Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

1896.

Für ein gerechtes Wahlrecht

Aus der Bremer Bürger-Zeitung. 20. 11. 1896

Die Volksversammlung zu den Bürgerschaftswahlen hatte sich eines guten Besuches und großen Erfolges zu erfreuen. Etwa 1200 bis 1500 Personen aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten der unbemittelten und mittleren Klassen hatten sich eingestellt, um an diesem Tage ihre Wünsche an den Staat und die Staatsverwaltung, namentlich aber an die zukünftige Volksvertretung, laut zu erheben.

Als Referent nahm Herr Fritz Ebert das Wort zu einem etwa fünfviertelstündigen, die bremische Staatswirtschaft klar veranschaulichenden und oft scharf kritisierenden Vortrag über »Die bremische Bürgerschaft und die bremischen Steuerzahler.« Der Redner führte etwa aus: Der Ernst der Sache veranlaßt uns, die Agitation für die Bürgerschaftswahlen in die weitesten Kreise hineinzutragen. Das Proletariat kann es sich zum Verdienst anrechnen, daß die Bürgerschaftswahlen nicht mehr, wie früher, sozusagen am Biertisch erledigt werden. Das tatkräftige Vorgehen der Sozialdemokratie veranlaßt auch das Bürgertum zur energischen Arbeit, um den Ansturm der Sozialdemokratie zurückzuhalten. Nicht seiner Tätigkeit ist es indes zu verdanken, wenn das bisher gelungen, sondern dem miserablen Wahlgesetz, das einem großen Teil der Arbeiterbevölkerung ihr Wahlrecht vorenthält. Wenn wir in die Agitation eintreten, so stellen wir in erster Linie unsere Forderungen auf ein Wahlgesetz, das eine allgemeine Beteiligung der Steuerzahler aller Stände ermöglicht. Die jetzigen Zustände sind weiter nichts als eine Privilegienwirtschaft. Das bestehende Wahlgesetz ist ein Hohn auf einen Staat, der sich eine Republik nennt. Die Forderung der Wahlreform hat allgemeinen Anklang gefunden, nicht nur in Arbeiterkreisen, sondern bis weit in die bürgerlichen Kreise hinein. Es gibt aber in Bremen eine Art Leute, die überall glauben eine Rolle spielen zu müssen, die allerlei Vereine gründen und hier die staatlichen Verbesserungen zur Anregung bringen wollen. Selbst diese Leute haben sich genötigt gesehen, eine Reform des Wahlgesetzes anzustreben; sie haben es allerdings in ihrem Sinne getan. Die erste von uns einberufene Versammlung hat Gelegenheit geboten, das Tun jener Herren zu erkennen und zu kennzeichnen. Um zu untersuchen, ob es den bürgerlichen Kandidaten mit ihrem Versprechen einer Wahlreform Ernst sei, muß man die Organisation der bürgerlichen Parteien, die Bürgervereine, näher ins Auge fassen. Wir haben hier in Bremen keine sehr verschiedenen Parteischattierungen; nur geringe Abweichungen sind vorhanden. Wenn es aber zur Wahl geht, so darf man alle diese Parteien getrost in einen Topf werfen. Die letzten Reichstagswahlen wiesen das besondere Merkmal auf, daß der liberale Kandidat Frese und alle anderen bei der Wahl tätigen liberalen Größen sich durch eine auffallende Arbeiterfreundlichkeit auszeichneten. Es kam darauf an, die Stimme des kleinen Mannes, des Kleingewerbetreibenden usw., für den liberalen Kandidaten einzufangen. Wie sind aber die gemachten Versprechungen dem kleineren Bürgertum gehalten worden? Das kleine Bürgertum ist bei den Bürgerschaftswahlen politisch entrechtet; es will ein besseres Wahlrecht haben. Was aber haben jene Herren geantwortet auf dies Verlangen? »Das könnt ihr nicht haben; ihr seid dazu nicht fähig.« Das altbackene Bürgerschaftsmitglied Dr. Adami erklärte: »Ja, dann werden nicht so viele Kaufleute und Juristen mehr in der Bürgerschaft sein, die in so uneigennütziger Weise ihre Kräfte dem Staate zur Verfügung stellen.