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Die nach des Theodosius' Tode eingetretene an sich normale Teilung der Reichsverwaltung unter dessen Söhne wird um deswillen gewöhnlich, wiewohl eigentlich irrig, als ein Weltereignis höchster Wichtigkeit angesehen, weil die von dieser Zeit an überhaupt nur noch in der Idee fortbestandene Reichseinheit nie wieder vollständig in lebendige Wirksamkeit trat, dies Ereignis also als eine wirkliche und bleibende Teilung des Gesamtreichs betrachtet wird. Wir haben bisher schon dem östlichen Reichsteile weniger Aufmerksamkeit gewidmet, als dem westlichen, dessen Zertrümmerung der Völkerwanderung Folge war. Von des Theodosius' Tode ab werden wir nun die Geschichte Ostroms im Wesentlichen nur noch insoweit berühren, als dieselbe die Bewegungen und Unternehmungen der Barbaren, namentlich der Goten und Hunnen, betrifft.
Der große Mann war nicht mehr: ein unreifer Jüngling und ein Knabe seine Nachfolger: Arcadius, der Kaiser des Orients, hatte noch nicht das achtzehnte, Honorius, der Beherrscher Westroms, noch nicht das elfte Jahr erfüllt.
Die Teilung der Reichs verwaltung, das Werk von Diokletians Weisheit, bestand seit hundertundzehn Jahren, nicht nur im Grundsatze, sondern auch praktisch. Nur Julian und Jovian herrschten zwei Jahre und drei Monate hindurch (vom 3. November 361 bis 17. Februar 364) allein über das Gesamtreich.
Constantin der Große hatte jedoch in den dreizehn Jahren seiner Alleinherrschaft allerdings nur seine Söhne als Cäsaren in den einzelnen Reichsteilen unter sich, wie dessen Sohn Constantius in den letzten elf Jahren seine Neffen Gallus und Julian.
Daß auch nach des Theodosius Tode nicht das Reich selbst, sondern nur die Regierung unter dessen Söhnen geteilt ward, bestätigen Marcellin in seiner Chronik Theodosii filii, Arcadius et Honorius, utrumque imperium, divisis tantum sedibus, tenere coeperunt., sowie Orosius (VII, Kap. 36) ausdrücklich.
Die Ereignisse des ersten Jahres der neuen Regierung sind, wegen Unvollständigkeit und Dunkelheit der Quellen, äußerst verworren. Wenn die Quellen ungenügend und widersprechend sind, haben wir sie vor allem ihrem Werte nach zu ordnen.
Für die betreffende Zeit ist den kurzen Notizen der Chronisten, selbst der des Comes Marcellinus, wenn derselbe auch in späterer Zeit gelebt hat, in allen Fällen, wo nicht ausnahmsweise ein ersichtlicher Irrtum vorliegt, die meiste Glaubwürdigkeit einzuräumen, weil dieselben mit Absicht der Treue aus den sichersten, unstreitig amtlichen Quellen schöpften.
Die zweite Stelle gaben wir in formaler Beziehung Claudian als Zeitgenossen, in materieller aber nur in soweit, als er bestimmte Tatsachen anführt, auf welche weder dessen Tendenz, noch die poetische Form Einfluß gehabt haben können. Ganz unzulässig aber ist jede aus dessen Schweigen abzuleitende Folgerung, weil historische Vollständigkeit und Zusammenhang gar nicht in seinem Plane lagen.
Da des Zosimus Geschichte dieser Zeit ganz aus Eunapius geschöpft ist, der mit dem Jahre 404 schließt, so muß auch Ersterer als Zeitgenosse gelten. Weil derselbe aber, wie wir bereits wissen, seinen Gewährsmann weder vollständig wiedergibt noch mit kritischem Takt verwertet, so wagen wir nicht, ihn Claudian, soweit dieser nach Obigem an sich glaubhaft ist, vorzuziehen.
Die Hauptabweichung unserer Darstellung im Texte von der der älteren Historiker besteht darin, daß diese zwei Feldzüge Stilichos von Italien nach Griechenland annehmen und den letzten, zu Befreiung des Peloponnes, erst in das Jahr 396 setzen, wir aber nur einen. Vergl. aber Dahn, Könige V, S. 33, 34. Tillemont, dem Gibbon und Luden offenbar gefolgt sind, hat seine Ansicht (in Not. 6 zu Arcadius, S. 1034) begründet, unseres Erachtens aber äußerst ungenügend. Prüfen wir selbst.
1. Marcellin sagt in der oben abgedruckten Notiz, Rufin habe Alarich, dem er heimlich Geld gegeben, nach Griechenland geschickt.
2. Von Claudian haben wir mehrere Stellen:
a) de Cons. Hon., v. 458, 465, 475.
b) In Rufinum II schildert derselbe die Verheerung der europäischen und asiatischen Provinzen durch Goten und Hunnen, und sagt dann v. 94:
tandem succurrere ruenti
Heu patriae Stilicho! |
besonders aber
c) v. 101.
Hierauf Schilderung des unermeßlichen Heeres, das er dem des Xerxes vergleicht, dann:
d) v. 124:
Vix Alpes transgressus erat, nec jam amplius errat
Barbarus, adventumque tremens, se cogit in unam Planitiem tutoque includit pascua gyro. |
Worauf Alarichs Verschanzung in Thessalien und Stilichos Disposition zum Angriff näher beschrieben, sodann das Eintreffen von des Arcadius Befehl zum Rückzug aus seinem Gebiet und Rücksendung des Ostheeres sowie Stilichos Marsch längs der Grenze Makedoniens an Thessalonich vorbei nach Heraklea berichtet werden. (S. v. 127–129, sowie 160–163, 169–190, 278–292.) Zugleich erhellt (aus v. 186 bis 191, sowie aus v. 215), daß der unterbrochene Feldzug in Thessalien der Verheerung Griechenlands vorausging.
e) In dem Gedicht de Nuptiis Honorii et Mariae im Jahre 398 bringen die Nereiden Maria (Stilichos Tochter) ihre Huldigungen dar und singen dabei: s. hier besonders v. 176.
f) De laudibus Stilichonis. v. 170.
3. Ganz abweichend von Claudian erzählt Zosimus. Nachdem er Kap. 6 die Verheerung des Peloponnes berichtet, fährt er in Kap. 7, wobei es nur auf den Sinn, nicht auf die Worte ankommt, also fort:
Nachdem die Leiden Griechenlands Rufin aufgezeigt worden waren, wuchs dessen Hoffnung, sich des Thrones bemächtigen zu können, indem er die Zerrüttung des Staats für seinen Zweck ausbeuten zu können glaubte. Auf des Zosimus Urteile ist wenig Wert zu legen. So gewiß Rufin nach dem Throne strebte, so ist doch kaum anzunehmen, wie ein einsichtiger Staatsmann, dem Stilicho als Feind und Wächter gegenüberstand, aus der Verwüstung Griechenlands Anlaß zu einer Usurpation entnehmen und, fast ohne Heer, diese dem mächtigen Widersacher gegenüber erfolgreich durchzuführen hoffen konnte.
Stilicho aber schiffte sich sofort mit dem Heer ein, Achaia Hilfe zu leisten.
Er landete im Peloponnes, schloß Alarich auf dem Gebirg Pholoë ein, ließ ihn aber aus Nachlässigkeit nach Epirus entweichen und schiffte darauf unverrichteter Sache nach Italien zurück.
Daselbst angelangt beschloß er nun, Rufinus aus dem Wege zu räumen, und zwar auf folgende Weise. Er erlangte von Honorius den Befehl, einige Truppen an Kaiser Arcadius abzusenden, diesem in Beschützung seiner bedrängten Völker beizustehen. Die hierzu Ausersehenen stellte er unter Gainas Befehl, welchem er seine Absichten wider Rufinus mitteilte.
Hierauf folgt die Erzählung des Anmarsches und der Ermordung Rufins.
Was nun zuvörderst den faktischen Widerspruch zwischen Claudian und Zosimus betrifft, so verdient ersterer aus den oben angeführten Gründen unstreitig höhern Glauben.
Es ist undenkbar, daß Arcadius nicht sofort nach Ausbruch der Gotenempörung das ihm von Rechtswegen gebührende Ostheer zurückgefordert habe.
Es ist ferner undenkbar, daß die zahlreichen Details, welche über das erste nahe Zusammentreffen Stilichos und Alarichs in Thessalien und dessen Folgen in mehr als dreihundert Versen des sicherlich unmittelbar nach des Rufinus Sturz geschriebenen Gedichts in Ruf. II enthalten sind, erdichtet oder vielmehr erlogen sein können. Schlagend ist dabei die (v. 278–292) genau angegebene Marschroute des entlassenen Ostheeres aus Thessalien nach Konstantinopel, die bei Absendung desselben aus Italien dahin unmöglich gewesen wäre. Selbst wenn Claudius dies alles aus Tendenz geschrieben hätte, konnte er sich so grober und handgreiflicher Lügen nicht schuldig machen; es ist aber auch gar nicht abzusehen, daß aus seiner Erzählung des Hergangs mehr Stoff für Stilichos Lob und Rufins Schmähung zu gewinnen war, als aus der des Zosimus.
Wir müssen daher annehmen, daß letzterer aus Mißverständnis oder Unvollständigkeit seiner Quelle in einen der Irrtümer verfallen sei, von denen sich mehrfache Beispiele bei ihm finden.
Wir kommen zunächst auf die Fragen:
1. Wann brach Stilicho aus Italien nach Griechenland auf, und
2. auf welchem Wege geschah dies?
Zu 1. Alle betreffenden Stellen Claudians (a. b. c.) stimmen darin überein, daß dies unmittelbar nach Stilichos Rückkehr von der Bereisung der Rheingrenze, auf die erhaltene Kunde von der Gefahr und im Frühjahr, wenn auch erst gegen Ende desselben erfolgte, da die an sich unbestimmten Ausdrücke (unter c. v. 101 und 102) wohl mehr poetisch als genau chronologisch aufzufassen sind.
Da auch die Hilfeleistung Stilichos, der fast das ganze Ostheer damals noch unter sich hatte, eben sowohl in dessen dringender Pflicht als in dessen ehrgeizigem Privatinteresse begründet war, so ist gar nicht daran zu zweifeln, daß jene auf die erhaltene Nachricht von Alarichs Marsch gegen das südliche Illyricum und nördliche Griechenland so geschwind erfolgte, als dies die notwendige Zurüstung irgend gestattete.
Zu 2. Die Stellen a. e. und f. beweisen, daß Stilicho zur See über das ionische Heer nach Thessalien ging. In der Tat war dies auch die natürliche und gewöhnliche, wie unter Pompejus und Cäsar, ja fast die unabweisliche Militärstraße dahin, da ein Heer zu Lande nur längs der Donau bis Viminacium (unterhalb Belgrad), dann den Margus hinauf über Naissus und von da mit dem größten und schwierigsten Umwege entweder östlich über Thessalonich oder südwestlich durch Epirus über den Pindus durch Thessalien hätte marschieren können. Dieser unwiderleglichen Behauptung steht nur die Stelle d) scheinbar entgegen: Vix Alpes transgressus erat, als sich der barbarus, d. i. Alarich, Stilichos Ankunft fürchtend, in eine feste Verschanzung zurückzieht. Will man aber hier das »Alpes« auf die italischen, also in diesem Falle auf die julischen im Friaul, beziehen, so wäre das ganze Anführen unglaublich, da ein Alpenübergang in hundertundsechzig Meilen Entfernung Alarich nicht zu sofortiger Verschanzung gegen das anrückende Heer veranlassen konnte, das übrigens wiederholt (v. 171 und 219) als dem Feinde nahe bezeichnet wird.
Unter »Alpes« kann daher der Dichter hier nur die Fortsetzung der Alpenkette vom Friaul bis zum Hämus und namentlich die südliche Abzweigung derselben verstanden haben, die sich von Makedonien bis an den korinthischen Meerbusen herunterzieht und zwischen Epirus und Thessalien den Namen Pindus führt.
Wenn nun nach Claudian a. e. und f. und Zosimus feststeht, daß Stilicho über See zur Rettung des Peloponneses heran zog, so bleibt nur noch
3. die Frage übrig: ob derselbe nach dem auf des Arcadius Befehl aufgegebenen ersten Feldzuge gegen Alarich in Thessalien wiederum nach Italien zurückschiffte und von da erst später wieder seinen zweiten Feldzug zur See nach dem Peloponnes unternahm oder ob sich dieser zweite dergestalt an den ersten anschloß, wie dies oben im Texte ausgeführt ward. Es ist kaum möglich, Letzteres zu bezweifeln.
Das zu des Honorius Reichsteil gehörige Illyricum war in dem heutigen Albanien, kaum fünfzehn Meilen von Thessalien entfernt. Wollte Stilicho des Arcadius Gebiet nicht weiter schützen, so konnte er doch das Seinige nicht unverteidigt lassen. Er mußte daher zunächst abwarten, wohin sich Alarich wenden würde. Dieser stand in seinem Lager im Tale des Peneus den Thermopylen weit näher als Stilicho der Seeküste und seiner Flotte, derselbe ist also sicherlich sogleich dahin marschiert.
Alarichs ganzer Kriegsplan, in ein durch zwei Pässe leicht zu sperrendes Gebirgsland vorzudringen, war übrigens ein so abenteuerlicher und tollkühner, daß mindestens eine rasche und energische Ausführung desselben vorauszusetzen ist. Deshalb hielt er sich auch durch eine Belagerung Thebens und Athens, welcher letzteren Stadt er günstige Kapitulation bewilligte, nicht auf, sondern eilte dem Peloponnes zu.
Daher mußte Stilicho noch ehe er sich einschiffte dessen Absicht kennen oder wenigstens durchschauen, ist daher sicherlich nicht hundert bis hundertundzwanzig Meilen weit nach Asien zurückgeschifft, um von da bald darauf wieder nach Griechenland zurückzukehren, da ein Feldherr mit Armeen kein »Kämmerchenvermieten« zu spielen pflegt.
