Dante
Göttliche Komödie
Dante

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Fünfundzwanzigster Gesang

Sollt' ich's erleben, daß die heil'ge Dichtung,
Daran Hand angelegt hat Erd' und Himmel,
Und drob ich manches Jahr schon hager worden,
Die Grausamkeit besiegte, die mich ausschließt
Von jener schönen Hürde, drin ein Lämmlein
Ich schlief, den Wölfen Feind, die sie bekriegen;
Würd' ich mit anderm Ruf, mit anderm Vließe
Als Dichter heim dann kehren und am Borne,
Wo ich getaufet ward, den Kranz erhalten,
Weil in dem Glauben, der mit Gott die Seele
Befreundet, ich dort eintrat und dann Petrus
Um seinetwillen mir die Stirn umkreiste.
Hierauf bewegte gegen uns ein Licht sich
Aus jener Schar, daraus der Erstling seiner
Statthalter kam, den Christus hinterlassen.
Und meine Herrin, ganz erfüllt von Wonne,
Sprach zu mir: »Schau, schau hin, sieh den Baron hier,
Für den man drunten nach Galizien pilgert.«
Wie wenn der Tauber dicht bei der Genossin
Sich niederläßt, sie beiderseits durch Kreisen
Und Girren ihre Liebe kund dann geben,
So sah ich, wie der eine jener großen
Ruhmwürd'gen Fürsten hier den andern aufnahm,
Die Kost, die droben wird genossen, preisend.
Nachdem zu Ende war die Festbegrüßung,
Hielt schweigend grad' vor mir ein jeder still jetzt
Entflammt so, daß das Auge mir's besiegte.
Darauf begann Beatrix lächelnd also:
»Erlauchtes Leben du, durch welches unsers
Prachttempels Überfluß bezeichnet worden,
Die Hoffnung laß auf dieser Höh' erklingen;
Du weißt ja, daß so oft du sie bedeutest,
Als Jesus ließ die drei sehn größre Klarheit.« –
»Das Haupt erheb' und sieh, daß Mut du fassest;
Denn das, was aus der ird'schen Welt hier 'rauf kommt,
Muß erst an unsern Strahlen Reif erlangen.«
Sotaner Trost kam mir vom zweiten Feuer,
Drob ich die Augen aufhob zu den Bergen,
Die sie durch zuviel Wucht erst niederbeugten.
»Dieweil, daß du in der geheimsten Halle
Mit seinen Grafen dich noch vor dem Tode
Besprächest, unser Kaiser will aus Gnaden,
So daß, da diesen Hof du wirklich schauest,
Die Hoffnung, die mit rechter Liebe drunten
Erfüllt, du dort in dir und andern stärkest;
Sag' an, was ist sie, und wie sehr von solcher
Dein Geist erblüht, und sprich, woher sie kam dir.«
Also fuhr anderweit das zweite Licht fort.
Und jene Fromme, die zu so erhabnem
Flug das Gefieder meiner Schwingen führte,
Kam also mir zuvor in meiner Antwort:
»Die Kirche hat, die Streitende, begabter
An Hoffnung keinen Sohn, wie's in der Sonne
Geschrieben, die all unsre Schar bestrahlet;
Drum ward gewährt ihm, daß er von Ägypten
Zum Anschaun nach Jerusalem gelange,
Bevor sein Kriegesdienst noch abgelaufen.
Die übrigen zwei Punkte, drob du fragtest,
Nicht um sie zu erfahren, nein, damit er
Berichte, wie dir diese Tugend wert ist,
Lass' ich ihm selbst, sie werden ihm nicht schwer sein,
Noch dünkelhaft ihn zeigen; er antworte
Darauf, und dazu helf ihm Gottes Gnade!«
Dem Schüler gleich, der Rede steht dem Lehrer
In dem, was er versteht, bereit und willig,
Damit sich seine Tüchtigkeit erweise:
›Hoffnung,‹ sprach ich, ›ist ein gewiß Erwarten
Der künft'gen Glorie, das mit Gottes Gnade
Vorhergegangenes Verdienst erzeuget.