« Außer einigen Herren, die sich gezwungen fühlten, mit »Ja« zu stimmen, lehnten alle jene liberalen Freunde die Wahlverbesserung ab. Was war diese Verbesserung? Es war nur das erbärmliche Verlangen, eine Kommission zu ernennen, die den jetzigen Zustand prüfen und Reformvorschläge anbahnen sollte. Und nicht einmal dies wurde genehmigt! Wenn jene Herren der vierten Klasse, die den Antrag gestellt, wirklich freisinnig wären, dann hätten sie das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht gefordert. Herr Böttcher von der vierten Klasse erklärt sogar: »Wir wollen ja garnicht das allgemeine und direkte Wahlrecht!« Keines der Bürgerschaftsmitglieder der vierten Klasse hat dem widersprochen. Wir können deshalb getrost in corpore über jene Herren urteilen. Unter den bürgerlichen Bürgerschaftskandidaten befindet sich kein Anhänger des allgemeinen Wahlrechts. Welches sind aber dann die Gründe, die man gegen dieses vorbringt? Man sagt, Bremen sei ein Handelsstaat und habe seine Selbstverwaltung. Es müsse Sorge getroffen werden, daß gebildete Leute in die Verwaltung kämen, und nicht solche, die dessen nicht fähig seien. Zunächst versetzen diese Leute mit dieser Argumentation sich selbst einen Schlag ins Gesicht. Ist es nicht gerade die Sozialdemokratie gewesen, die für ein ausgebreitetes Wissen im Volk, für Erschließung aller Lehranstalten eingetreten ist, die jenes System verurteilt hat, das nur den Besitzenden ermöglicht, Titel und Orden zu tragen, und das nur die Kinder des Proletariats verurteilt, ewig zu arbeiten, nur um leben zu können? Trotzdem kann aber das Proletariat erklären, daß es Leute unter sich hat, die sehr wohl imstande seien, die Verwaltungsposten zu bekleiden. Der Redner weist auf die proletarischen Reichstagsvertreter hin, die zu allen Arbeiten herangezogen werden, die in den Deputationen wirken, und über deren Tätigkeit noch keine Klage laut geworden, die noch niemand als unfähig zu bezeichnen gewagt habe. Die Konstitution des bremischen Staates aber, in dem der Handelsstand seine Handelskammer, der Gewerbestand den Gewerbekonvent besitzt, ermöglicht eine ungeheure Erleichterung der Verwaltung. Mögen doch die Herren mit ihrer Tüchtigkeit und Fähigkeit im Verwaltungsdienst nicht so sehr prahlen! Es ist ein Sprichwort allgemein geläufig: In Bremen muß alles dreimal gemacht werden. Und die Erfahrungen lehren, daß dieses Sprichwort tiefe Wahrheit birgt. Man sehe es bei einer ganzen Anzahl Staatsarbeiten. Beispielsweise braucht man nur die Börsenbrücke in Betracht zu ziehen. Da wird an der ornamentalen Verzierung herumgedoktert, daß es eine Lust ist. Eingangs der Brücke hat man jetzt gar ein paar Säulen hingesetzt, die eines Friedhofs würdig sind. Ein Witzbold hat sich denn auch schon den Scherz gemacht, an eine der Säulen die Worte zu schreiben: »Ruhe sanft.« Man denke ferner an die Ausstattung in unserem Gerichtsgebäude. Wie dabei die so gerühmte Sachkenntnis gewaltet hat, kann auch ein Laie beurteilen. Die eminenten Preise für die einzelnen Ausstattungsgegenstände (Richterstühle, Fußbänke, Schränke usw.) dürften noch in Erinnerung sein. Bei solchen Ausgaben für derartige Gegenstände solle man nicht prahlen, daß man mit den Steuergroschen so gut zu wirtschaften verstehe. Es ist also unsinnig zu glauben, daß, wer zufällig das Glück hat, in dieser oder jener Familie geboren zu sein, nur allein fähig sei, in der Bürgerschaft zu sitzen.