Dürfte durch dies Alles unsere Ansicht genügend gerechtfertigt sein, so können wir doch selbst einen Zweifel nicht unerwähnt lassen. Dieser liegt im Zeitpunkte von Rufins Tötung am 27. November, der ausreichend beglaubigt erscheint. Nimmt man auch an, daß das Ostheer unter Gaina erst gegen Ende Juli aus Thessalien aufgebrochen sei, so konnte es doch zu einem Marsche von etwa hundert Meilen nicht gleich vier Monate Zeit brauchen. Dies scheint daher des Zosimus Angabe, daß es erst aus Italien zurückgesandt worden sei, einigermaßen zu unterstützen. Gleichwohl sind die vorstehend für Claudians abweichende Darstellung angeführten Gründe so überwiegend und schlagend, daß wir auf die des Erstern nicht wieder zurückkommen können, vielmehr entweder einen Irrtum in obiger mutmaßlicher Zeitberechnung oder einen Verzug von Gainas Anmarsch aus uns unbekannten Gründen, vielleicht in die Vereinigung mit einem in Pannonien noch zurückgebliebenen Teile des Ostheers zu erwarten, annehmen müssen. Sei dem aber, wie ihm wolle, so würde doch, selbst wenn man Zosimus Glauben schenken wollte, dadurch die Tillemontsche Ansicht, daß Stilicho erst im Jahre 396 zur Rettung des Peloponnes nach Griechenland geschifft sei, auf keine Weise unterstützt werden.
Diese gründet sich aber überhaupt auf nichts anderes, als auf die Unwahrscheinlichkeit, Stilicho werde in einem Jahre zweimal von Italien nach Griechenland geschifft sein – eine Unwahrscheinlichkeit, die wir vollkommen zugeben, durch unsere Darstellung des Sachverlaufs aber vollständig beseitigt zu haben glauben. Vergl. aber auch Dahn, Könige V, S. 33.
Den Kaisertitel führten Arcadius und Honorius, das Regiment unter deren Namen Rufinus im Osten, Stilicho Richter de Stilichone et Rufino, Halle 1860. im Westen.
Ersterer, ein Gallier aus Elusa (Claudian. Ruf. I, v. 137) (jetzt Eause in Gascogne), war von 390 bis 392 Magister officiorum, in welchem Jahr er zum Consul und zugleich zum Präfekt des Orients ernannt wurde. (S. Hänels index legum.) Hatte er hiernach vorher schon Einfluß gehabt, so hat er sicherlich von der Mitte des Jahres 394 an, als Theodosius wider Eugenius zog, vor allem aber als Präfectus Prätorio das Ostreich unter des Arcadius Namen, der schon im Jahre 383 zum Augustus erhoben worden war, vollständig regiert.
Stilicho war vandalischen Stammes, wohl ein Nachkomme der unter Constantin dem Großen in das Reich aufgenommenen (s. Bd. I; Dahn, Könige I, S. 142), aber geborener Römer H. Richter in d. o. g. Schrift, S. 11, setzt auf Grund einer unsichern, aber nicht unwahrscheinlichen Berechnung dessen Geburt auf das Jahr 359. und nicht Barbar, weil ja dessen Vater schon, nach Claudian (de laudib. Stilic. I, v. 338) unter Kaiser Valens in römischem Dienst germanische Reiterei befehligt hatte.
An Körper und Geist in seltenem Maß ausgezeichnet, gewann der jugendliche Krieger sehr bald des Theodosius Aufmerksamkeit, der ihn schon im Jahre 385 zum Dux, und 392 oder 393 zum Magister militum ernannte Bei Stilichos Tode im Jahre 408 hatte er nach Zosimus (V, 34) dreiundzwanzig Jahre lang kommandiert, doch ist er erst vor dem Feldzuge wider Eugenius (Zosimus IV, 57) zum Magister militum ernannt worden., nachdem er ihm bereits im Jahre 388 seine an Kindesstatt angenommene Nichte Serena vermählt hatte.
Nach Besiegung des Tyrannen, mindestens zu Anfang des Jahres 395, war Stilicho Oberbefehlshaber beider Heere, sowohl des östlichen als des zu Theodosius übergegangenen westlichen. (Zosim. IV, 59.)
Auf dem Totenbett empfahl der sterbende Kaiser beide Söhne seinem Feldherrn. Zosimus V, 34, zahlreiche bei H. Richter S. 21 angeführte Stellen Claudians und Ambrosius de obit. Theod. 5: De filiis nil habebat novum, quod conderet, nisi ut eos praesenti commendaret parenti.
Nichts natürlicher als daß derselbe den Schutz des einen ungeteilten Reiches und seiner beiden dasselbe verwaltenden Söhne seinem Neffen, dem obersten und tüchtigsten Feldherrn, an das Herz legte; Irrtum daher, hieraus folgern zu wollen, er habe Stilicho zugleich eine Vormundschaft über Arcadius und die Oberleitung des Ostreichs übertragen, was Claudian selbst (de III. Cons. Hon. v. 142 u. 151) gar nicht einmal sagt. Selbstredend aber mochte dessen Ehrgeiz davon Anlaß oder Vorwand entnehmen, sich auch in die Angelegenheiten des Orients zu mischen (die dessen auch wiederholt höchst dringend bedurften. D.).
Schwach, ja beinah hilflos stand nun damals Rufinus, der eigentliche Beherrscher dieses Reichteils, dem als Anführer beider Heere allmächtigen Stilicho, seinem bitter gehaßten Feinde, gegenüber.
Unzweifelhaft war nach Beendigung des Bürgerkrieges das Ostheer Arcadios zurückzusenden, was bei des Theodosius Leben noch nicht geschehen, daher von Stilicho noch zu vollziehen war. Dieser ließ jedoch, nach Zosimus (V, 4), nur den erschöpftesten und schlechtesten Teil desselben dahin abmarschieren, was sicherlich schon im Januar 395 geschah. Unter diesem muß sich auch Alarich, der bald so furchtbar wurde, befunden haben, welchen Jener als Danaergeschenk seinem Feind übersandte.
Mit seltener Weisheit hatte Theodosius die Goten gewonnen und mit ängstlicher Vorsicht jeden Anlaß zu Störung des Verhältnisses friedlicher, wenn auch mehr nur nomineller Unterwerfung vermieden.
Als aber mit des Kaisers Leben der Zauber seiner Person erloschen war, brach der stumme Gehorsam sofort in laute Anmaßung, ja Empörung aus.
Zunächst verlangte Alarich, mächtigen Selbstgefühls, Beförderung von dem ihm durch Theodosius übertragenen Kommando über einen Teil seiner gotischen Landsleute zu höherem Befehl, auch über Römer.
War Rufinus, wie wir nicht zweifeln können, ein Staatsmann und zwar ein bedeutender, so mußte er zwar des Theodosius System den Goten gegenüber streng fest-, aber auch von weiterer Nachgiebigkeit aus Schwäche im Beginn seiner Herrschaft sich frei halten, weshalb er jene Forderung zurückwies. Er soll damals den Goten auch die hergebrachten Subsidien verweigert haben. Will man dem Anführen des Jordanis C. 29. Postquam vero Theodosius, amator pacis generisque gothorum, rebus excessit humanis, coeperunt ejus filii utramque rempublicam luxuriose viventes annhilare, auxiliariisque suis, i. e. Gothis, consueta dona subtrahere. Glauben schenken, so ist doch die Zurückhaltung jener Gelder vielleicht nicht die einzige Ursache. Vergl. Pallmann, Geschichte der Völkerwanderung von der Gotenbekehrung bis zu Alarichs Tode, Gotha bei Perthes 1863, S. 203; anders Volz, de Vesigothorum cum Romanis conflictionibus und Dahn, Könige V.
Alarich aber fürchtete Rufinus zu wenig, um sich bei jener Zurückweisung zu beruhigen.
Er zog Freischaren vom linken Donauufer über den noch gefrorenen Strom an sich Claud. in Rufin. II, v. 26: Alii per terga ferocis Danubii solidata ruunt, expertaque remos frangunt stagna rotis. und rückte mit seinem Heere, das Land auf seinem Marsche in gewohnter Weise ausraubend, vor Konstantinopel, Rufinus zu schrecken, aber auch zu gewinnen, indem er, alles um die Stadt verheerend, dessen Güter verschonte (Claud. a. a. O., v. 70 u. 71). Dieser begibt sich hierauf wiederholt, und zwar in gotischer Tracht, in das Lager und bewegt Alarich auch glücklich zum Abzuge (Claud. in Ruf. II, v. 21–100).
Claudian und alle übrigen Quellen, denen die neuern Historiker fast ohne Ausnahme folgen, beschuldigen nun Rufinus, daß er eben so den Aufstand der Goten wie einen Einfall der Hunnen in Kappadokien und Syrien (Claud. a. a. O., v. 28–36) absichtlich angestiftet habe. H. Richter hat in der oben genannten Dissertation S. 30 f. das Irrtümliche dieser Ansicht gründlich nachgewiesen. Wohl ohne Grund: nach seiner Ermordung ward dem mit Recht bitter Gehaßten, neben zahllosen andern Missetaten, auch jener Frevel aufgebürdet und mit Freuden alles geglaubt, was ihm nur zur Schmähung gereichte.
Was Wunder, daß Claudians poetische Phantasie, der denselben angesichts seines unfehlbaren Sturzes durch Stilicho den einzigen Trost darin erblicken läßt, daß der ganze Erdkreis zugleich mit ihm zu Grunde gehe Claud. Rufin. II, v. 19: Everso juvat orbe mori. Solatio leto exitium commune dabit., auch die unkritischen Kirchenhistoriker zur Nachbetung solcher Beschuldigung veranlaßt hat, von der sich bei Zosimus nichts findet
Wohin hat nun Rufinus den von Konstantinopel abziehenden Alarich gelenkt?
Der Chronist Marcellinus sagt zum Jahre 395: Rufinus, insgeheim wider den Kaiser Arcadius machinierend, wiegelt den Gotenkönig Alarich, ihm heimlich Geld gebend, gegen den Staat auf und schickt ihn nach Griechenland. Rufinus, clam Arcadio principi insidias tendens, Alaricum, Gothorum regem, missis ei clam pecuniis, infestum reipublicae fecit et in Graeciam misit.
Liegt nun darin nicht eine ausdrückliche Bestätigung von der Schuld des Rufinus? Mitnichten. Marcellin spricht hier nicht vom ersten Akt des Gotenaufstandes, der sich durch den Marsch nach Konstantinopel bekundete, sondern nur von dem zweiten, der mit Alarichs Abzug von da beginnt, in welchem der Präfectus Prätorio allerdings als Anstifter auftritt.
Was konnte aber dabei dessen nächster Zweck sein? Handgreiflich kein anderer, als Rettung aus der Gefahr des Augenblicks.
Es fehlten ihm Truppen, Alarich zu vertreiben: so bot Stilichos Hilfe das einzige Mittel zur Befreiung der Hauptstadt dar, wozu dieser unzweifelhaft aus eigenem Antriebe herbeigeeilt sein würde.
Stilicho vor den Toren wäre aber für Rufinus ungleich gefährlicher gewesen, als Alarich.
Weitläufig sucht nun H. Richter S. 50 u. f. zu begründen, daß Rufinus den Gotenfürsten damals zum Angriff auf das unter Stilicho stehende westliche Illyrien, jenseits der Drina, bewogen und erkauft habe, was in der Tat das Vorteilhafteste für Ersteren gewesen wäre. Alarich aber, der seinen frühern Feldherrn Stilicho und dessen dermalige gewaltige Streitmacht genau kannte, war nicht Tor genug, einen so tollen Angriff zu wagen.
Welchen Wunsch daher Rufinus auch gehabt habe, auf Erfüllung konnte er nur insoweit rechnen, als sein Plan auch Alarich genehm war. Dazu empfahl sich nun trefflich die Ausraubung Griechenlands, das seit mehr als hundert Jahren nicht geplündert worden war. Brachte er Alarich dahin und eröffnete er ihm den Weg durch die Thermopylen bis in den Peloponnes hinein, so hatte er ihn nicht nur weit über hundert Meilen von der Hauptstadt entfernt, sondern auch in eine Mausefalle gelockt, in welcher er, wenn es Rufinus irgend gelang, durch Rückforderung des Ostheers eine tüchtige Streitkraft sich zu verschaffen, eingeschlossen, ja vernichtet werden konnte.
Allerdings mußte er, wie auch wirklich geschah, dadurch ebenfalls Stilicho herbeiziehen: dies war aber, nachdem die Goten einmal wider Arcadius im Feld erschienen waren, wenn jener um Hilfe zu leisten in das Ostreich kommen wollte, zu verhüten überhaupt unmöglich. Besser aber sicherlich, daß er diesen nach Griechenland als nach Konstantinopel lenkte.
So hat denn nun des Zosimus ausdrückliche Versicherung (V, 5), daß Rufinus, um Alarich den Einfall in Griechenland zu erleichtern, insgeheim instruierte Werkzeuge in der Person des Antiochus und Gerontius dahin abgesandt habe, die größte Wahrscheinlichkeit für sich, so daß, zumal in Verbindung mit obiger dasselbe bestätigender Stelle Marcellins, irgendwelcher Zweifel daran uns nicht statthaft erscheint.
Kommen wir nun auf Stilicho und sein Verhalten.
Daß derselbe, von Ehrgeiz gestachelt, seinen Einfluß auch auf das Ostreich auszudehnen wünschte, ist nicht zu bezweifeln, während die ganze Geschichte der Folgezeit beweist, daß er dafür höchstens den Weg der Intrige, niemals aber den offener Rebellion und Gewalttat einschlug, wozu es ihm doch an der Macht nicht fehlte.
Im Frühjahre 395 bereiste derselbe (wie im 9. Kapitel angegeben ward) die Rheingrenze, um sich durch Erneuerung der alten Bündnisse die Fortdauer des Friedens mit den Germanen zu sichern, was ihm auch vollständig gelang. Ebenso mag er gegen die Jutungen und andere Anwohner der obern Donau verfahren haben, wofür sich freilich nur ein etwas unsicheres Zeugnis in Claudian (de laud. Stilicho oder d. Cons. Stil. III. v. 13: Rheni pacator et Istri) findet.
Inzwischen muß das durch die Gotengefahr motivierte dringende Verlangen des Kaisers Arcadius der Rücksendung seines Heeres bei dem Hofe zu Mailand eingegangen sein. Da sich aber Stilicho selbst zu dessen Schutz berufen und verpflichtet erklärte, brach er in Person an der Spitze beider Armeen, der östlichen und westlichen, deren gegenseitigen Haß und blutige Zerwürfnisse er vorher beizulegen gewußt hatte, nach der griechischen Halbinsel auf, wohin sich Alarich gewendet hatte. (Claud. in Ruf. II, v. 101–123.)
