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Aus einer Rede in der Bremer Bürgerschaft.
20.2.1901
Es wird angeführt, daß, wenn die Wahl am Sonntag stattfinden würde, durch die Wahlagitation die Sonntagsruhe gestört werde. Wer den Wahlkampf kennt, der weiß, daß gerade der Sonntag heute schon zur Wahlagitation von allen Parteien ausgenutzt wird. Es werden am Sonntag Flugblätter verteilt, Hausagitationen finden statt, und die Liberalen, die sonst nicht in die Arbeiterviertel kommen, kommen dann in elegantem Aufputz zu dem Arbeiter ins Haus (Heiterkeit), rennen treppauf, treppab (erneute Heiterkeit), um den Arbeiter in seiner Wohnung aufzusuchen. Sie selbst halten Versammlungen ab, und warum? Weil jeder am Sonntag Zeit hat, sich mit öffentlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Und wenn Sie befürchten, daß der Wahlkampf eine gehässige Form annimmt, dann brauchen Sie nur mit der Praxis, die Sie bisher geübt haben, zu brechen. Ich erinnere mich einer Versammlung in einem bremischen Dorfe, die auch an einem Sonntag stattfand. Der liberale Herr forderte in ihr die Leute auf, ihr Allerheiligstes und Teuerstes sich nicht nehmen zu lassen. In diesem Dorfe spielt das Schwein des kleinen Mannes eine bedeutende Rolle. Das hatte der betreffende Herr glücklich herausgefunden, und sagte nun zu den Leuten: Die Schweine werden euch die Sozialdemokraten wegholen, wenn sie siegen (Heiterkeit). Die Einwohner des Dorfes gehören noch zu dem urwüchsigsten Menschenschlag, den wir hier haben, und sie haben sich durch diese Art der Agitation in bezug auf die Heilighaltung des Sonntags nicht bedrängt gesehen, und noch heute können Sie dort über die Ausführungen dieses Herrn die köstlichsten Witze hören. Nun hat die Deputation noch ein schwerwiegendes Moment angeführt, das mich fast überzeugt hätte, nämlich, daß durch die Vornahme der Wahlen an einem Sonntag die Wahlvorsteher ungebührlich in ihrer Sonntagsheiligung gestört würden. Ich wüßte gar nicht inwiefern. Sie wissen, daß eine Anzahl von Vereinen am Sonntag tagen, weil sie wissen, daß die Mitglieder Sonntags am meisten Zeit haben. Man kommt zusammen, spricht über das, was vorliegt, aber keiner fühlt sich in der Sonntagsheiligung beschränkt. Sie können doch überhaupt höchstens in ihrem Mittagsschläfchen gestört werden (Heiterkeit). Da sie aber im allgemeinen doch Zeit genug zur Verfügung haben, so können sie das ja leicht wieder nachholen. Das Argument, das besonders schwerwiegend sein soll, kommt tatsächlich am wenigsten in Betracht. Bei der ganzen Sache kommt es lediglich auf den guten Willen an.