In der Wahldebatte der Bürgerschaft verlangte u. a. Herr Feldmann von den Vertretern des Wahlreformantrages zwingende Gründe für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse. Unsere Auchvolksvertreter hatten natürlich kein Herz, die wahren Gründe vorzubringen, sie blieben sprachlos. Und es wäre doch ein leichtes gewesen, die Gründe anzuführen, damit Beschlüsse gefaßt wären, die das Kennzeichen der Privilegienwirtschaft an sich trugen und mit denen das Volk keineswegs einverstanden sein könnte. Redner erinnert zunächst einmal an das Vorgehen der Arbeitslosen im Winter 1890/91 beim Senat. Man hat ihnen leere Versprechungen gegeben. Unsere Vertreter in der Bürgerschaft verlangten 1892 Inangriffnahme von Notstandsarbeiten. Was war die Antwort? Es hieß, die Arbeiter sollten im Sommer sparen, um im Winter leben zu können. Der erwähnte Dr. Adami erklärte, er sei früher Rechtsanwalt gewesen, aber er hätte sich gefreut, wenn er nur täglich so viel verdient wie beispielsweise ein Maurer. Mit solchen Redensarten und einer schönen ›liberal‹ zu nennenden Resolution des Herrn Dr. Boisselier, die alles besagt und doch nichts sagt, wurden die Arbeitslosen abgefertigt. Wir haben dem Senat auseinandergesetzt, daß zahlreiche Familien nicht in der Lage seien, ihren Kindern ordentliches Essen zu geben, und gezwungen seien, sie ohne warmes Mittagessen in die Schule zu schicken. Man sollte sorgen, daß den Kindern die Wohltat einer Speisung von Staats wegen zuteil werde. Der Herr Senator antwortete, wenn das sich als wahr herausstellte, wenn wirklich derartige Zustände in Bremen vorhanden seien, dann sollte eingegriffen werden. Das Eingreifen ist unterblieben. Man hat die Fürsorge für diese Ärmsten der Privatwohltätigkeit überlassen. Eine später in einer bürgerlichen Zeitung erschienene Abrechnung über Speisung armer Kinder lieferte den Beweis, daß tatsächlich solche Not und Elend vorhanden gewesen und daß von Staatsseite nichts geschehen sei. Das ist doch gewiß ein Grund zum Vorwurf gegen die jetzige Zusammensetzung der Bürgerschaft, den die Vertreter der vierten Klasse dem Herrn Feldmann entgegenhalten können. Ein weiterer Grund ist die Ablehnung der Petition der bremischen Lehrerinnen. Die heiligste Pflicht des Staates muß es sein, den Volkserziehern eine Stellung anzuweisen, die sie jeder wirtschaftlichen Not enthebt. Die Bürgerschaft hat die Mitteilung der ablehnenden Haltung des Senats ohne weiteres an sich vorübergehen lassen. Etwas früher wurde das Verlangen der Grenzaufseher, die doch einen überaus aufreibenden Dienst haben, auf Aufbesserung ihrer Gehaltsverhältnisse ebenfalls kurzerhand abgelehnt. Man sagte, so lange Mann und Frau mit Kinderwagen noch auf der Straße spazieren führen, könnte von einem Notstand keine Rede sein.

Anderseits hat die Bürgerschaft wieder Ausgaben gemacht, die entschieden zu schweren Vorwürfen berechtigen. Einem Privatinstitut, der Delbe'schen Realschule, wurde eine Art Staatssubvention von 8000 M zugesichert. Man denke an den armen Apotheker der Ratsapotheke, dem man 15 000 M, spendet. Und schließlich die Verschenkung der 100 000 M an den Oberbankdirektor Franzius! Die Sache ist oft behandelt, aber sie ist charakteristisch für das Verhalten der Bürgerschaft auch in unbedeutenden Fällen. In einer geheimen Sitzung war bereits die Sache abgemacht. In der öffentlichen hielt dann der Rechnungsführer Achelis eine Lobrede. Ein Redner wandte allerdings sich gegen die Bewilligung; als dann aber noch einer sprechen wollte, da war es der bekannte radikal-freisinnige Herr Thiele aus der Neustadt, der Schluß beantragte. Wenn die Vertreter der vierten Klasse Protest erheben wollten, so hätten sie geheime Abstimmung verlangen können. Ein Beweis von der Rückgratstärke der Auchvolksvertreter aus den bürgerlichen Kreisen ist auch die Bewilligung von 200 000 M, die für den Kaiserempfang geopfert sind.