Dies geschah mindestens mit der Hauptmasse zu Schiff, obwohl es nicht unwahrscheinlich ist, daß ein Teil der Truppen, die gewiß auf der Militärstraße an der Donau schon vorgerückt waren, auch zu Land an den Vereinigungspunkt dirigiert worden sein könne.
Könnten wir H. Richter S. 51 und 53; vergl. aber auch Dahn, Könige V, S. 32 f. der Nachricht des Sokrates (VII, 10) Glauben schenken, so wäre Alarich von Konstantinopel aus zuerst ganz westlich durch Thrakien und Makedonien bis gegen Dalmatien gezogen, hätte sich von da südlich nach Epirus und von hier wieder auf der Militärstraße von Nikopolis über Ambrakia, die Pässe des Pindus und Gomphi nach Thessalien in das Tal des Peneus gewandt. Hier habe er in einem Kampfe gegen die Provinzialen 3000 Mann verloren, schließlich aber doch alles verheerend bewältigt. Das erwähnte Kapitel dieses Schriftstellers, welches mit der Einnahme Roms durch Alarich im Jahre 408 beginnt, wirft aber Ereignisse, die in fünfzehn Jahren verlaufen sind, in so verworrener und unkritischer Weise durcheinander, daß wir obiges Anführen nicht für beachtungswert halten können, obwohl es allerdings den Anschein gewinnt, daß der Verfasser an obenerwähnter Stelle vom Jahre 395 rede.
Alarich aufzusuchen landete Stilicho unstreitig in Nikopolis, dem Haupthafen von Epirus am ambralischen Busen (Golf von Arta), und rückte dem Feind auf der Straße über den Pindus nach, worauf sich Alarich in einer möglichst gesicherten Stellung verschanzte. (Claud. a. a. O., v. 124–129.)
Hier aber, in der Nähe, gleichwohl gewiß noch nicht angesichts der Goten, traf den Feldherrn eine so peremtorische Ordre des Kaisers Arcadius, aus dessen Reichsteil sofort wieder abzuziehen und das Ostheer nach Konstantinopel zurückzusenden, daß ihm nur zwischen Gehorsam oder offener Empörung die Wahl blieb. (Claud. a. a. O., v. 169, 170, 195–200.)
Stilicho wollte gegen den Sohn seines Wohltäters nicht Rebell werden, und gehorchte freiwillig – denn was hätte ihn dazu zwingen können? – wenn auch ungern, ließ des Arcadius Truppen abmarschieren (v. 206–209 und 247 bis 251) und zog sich mit den seinigen, aber gewiß nicht nach Italien, sondern nur bis zur Flotte bei Nikopolis, oder, was wahrscheinlicher ist, nach dem nächsten Hafen seines nahen Reichsteils, Aulon, zurück.
Alarich, des gewaltigen Gegners entledigt, zog nun durch die ihm verräterisch geöffneten Thermopylen nach Böotien und Attika, wo er bis auf Theben und Athen, welches letztere gegen günstige Bedingungen kapituliert zu haben scheint, alles ausraubte und niederbrannte, dann durch Megaris über den in Folge gleichen Verrats unverteidigten Isthmus vor Korinth, das er wie Argos und Sparta mit allen übrigen Städten verheerend einnahm. (Zosimus V, 5 u. 6.)
Da eilte, weil Rufinus nichts tun wollte oder konnte, Stilicho zur See als Retter herbei Vergl. aber Dahn, Könige V, S. 33., landete im Busen von Korinth, etwa bei Paträ, in Alarichs Rücken, trieb diesen auf das Gebirge von Pholoë an der Grenze von Arkadien und Elis hinauf und schloß ihn daselbst, unter Abschneidung aller Lebensmittel, sogar des Wassers (Claud. de IV. Cons. Honor., v. 478–483), so vollständig ein, daß er ganz verloren schien.
Hier läßt nun Zosimus Kap. 7 Stilicho für seine Person allerlei Zerstreuungen und Wollüsten, dessen Heer aber der Ausplünderung der unglücklichen Landesbewohner nachgehen und dadurch Alarich Gelegenheit zur Entweichung und zum Rückzuge mit seiner Beute nach Epirus gewähren: gewiß ganz grundlos.
Alarich war damals die einzige, aber dringende Gefahr für das Gesamtreich, Stilicho aber, der sich ihm gewachsen, ja überlegen fühlte, so lang unentbehrlich, als der Gefürchtete auf dem Plane blieb. Darum ließ er ihn vielleicht (– denn immerhin hatte sich die Lage der Eingeschlossenen gebessert, die Stilichos verschlechtert, so daß Letzterer des Erfolges – ohne Verhandlung – nicht mehr so sicher war – D.) entfliehen und zunächst Arcadius auf dem Halse, der ihn nun durch Anstellung als römischer Befehlshaber in Epirus und Umgegend möglichst unschädlich zu machen suchte (Claudian de bello Get. 518 und 519). So hatte Alarich, was er zuerst gewollt, eine hohe Stellung als römischer Beamter erlangt, die er sicherlich aber mehr als Herr denn als Diener ausgebeutet haben mag.
Doch scheint noch vor dessen Abzug aus dem Peloponnes, vermutlich von Hunger gedrängt, ein Teil seiner Scharen in römischen Sold übergegangen zu sein. (Claud. de IV. Cons. H., v. 483–485.)
Stilicho kehrte hierauf nach Italien zurück. (Zosimus c. 7.) Das schon von Thessalien aus zurückgesandte Ostheer hatte er der Führung des Goten Gaina, einem seiner vertrauten Werkzeuge, übergeben, der langsam bei Thessalonich vorbei über den Hebrus nach Heraklea oder Perinth in Thrakien zog.
Mag Claudians Schilderung des tiefen Schmerzes, mit welchem die Truppen von dem geliebten Feldherrn schieden und ihres Hasses wider Rufinus (in Ruf. II, v. 257–290) übertrieben sein, so ist doch gewiß, daß deren Stimmung Stilichos Racheplan trefflich unterstützte. Von Heraklea aus ward über den feierlichen Empfang der Truppen durch den Kaiser selbst verhandelt, der auf einer Ebene vor Konstantinopel stattfand. Mit diesem erschien nun auch der von Hoffnung und Stolz geschwellte Rufinus, fast den ersten Platz sich anmaßend, vor und auf dem Throngerüst, das in gewohnter Weise von den Truppen rings umschlossen ward. Da gibt Gaina die verabredete Parole und plötzlich dringen diese auf den Präfekten ein, hauen ihn in Stücke und tragen Haupt und Hände des allgemein Verabscheuten triumphierend in der Stadt umher.
Auch Arcadius, wie schmählich die Verletzung seiner Majestät war, mag sich, von seiner Gemahlin Eudoxia und des Rufinus gefährlichstem Rivalen, dem Verschnittenen Eutropius, wider jenen aufgereizt, der Katastrophe heimlich erfreut haben, die ihn von einer verhaßten Herrschaft zu befreien schien, in der Tat aber diese nur auf ein anderes, noch unwürdigeres Haupt übertrug. Wie Eutrop des Rufinus Plan, seine Tochter Arcadius zu vermählen, zu vereiteln und während einer Abwesenheit des Erstern, ihn mit Eudoxien zu verbinden wußte, gehört nicht hierher. Eutrop, nicht besser, aber geistig unbedeutender als Rufin, ward der Erbe der Macht und Güter dieses Letzteren. Damals nur einer der Cubicularier (Kammerherren), ward er bald zum Oberkammerherrn befördert. Die Kaiserin blieb seine Hauptstütze.
Dies geschah nach Sokrates' (VI, 1) und Tillemonts Ausführung (in Note 4 zu Arcad., S. 1032) am 27. November 395, welchesfalls aber die Aufschrift des Gesetzes vom 12. Dezember dieses Jahres im Just. Cod. (I, 37, 2), das noch an Rufinus gerichtet ist, falsch sein muß.
Näher und schlagender als in irgend einem frühern und spätern berühren sich in dem denkwürdigen Jahre 395 der Untergang der römischen, der Aufgang der germanischen Welt
Indem Theodosius abgeht, tritt Alarich auf die Weltbühne: dem letzten Wahrer des Gesamtreichs in beinah unverminderter Macht folgt der erste Eroberer der ewigen Roma.
Alarich war nach Claudian (de IV. Cons. Honorii, v. 105), den freilich bei derartigen Bezeichnungen das Versmaß oft mehr leitet als die Wahrheit, auf der Insel Peuke zwischen den Mündungen der Donau geboren und muß im zartesten Kindesalter auf römisches Gebiet mitgeführt worden sein. Jordanis sagt Kap. 29: die Goten hätten denselben, da er aus dem Geschlechte der Balten, welchem der zweite Adel nach den Amalern zukam, entsprossen sei, zu ihrem König erhoben. Die unten abgedruckte Stelle Ordinant super se regem Alarigum, cui erat post Amalos secunda nobilitas, Balthorumque ex genere origo mirifica, qui (quod? D.) dudum ob audadam virtutis Balth, id est audax nomen inter suos acceperat. leidet wegen des Nachsatzes an einiger Dunkelheit, indes ist Ludens Erklärung derselben (II, Note 7, S. 569), wonach Alarich selbst erst das Geschlecht der Balten gegründet habe, obwohl auch Aschbach (S. 66) ihr beizupflichten scheint, offenbar falsch, wie dies Löbell (in: Gregor von Tours, S. 522/3, Note 2) und Köpke (S. 121 und 122) richtig ausführen. (Vergl. die Anm. zu Kap. 29 in Closs Ausg. d. Jord. Stuttgart 1859.)
Jordanis, wie unzuverlässig er sonst ist, redet hier offenbar die Wahrheit. Der Geschlechtsadel bestimmte nach der germanischen Urverfassung die Volkswahl eines Königs. Alarich war geborener Edeling (d. h. Haupt der edeln und gliederreichen, weitverzweigten Fara der Balten D.): »Phylarch« nennt ihn Olympiodor (Bonn. Ausg., p. 448), und ward von den Westgoten damals, da selbständiges Machtbewußtsein im Volke neu erwachte, zum König erhoben. Daß derselbe namentlich kein nur für einen bestimmten Feldzug erwählter Herzog war, setzt die Geschichte der Folgezeit außer Zweifel.
Unter ihm bilden sich zuerst ein germanisches Volk und ein germanischer Staat, die, von dem Boden und den urwüchsigen Formen der Heimat losgerissen, die Gründung eines neuen Reichs auf dem Gebiete des alten Roms anstreben Gewiß lag bei der ersten Erhebung im Jahre 493 noch nicht die klar bewußte Absicht, aber doch die Neigung dazu schon vor. und vollführen.
Der Zeitpunkt dieses Weltereignisses – denn ein solches war Alarich Erhebung – ist nicht genau zu bestimmen, wahrscheinlich aber, daß erst die Bewährung seiner großen Eigenschaften, vielleicht schon der Zug vor Konstantinopel, den Ausschlag gab. Gewiß ist, daß der Gedanke daran erst nach des Theodosius Tode erwachen konnte und Alarich, den nur die Zwietracht zwischen Ost- und Westrom groß gezogen, seiner hohen Begabung unerachtet, in der Wiege erdrückt worden wäre, wenn er sich gegen einen einheitlichen Herrscher von nur mäßiger Kraft zu erheben gewagt hätte.
Als römischer Soldat aufgewachsen, von der imponierenden Vollkommenheit römischer Machtorganisation durchdrungen, war er auch weit entfernt, diese brechen und das rohe germanische Volkstum an deren Stelle setzen zu wollen.
Auf die Würde eines Magister militum war sein höchster Ehrgeiz (– d. h. für das, was er von Rom wollte – D.) gerichtet: weiterhin wollte er zwar gewiß nicht dienen, sondern herrschen (– als nationaler König seines Volkes – D.): keineswegs aber auf den Trümmern des alten Staats einen neuen aufbauen, sondern in und mit dem römischen Staatswesen, ja scheinbar unter, jedenfalls mindestens neben römischen Machthabern regieren.
Es war derselbe Grundgedanke, den der noch größere Theoderich ein Jahrhundert später, nur gereifter und ungleich selbständiger, zur Ausführung brachte.
Wir bitten den Leser, diese erste Auffassung der Zeitaufgabe durch Alarich (– diese angestrebte römische und germanische Doppelstellung – D.) sich recht lebendig einzuprägen, weil sie, im Geiste fast jedes bedeutenden Germanenfürsten sich wiederholend, den Schlüssel zur Geschichte der Folgezeit: – des Umsturzes der alten wie des Aufbaues der neuen Welt bildet.
Die letzten Jahre des vierten Jahrhunderts, das, mit Diokletian beginnend und nahezu mit Theodosius schließend, seit Trajan das glänzendste und doch das letzte Roms war, verliefen ohne geschichtliche Bedeutung.
Im Jahre 398 vermählte Stilicho, unstreitig um zu verhüten, daß sein kaiserlicher Pflegebefohlener nicht einmal, wie Arcadius dem Rufinus, durch die Liebe und Ehe seinem Einflusse entzogen werde, den kaum vierzehnjährigen Honorius mit seiner Tochter Maria, die in noch zarterem Kindesalter stand – eine Namen-Ehe, die nie zur Vollziehung gelangt zu sein scheint.
Das darauf folgende Jahr 399 brachte für Eutropius, den faktischen Beherrscher des Orients, zugleich den Gipfel der Größe und schmachvollen Sturz.
Im Ostreich gab es damals nur noch im Heer und in Phrygien und Umgegend kolonisierte, zugleich aber wohl auch in einem Militärverbande stehende Goten, letztere nach Claudian (in Eutr. II, v. 153) Greutungen, die, wenn nicht früher schon, jedenfalls seit des Theodosius erster Zeit dort angesiedelt waren.
Mochte schon Alarichs Vorgang rebellische Gelüste in diesen geweckt haben, so mußte die Schwäche ihres eigentlichen Gebieters, Eutrops, solche um so mächtiger fördern, da dieser, nur auf Vermehrung seiner eigenen unermeßlichen Schätze bedacht, nicht einmal die Treue der Häuptlinge der Goten sich zu erkaufen wußte.
