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Gleichwie das Vöglein, das auf seiner süßen
Erzeugten Nest im lieben Laubesdunkel
Die Nacht durch lag, die uns die Ding' umhüllet,
Um des ersehnten Anblicks zu genießen
Und Kost zu finden, die es jenen spende,
Drob angenehm die schweren Müh'n ihm scheinen,
Der Stunde kommt zuvor auf offnem Zweige
Und, glüh'nden Wunsches voll die Sonn' erharrend,
Mit festem Blick späht, ob die Dämmrung anhebt;
So stand emporgerichtet meine Herrin,
Aufmerksam hingewandt zur Himmelsgegend,
Darunter mindres Eilen zeigt die Sonne.
Drob mir, der sie so sehnsuchtsvoll sah harren,
Wie einem ward zu Mut, der wohl ein andres
Sich wünscht', allein durch Hoffen sich beruhigt.
Doch kurze Frist verstrich von der zu jener
Wonne, des Harrens mein' ich und Erblickens,
Wie nach und nach der Himmel sich erhellte.
Und jetzt begann Beatrix: »Sieh die Scharen
Des Siegeszuges Christi, sieh versammelt
Die ganze Frucht des Kreisens dieser Sphären!«
Es schien, als ob ihr Antlitz ganz erglühe,
Und wonnerfüllt so waren ihre Augen,
Daß ich vorbeigehn muß, ohn' es zu schildern.
Gleichwie bei heitern Vollmondsnächten Trivia,
Umgeben von den ew'gen Nymphen, lächelt,
Damit des Himmels Tief allseits geschmückt ist;
So sah ich über Tausenden von Leuchten,
Sie allzumal entzündend, eine Sonne,
Wie, was wir droben schaun, die unsr' erleuchtet;
Und, durchs lebend'ge Licht durchschimmernd, glänzte
Die leuchtende Substanz mit solcher Klarheit
Ins Antlitz mir, daß ich's nicht tragen konnte.
›O teure, süße Führerin Beatrix!‹
Drauf sie zu mir: »Das, was dich überwältigt,
Ist eine Kraft, vor der sich nichts kann schirmen.
Hier ist die Weisheit, hier die Macht, die zwischen
Dem Himmel und der Erd' erschloß die Wege,
Darob so lange Zeit man Sehnsucht fühlte.«
Wie aus der Wolke Feuer sich entfesselt,
Sich dehnend, so daß es nicht drin kann bleiben,
Und der Natur zuwider erdwärts stürzet;
So trat, inmitten jenes Festgelages,
Vergrößert aus sich selbst heraus mein Geist jetzt,
Und wie's ihm ward, kann er sich nicht erinnern.
»Schließ auf dein Aug' und schau, wie ich beschaffen,
Denn solche Dinge sahst du, daß du fähig
Geworden bist, mein Lächeln zu ertragen.«
Ich war demjen'gen gleich, der, von vergessnem
Gesicht erwacht, doch sich umsonst bemühet,
In das Gedächtnis sich's zurückzuführen,
Als diesen Antrag ich vernahm, der würdig
So vielen Danks, daß nimmer er vertilgt wird
Vom Buch, drin das Vergangne steht verzeichnet.
Wenn jetzt die Zungen insgesamt ertönten,
Die Polyhymnia nebst ihren Schwestern
Am süßesten mit ihrer Milch genähret,
Mir beizustehn, ein Tausendteil der Wahrheit
Erreicht' ich nicht, das heil'ge Lächeln singend,
Und wie's erheiterte das heil'ge Antlitz.
So muß bei Schilderung des Paradieses
Das heil'ge Lied oft etwas überspringen,
Wie der so seinen Pfad trifft abgeschnitten.
Doch wer des Gegenstands Gewicht bedächte,
Und daß die Schulter sterblich, die's auf sich nimmt,
Nicht tadeln würd' er, daß sie drunter zittert;
Denn keine Fahrt ist's, für ein kleines Schifflein
Geeignet, die der kühne Kiel jetzt schneidet,
Noch für den Schiffer, der sein selbst will schonen.