Führt man sich diese Ausgaben einerseits vor Augen und stellt demgegenüber die ablehnende Haltung gegen die Beamtenproletarier, die Behandlung der Arbeitslosen, so erkennt man klar die Früchte der vorherrschenden Cliquenwirtschaft. Dieses Sündenregister mußten die Vertreter der vierten Klasse den Gegnern der Wahlrechtsverbesserung entgegenhalten, als sie zwingende Gründe von ihnen verlangten.

Bei der Ausgabe so hoher Summen für private Zwecke muß man einmal die finanzielle Lage des Staates in Betracht ziehen, Ist diese denn wirklich so glänzend und berechtigt sie zu derartigen Extravaganzen? Die Mehrausgaben im Staatshaushalt betrugen im Rechnungsjahr 1889/90: 1 288 841,21 M, in 1890/91 6 Millionen, in 1893/94 11 Millionen, von 1889 bis 1894 insgesamt 33 Millionen M. Die Staatsschulden betrugen 1889/90 68 825 200 M, am 31. März 1894 dagegen bereits 98 045 900 M. Bei solcher Finanzlage ist es wahrlich angebracht, mit solchen überflüssigen Ausgaben etwas vorsichtiger zu sein. Gegenüber dieser Geldwirtschaft muß man sich die Lage derjenigen betrachten, die vorwiegend die Steuern aufzubringen haben. Es sind nach den Einkommensteuertabellen von 1893 27 864 Einwohner vorhanden, die ein Durchschnittseinkommen von 777 M aufzuweisen haben, eine Summe, die niemand für genügend erachten kann, eine Familie anständig zu ernähren.

Nach der Übersicht dieser ganzen Verhältnisse hat man allen Grund, in der Auswahl der Bürgerschaftsvertreter vorsichtig zu sein. Die bürgerlichen Vertreter haben ihre Versprechungen nicht gehalten; sie haben nicht den Mut gezeigt, einzutreten für die wahren Rechte des Volkes. Um dies zu erreichen ist es notwendig, Leute zu wählen, die selbst gelitten haben, die aus eigener Erfahrung die Not des Volkes kennen und die ferner durch ihre Verpflichtungen auf ein festes Programm die notwendigen Garantien bieten, daß sie für die entrechteten Klassen, für das Proletariat eintreten. Darum ist die Sozialdemokratie in den Wahlkampf eingetreten.

Der Redner geht nun auf eine Detaillierung des Programms zu den Bürgerschaftswahlen näher ein, zu den einzelnen Punkten die Stellung der Sozialdemokratie genau präzisierend. Da die verschiedenen Gegenstände des öfteren in diesem Blatte behandelt wurden, mögen nur einige hier Erwähnung finden. Der anstrengende und schwere Dienst der Feuerwehrleute, die nicht selten ihr Leben aufs Spiel setzen, läßt erwarten, daß man von Staatsseite den Leuten ein Gehalt gebe, das ihnen ein einigermaßen gutes Auskommen sichert. In Wirklichkeit beträgt das jährliche Gehalt 900 M bis 1200 M. Darauf kann der Staat nicht sehr stolz sein. Wir verlangen Aufbesserung der Verhältnisse dieser Angestellten. Ein weiterer Punkt betrifft das Abfuhrwesen, das dem Unternehmer Alfes übergeben ist. Man müßte annehmen, der Staat verlange bei Vergebung solcher Arbeiten, daß den Arbeitern ein anständiger Lohn gezahlt werde. Der Herr Alfes aber zahlt den Leuten Löhne von 2,20 M bis 3 M. Das letztere sei der höchste Lohn für diese ekelhafte Arbeit. Die Leute wohnen in Hastedt, Woltmershausen usw. Sie pilgern des Morgens in aller Frühe zur Arbeitsstätte, wo sie den langen Tag, meist ohne warmes Mittagessen einnehmen zu können, sich abrackern, um abends müde und matt und appetitlos heimzukehren. Dazu werden noch die Rechte der Arbeitgeber überschritten. Kaum einige Gewerbegerichtssitzungen vergehen, ohne daß nicht auch jener Herr mit einem seiner Arbeiter in Klage liegt. Solche Zustände sind keine Ehre für den Staat. Wir verlangen Abhilfe dieser Mißstände, indem von den Unternehmern die Garantie verlangt werden soll, daß sie ihren Arbeitern einen Minimallohn von 3,50 M täglich und achtstündige Arbeitszeit gewähren. Das ist keine unbescheidene Forderung. Der Redner geht noch auf die Forderungen der Arbeitskammer und der Reform der Schulverhältnisse des näheren ein.