Sehr ausführlich berichtet Zosimus (V, 13–22) die nun folgenden Ereignisse, die Claudian in seinem II. Buch in einzelnem abweichend, unzusammenhängender, aber nicht bis zum Schlusse darstellt.
Nach Ersterm wäre Gaina, damals wahrscheinlich schon Magister militum (s. Tillemont, Note 27 zu Arcad., S. 1067), der geheime Anstifter des Aufstandes gewesen, an dessen Spitze sich im Beginne des Jahres 399 Tribigild, Befehlshaber eines in Phrygien stehenden ostgotischen Reiterregiments, stellte, den Eutropius durch Kargheit beleidigt hatte.
Seine Mannschaft und im Reiche zerstreute Goten, auch wohl Gesindel um sich sammelnd, zog dieser raubend, brennend und mordend im Land umher. Ihm ward Leo, ein Günstling Eutrops, entgegengesandt, Gaina zur Deckung Thrakiens an der Küste aufgestellt. Dieser soll nun Tribigild sich ihm zu nähern aufgefordert, Letzterer aber die geheime Weisung nicht empfangen oder ihr nicht getraut haben, daher weiter ab nach Pisidien vorgedrungen sein. In diesem Gebirgslande war dessen Reiterei ohnmächtig und so gelang es einem tapfern kriegskundigen Provinzialen, Valens, mit rasch gesammelter Mannschaft denselben in einer Felsenschlucht fast zu vernichten, so daß er nur mit dreihundert Mann entrann. Doch erhob er sich wieder: gotische Truppen, die Gaina wider ihn sandte, gingen zu ihm über, und der unkriegerische Leo ward von ihm überfallen und vernichtet. Da er wiederum in Phrygien einrückte, schien die Gefahr für das Reich zu wachsen, die Gaina in seinen Berichten mächtig vergrößerte: ja er erklärte geradezu, daß sie nur durch Nachgiebigkeit, d. i. durch Auslieferung Eutrops an Tribigild, worauf derselbe bestehe, abgewendet werden könne. Der Allmächtige hatte inzwischen auch die Kaiserin schwer beleidigt, so daß der von zwei Seiten bedrängte Kaiser sich endlich ermannte und Eutrops Entsetzung aussprach.
Da brach plötzlich die Hochflut des allgemeinen Abscheues so gewaltig wider diesen aus, daß er nur in einer Kirche sein Leben retten konnte. Mit hoher Unerschrockenheit verteidigte Sankt Chrysostomus zu Gunsten des Mannes, der auch sein Feind war, das heilige Asylrecht.
Nach einiger Zeit ward Letzterer indes, anscheinend im Wege der Verhandlung, aus dem Gotteshaus entfernt und nach Zypern in Verbannung geschickt, auf Gainas fortwährendes Andringen jedoch wieder zurückgeholt und endlich mit unredlicher Umgehung eidlicher Zusicherung zu Chalkedon hingerichtet.
Der Tod ihres Feindes aber entwaffnete Gaina und Tribigild nicht. Sie rückten an die Meeresscheide beider Weltteile. Noch mußte Arcadius zu Gainas Sühne ihm drei der angesehensten Männer ausliefern, den Konsul Aurelian, den Konsular Saturnin und seinen innigsten Vertrauten Johannes. Doch begnügte sich Gaina – so viel vermochte schon das Christentum – dieselben, nachdem er ihnen das bloße Schwert an den Hals gesetzt, unverletzt in Verbannung zu schicken.
Der Entscheidungsschlag rückte heran. Gaina besetzte mit seinen Truppen Konstantinopel, woraus er die kaiserlichen Garden möglichst zu entfernen gesucht hatte. Für seine Person zu dem Heere vor der Stadt sich begebend, verabredete er nun gleichzeitigen Angriff von innen und von außen, sich der Stadt ganz zu bemächtigen. Der Anschlag aber mißlingt: er rückt zu früh heran, die erschreckten Verteidiger wehren dessen Volk von Toren und Mauern ab, indes die unermeßliche Bevölkerung, angesichts ihrer drohenden Vernichtung, zu jeglichen Waffen gegen die gotische Besatzung greift. Ein furchtbarer Straßenkampf beginnt, in welchem die Bürger und die zurückgebliebenen kaiserlichen Haustruppen Sieger bleiben.
Mehr als 7000 Goten retten sich in eine christliche Kirche, wo sie, nach Abdeckung des Daches von oben her mit brennendem Holze beworfen, durch das sich im Innern weiter verbreitende Feuer vernichtet werden.
Gaina geht nun, sich zurückziehend, zu offenem Krieg über, vermag aber, den Angriff fester Plätze scheuend, nur das platte Land schonungslos zu verheeren.
Da er sich in dieser Wüste nicht mehr halten kann, versucht er nach Asien überzugehen. Hier aber findet er den in der höchsten Not mit dem Befehle betrauten treuen Fravitta auf der andern Seite des Hellespont sich gegenüber.
In dem Glauben, diesem überlegen zu sein, beschließt er den Übergang und wirft dazu an der schmalsten Stelle der Meerenge bei Abydus seine Truppen auf rasch erbaute Flöße. Fravitta, dem eine in den großen Küstenstädten gesammelte Flotte zu Gebote steht, segelt oder rudert aber mit dem Admiralschiffe sogleich das nächste Floß in Grund und Boden, und so werden, von dessen Beispiele angefeuert, fast alle feindlichen Fahrzeuge vernichtet. Gaina entflieht mit geringem Volke nach Thrakien, Fravitta, der Heide, aber wird von dem geretteten und dankbaren Kaiser für das nächste Jahr 401 zum Consul designiert.
Gaina, als Flüchtling sich umhertreibend und an fernerem Widerstande verzweifelnd, rettet sich, nachdem er vorher noch alle Römer umgebracht, über die Donau.
Hier aber versagt ihm der Hunnenfürst, Uldes (Zosim. 22), wohl nur Stammhäuptling, dem zugleich an Roms Gunst liegt, die Aufnahme: Gaina kämpft um seine Erhaltung, wird aber, nachdem er in mehreren scharfen Treffen viel Volkes verloren, endlich besiegt, getötet und sein Haupt dem Kaiser übersandt. An allerlei Zweifeln, auch chronologischen fehlt es nicht: doch beweist Fravittas Designation zum Konsulat welches er im Jahre 401 antrat, das Ende des Kampfes im Jahre 400.
Bemerkenswert ist dies Stück Geschichte für unsern Zweck vor allem dadurch, daß es uns die Stellung und Rolle der Goten im Ostreiche klar macht: wie daselbst unter einer freilich elenden Regierung nicht nur alle Gefahr, sondern auch die Rettung allein von diesem Volk und dessen Führern ausging, jene von einem christlichen, diese von einem heidnischen.
Rom stand an der Wende zweier Jahrhunderte.
Mit Schmerzenslauten begrüßt das kommende der heilige Hieronymus (in T. I. epist. 3, p. 15), indem er schreibt:
»Zwanzig und mehr Jahre sind vergangen, seit die Länder zwischen Byzanz und den julischen Alpen in Blut schwimmen. Skythenland, Thrakien, Makedonien, Dardanien, Dakien, Griechenland, Dalmatien und die beiden Pannonien werden verwüstet, geplündert und ausgeraubt von Goten, Sarmaten, Quaden, Alanen, Hunnen, Vandalen und Markomannen. Wie viele Matronen, wie viele der Kirche geweihte Jungfrauen und wie viele freigeborene und edle Menschen wurden nicht das Opfer des Hohns dieser den Raubtieren gleichenden Barbaren!
Bischöfe wurden als Gefangene fortgeschleppt, Priester und andere Geistliche gemordet, Kirchen wurden umgestürzt, Rosse an den Altären angebunden und sogar die Gebeine der Märtyrer werden aus dem Boden herausgewühlt. Wohin das Auge blickt, herrscht Trauer, Schmerz und das Bild des Todes. Das römische Reich stürzt in Trümmer, aber unser (d. h. der Kirche) starker Nacken bleibt dennoch ungebeugt.«
Selbst in den Provinzen, wohin Krieg und Raubfahrt nicht gedrungen waren, herrschten Verödung und Verarmung.
In dem sonst so reichen und volkreichen Campanien wurden durch ein Gesetz vom Jahre 401 (Cod. Th. XI, 28, 3) 528 042 Jucharte, gegen vierundzwanzig Quadratmeilen, wüsten Landes den benachbarten Grundbesitzern steuerfrei zugeteilt. In Gallien, das seit mehr als vierzig Jahren von feindlichen Einbrüchen verschont war, verfielen selbst die Städte, weil die gewerbetreibenden Bewohner in abgelegene Wildnis flüchteten, weshalb deren zwangsweise Zurückführung durch ein anderes Gesetz vom Jahre 400 (Cod. Th. XII, 19, 3) verordnet ward.
Das war die Folge zunächst von Steuerdruck und Beamtenwillkür: (nach tieferer Ergründung: das Ergebnis der Sklavenwirtschaft, des Verfalls der Gesellschaft, des Verschwindens eines freien wohlhabenden Mittelstandes von Bauern und Bürgern, der verderblichen volkswirtschaftlichen Zustände, die schon vor Julius Cäsar begonnen hatten. D.). Immer mehr wuchs auch damals die Zahl der Hörigen, da sich viele, um Nahrung und Schutz zu erlangen, freiwillig reichern und angesehenern Herren unterwarfen. Aber auch die der Laeten mehrte sich bedeutend, da mit der Bevölkerung der Germanen überhaupt auch die Neigung der Besitzlosen, in römischem Dienst auf römischem Boden ihr Glück zu versuchen, zunahm. (S. Cod. Th. VIII, 11, 9 und Huschberg, S. 408 und 409.)
Viermal hatte die Republik den Feind in Italien gesehen: Brennus, Pyrrhus, Hannibal und die Kimbrer: aber die Gefahr war vorübergehend, des Sieges Folge dauernd gewesen.
Die Kaiserzeit war glücklicher: von der raudischen Schlacht 101 v. Chr. bis zu Gallienus, an dreihundertundsechzig Jahre lang, betrat kein Barbar den ausonischen Boden. Das kurze Vordringen der Markomannen und Genossen bis Aquileja unter M. Aurelius bildet keine wesentliche Ausnahme.
Darauf eine kurze Zeit isolierter Einbrüche ohne systematischen Plan von zehn bis elf Jahren, denen der gewaltige Aurelian für hundertunddreißig Jahre ein Ziel setzte.
Mit West-Roms letztem Jahrhundert erst wandelt sich die Szene. Zuerst zwar, so lange dessen Schutzgeist Stilicho lebt, scheitert jeglicher Angriff, nach dessen Sturz aber tränkt der Germane seine Rosse in dem Tiber.
Wir verließen Alarich gegen Ende des Jahres 395 als oströmischen Befehlshaber in Epirus und Umgegend, wozu er spätestens gleich nach des Rufinus Tode durch Eutropius berufen worden sein muß. (Claudian in Eutr. II, 214–219.) In diesem Manne lebte das Bewußtsein von seinem und seines Volkes Berufe. (Claud. d. b. g. v. 538.)
Als römischer Militärbefehlshaber, dux, zugleich aber unstreitig auch Zivilgouverneur seiner Provinz, deren Umfang wir nicht genau kennen Nach Claud. d. b. g. v. 499: Servator ut icti foederis Emathia (Thessalia) tutus tellore maneres hätte auch Thessalien dazu gehört. Doch sind die geographischen Bezeichnungen des Dichters, wobei auch Klang- und Versmaß ihn leiteten, oft unzuverlässig., beutete er deren Hilfsquellen, namentlich deren Waffenfabriken, planvoll für Verstärkung, Ausbildung und Rüstung eines römisch geschulten Heeres und gewiß auch zu Ansammlung eines Schatzes aus. Auch die Politik hatte er, an der Grenze beider Reichsteile gelagert, den Römern abgelernt, da Stilicho (d. b. get. v. 567–569) von ihm sagt: »Nicht seine Macht, sondern der in Bürgerhaß gespaltene Erdkreis hat ihn so lange geschützt, da er mit den Verträgen spielt und seinen Eidbruch bald diesem, bald jenem Hofe verkauft.«
Unzweifelhaft hemmte Ostrom, das sich Alarichs um jeden Preis zu entledigen suchte, durchaus nicht (Die erste Ausgabe nahm sogar Förderung Alarichs durch Byzanz an. D.) dessen (selbständig beschlossene D.) Unternehmung gegen Italien, zu welcher er um so geneigter sein mußte, als das gesamte Süddonauland bereits ausgeraubt, jenes mit seinen Schätzen allein noch unberührt war. Im Winter 401 1. Über den Zeitpunkt von Alarichs Einfall in Italien schwanken die Quellen. Prosper Aquitanus, dem Cassiodor in seiner Chronik folgt, setzt denselben in das Consulat von Stilicho und Aurelian, d. i. 400, die von Cuspinian herausgegebene Chronik, und der von Mommsen als eine der besten und zuverlässigsten Quellen des fünften Jahrhunderts edierte ravennatische Annalist (Abhandl. d. philol.-histor. Classe d. K. S. Gesellsch. d. Wissensch. Leipzig 1850. II, S. 665) Allerdings sind dessen Worte mit denen Cuspinians sowohl an dieser Stelle, als sonst beinahe durchgehend gleichlautend, so daß man auch an Identität beider Quellen denken könnte. in das von Vincentius und Fravitta 401. Dieser Widerspruch wäre leicht zu lösen, wenn man den Winter 400/1 annähme, und die Verschiedenheit nur in dem als entscheidend betrachteten faktischen Momente suchte, z. B. etwa Aufbruch aus Epirus, Ankunft vor den julischen Alpen, oder vor Aquileja. Dem steht aber das von den beiden zuletzt genannten Chronisten beigefügte Datum vom 18. November 401 entgegen.
Pallmann (Gesch. d. Völkerw. bis zum Tode Alarichs, Gotha 1863, S. 235), nimmt zwar letzteres Jahr ebenfalls an, will dies aber mit der Angabe der meisten Chronisten dadurch vereinigen, daß jene das Jahr 400 als das von Alarichs Aufbruch angäben, während die zweite Version sich auf das seiner Ankunft in Italien beziehe.
