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Indes am Rande wir, eins hinterm andern,
So wallten hin, sprach oft der gute Meister:
»Sieh zu, laß dich von mir gewitzigt werden.«
Die Sonne traf mich auf die rechte Schulter
Und wandelt' an der ganzen Abendseite
Die blaue Färbung strahlend schon ins Weiße,
Und glühender macht' ich durch meinen Schatten
Die Flamm' erscheinen, und nur auf dies Zeichen
Sah ich viel Schatten im Einhergehn merken.
Dies war die Ursach', die von mir zu reden
Den Anlaß ihnen gab, und zueinander
Begannen sie: »Kein Scheinleib deucht mir dieser!«
Dann näherten, so viel als sie's vermochten,
Sich ein'ge mir, stets auf der Hut, heraus nicht
Zu treten, wo gebrannt sie nicht mehr würden.
»Du, der nicht, weil du träger bist, wohl eher
Aus Ehrfurcht hergehst hinter jenen andern,
Antworte mir, denn Durst und Flammen brennen;
Und not tut mir allein nicht deine Antwort,
Mehr dürsten alle die danach als Indier
Nach kaltem Wasser oder Äthioper.
Sag' an, wie kommt's, daß du der Sonn' als Mauer
Mit deinem Leibe dienest, gleich als wärst du
Ins Netz des Todes noch nicht eingegangen?«
So sprach derselben einer, und schon hätt' ich
Entdeckt mich, war' ich nicht gefesselt worden
Von andrer Neuigkeit, die dann sich zeigte.
Denn auf der Mitte des entbrannten Weges
Kam Volk entgegen jenen mit dem Antlitz,
So daß ich drob blieb in Betrachtung schweben.
Hier sah ich beiderseits sich alle Schatten
Beeilen und zu zwei'n einander küssen
Ohn' Aufenthalt, begnügt mit kurzem Feste.
So rührt im schwärzlichen Gewimmel eine
Ameise an der andern Maul, erkündend,
Wohin sie geht wohl und was ihr begegnet.
Sobald sich trennt die freundliche Begrüßung,
Eh' noch der erste Schritt dann wird vollendet,
Müht jedes sich, zu überschrein das andre.
Das neue Volk ruft: »Sodom und Gomorrha!«
»Pasiphae kroch in die Kuh,« ruft jenes,
»Daß sich der Stier auf ihr Gelüste stürze.«
Wie Kran'che dann, die teils zu dem Riphäschen
Gebirge fliegen, teils zur sand'gen Wüste,
Die vor dem Frost scheu, jene vor der Sonne,
Geht fort das eine Volk, kommt mit von dannen
Das andr', und weinend kehrt's zum ersten Sang dann
Und zu dem Ruf, der ihm am meisten ziemet.
Und wieder traten zu mir her, wie früher,
Dieselben jetzt, die mich gebeten hatten,
Des Horchens Ausdruck all in ihren Mienen.
Ich, der zweimal jetzt ihren Wunsch ersehen,
Begann: ›O Seelen, sicher zu erhalten,
Wann es auch immer sei, den Stand des Friedens,
Jenseits nicht blieben reif, noch ungezeitigt
Die Glieder mir, nein, mit dem eignen Ich bin
Ich hier, mit seinem Blut und seinen Muskeln.
Um nicht mehr blind zu sein, geh' ich hier aufwärts;
Ein Weib erwirbt dort oben mir die Gnade,
Dies Sterbliche durch eure Welt zu tragen.
Doch wenn gestillt soll euer größtes Sehnen
Bald werden, so daß euch der Himmel aufnimmt,
Der, voll von Lieb', am weit'sten sich verbreitet,
Sprecht, daß ich einst damit noch Blätter fülle,
Wer seid ihr, und wer ist die Schar gewesen,
Die hinter euerm Rücken geht von dannen?‹
Nicht anders scheint verblüffet vor Erstaunen
Der Bergbewohner und verstiert im Gaffen,
Wenn roh und unerfahren er zur Stadt kommt,
Als jener Schatten schien in seinem Äußern.
Allein als sie des Schreckens sich entledigt,
Der in Hochherzigen zunächst gestillt wird,
»Glückselig du,« sprach wieder, der zuerst uns
Gebeten hatte, »der aus unsern Marken
Erfahrung du zu besserm Streben einschiffst!
