter grobleinener Arbeiterblouse, sage Arbeiterblouse, Mama! eine elegante kleine Feile in der Hand, tritt auf die Schwelle. »Lebrecht!« ruft er, »komm und hilf mir Nummer drei aus dem Gewölbe herauf schaffen!« Der alte, grauköpfige Hallunke, den ich jetzt erst an dem halb gedeckten Theetisch in der Vorhalle bemerkte, kriecht mit unterthänigem Bückling näher. »So soll's wohl dennoch an Gottes Sonnenlicht kommen, Herr Graf?« wackelt er mit dem Kopf, »wenn nun das Fräulein wieder hier herein schneit und die ganze Bescheerung entdeckt, der Herr Graf überlebten's ja nicht!«

»Unbesorgt, Alter, sie kommt nicht. Außerdem brauche ich die Platte nur wenige Stunden, ich möchte den neuesten Abdruck vergleichen, er scheint mir noch nicht täuschend genug!« und er schritt dem alten Fuchs voran in den Thurm. Nun, Mama, was sagst Du zu dieser Entdeckung?«

» Mon Dieu, Lothar, ich verstehe nicht – es ist unfaßlich, was könnte er mit diesen dunklen Worten gemeint haben?!«

»Mama, überlege einmal! Es klang wie das leise Arbeiten einer Maschine, die Arbeiterblouse, die Feile in seiner Hand – »man könnte entdecken – ich brauche die Platte um den neuesten Abdruck zu vergleichen – und schließlich – noch nicht täuschend genug« – nun bitte ich Dich, um Gottes Willen, beste Mutter, fällt es Dir nicht wie Schuppen von den Augen?!«

Mit leisem Schrei der Ueberraschung fuhr Frau Leontine empor. »Lothar, ich beschwöre Dich – Du glaubst doch nicht etwa, daß Desider ein –«

»Bst! bei allen Teufeln!« und die Hand des jungen Mannes preßte sich auf die Lippen Ihrer Excellenz, dann neigte er sich nach schnellem Umblick dicht zu dem Ohr der alten Dame und fuhr fast zischend fort: »ein Falschmünzer ist! Du hast es errathen, Mama!«

So leise das Wort auch geflüstert war, Dagmar hatte seinen furchtbaren Klang dennoch mit stockendem Herzschlag erlauscht, mit einem erstickten Laut der Verzweiflung taumelte sie von dem Fenster zurück, preßte die Hände gegen die Schläfen und wankte dennoch wieder an die offenen Flügel zurück, um kraftlos daran niederzusinken. Das Haupt auf das kalte Marmorgesims gelehnt, lauschte sie regungslos dem Todesurtheil ihres Glaubens an die Menschheit.

»Unbesorgt, Mama, ich werde mich überzeugen und müßte ich gleich dem Dieb in der Nacht in den Kiosk dringen, ich will dem saubern Heuchler die Larve von dem Gesicht reißen, und wenn er seinen Einzug in dem Zuchthause hält, dann feiert der neue Majoratsherr auf Casgamala ein glänzendes Hochzeitsfest! Halt uns den Daumen, gnädigste Gräfin, ob Narrenhaus oder vergitterte Fenster, es kann uns ja gleichgiltig sein, wie er uns das Feld räumt!«

Wie schwarze Schatten schwamm es vor den Augen Dagmars, die zitternden Hände sanken schlaff hernieder und das bleiche Antlitz neigte sich in tiefer Ohnmacht.

Lautes Sprechen summte vor ihren Ohren und ließ sie langsam die umnachteten Augen aufschlagen, noch war sie allein in ihrem Zimmer, frische Luft strich durch das Fenster und trug den Klang einer stolzen, wohlbekannten Männerstimme zu ihr herauf. Leises Zittern durchlief ihre Glieder, sie richtete sich wankend auf und stützte sich auf das breite Fensterbrett, Graf Desider stand auf der Terrasse, er sprach ernst und ruhig. Dagmar neigte sich zaghaft vor und warf einen scheuen Blick hernieder. Hoch aufgerichtet sah sie seine königliche Gestalt, der knappe Jagdanzug hob sich vortheilhaft von der weißen Säule, tief ernst und dennoch ohne jeglichen Zug zorniger Erregung blickte das edle Antlitz! Lothar stand, auf seinen Sessel gelehnt, sprühenden Haß im Auge, unschlüssig, völlig rathlos zernagten seine weißen Zähne die Lippe. Völlig gelassen an seiner Seite Mister Dickens, noch die Serviette in der rothgearbeiteten Hand.

Dagmar fühlte ihre Kniee zittern, lautlos ließ sie sich auf den nächsten Sessel nieder, stützte das ernste, um Jahre gealtert scheinende Haupt in die Hand und verharrte regungslos.