Dies ist aber irrig, da Prosper Aquitanus vom Jahre 400 ausdrücklich sagt: Gothi in Italiam ingressi, keiner der übrigen aber, außer Cassiodor, der ihn wohl nur kopiert, jenes Ereignisses überhaupt gedenkt.
Ganz unzweifelhaft ist hiernach das Jahr 401 für das richtigste zu halten (Für das Jahr 400 entscheidet aber, daß am 14. Januar 401, dem Geburtsfest des heiligen Felix, Paulinus zu Nola tief in Campanien bereits von Treffen und anderen Schrecken dieses Krieges schreibt; s. Dahn, Könige V, S. 36. D.), indem sich der ganze Hergang, namentlich Stilichos Winterreise, dadurch auf das Einfachste und Natürlichste erklären würde. Gleichwohl haben wir Bedenken getragen, dies im Text ohne Weiteres für richtig anzunehmen, vielmehr den Beginn des Jahres 401 festgehalten, dadurch aber mindestens nachgewiesen, daß sich auch mit diesem Datum die Kontinuität des Feldzuges bis zur Schlacht von Pollentia wohl vereinigen lasse, da wir jedenfalls Gibbons (c. 30 nach Note 27) und Aschbachs (S. 72) Vermutung einer langen Unterbrechung des ganzen Krieges durch Alarichs Rückzug an die Donau für so handgreiflich irrig halten, daß deren nähere Widerlegung überflüssig erscheint.
Noch bemerken wir, daß Jordanis (c. 29) zwar ebenfalls das Jahr 400 anführt, für Alarichs ersten Einfall in Italien aber gar nicht als Quelle brauchbar ist. Das von diesem allein näher handelnde Kapitel 30 kann nämlich, ohne irgend einen Auszug aus Cassiodor, aus halbvergessenen Reminiszenzen zusammengebraut sein, und ist dadurch sehr verworren geworden.
Läßt er doch Honorius, um sich Alarichs zu entledigen, Gallien und Spanien an diesen feierlich abtreten, worauf Letzterer nach seinem Abzug aus Italien, nec quicquem mali in Italia perpetrato, von Stilicho bei Pollentia (also in Italien) völkerrechtswidrig (dolose) angegriffen, wobei aber der Römer auf das Haupt geschlagen wird. Dies erregt die Wut der Goten, welche nun wieder zurückkehren, das Land verwüsten und Rom selbst einnehmen.
2. In Prosper Aquitanus heißt es unter dem Jahre 400: Gothi Italiam Alarico et Radagaiso ducibus ingressi, wobei sich aus der spätern Wiedererwähnung des Radagais unter dem Jahre 405 ergibt, daß der Chronist bei jener ersten Erwähnung nicht etwa des Letztern spätern selbständigen Einfall in Italien irrtümlich vor Augen gehabt habe.
Da wir keinen Grund haben, die Nachricht vom ersten Jahre für erdichtet zu halten, mit Sicherheit aber annehmen dürfen, daß Alarich sich damals durch germanische Hilfsscharen verstärkt habe, so halten wir Radagais für den Anführer einer oder mehrerer solcher, und glauben, daß er nur seiner spätern Berühmtheit die Aufzeichnung seines Namens bei dem ersten Einbruche verdankt, obgleich dessen damalige Stellung in Alarichs Heer gewiß nur eine höchst untergeordnete war. (Siehe aber gegen diese ganze Auffassung Dahn, Könige V, S. 37.)
3. Wir haben oben bemerkt, daß Ort und Tag der in den beiden Codices abgedruckten Gesetze kein vollkommen sicheres historisches Anhalten gewähren, zumal bei der spätern Sammlung derselben in dieser Beziehung gewiß nicht mit der größten Sorgfalt verfahren wurde.
Tillemonts seltener Fleiß benutzt diese vielfach: da aber eine so zuverlässige Zusammenstellung sämtlicher Gesetze, wie sie Hänels index legum gewährt, zu dessen Zeit noch nicht vorhanden war, so können wir nicht glauben, daß derselbe diese Daten stets vollständig vor Augen gehabt habe.
Aus jenem Hilfsmittel ersehen wir nun zuvörderst, daß Honorius seit des Theodosius Tode fortwährend in Mailand residierte und daß nur ausnahmsweise einzelne Gesetze aus Brescia, Verona, Altinum, Aquileja und Ravenna, also alle in der Richtung nach dem adriatischen Meer hin, datiert sind.
Vom Jahre 401 sind sämtliche Erlasse desselben, achtzehn bis neunzehn an der Zahl, aus Mailand, nur ein einziges vom 29. September d. J. aus Altinum (drei Stunden nordöstlich des heutigen Venedig), wo wir ein Lust- und Jagdschloß vermuten, ergangen. Unerachtet unsers vorerwähnten Zweifels nun über die Zuverlässigkeit der Daten der Gesetze im Allgemeinen, scheint doch in diesem Falle bei dem Zusammentreffen so vieler derselben ein Irrtum überhaupt kaum denkbar, gerade in den Jahreszahlen aber gewiß gar nicht: wir müssen daher auch dadurch die Unsicherheit über den Zeitpunkt von Alarichs Einbruch für gehoben, und das Zeugnis des Analisten aus Ravenna für bestätigt ansehen, da es auf der Hand liegt, daß Honorius nicht im September 401 noch in Altinum sein konnte, wenn der Gotenkönig die Gegend am adriatischen Meere schon zu Anfang desselben Jahres innegehabt hätte. Wollte man selbst einwenden, Alarich könne um die Zeit Aquileja noch belagert haben, so ist doch nicht zu zweifeln, daß dessen Heer gewiß schon weiterhin vorgedrungen war, vor allem aber der junge unkriegerische Honorius sich nicht in solche Nähe des Feindes (Altinum lag nur etwa zehn Meilen von Aquileja) gewagt haben würde.
Merkwürdig ist nun, daß jenes Gesetz aus Altinum das letzte ist, welches Honorius von Ende September 401 bis zum 6. Dezember 402 überhaupt erlassen, die Gesetzgebung also während der ganzen Kriegszeit vollständig geruht hat. Gegen Ende 402, als der erste Feldzug Alarichs durch Vertrag geschlossen war, hat nun Honorius, den die in Mailand erlittene Kriegsangst eingeschüchtert haben mochte, diese Residenz überhaupt verlassen und mit dem fast uneinnehmbaren, überdies durch die See gesicherten Ravenna vertauscht, wo er mit kurzen Unterbrechungen, namentlich wegen seiner Konsulate, während deren er meist in Rom war, bis zu seinem Tode verweilte.
Wir halten dies Ergebnis, das mit allem Übrigen, namentlich mit der Leichtigkeit der ersten Einnahme des adriatischen Küstenlandes durch Alarich so trefflich übereinstimmt, für sehr wichtig. S. aber dagegen Dahn, Könige V, S. 38.
Ganz zuverlässig dagegen wird die Versicherung von Prosper Aquitanus, daß die Schlacht bei Pollentia im Jahre 402 Ganz einverstanden Dahn, Könige V, S. 39. geschlagen ward, dadurch bestätigt, daß gerade während dieses Jahres bis zu dessen Ende hin Gesetze überhaupt nicht erlassen wurden, was eine ganz natürliche Folge des Krieges war. Wenn daher Gibbon (c. 30 vor Note 43) und Aschbach (S. 73) diese Schlacht erst m das Jahr 403 setzen, so hängt dies mit deren bereits unter 1. erwähnten Ansicht einer mehr als einjährigen Waffenruhe zusammen, die für einen mit dem glänzendsten Erfolge siegreich vordringenden Eroberer wahrhaft sinnlos gewesen sein würde, indem dessen Aufgabe damals vielmehr gerade darin bestand, Stilicho, der erst ein Heer jenseits der Alpen sammeln mußte, durch Eile zuvorzukommen. Bedurfte Ersterer noch der Verstärkung, so konnte er diese, durch den Ruf seiner Siege unterstützt, gewiß auch ohne Einstellung seiner Operationen im Laufe des Winters 401/2, und zwar unstreitig schneller als Stilicho die seinigen, erlangen. Jene, unsrer Quelle widerstreitende Meinung scheint überhaupt zuerst durch Baronius aufgestellt worden zu sein, dessen Gründe Tillemont (in Note 16 zu Arcadius, S. 1420) ausführlich, jedoch in solcher Weise beleuchtet, daß man ungewiß bleiben könnte, ob er sie mehr teile oder verwerfe, wenn er sie nicht im Texte (Art. 19) ausdrücklich annähme. Dieselben sind in der Tat von kaum glaublicher Schwäche. Seit dreißig Jahren dauern die Verheerungen römischen Landes, sagen zur Zeit der Schlacht bei Pollentia Claudian (de b. g. v. 168) und Prudentius (in Symm. II, v. 115): weil nun die Goten im Jahre 373 die Donau überschritten hätten, müsse die Schlacht bei Pollentia in das Jahr 403 fallen, wobei jedoch Tillemont den hinsichtlich des ersten Jahres begangenen groben Schnitzer selbst rügt, solches richtig auf 376 feststellt, auch darauf merksam macht, daß Dichter überhaupt keine Mathematiker seien.
Wir halten es ungeeignet, über eine Meinung mehr Worte zu verlieren, welcher nur der berühmte Name eines Kardinals Annahme bei Tillemont verschafft haben kann, welchem Letztern wiederum die Neueren ohne eigene Kritik gefolgt sind (vergl. aber auch Dahn, Könige V, S. 39).
4. Stilichos Sieg bei Pollentia ist völlig zweifellos. Ganz einverstanden Dahn, Könige V, S. 39–40.
Der schamloseste Lobhudler kann doch, wenn er sich ( und seinen Helden! D.) nicht geradezu lächerlich machen will, nimmermehr spezielle Tatsachen, wie z. B. Alarichs Rückzug über den Po, wovon (d. h. von dem Nichtgeschehensein eines solchen D.) ganz Italien Kunde haben mußte, erdichten. Auch wird derselbe durch den christlichen Dichter Aurelius Prudentius Clemens, der sonst nur frommen Glaubenseifer, aber keine gewerbsmäßige Lobrednerei kundgibt (in Symmachum II, v. 696 bis 707 und 715 bis mit 720) bestätigt. Die wichtigsten Stellen daraus hat Aschbach (S. 74) angeführt. Wir fügen aber noch v. 743 und 744 hinzu, wo er, den Gegensatz zwischen Alarichs und Hannibals Besiegung, welchen letztern mehr der Luxus Campaniens geschwächt habe, hervorhebend, sagt:
At noster Stilicho congressu cominus ipsa
Ex acie ferrata virum dare terga coegit. |
Prudentius aber gab, wie aus dessen Vorrede hervorgeht, seine Gedichte im Jahre 405, also kurz nach dem Kriege heraus.
Endlich hat sich ja die Inschrift des damals den Kaisern errichteten Triumphbogens mit den Worten: ad perenne indicium triumpho, quo Getarum nationem in omne aevum domitam etc. erhalten. (Mabillon, Analecta IV, S. 359, Gruter und Muratori.) Diese bezieht zwar Tillemont (V, art. XXIII, S. 1173) auf den Triumph über Radagais; das ist aber (wie auch Gibbon und Aschbach anerkennen) offenbar unrichtig, da an dessen Einfall in Italien die eigentliche natio Gothorum Vergl. über diese Inschrift oben. mit ihrem König Alarich gar nicht Teil genommen hatte.
Gehen wir nun zu den Zweifelsgründen über, so könnten zuvörderst die Worte des Prosper Aquitanus: Pollentiae adversum Gothos vehementer utriusque partis clade pugnatum est, allerdings eine unentschiedene Schlacht andeuten. Die Notiz ist auch gewiß richtig, aber unvollständig und dadurch ungeschickt, weil sie die Hauptsache, die Folge der Schlacht, unerwähnt läßt.
Cassiodor in seiner Chronik, welche den Goten den Sieg zuschreibt, verdient keinen Glauben, weil sein Geschichtswerk, dem er auch in seiner Chronik folgen mußte, politische Tendenz- und Parteischrift war. Daher aber auch Jordanis in seinem 30. Kapitel nicht, der jenen Gotensieg nur von Ersterem entlehnt haben kann.
So bleibt denn nur eine einzige an sich beachtungswerte Quelle, der Zeitgenosse Orosius (VII, 37), übrig. Derselbe sagt: Taceo de infelicibus bellis apud Pollentiam gestis, quum barbaro et pagano duci, hoc est: Sauli belli summa commissa est: cujus improbitate irreverendissime dies et sanctum Pascha violatum est: cum quidem, ostendente in brevi judicio Dei, et quid favor ejus posset et quid ultio exigeret, pugantes virimus, victores victi semus.
In der ersten Zeile nennt nun der theologische Apologet, der im Jahre 417 seine Werke vollendete, die Schlacht bei Pollentia offenbar nur um deswillen eine unglückliche, weil sie mit einer Schändung des heiligsten Festes der Christenheit begann. In der siebenten bis zehnten aber, nach welcher das Gericht Gottes bald (in brevi) erwiesen habe, was dessen Gnade, wie dessen Züchtigung vermöge, bezieht sich offenbar nur das: pugnantes virimus auf die Schlacht bei Pollentia, das victores victi sumus aber auf Roms spätere Eroberung durch Alarich. Nicht in den Wechselfällen einer Schlacht, während deren Verlauf, sondern nur am Ausgang und Erfolge derselben kann sich doch Gottes Gericht offenbaren, wozu noch kommt, daß bei Pollentia die Römer gerade zuerst im Nachteil waren und später erst siegten, da man doch wahrlich Claudian nicht mißtrauen wird, wenn er deren Reiterei durch die Goten gefahrdrohend geschlagen zeigt.
Schon Arevalus hat in seiner Ausgabe des Prudentius zu der betreffenden Stelle (in Sym. II bei Vers 696) Orosius richtig verstanden (s. die neueste Ausgabe des Prudentius durch Albert Dressel, Leipzig 1860, zu der betreffenden Stelle): es ist daher auffallend, daß dies weder von Tillemont noch von Aschbach geschehen ist, während Gibbon sich auf nähere Kritik der Zweifel überhaupt nicht einläßt, sondern einfach nach Claudian Stilichos Sieg annimmt.