Wir richten unsere Aufforderung zur Wahl zunächst an die Arbeiterbevölkerung; wir wissen, daß eine große Interesselosigkeit gegen die Bürgerschaftswahlen vorhanden ist. Es ist notwendig, diese fallen zu lassen und dafür zu wirken, daß die bürgerlichen Vertreter nicht mit unseren Interessen spielen. Bringe man ein Opfer und sorge jeder für die regste Wahlbeteiligung! Wenn eine Versammlung wie die heutige nur will, so ist es ihr bei reger Agitation möglich, Siege für die Sozialdemokratie herbeizuführen.

Dann aber wenden wir uns an das Kleinbürgertum. Möge dieses, das sich immer so gern hinter den schwarzen Frack der hohen Herrn steckt, endlich einmal erkennen, daß es mit jenen nichts gemein habe, daß es mit tausend Fäden dagegen verbunden sei mit den Interessen und dem Wohlergehen des Arbeiterstandes, was es z. B. in der Zeit der Arbeitslosigkeit selbst merke! Sein Wahlzettel kann nur einem Sozialdemokraten gehören.

Und endlich die kleinen Beamten! Man kitzelt gern ihren Dünkel, will ihnen in Kriegervereinen zu Posten verhelfen und ihnen sonst eine besondere Stellung anweisen. – Sie aber sollten fragen: Wo ist der Mann, der auch in der Öffentlichkeit für eine Verbesserung der niedrigen Gehalte eintritt? Sie finden ihn nur in der Sozialdemokratie.

Bei den Bürgerschaftswahlen wollen wir ein Exempel statuieren, daß wir bei den nicht mehr allzu fernen Reichstagswahlen einig und geschlossen dastehen. Wenn die Arbeiterschaft energisch in den Kampf eintritt, so bin ich überzeugt, daß die herrschende Klasse hier in Bremen der Sozialdemokratie Respekt abgewinnen muß.

Andauernder Beifall begleitete die besonders zum Schlüsse von Begeisterung getragenen Worte des Redners.

Folgende Resolution gelangte zur Verlesung: »Die heute im Kasino tagende, von ca. 1200 Personen besuchte öffentliche Volksversammlung zu den bevorstehenden Bürgerschaftswahlen erklärt sich mit den Ausführungen des Referenten Ebert einverstanden. Sie erklärt ferner, daß die Bürgerschaft in ihrer heutigen Zusammensetzung absolut nicht geeignet sei, eine Tätigkeit entfalten zu können, die dem Interesse der gesamten bremischen Bevölkerung entspricht, und erachtet daher die Schaffung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes als das einzige Mittel, eine gründliche Beseitigung dieser so kraß in der Tätigkeit der jetzigen Bürgerschaft zutage getretenen Mißstände zu ermöglichen. Die Versammlung erklärt ferner, mit aller Kraft sich an der Agitation für die Wahlen beteiligen zu wollen, und zwar in dem Sinne, daß jeder, dem es die Zeit und sonstigen Verhältnisse irgend erlauben, sich in den Dienst der Sozialdemokratischen Partei stellt, deren Ziele in immer weitere Kreise trägt und an geeigneter Stelle für die Kandidaten dieser Partei Propaganda macht, denn nur durch Siege auf dieser Seite ist allein eine Reform der heutigen Zustände möglich.«

Die Resolution wurde einstimmig angenommen.


 << zurück weiter >>