Von vielen Sternen kommt mir dieses Licht her,
Doch der hat mir's zuerst ins Herz geträufelt,
Der höchster Sänger war des höchsten Führers.
Es mögen jene, singt in einem Psalm er,
Die deinen Namen kennen, auf dich hoffen;
Und wer nicht kennt ihn, hat er meinen Glauben?
Du dann betrauftest mich mit deinem Träufeln
In der Epistel, so daß selbst ich voll bin
Und euern Tau auf andre wieder taue.‹
Indes ich sprach, erzittert' ein Geflamme
In dem lebend'gen Busen jener Lohe,
Rasch und schnell wiederkehrend, gleich dem Blitzen.
Darauf enthauchte sie: »Die Liebe, die mich
Durchglüht noch für die Tugend, die mir folgte
Bis zu der Palm' und zu der Kampfbahn Ausgang,
Heischt, daß ich nochmals an dich hauch', auf daß du
Dich ihrer freust; und mir gefällt, daß, was dir
Verspricht die Hoffnung, du mir jetzt verkündest.«
Und ich: ›Die alten und die neuen Schriften
Bezeichnen mir das Ziel (es selbst gibt kund mir's)
Der Seelen, die sich Gott befreundet haben.
Isaias spricht, daß jegliche bekleidet
Mit doppeltem Gewand in ihrem Land wird,
Ihr Land ist aber dieses süße Leben.
Und viel ausführlicher noch läßt dein Bruder
Dort, wo er von den weißen Kleidern handelt,
Sotane Offenbarung uns erkennen.
Und gleich beim Ende jener Worte hörte
Man über uns zuerst »Sperent in te«,
Worauf die Reigen all entgegenklangen;
Sodann ging unter ihnen auf ein Licht,
So daß, wenn solch Kristall der Krebs besäße,
Aus einem Tag bestand' ein Wintermond.
Und wie die Jungfrau fröhlich sich erhebet
Und kommt und in den Tanz tritt, nur um Ehre
Der Braut zu tun, nichts Schlimmes irgend sinnend;
Also sah ich den aufgegangnen Schimmer
Den zwei'n sich nahn, die sich im Kreise drehten,
Wie's ihrer glüh'nden Liebe war entsprechend.
Hier trat ins Lied er ein und in die Weise,
Und meine Herrin hielt auf sie das Antlitz,
Gleich einer Braut, schweigsam und unbeweglich.
»Der ist's, der unserm Pelikan am Busen
Gelegen hat, der ist es, der vom Kreuze
Herab zum großen Amt erkieset worden.«
Also sprach meine Herrin, doch nicht wurde
Nachher mehr als vorher vom aufmerksamen
Hinblick ihr Antlitz durch das Wort gewendet.
Wie's jener tut, der blinzend sich bemühet,
Der Sonne Teilverfinsterung zu schauen,
Der durch das Sehn des Sehens sich beraubet;
So tat ich hier bei diesem letzten Feuer,
Indes gesagt mir ward: »Was blend'st du selbst dich,
Um etwas zu erschaun, das hier nicht statt hat?
Erd' ist mein Leib auf Erden und wird's bleiben
So lang mit allen andern, bis der ew'gen
Vorausbestimmung unsre Zahl sich gleichstellt.
Mit den zwei Kleidern sind im sel'gen Chore
Die beiden Lichter nur, die sich erhoben;
Und dieses wirst nach deiner Welt du bringen.«
Auf solches Wort kam das entflammte Kreisen
Zur Ruh' jetzt und mit ihm die süße Mischung,
Die des dreifachen Hauches Ton erzeuget.
Wie, sei's Ermüdung, sei's Gefahr zu meiden,
Die Ruder, die das Wasser erst gepeitschet,
Ruhn allzumal auf einer Pfeife Zeichen.
O wie ward in dem Innern ich beweget,
Als ich mich wandt', um anzuschaun Beatrix,
Und doch sie sehn nicht konnte, ob ich nah' gleich
Mich ihr befand und in der Welt der Sel'gen!


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