»Wie bereits gesagt, Herr Dickens,« hörte sie Desider fortführen, »beruht der Verkauf der Ländereien lediglich auf einem Irrthum; mein Bruder muß mich mißverstanden haben, ich wollte die Besitzung des Grafen R. ankaufen, um sie im Verein mit den beiden fraglichen Vorwerken als selbstständiges Rittergut zu verpachten, und übertrug die Erledigung dieser Angelegenheit Graf Lothar –«

»Erlaube –«

»Dieser Irrthum ist bei meinem Bruder durch die vielen festlichen Zerstreuungen der letzten Tage leicht entschuldigt.« schnitt der Majoratsherr die gereizte Einwendung des jungen Offiziers energisch ab, »ich bedaure nur, daß Sie unnöthiger Weise Ihre Zeit der Besichtigung der Grundstücke opfern mußten, welche ich Ihnen gewiß erspart hätte, wäre mir rechtzeitig Meldung von der ganzen Angelegenheit gemacht worden.«

»O bitte, war exceedingly interessant, ich lieben zu sehen gutes Erdboden, und ich haben always Zeit für das!«

»Ihre Liebenswürdigkeit verpflichtet mich! So haben Sie also die Güte, Mister Dickens, die Sache als erledigt zu betrachten, und sorgen dafür, die kleine Zerstreutheit, respective Gedächtnißschwäche meines Bruders der Gesellschaft vorzuenthalten. Irren ist menschlich. Darf ich mir erlauben, das Frühstück der Herren zu theilen und ein specielles Glas auf Ihr Wohl als Gutsnachbar zu leeren?«

»Ich bin Ihnen sehr verbindlich, Mylord, aber ich muß schlagen aus Ihren freundlichen invitation für das Mal, wenn es nichts ist mit unsere business; ich werde gehen directly retour, zu ändern meine gemachten Plans, always hope zu seien Ihre gute Nachbar, und halten bereit ein Glas of champagn, zu trinken mit Ihnen auf beste Wohlsein!«

Und Fräulein von der Ropp hörte die Stühle auf den Steinplatten knirschen, noch ein verbindliches Lebewohl und witzelnde Selbstanklagen Lothars, dann verhallten die Schritte der drei Herren in dem Gartensalon. Dagmar regte sich nicht. Minuten vergingen, endlich hörte sie abermals die Stimme des Majoratsherrn, sie klang mild und herzlich, aber dennoch barg sie einen ernsten Vorwurf.

»Warum willst Du mich noch mit banalen Ausreden täuschen, Lothar! Sind wir uns in der That so fremd geworden, daß Du lieber ein Stück unseres unbescholtenen Namens mit dem verkauften Grundbesitz aus unserm Marke reißt, ehe Du mir offen und ehrlich, mit dem vollen Vertrauen, wie es ein Bruder dem andern schuldet, bekennst: »Ich habe Schulden, Desider, hilf mir mit Geld oder gutem Rath, den Leichtsinn meiner jungen Jahre wieder gut machen!« – Glaubst Du, Lothar, ich hätte Dich mit leeren Händen gehen lassen? – Gewiß nicht, ich würde Dir von Herzen gern nach Kräften geholfen und als Rückzahlung nur eins gefordert haben: den ehrlichen Handschlag und das Wort eines Ehrenmannes, von Stund an nach Deinen Verhältnissen zu leben, den Tollkopf mit dem letzten Schuldschein zu Grabe zu legen und endlich ein wahrer solider Echtersloh zu sein! – Du hast leichtsinnig gehaust, Bruder«

»Genug der Beleidigungen, Du hast keinen Schulknaben vor Dir, der einen Hofmeister braucht!« – Lothars Fuß stampfte den Boden, seine Stimme bebte vor Zorn.

»Lothar!« Weich und ruhig klang es zu Dagmar auf, »mißverstehe mich nicht, ich meine es gut mit Dir und halte es für meine Pflicht, Dir in diesem Augenblick die Wahrheit zu sagen! Ich habe kein Recht dazu, ich weiß es, es sei denn das Recht der aufrichtigen Bruderliebe! – Die Wege, die Du gehst, sind glatt und schlüpfrig, der Halt, den Du suchst, ist trügerischer Schein, dessen Irrwischflamme Dich tief und tiefer in den Sumpf lockt, bis er unter Deinen Füßen zusammenbricht und keine Rückkehr mehr möglich ist. Denke an unsern Vater, Lothar, an die blindvertrauende Liebe Deiner Mutter, laß es mit dem flotten Leben aus sein! Sag' mir, wieviel Schulden Du hast, ich bezahle sie, nenne mir Deine Feinde, ich helfe sie besiegen, aber gelobe mir auch ein Anderer zu werden, zu unseres Hauses und zu Deiner eigenen Seele Heil!«

Tiefe Stille herrschte, dann hörte es Dagmar zwischen den Zähnen murmeln: »Ich verspreche es!«