»Warum entzücket also dich mein Antlitz,
Daß du zurück nicht schaust zum schönen Garten,
Der unter Christi Strahl sich schmückt mit Blumen?
Dort ist die Ros', in welcher das Wort Gottes
Zu Fleisch geworden ist, dort sind die Lilien,
Nach deren Duft den guten Weg man einschlug.«
Beatrix so. Und ich, der ihrem Rate
Ganz willig war, begab zum Kampf mich wieder,
Den zu bestehn die schwachen Augen hatten.
Wie wohl im Sonnenstrahl, der ein gebrochnes
Gewölk durchziehet, eine blum'ge Wiese
Mein Blick gesehn hat, selbst bedeckt mit Schatten,
So sah ich viele Scharen hier von Schimmern
Durch glüh'nde Strahlen glanzerfüllt von oben
Und konnte doch nicht schaun des Funkelns Ursprung.
O milde Kraft, die also sie durchdringet,
Du hobest dich empor, um meinen Augen,
Die's nicht ertragen konnten, Raum zu geben!
Der schönen Blume Namen, den ich immer
Anrufe spät und früh, zog ganz zusammen
Den Geist mir, auf das größte Licht zu merken.
Und als mir wiederglänzt' im Augenpaare
Die Weis' und Größe des lebend'gen Sternes
Der droben siegt, wie er gesiegt hier unten,
Stieg' eine Fackel in den Himmel nieder,
Gleich einer Kron', in Kreisesform gestaltet,
Die, jenen gürtend, um ihn her sich drehte.
Der Melodien süßeste hienieden,
Und die zumeist die Seele an sich zöge,
Schien eine Wolke, die zerrissen donnert,
Verglichen mit den Tönen jener Leier,
Mit der der liebliche Saphir gekrönt war,
Davon saphirblau glänzt der klarste Himmel.
»Ich bin die Engelsliebe, die umkreiset
Die hohe Wonne, so dem Leib entwehet,
Drin unser Sehnen ist beherbergt worden,
Und werd', o Himmelsfürstin, sie umkreisen,
So lang dem Sohn du folgst, und gotterfüllter
Durch deinen Eintritt machst die höchste Sphäre.«
Also kam jetzt die zirkelförm'ge Weise
Zum Schlusse, und die andern Lichter ließen
Marias Namen insgesamt erklingen.
Der königliche Mantel aller Hüllen
Des Universums, der von Gottes Atem
Und seinem Tun zumeist glüht und belebt wird,
Hatt' über mir sein inneres Gestade
In solcher Ferne, daß annoch sein Glänzen
Dort, wo ich stand, mir nicht erscheinen konnte.
Drum waren meine Augen nicht imstande,
Dorthin zu folgen der gekrönten Flamme,
Die sich erhob in ihres Samens Nähe.
Und gleich dem Kindlein, das nach seiner Mutter
Ausstreckt die Arme, wenn's die Milch genossen,
So dehnt' ob des Gefühls, das selbst im Äußern
Entflammt sich zeigt, ein jeder dieser Schimmer
Die Spitz' empor, so daß die hohe Liebe
Mir kund ward, die sie zu Maria trugen.
Drauf blieben hier sie mir im Angesichte,
So süßen Klangs »Regina coeli« singend,
Daß nie die Lust dran sich von mir geschieden.
O welche Füll' in jenen überreichen
Kornspeichern aufbewahrt wird, die hienieden
Im Sä'n so gute Feldbesteller waren!
Hier lebt man von den Schätzen und genießt sie,
Die weinend man erwarb in der Verbannung
Zu Babylon, wo man das Gold zurückließ.
Hier triumphieret unter dem erhabnen
Sohn Gottes und Marias mit dem alten
Und neuen Rat ob seines Siegs der, welcher
Zu solcher Herrlichkeit den Schlüssel führet.