Ein Abgrund hat sich aufgetan
Dem Auge meiner Seele;
Verdorrt steht meines Lebens Bahn,
Wie ich es mir verhehle;
Die Wahrheit alle Schleier bricht:
Weh' mir, die Liebe hab ich nicht!
Hat sich mein Herz so manchesmal
Verzweifelnd dran gehangen,
Wenn meine Sünden ohne Zahl
Gespenstig auf mich drangen:
Es ist doch wahr und ist kein Traum,
Mein Lieben war nur Dunst und Schaum.
Wem bist du reich? Ist es nicht nur
Der Arme, so sich beuget?
Hast jemals freudiger Natur
Du milde dich geneiget?
Demütig nur und kummervoll
Erpreßt man dir den schnöden Zoll.
Kalt wie der Tod kannst, wehe dir,
Die Hülfe du versagen,
Wo nur ein üppig Zweiglein dir
Scheint freudig aufzuragen;
Du, den des Nächsten Splitter sticht,
Und siehst den eignen Balken nicht!
Freiwillig hast du nicht gefühlt,
Wie dich die Fibern zwangen,
Wenn, wie elektrisch Feuer spielt,
Die fremden Schauer drangen
In deines Körpers schwachen Bau
Zu schnöder ird'scher Tränen Tau.
Freiwillig kam es dir nicht ein,
Daß, ob die Lippe schweiget,
Ob unter zarter Demut Schein
Sich mild die Rechte zeiget,
Es gibt kein süßer Nervenspiel
Als eigner Güte Selbstgefühl.
Ja soll noch Rettung dir geschehn,
Du mein unsterblich Wesen,
Mußt fest du in den Spiegel sehn,
Mußt ohne Zucken lesen
In deiner Brust die dunkle Schrift;
Viel besser Dolch als schleichend' Gift!
Greif an, es ist die höchste Zeit,
Greif an mit mut'gen Händen;
Des Richters Waage liegt bereit,
Dein Lauf wird schleunig enden!
Zeigt jeder Atemzug nicht an,
Wie kurz gemessen deine Bahn?
Wie elend ich nur bin und schwach?
Nie hab' ich es empfunden,
Als da die letzte Stütze brach
In düstern, schweren Stunden.
Doch Einen gibt es, Einen doch,
Der Eine kann mich retten noch.
So laß, du aller Sünden Damm,
Du treuster Freund von Allen,
Mich nicht als modermorschen Stamm
So unversehens fallen!
O flöße einen Tropfen Saft
In meine Adern, höchste Kraft!
Daß nur zu den Lebend'gen ich
Darf ganz zuletzt mich stellen,
Nur eben zu den Toten mich
Verzweifelnd nicht gesellen,
Ein Tropfen für die Adern leer,
Du bist ja aller Gnaden Meer! |