Eine grobe Ungenauigkeit des Orosius in obiger Stelle ist es ferner, wenn er den Saulus, der nur die Reiterei befehligt haben kann, gewissermaßen als Oberbefehlshaber des römischen Heeres darstellt.
5. Aschbach, obschon über die Schlacht im Wesentlichen Claudian folgend, sagt (S. 75): »Alarich, sich nicht für besiegt haltend, bestimmte sich, schnell auf Rom loszugehen. Durch Einverständnis mit einigen gotischen Führern entdeckte aber Stilicho dessen Absicht, und traf seine Anstalten so gut, daß jener nicht wagen durfte, seinen verwegenen Plan auszuführen.«
Merkwürdiger Beweis, wie einem verdienten Gelehrten jedes militärische Urteil, ja selbst die Orientierung auf der Landkarte abgehn kann. Ein geschlagenes, wenn auch noch starkes und unternehmungskräftiges Heer soll, das siegreiche feindliche im Rücken lassend, über den noch heute nur auf wenig Punkten passierbaren Apennin gehen, um das über sechzig Meilen vom Schlachtfelde entfernte stark befestigte Rom Daß die Wiederherstellung der Mauern Roms gleich nach Alarichs Einfall in Italien und nicht erst nach dem Siege bei Pollentia mit größtem Eifer betrieben wurde, versteht sich von selbst und auch die hierauf bezügliche Phrase Aschbachs kann heute kaum einen anderen Sinn haben. anzugreifen, dessen spätere wirkliche Einnahme Alarich, als er keinen Stilicho mehr hinter sich hatte, noch so schwer wurde.
Es ist nicht nötig, darüber mehr Worte zu verlieren und nur noch zu bemerken, daß die nächste Militärstraße über den Apennin, die von Faventia (Faenza) nach Florenz führende, noch über vierzig Meilen vom Schlachtfelde entfernt war. Die heutige Straße von Bologna nach Florenz bestand in römischer Zeit noch nicht.
Zu dieser wunderlichen Ansicht kann der sonst so achtbare Forscher offenbar nur durch einige Verse Claudians verleitet worden sein, der Alarich in dem Monologe, den er ihm bei dem endlichen Abzug in den Mund legt (v. 291–297 d. VI. C. H.), ungefähr folgendes sagen läßt: »Wenn ich nun (d. i. nachdem ich noch stark an Kräften nach der Schlacht bei Pollentia am Fuße des Apennin anlangte, v. 84–86) noch über diese Bergkette gezogen wäre, wie dies früher (d. i. im Beginne des Feldzuges) mein Plan war, was hätte ich da in verzweifelter Lage noch vermocht? Ruhmvoller wäre ich alles verbrennend vorgedrungen und gewiß hätte ich Dich, Rom, in Deiner Nähe sterbend gesehen und dem durch die Fruchtgefilde uns folgenden Sieger wäre unser Untergang selbst noch Schaden bringend geworden.«
Poetische Phantasien, in denen niemand einen wirklichen Kriegsplan nach der verlornen Schlacht suchen und noch weniger finden wird. (Vergl. jedoch Dahn, Könige V, S. 40: Alarich konnte später wieder vordringen.)
begann er seinen denkwürdigen Feldzug.Wie dem Ausbruch des Gewitters einzelne dunkle Wolken vorausziehen, die der Sturm nachher zu schwarzem, vernichtungsschwangerem Unwetter zusammenballt, so mögen auch damals schon in den germanischen Völkern, die zwischen den Hunnen und Alemannen jenseits der Donau saßen, Bewegungen eingetreten sein, die wir als Vorzeichen des wenige Jahre später ausgebrochenen Völkersturms zu betrachten haben.
Dies mag Alarich in doppelter Hinsicht benutzt haben, einmal, weil Stilicho dadurch in Rätien beschäftigt ward, wohin Barbaren, wenn auch gewiß nicht in gefahrdrohender Menge, eingebrochen waren Claudian de b. g. v. 280:
Non si perfidia nacti penetrabile tempus
Irrupere Getse, nostras dum Raetia vires Occupat atque alio desudant Marte cohortes. |
Alarichs erste Erfolge waren, wie wir aus fünf Stellen Claudians (d. b. g. v. 207–217, 280–290, 472–473, 534 und 563 und 564) ersehen, glänzend. Er überschritt die ihm von dem Feldzuge des Jahres 394 her wohlbekannten Alpenpässe, nahm feste Städte ein, ganz gewiß wenigstens Aquileja Daß dies so leicht geschehen sei, wie der Dichter v. 270 d. VI. C. Hon. sagt: Protento leviter frangebat moenia conto ist poetische Übertreibung, indem er hier nur den Gegensatz zwischen dem glänzenden Beginn und dem schmachvollen Ende des Feldzugs hervorheben will. Die Belagerung Aquilejas durch die Barbaren wird übrigens nach Tillemont (V. 3, Not. 14) auch durch eine Stelle des Hieronymus (contra Rufinum I, 3, c. 6, p. 239) erwiesen. und gewann eine Schlacht an dem hier strömenden Timavus V. 563, wo Stilicho sagt:
deploratumque Timavo
vulnus et Alpinum gladiis abolete pudorem. |
Ungeheure Furcht in Rom, durch üble Vorzeichen mächtig gesteigert: der Gedanke an Flucht nach Sardinien und Korsika ergreift die Gemüter. Durch Gallien, Spanien und Britannien fliegt das Gerücht Rom sei schon gefallen, (v. 201–269.)
Da war es, fährt Claud. (v. 280) fort, Stilicho allein, der, schmachvoller Flucht wehrend, Rettung verhieß.
Er eilte, um ein Heer jenseits der Berge zu sammeln, in Person den Comer-See hinauf, was frühestens im Spätherbst geschehen sein muß, da Claudian von dessen Winterreise spricht, brachte daselbst aus dem ganzen Reiche, selbst aus Britannien, und gewiß auch aus Söldnern der Nachbarvölker, eine ansehnliche Streitmacht zusammen und beschwichtigte die Germanen, auf die er einen wunderbaren Einfluß ausgeübt haben muß, dergestalt, daß er die Rheingrenze unbedenklich entblößen konnte.
Wie kam es nun, daß Alarich, Stilichos Abwesenheit benutzend, nicht sogleich weiter vorrückte? Dies ist eins von den mehrern, wegen Unvollständigkeit der Quellen, unlöslichen Rätseln Vergl. über die Chronologie und die Wechselfälle dieses Feldzugs auch Dahn, Könige V, S. 36 und die dort erörterte Literatur. in diesem Kriege.
Hatte sich dessen Festsetzung im heutigen Istrien und Venetien durch den Widerstand der Festungen bis gegen Ende des Sommers 401 ausgedehnt, so daß er, der Erholung und Verstärkung seines Heeres bedürftig, den weitern Feldzug, bei dem doch der Apennin zu überschreiten war, bis zum Jahr 402 auszusetzen nötig fand, oder unterhandelte er, was gar nicht unwahrscheinlich ist, zuvörderst mit Stilicho, in welchem er sicherlich einen gefährlichen Gegner erkannte, hoffend, auf diesem Weg eine befriedigende Stellung im Westreich zu erlangen? Wir wissen es nicht.
Zu Abwehr des Feindes ward folgendes vorgekehrt. Aurelians größtenteils bereits verfallene Umwallung Roms wurde sorgfältig wieder hergestellt und verstärkt, wie sie in diesem Zustande zum Teil heute noch erhalten ist. Nach Niebuhr, Vortr. ü. a. G., S. 329 sieht man in der auf jene Herstellung bezüglichen Inschrift an der porta St. Lorenzo noch Spuren von Stilichos Namen. (Claud. d. IV. Cons. Hon., v. 528–536.) Das italische Heer ward, unstreitig auf den Straßen von Verona und Mantua nach Mailand, wo Honorius residierte (34, 3), aufgestellt. Dahin mußte Alarich seinen Angriff richten, weil ein Marsch über den Po und Apennin auf das neubefestigte Rom dann der Gefahr ausgesetzt hätte, durch das auf der Via Aemilia vorrückende römische Heer vom Rückzuge abgeschnitten und zwischen dem Gebirge und Meere eingeschlossen zu werden.
Am Vordringen nach Mailand konnte derselbe durch die zurückgelassene Streitkraft nicht gehindert werden: wohl aber durfte Stilicho erwarten, daß die Überschreitung der im Winter und Frühjahr so reißenden Flüsse, welche sich von den Alpen ergießen (darunter Etsch, Mincio, Oglio und Adda die bedeutendsten sind), dessen Marsch aufhalten würde, bis der Retter mit seinem Hilfsheere rechtzeitig vor Mailand würde anlangen können. Die Natur aber begünstigte durch ungewöhnlichen Wassermangel den Goten (d. b. g. v. 527–530), der noch vor Ablauf des vollen Winters aufbrach. De IV. Cons. Hon. v. 443:
Jam Ligurum trepidis admoverat agmina muris
Tutior auxilio brumae. |
Bereits hatte er die Adda erreicht und sich der Brücke, unstreitig pons Aureoli zwischen Bergamo und Mailand, bemächtigt, schon erfüllte ihn die Hoffnung, die Residenz umlagern und den hilflosen Kaiser in seinen Ängsten zu einem schimpflichen Frieden zwingen zu können (v. 545–549), schon erblickte letzterer die nächtlichen Wachtfeuer des Feindes, als Stilicho, wiewohl zunächst nur mit einer schwachen Vorhut von Reitern, über Lecco oder Bergamo auf dem linken Ufer der bereits von den Goten besetzten Adda anlangte. Raschen, kühnen Entschlusses dringt er durch die Vorpostenkette, schwimmt über den Fluß und kommt glücklich in Mailand an, eine Heldentat, welche der Dichter den Honorius in fingierter Rede als selbst mit angesehen der Göttin Roma schildern läßt (de VI. Cons. Hon., v. 436–493).
Der folgende Verlauf ist wiederum dunkel. Wir ersehen aber aus einer Stelle Claudians (d. VI. C. H., v. 203), wo er, Alarichs Unglücksstätten anführend, auch der »Mauern der rächenden Asta« (Asti) gedenkt, daß sich der Kaiser mit dem Heere von Mailand über Pavia, auf der Römerstraße nach Turin dahin zurückgezogen haben muß. Unstreitig wollte Stilicho den Krieg in ein der gotischen Reiterei ungünstigeres, mehr gebirgiges Terrain versetzen und sich den Verstärkungen, die er über den Montcenis und Turin aus Gallien erwartete, nähern, zugleich aber, was vielleicht die Hauptrücksicht war, dem Kaiser im schlimmsten Falle die Rettung eben dahin sichern.
Vor Astis Mauern muß nun entweder ein Sturm abgeschlagen oder Alarich durch fruchtlose Belagerung so lange aufgehalten worden sein, bis Stilichos Verstärkungen von allen Seiten heran waren.
Jedenfalls treffen wir den Gotenkönig zuerst wieder in merklicher Entfernung von Asti nach Osten zu, wohin er also, vielleicht um noch eine nachgesandte Verstärkung an sich zu ziehen, zurückgegangen sein muß.
Die Stunde der Entscheidung hatte geschlagen: nur zwischen Schlacht oder Rückzug aus Italien war noch die Wahl. Da beruft Alarich den Kriegsrat, in welchem ein hochbejahrter edler Gote, der dessen Kindheit an Vaters Statt gepflegt hatte, mit gewichtvoller Rede das ganze Unternehmen scheltend, von weiterm Angriff abrät. Mit flammenden Blicken und Worten entgegnet Alarich: »Diesen Boden werde ich als Sieger oder Toter behaupten. Hat mir doch eine Stimme verkündet: Brich, Alarich, jeglichen Verzug: in diesem Jahre noch wirst Du zur Stadt gelangen« (penetrabis ad urbem i. e. Romam, d. b. g. v. 481–551.)
Das ist freilich alles poetische Fiktion, das Orakel sogar gewiß unwahr, die Reden aber, namentlich die Alarichs, sind wunderschön. (Claudian war ein reich begabter Poet und der Stoff großartig genug. D.).
Darauf rückt derselbe vor und kommt sogleich an den Fluß Urbs (Orba, der bei Alexandria in den Po fällt, etwa fünf Meilen von Asti), in dessen Namen sich nun jener trügerische Wahrspruch erfüllt haben soll, muß aber von hier, da der Dichter sogleich den Schlachtbericht folgen läßt, noch bis in die Nähe des neun bis zehn Meilen entfernten Tanaro bei Pollentia, fünf Meilen oberhalb Asti Die Lage Pollentias auf der Sprunerschen Karte stimmt mit Gibbons und Tillemonts Annahme im Wesentlichen überein, auch findet sich auf einer alten Spezialkarte Oberitaliens daselbst ein Dorf: Pollenza. vormarschiert sein, wo Stilicho gelagert war.
Es war Ostern des Jahres 402 (Orosius, Kap. 37), zu dessen christlicher Feier die Goten sich anschickten, als Stilicho, den religiösen Skrupel beiseite setzend, das Heer begeisternd anredete (d. b. g. v. 562–580) und seiner hauptsächlich aus Barbaren bestehenden Reiterei unter des uns schon bekannten Saulus Führung den Angriff befahl. Dem gewaltigen Ansprengen wichen die Goten, ermannten sich aber, von Alarich gesammelt und geführt, sogleich wieder. Schon schwankt die Reiterschlacht, als der mit der hingebendsten Tapferkeit für Stilicho fechtende Anführer der Alanen an der Spitze der Seinigen fällt. Erschreckt weichen diese zurück: die Goten dringen nach, und die ganze, wahrscheinlich den rechten Flügel der Römer bildende Reiterei wird so entschieden geworfen, daß das Mitteltreffen in höchster Gefahr schwebt.
In diesem verhängnisvollen Augenblick aber führt Stilicho die Wucht der Legionen dem Feinde entgegen: ein mörderischer Kampf beginnt, in dem nach Claudian (v. 598 bis zum Schluß) die Goten auf das Haupt geschlagen, deren Lager mit unendlicher Beute aus frühern Raubfahrten genommen und Tausende vormals Gefangener, welche dieselben als Sklaven mit sich führten, befreit werden.