Das Volk, das nicht mit uns kommt, hat gefehlet
Durch das, weshalb einst Cäsar beim Triumphe
Zur Schmach sich Königin benennen horte.
Drum gehen sie von dannen, ›Sodom‹ rufend,
Sich selbst Vorwürfe machend, wie du hörtest,
Und helfen so der Glut nach durch Beschämung.
Doch unsre Sünde war hermaphroditisch;
Allein, weil wir dem menschlichen Gesetz nicht
Gehorcht, dem Vieh gleich unsern Lüsten folgend,
Wird uns zur Schande durch uns selbst verlesen
Beim Scheiden von den andern jener Name,
Die sich vervieht im vieh'schen Bretterwerke.
Jetzt kennst du unsre Weis' und wes wir schuldig;
Doch um, wenn du's begehrtest, uns zu nennen,
Gebräch's an Zeit, auch wüßt' ich's nicht zu sagen.
Wohl lös' ich meinethalb den Wunsch dir; denn ich
Bin Guido Guinicelli, und schon rein'ge
Ich mich, weil vor dem End' ich recht bereuet.«
Wie bei Lykurgs Betrübnis die zwei Söhne
Getan, als sie die Mutter wiederfanden,
So tat ich (doch bis zum »Soviel« nicht steig' ich),
Als ich sich selbst hier nennen hörte meinen
Und meiner Meister Vater, die sich jemals
Bedienet süßer, holder Liebesreime;
Und lange Zeit ging, hörend nicht, noch redend,
Ich hin, gedankenvoll auf jenen schauend,
Noch trat dorthin ich näher ob des Feuers.
Nachdem ich seines Anblicks mich ersättigt,
Bot ich mich ganz ihm willig an zum Dienste
Mit der Beteuerung, die Glauben schaffet.
Und er: »So viel' und helle Spuren lässest
In mir durch das Vernommne du, daß Lethe
Sie nimmer tilgen kann, noch dunkel machen.
Doch sprich, wenn Wahrheit mir dein Wort geschworen,
Was ist der Grund, weshalb durch Blick und Rede
Du mir gezeiget hast, daß ich dir teuer?«
Und ich zu ihm drauf: ›Eure süßen Lieder,
Die stets, so lang' die neu're Weise dauert,
Die Tinte, die sie schrieb, uns teuer machen.‹
»O Bruder,« sprach er, »jener, den mein Finger
Bezeichnet« (auf der Geister einen wies er),
War bessrer Bildner in der Muttersprache.
In Liebesreimen und Romanzenprosa
Besiegt' er all', und laß die Toren reden,
Die jenem vom Limoges den Vorzug geben.
Mehr auf Gered' als auf die Sache richtend
Die Blicke, setzten fest sie ihre Meinung,
Eh' auf Vernunft sie oder Kunst gehöret.
So taten viel' der Alten mit Guittone,
Von Mund zu Mund ihm einzig Lob erteilend,
Bis ihn und andre mehr Wahrheit besiegt hat.
Und wenn so vieles Vorrecht du genießest,
Daß dir's zum Kloster ist erlaubt zu gehen,
Wo Christus selber Abt ist des Konventes,
So sprich zu ihm für mich ein Vaterunser,
So viel davon in unsrer Welt ist nötig,
Wo wir zu sündigen nicht mehr vermögen.«
Drauf wohl dem andern, der ihm nah, den zweiten
Platz einzuräumen, schwand er in dem Feuer,
Gleichwie der Fisch im Wasser, der zum Grund fährt.
Ein wenig trat vor den ich, der gezeigt mir
War worden, hin, ihm kündend, seinem Namen
Bereite freundlichen Empfang mein Wünschen.
Da fing er an freimütiglich zu sagen:
»So sere mir gevallet ivver tugendliches Geren,
Daz ich iune chan min name unt ouch niene vvill verdagen.
Ich bin Arnold, der vveinet unde singende gat,
Und trurechlich gedenche ich mines alten Vvanes,
Und vrolich se vor mir ich die Vroude, uff die ich hoffe.
Nu bit ich iu gar sere bi der vvätlichen Chraft,
Die uff iu vurt zum Hubel ane chalt unde vvarme,
Daz iu gedenchen muget ze sanften minen Smerz.«
Dann barg er in der Glut sich, die sie läutert.