»Gott helfe Dir, dies Ehrenwort zu halten. Wie hoch belaufen sich Deine Schulden?«

Lothar zögerte mit der Antwort. »Mein Gott, es ist gar nicht so toll, eine Bagatelle, weiß der Kuckuck, wie viel das Residenzleben verschlingt – ich habe das Meiste bei Aaron in Berlin stehen.«

»Die Summe! Nenne mir die Adressen Deiner Gläubiger und gieb mir ungefähr die Höhe ihrer Forderungen an, ich werde direkt mit ihnen verhandeln.«

»Könnte ich das nicht selber besorgen? Die Leute –«

»Nein, ich übersende die Gelder; wie viel ist es?«

»Auf Heller und Pfennig kann ich es Dir bei Gott nicht so herbeten, es ist zersplittert, hier und da mal eine Kleinigkeit, in Bausch und Bogen beträgt das ganze vielleicht – nun vielleicht achtzigtausend Thaler, mehr wohl nicht.«

Dagmar hatte sich unwillkürlich emporgerichtet und schaute verstohlen auf Desider herab, er stand halb abgewendet, nur sein Profil zeichnete sich gegen das Weinlaub ab. Keine Miene regte sich in dem bleichen Antlitz, nur tiefer kummervoller Ernst prägte sich darauf aus.

»Achtzigtausend Thaler, die Summe ist hoch für kaum zwei Jahre Residenzleben, sie mögen bunt genug gewesen sein. Dennoch opfere ich Dir einen Theil meiner ersparten Zinsen, ich bezahle die Schuld. Schicke mir die Wechsel, sie sollen quittirt werden, aber ehe ich sie in Deine Hände zurücklege, verlange ich eine andere Unterschrift von Dir, ohne Tinte und Griffel, das Ehrenwort eines Mannes, von Stund an Spieltisch und tolle Gelage zu meiden und die Zinsen dieser achtzigtausend Thaler an mich abzutragen, in dem neuen, makellosen Glanz unseres alten Namens.«

»Ich gebe es,« klang die heisere Stimme des jungen Offiziers, »mag es denn mit der Jugend abgeschlossen sein!«

»Ist denn das Glück der Jugend nur durch eine Kette wüster Vergnügungen und Ausschweifungen bedingt? Ich bin auch jung, Lothar, die schönsten Jahre des Lebens liegen hinter mir, welche nichts Anderes gebracht als Arbeit und stille sorgenvolle Tage, welche dahingerollt in tiefster Einsamkeit, und welche mich dennoch glücklich gemacht haben und durch ihr Andenken zeitlebens beglücken werden, denn in all' dieser Zeit wüßte ich keine Stunde zu nennen, der ich mich zu schämen hatte oder welche ich bereuen müßte, und daß auch Dein Leben sich von heute ab dieser Art gestalte, gebe der allgütige Gott im Himmel!«

Desider hatte sehr ernst gesprochen, es zitterte ein seltsam milder Glanz durch seine melodische Stimme, und Dagmar preßte die Hände gegen das stürmende Herz und neigte sich leise vor; einen Augenblick noch sah sie seine edlen, leichterregten Züge, dann gab der Majoratsherr die Hand des Bruders frei und trat zurück: »So gehe ich, Lothar, so Gott will, um Dir Glück und – Jugend zu erretten!«

Hoch und sicher schritt er die Treppe hinab, blieb momentan zögernd in dem hellen Sonnenlicht stehen und verschwand alsdann hinter den goldgesäumten Cedernboskets.

Dagmars Blick kehrte zu Lothar zurück. Starr und finster glühte sein schwarzes Auge dem Scheidenden nach, trotzig zuckte das schöne Haupt in den Nacken zurück und der Ausdruck, welcher die Züge beherrschte, wandelte dieselben zu einem haßentstellten Zerrbild. Leiser Fluch klang zwischen den Zähnen, und mit geballter Hand wandte er sich zurück zu dem Frühstückstisch, um sein Glas Madeira in hitzigem Zug hinabzustürzen.

Dagmar wich schaudernd zurück, drückte die kalten Hände an die fiebernde Stirn und murmelte starren Blicks: »Er haßt ihn und wird ihn vernichten, das furchtbare Geheimniß liegt in seiner Hand; und dennoch ist dieser Mann mit dem stolzen Angesicht, mit dem lautern Herzen und den redlichen Worten wahrlich ein Verbrecher? Nein! nein! Und tausendmal nein!« rang es sich wie ein gellender Aufschrei von ihren Lippen, und die Arme weit ausgebreitet, das Angesicht nach dem Kiosk gewandt, richtete sie sich stolz empor: »Und wollte Dich die ganze Welt verleumden und alle an Dir zweifeln, Desider, ich glaube an Dich


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