Der Dichter übertreibt stark: gleichwohl ist in diesem Fall an dem Siege der Römer nicht im Entferntesten zu zweifeln. Doch hat Tillemont (V, 3, Art. 19), dem auch Neuere folgen, auch diesen noch übertrieben, indem er selbst Alarichs Gemahlin im Lager durch die Römer gefangen nehmen läßt. Dies beruht aber offenbar auf Mißverständnis der Verse (627–629 d. bello get.), nach welchen die Wehklagen seiner Gemahlin Alarichs Ohr getroffen haben sollen. Diese beziehen sich aber nur auf deren Schmerz über den Verlust von Schmuck und Kostbarkeiten. Wie kann man glauben, daß eine so wichtige Tatsache nicht deutlichere Erwähnung, und zwar auch in den andern Quellen noch gefunden haben sollte? Wäre aber selbst die Schlacht eine taktisch unentschiedene geblieben, so war sie doch für Alarich eine strategisch verlorne, weil er mitten im Feindesland in solcher Entfernung von seiner Operationsbasis an Fortsetzung des Krieges und Vordringen nach Rom gar nicht denken konnte, wenn nicht das römische Heer durch eine entscheidende, namentlich auch moralische Niederlage vorher ganz aus dem Felde geschlagen gewesen wäre. Claudian, den wir freilich nur mit Mißtrauen anführen können, sagt darüber de VI. Cons. Hon. v. 127–32 folgendes:
Jam Pollentini tenuatus funere campi,
Concessaque sibi (rerum sie admonet usus) Luce, tot amissis sociis, atque omnibus una Direptis opibus, Latio discedere jussus Hostis, et immensi revolutus culmine fati, Turpe retexit iter. |
Mit der Schlacht von Pollentia schließt Claudians Gedicht de bello getico, das während Alarichs Rückzug vom Po nach der Etsch, jedenfalls vor Eintritt des Winters 402/3, verfaßt ward. d. b. g. v. 79:
Adspice, Roma, tuum jam vertice celsior hostem
Adspice, quam rarum referens inglorius agmen Italia detrusus eat. |
v. 153:
Hic (Stil.) celer efficit bruma ne longior una
Esset hiems rerum, primis sed messibus aestas Temperiem coelo pariter belloque referret. |
Das auf die Zeit der Abfassung d. Ged. d. b. g. bezügliche nuper in v. 123 d. IV. Cons. Hon. gewährt kein sicheres Anhalten.
Die Geschichte der Fortsetzung und des Endes des Krieges im Jahre 403, die eigentlich das zweite Buch Jenes bildet, ist dem Glückwünsche zu des Honorius sechstem Konsulate, das dieser am 1. Januar 404 antrat, einverleibt, welches mit dem unstreitig noch zu Ende des Jahres 403 erfolgten Triumpheinzuge des Kaisers in Rom und den sich daran knüpfenden Spielen endigt.
Zunächst drängt sich uns nun die Frage auf: wollte oder konnte Stilicho seinen Sieg nicht besser benutzen als geschah? Gewiß war dessen Heer sehr geschwächt, gewiß aber für einen so entschlossenen und ausgezeichneten Feldherrn wie Stilicho, dem für Verstärkungen immer noch Mittel zu Gebot standen, darin kein Grund, den besiegten Feind ruhig abziehen zu lassen. Insbesondere ersehen wir (aus v. 183, de VI. C. H.), daß Alarich sich nach der Schlacht zuerst an den Fuß des Apennin zurückzog, also von der geraden Rückzugslinie nach dem Po abgedrängt gewesen sein muß (34, 5). Leicht konnte Stilicho daher, diesen früher überschreitend, dessen linkes Ufer besetzen und seinen Gegner zwischen diesem Strom und dem Apennin einschließen. Wenn daher Orosius (VII, 37) von Alarich sagt: » der oft besiegt, oft eingeschlossen, stets wieder entlassen wurde«, so kann sich diese Wiederholung, nach jenem ersten Vorgange im Peloponnes, schlechterdings nur auf des Königs Lage nach der Schlacht bei Pollentia beziehn.
Vor allem wird aber von Claudian an vier Stellen v. 204: Hic (Alarich) rursus dum pacta movet.
v. 206: Hic sibi perjurum sensit prodesse furorem.
v. 210: Oblatum Stilicho violato foedere Martem.
v. 303:
Pro
Foedera saevo
Deteriora jugo! tunc vis extincta Getarum. Tunc mihi, tunc letum pepigi. Violentior armis Omnibus expugnat nostram dementia gentem, Mals gravior sub pace latet, Capiorque vicissim. |
Doch würde die versuchte Vernichtung der Goten, einem Alarich gegenüber, immer ein gefährliches Unternehmen, der Sieg im günstigsten Falle nur durch ungeheuern Verlust auch der Römer zu erkaufen gewesen sein.
Daß aber die öffentliche Meinung, gewiß auch des Kaisers Umgebung, den Feldherrn damals laut tadelte, wo nicht anklagte, ersehen wir aus dem eifrigen Aufgebot von Kunst, durch welche dessen Lobredner und zwar gleich zu Beginn seines Gedichts über den Gotenkrieg (v. 92–146) das Verhalten seines Helden zu rechtfertigen sucht. Hierin ist übrigens die einzige Stelle von Bedeutung, wo er (v. 98–100 d. b. g.) sagt:
»Die Sorge für Dich, o Rom, bewog ihn, dem Eingeschlossenen die Flucht zu eröffnen, damit nicht der Verzweifelungsmut, angesichts des unfehlbaren Todes, schlimmer wüte.«
Diese an sich gar nicht an jenen Ort gehörige Abschweifung ist dem Dichter sichtbar durch die damalige Volksstimmung abgedrungen worden. So wenig aber auf Alarichs Vernichtung, so gewiß doch auf dessen möglichste Schwächung war Stilichos Absicht gerichtet und dazu die Verleitung der Truppen desselben zum Abfall das sicherste Mittel. Weniger zwar bei dessen treuen Stammgenossen, soweit nicht eigne innere Zwietracht dabei mitwirkte, als bei den Gefolgen und Abenteurern fremder Stämme, welche die Beutegier nach Italiens Schätzen des Königs Fahnen zugeführt hatte, mochte ihm dies gelingen. Getäuscht in ihrer Hoffnung waren diese Krieger von Handwerk, gleich den Landsknechten des fünfzehnten bis siebzehnten Jahrhunderts, stets geneigt, für bessere Bezahlung und Aussicht von Freund zu Feind überzugehen. Gleich nach der Schlacht von Pollentia muß dies teilweise geschehen sein (d. b. g. v. 90 u. 91) Desertus ab omne gente sua manibusque redit truncatus et armis.in weit größerm Umfange aber noch mit der wachsenden Not im Laufe des Jahres 403, wie wir (aus d. VI. Cons. Hon. v. 131, 250–259 und 305–315) ersehen, wonach ja ganze Schwadronen öffentlich abfielen, (v. 253.)
Nach dem zwischen Stilicho und Alarich abgeschlossenen Vertrage sollte Letzterer, unzweifelhaft binnen gewisser Frist, von den Römern unbelästigt, Italien räumen und nach Epirus zurückkehren, wobei ihm vielleicht ein vorübergehender Aufenthalt in Pannonien gestattet worden war.
Von den weitern Ereignissen des Jahres 402 kennen wir nur den Rückzug der Goten über den Po, der unstreitig noch im Monat April 402 erfolgte (de VI. con. Hon. v. 178/9 u. 302/3). Von da Waffenruhe bis in den Hochsommer 403 V. 212:
Jamque opportunam motu strepuisse rebelli
Gaudet perfidiam, praebensque exempla labori Sustinet accensos aestivo pulvere soles. |
So auch v. 241: Annique vapore.
, da der Krieg wegen Alarichs angeblichen Vertragsbruchs, über dessen Tatbestand wir nichts erfahren, aufs Neue entbrannte. Vermutlich glaubte sich Letzterer, der seinem Wort wohl treuer war als Stilicho (? D.), durch die hinterlistige Verleitung (? D.) seiner Völker zum Abfall berechtigt, nicht nur seinen Abmarsch zu verzögern, sondern sich auch noch durch neu geworbene Hilfsscharen zu verstärken. Als es nun zum Ausbruch der Feindseligkeit kam, ließ er Angreifer vielleicht von Aquileja her gen Verona, das also noch in den Händen der Römer gewesen sein muß, anrücken, indem er diesen Platz mit seinem eignen Heer in der Fronte faßte, wobei er jedoch wohl nur an Überrumpelung, nicht an Eroberung durch förmliche Belagerung, gedacht haben kann. Hier aber muß Stilicho, der mit starker Macht beobachtend folgte, denselben erreicht und (nach v. 201) ein heftiges Treffen stattgefunden haben, von dem der Dichter v. 208/9 sagt: »die Etsch habe, der Feinde Leichen fortspülend, das ionische Meer mit deren Blute gefärbt.« Bei der weitern Verfolgung des hier geschlagenen Alarich soll nun derselbe einmal so geschickt eingeschlossen und überfallen worden sein, daß er selbst gefangen worden wäre, wenn nicht der vorzeitige Ungestüm eines alanischen Führers den Plan vereitelt und Jenem die Rettung auf schnellem Roß ermöglicht hätte. Darauf habe der König noch an einen Einfall in Rätien, wo er vielleicht Verbündete zu gewinnen hoffte, und von da in Gallien, also an Rückzug über den Brenner gedacht, auch diese Straße aber habe Stilicho vorher besetzt und denselben dadurch gezwungen, sich auf die Berge zurückzuziehen, wo er von Hunger, Seuche und wachsendem Abfalle seiner Truppen schwer bedrängt, zu keinem Kampfe mehr zu bringen gewesen und endlich vor dem nachrückenden Stilicho geflohen sei.In dieser Dichtung kann nur so viel Wahrheit sein, daß Alarich, nachdem er sich durch Stilicho verletzt und verraten glaubte (? D.), noch einmal mutvollen Widerstand, namentlich auch einen Angriff auf Verona wagte, ja mit unglaublicher Kühnheit sogar noch nach Rätien vorzudringen beabsichtigte, schließlich aber doch durch Stilichos Umsicht, Tätigkeit und Übermacht zum Rückzug aus Italien über die julischen Alpen, von denen er herabgekommen war, gezwungen ward, womit denn sogleich dessen weitere Verfolgung aufhörte.
Aquileja und was Alarich sonst noch an festen Plätzen besaß muß derselbe freiwillig geräumt haben, wie dies auch die Kriegsraison erforderte, da er, ohne die Möglichkeit eines Entsatzes, durch deren fernere Behauptung einen großen Teil seines Heeres nutzlos aufgeopfert haben würde.
Lange zauderte Honorius, ehe er von Ravenna, wohin er sich Ende 402 wieder begeben hatte, nach Rom aufbrach, und dort seinen Triumph und Konsulatsantritt feierte. Noch verkündet die stolze Inschrift des Honorius und seinen Mitkaisern errichteten, im vierzehnten Jahrhunderte leider abgebrochenen Ehrenbogens die Bezwingung der Goten für vermeintlich »ewige Zeit« (in omne aevum).
Wenig über ein Jahr mag verflossen sein, als Radagais, ein ganz anderer Unhold denn Alarich, in Italien einbrach, dessen Zug aber eine der dunkelsten Partien der Geschichte dieser Zeit bildet. Zosimus (V, 26) sagt darüber wenig mehr als die Chronisten; Claudians Muse ist leider verstummt und die kirchlichen Schriftsteller, St. Augustin und dessen Schüler Orosius, geben statt historischer Nachrichten nur weitläufige theologische Betrachtungen. Daher bietet sich für quellenmäßige kritische Erörterung bis auf die Zeit dieses Ereignisses 1. Prosper Tiro setzt des Radagais Einbruch ausdrücklich in das Jahr 404 und erwähnt dabei zugleich noch, daß die aus dem römischen Reiche vertriebenen Arianer sich zu ihm begeben hätten, um unter dessen Schutz in das Vaterland zurückzukehren, worauf unter dem Jahre 405 der im Texte mitgeteilte Bericht von dessen Untergange folgt.
Prosper Aquitanus sagt nichts vom Beginne des Krieges, stimmt aber über dessen Ende mit Prosper Tiro überein. Da nun die Germanen, wie auch Alarich, in der rauhen Jahreszeit anzugreifen pflegten, so ist höchst wahrscheinlich, daß der Krieg, bei dem doch vielfache Hindernisse zu überwinden waren, bereits gegen Ende des Jahres 404 seinen Anfang und erst im folgenden durch des Radagais Vernichtung seinen Schluß gefunden habe, wogegen Marcellinus in seiner Chronik Beides erst in das Jahr 406 setzt.
Die beiden ersten Chronisten sind Zeitgenossen und Abendländer Dies ist von Prosper Tiro nach dem Inhalt seiner Chronik wenigstens zu vermuten. Ob dessen ganze Arbeit übrigens durchaus Original oder nur eine Überarbeitung der Chronik des Prosper Aquitanus ist, tut nichts zur Sache, da deren Verfasser jedenfalls auch selbständig und mit Benutzung anderer Quellen schrieb., der Comes Marcellinus lebte und diente hundert Jahre später im byzantinischen Reiche, weshalb Erstere in diesem Falle höheren Glauben verdienen.
2. Die Richtigkeit ihrer Angabe wird aber auch noch durch einen andern Grund unterstützt.
Prosper Aquitanus setzt den Einfall der Vandalen und Alanen in Gallien in das Jahr 406 und den der Vandalen in Spanien in das Jahr 409.
Letzteres Datum wird aber nicht nur durch Cassiodor, sondern vor allem durch Idatius, sowohl in seiner Chronik als in den Fasten bestätigt, der als Zeitgenosse (388 geboren) und spanischer Bischof gerade für dieses – für sein Vaterland so wichtige – Epochenjahr unzweifelhaft unbedingten Glauben verdient.
Ist aber hiernach des Prosper Aquitanus Zeitangabe des Auszugs der Vandalen aus Gallien nach Spanien richtig, so begründet dies eine dringende Vermutung für die gleiche Richtigkeit seiner Zeitbestimmung des Einzugs derselben in ersteres Land.
Steht nun für denselben das Jahr 406 fest, so wird dadurch obige Angabe Marcellins wesentlich entkräftet, da es kaum denkbar ist, daß des Radagais Einfall in Italien, den er erst nach der Feier von des Theodosius Quinquennalien, die in den Monat April fielen, erwähnt, der ganze mit dessen Vernichtung endende Krieg und der Rheinübergang der von ihm abgefallenen Scharen in ein und dasselbe Jahr 406 fallen konnte, zumal wir es hier nicht mit mobilen Armeen, sondern mit ganzen samt Familien ausgewanderten Völkern, die eine neue Heimat suchten, zu tun haben. Vergl. aber Dahn, Könige V, S. 37.
Eine ganz neue Ansicht über Radagais entwickelt Pallmann in dem Abschnitte: Losbruch der pannonischen Ostgoten unter Ratiger 400 (S. 230–234 u. w. u. S. 248–251), indem er, statt des von allen gleichzeitigen Quellen bezeugten Namens Radagais, diesen Mann, nach dem hundertunddreißig bis hundertundfünfzig Jahre spätern und für alle nicht selbst erlebten Ereignisse unzuverlässigen Prokop, Ratiger nennt.
Pallmann nimmt nämlich an: auf Verabredung oder mindestens gleichzeitig mit Alarich im Jahre 400 (richtiger 401) sei »Ratiger« mit den in Pannonien sitzenden Ostgoten in Rätien eingefallen, um von Norden her nach Italien zu dringen, wohin Alarich von Osten her marschierte. Jenen ersteren sei nun Stilicho entgegengezogen und habe sie ein Jahr hindurch und länger bis 402 bekämpft.
Daß auch dieses Heer aus Goten bestanden, erhelle aus Prosper Aquitanus: Gothi Italiam Alarico et Rhadagaiso ducibus ingressi.
Da aber Pallmanns vermeinte Ostgoten unter »Ratiger« gar nicht nach Italien gekommen, sondern schon aus Rätien wieder zurückgetrieben worden sein sollen, so hat derselbe diese Hauptquelle nicht für, sondern gerade gegen sich, indem dieselbe vielmehr offenbar lediglich vom ersten Feldzuge des Westgotenkönigs Alarich nach Italien handelt, dem sich Radagais angeschlossen hatte. (Hiergegen aber Dahn, Könige V, S. 37.)
Ferner sollen (wie Pallmann S. 233 am Schluß anführt) jene Eindringlinge in Rätien nach Claudian Föderatvölker gewesen sein, die ihr Bündnis mit Rom gebrochen hätten. Allerdings spricht nun auch Claudian (v. 366–410) von aufständischen Föderaten in Rätien.
Daß aber die Ostgoten, deren Hauptmasse doch den Hunnen seit 376 unterworfen war, damals in einem Foedus mit Rom gestanden hätten, ist nicht allein nirgends bezeugt, sondern auch geradezu undenkbar.
Ferner sollen (wie Pallmann S. 231, Z. 4 von unten sagt) indirekt mehrere Stellen in Claudian bezeugen, daß jene Völker, welche die Bündnisse gebrochen hätten, Goten waren. Dafür zitiert er nun besonders v. 220 d. VI. Cons. Hon., wo der Dichter (der daselbst aber vom Feldzuge 403 nach der Schlacht von Verona handelt) sage: »Stilicho besiegt den durch verwandte Streitkräfte wild aufgeregten Ister«, während die Worte: »astu debilitat saevum cognatis viribus Istrum« vielmehr den klaren Sinn haben: Stilicho schwächt durch List das wilde Heer der Westgoten (das Claudian poetisch, wiewohl ganz unrichtig, durch Ister bezeichnet) dadurch, daß er stammverwandte Scharen Alarichs zum Abfalle verlockt.
Wie daraus folgen soll, daß die angeblich zwei Jahre vorher in Rätien eingefallenen Völker Ostgoten gewesen seien, haben wir dem Leser anheimzustellen und nur als einen noch stärkeren Irrtum hervorzuheben Ganz einverstanden Dahn, Könige V, S. 37., daß Pallmann in den Versen 284 und 286 d. b. get., wo Stilicho in seiner Rede vor Beginn des Krieges 402 von den vorher unbekannten, nun aber durch die Niederlage zweier Tyrannen kundgewordenen Wegen über die Alpen redet, diese Tyrannen, womit handgreiflich die in eben diesen Alpen in den Jahren 388 und 394 geschlagenen Maximus und Eugenius gemeint sind, auf Alarich und Radagais bezieht (– eine kaum begreifliche Verirrung! D. –), welche damals aber noch gar nicht einmal angegriffen waren, da Claudian Stilicho ja erst später nach v. 320 über den larischen See zur Herbeiholung von Hilfstruppen nach Germanien ziehen läßt.
Aus welchen Völkern das Heer des Radagais bestand, werden wir bei dem Einbruch der Hauptmasse desselben in Gallien sogleich kennen lernen; welchem derselbe für seine Person angehörte, ist unerforschlich.
Daß Ostgoten außer der ruhig unter hunnischem Zepter sitzenden Hauptmasse sich noch in den Donauländern umhertrieben, ersehen wir aus der oben berichteten Unternehmung des Oedoteus. Diese abgelösten Scharen können sich während der Zeit der noch ungeordneten Hunnenherrschaft durch Flüchtlinge und andere Abenteurer vermehrt haben und im Interesse ihrer eigenen Sicherheit mehr westwärts, möglicherweise bis Pannonien hinein, gezogen sein. Diesen kann auch Radagais angehört haben; daß derselbe aber kein Volkskönig der Ostgoten war Ganz einverstanden Dahn, Könige V, S. 37 f., ergibt sich zweifellos aus des Jordanis wichtiger Stelle (c. 31), die, nach ihrer hohen Wichtigkeit für Cassiodor und dessen Zweck, aus diesem entnommen sein mag.
fast keinerlei Daher das Folgende nur Hypothesen. Viel geringer schlägt die Bedeutung des Zuges von Radagais an, abweichend auch in der Zeitfolge, Dahn, Könige V, S. 37. Anhalt.Wir glaubten schon im Jahre 400 bis 401 Anzeichen eines bevorstehenden Sturms zu entdecken, der im Jahre 404 gewaltsam losbrach.
Wir fanden (I, S. 254 f.) gegen Ende des dritten Jahrhunderts im Herzen Germaniens zwischen dem als Fortsetzung der Karpaten durch Schlesien und Sachsen zur Weser sich hinziehenden Gebirg und der Donau und Rhein andererseits mehrere seit kürzerer oder längerer Zeit neu von Nordost her zugewanderte Volksstämme: Burgunder, Vandalen und Lygier.
Gewissermaßen den zweiten Akt der »Völkerwanderung« bildend, als deren ersten man etwa den Anzug der Goten von der Ostsee zu Pontus und Donau betrachten kann, waren sie in die neuen Sitze vorgedrungen, nicht als in ihr Ziel, sondern nur in die ersten Stufen ihrer Wanderung.
Zwischen ihnen und Rom saßen die Jutungen, Alemannen und Franken, insgesamt selbst eroberungssüchtig, daher scheinbar zu deren Vorhut im Kampfe gegen Rom bestimmt.
Da plötzlich erhob sich dieses letztere (scheinbar D.) wieder aus seinem Verfall und brachte dadurch die »Völkerwanderung« zu kurzem Stillstand.
Auf einmal veränderte das Weltereignis des Hunneneinbruchs die Szene.
Blieb dieser zunächst ohne uns bekannten Einfluß auf die westlich der Goten wohnenden Völker (von denen, außer den Sarmaten, die Quaden und hinter diesen die Markomannen der hunnischen Herrschaft zunächst saßen), muß sich doch, nachdem die Ordnung und Befestigung der Hunnenherrschaft zunahm, die Gefahr dieser Nachbarschaft mächtig gesteigert haben.
Schon bald nach ihrem Eindringen in Europa zwar hatten die Hunnen, wenn wir Jordanis trauen dürfen, ein suebisches Volk, und sodann, was nicht zu bezweifeln ist, die Gepiden durch die ihnen dienstbaren Ostgoten bekriegen und letztere mindestens sich unterwerfen lassen. Dieselben müssen aber nach dieser Zeit zunächst ihre Aufmerksamkeit wahrscheinlich mehr auf ihre nächsten Nachbargebiete gerichtet haben. Von deren Wirksamkeit vernehmen wir zunächst nichts weiter, als daß sie eine Rom nicht feindliche, ja teilweise sogar freundliche war, namentlich viele dieses Volks in römischen Solddienst traten. Unzweifelhaft aber mußten die benachbarten Germanen die ihnen von diesen furchtbaren Barbaren drohende Gefahr immer mehr erkennen und fühlen lernen. Wenn nun Jordanis Kap. 31 sagt, die Vandalen und Alanen hätten sich aus Furcht vor den Goten in Pannonien nicht mehr sicher geglaubt »Nec ibi sibi metu Gothorum arbitrantur tutum fore.« und seien deshalb nach Gallien gezogen, so legen wir auf dessen Autorität an sich zwar wenig Wert, finden aber in dieser Stelle doch eine merkwürdige Bestätigung dessen, was das eigne Urteil uns an die Hand gibt. Selbstredend sind nämlich unter jenen Goten des Jordanis keine andern als die den Hunnen unterworfenen Ostgoten (Gepiden und andern gotischen Nachbarn D.) zu verstehen, welche die Herrscher, was wir ja schon aus den eben angeführten Beispielen wissen, zunächst zur Bekriegung der benachbarten germanischen Völker verwandten.
Wir vermuten nun, daß es damals nicht allein die Besorgnis vor der Zukunft, sondern auch schon ein wirkliches Vordringen der Hunnen, und zwar zunächst deren gotischer Vorhut war, was jenen Auszug der Germanen veranlaßte, indem erstere nunmehr das alte Jazygenland zwischen Theiß und Donau besetzten, und daraus die Vandalen, nordwärts vielleicht auch Quaden, wirklich vertrieben. Nun mußten die Entweichenden auf die westlich angrenzenden Völker drücken, die sich, im Gefühl ihrer Ohnmacht gegen die Hunnen, der Auswanderung jener, großenteils wenigstens, anschlossen.
Daher betrachten wir das Vordringen der Hunnen und die weitere Furcht vor ihnen als die Grundursache des damaligen neuen Auf- und Losbruchs der obgedachten Völker wider Rom. (Unwahrscheinliche und unnötige Hypotese. D.)
Für dessen ersten Akt (? D.) halten wir des Radagais Einfall in Italien, dessen Beginn wir in das Ende des Jahres 404 setzen, da die Germanen, Kälte besser als Hitze ertragend, wie wir schon wissen, gern den Winter zum Angriffe wählten.
Radagais war ein Fürst, dem die Römer manchmal den Königstitel beilegen, und ein Heide. So viel wissen wir aus den Quellen mit Sicherheit, weiter aber über dessen spezielle Nationalität gar nichts.
Marcellin und Orosius (VII, 27) nennen ihn Heiden und Skyten, Augustin (d. civit. Dei V, 23) und Prosper Tiro einen König der Goten: aber auch Orosius und Prosper Aquit. nennen dessen Völker gotische, während Zosimus (V, 26) sagt, er habe sein Heer aus den keltischen und germanischen Völkern jenseits der Donau und des Rheins gesammelt, welchen er also doch selbst angehört haben muß.
Die Theologen, zumal der in Afrika lebende Augustin, und die Chronisten waren keine Etnographen und lernten diese Völker gewiß nicht früher näher kennen, als nachdem sie in das römische Gebiet eingefallen waren, nannten sie daher nach dem einzigen ihnen genauer bekannten Volke, das Italien bisher bedroht hatte, um so mehr Goten, da unbezweifelt Bestandteile dieses letztern Volkes am zahlreichsten vertreten waren.
Dagegen können wir die Bezeichnung »Skythe« in obigen Quellen nicht unbedingt für identisch mit »Gote« ansehen, da die Spezialkunde des Gotenvolks um diese Zeit schon so weit vorgeschritten und verbreitet war, daß man dessen Angehörige kaum noch mit jenem alten Gattungsnamen belegt haben dürfte.
Wir sind nun, uns Zosimus anschließend, der Überzeugung, daß Radagais aus einem der gotischen Völker, möglicherweise allerdings auch ein Ostgote, und zwar vielleicht fürstlichen Geblüts war: (aber kein Amaler. D.).
Über die Stärke seines Heeres waltet gleiche Ungewißheit. Zosimus gibt es zu 400 000 Mann an, Marcellin zum Jahre 406 nur zu 200 000, Orosius (VII, 37) sagt, es seien mehr als 200 000 Goten darunter, und bei des Radagais Einschließung nach der niedrigsten Angabe noch 200 000 Mann vorhanden gewesen, während Augustin die Stärke letzterer nur zu 100 000 Mann angibt.
Wir halten des Zosimus Angabe für die Zeit des Aufbruchs um so mehr für die richtigere (? D.), da jene Völker sicherlich zugleich ihre bisherige Heimat verlassen wollten, daher Weib und Kind mit sich führten, schließen uns aber für die zur Zeit der Katastrophe noch Vorhandenen aus den sogleich zu entwickelnden Gründen mehr Augustin an.
Der erste Verlauf des Krieges ist völlig dunkel und rätselhaft: wir glauben aber den Schlüssel dazu in Prosper Tiro zu finden, der unter dem Jahre 405 sagt: »Nach Verwüstung vieler Städte unterlag Radagais, dessen in drei Teile unter verschiedenen Fürsten gesondertes Heer den Römern eine gewisse Füglichkeit der Abwehr gewährte. In glänzendem Siege ward das Heer des dritten Teils der Feinde, von den hunnischen Hilfsvölkern umschlossen, auf das Haupt geschlagen (oder aufgerieben).« Multis ante vastatis urbitus Radagaisus occubuit: cujus in tres partes per diversos principe divisus exercitus aliquam repugnandi Romanis aperuit facultatem. Insigni triumpho exercitum tertiae partis hostium, circumactis Hunnorum auxiliaribus, Stilicho usque ad internecionem delevit.
Zosimus erzählt den Hergang so: Als alles verzweifelte und Rom selbst in höchster Gefahr war, sammelte Stilicho in und bei Ticinum (Pavia) dreißig Legionen Zosimus spricht a. a. O. nicht von Legionen, sondern nur von αριθμοί numeri, d. i. selbständigen Truppenkörpern, wozu auch Kohorten und Alen gehörten. Da jedoch Westrom achtundsechzig (damals noch? D.) Legionen hatte, so glauben wir hier, der Größe der Gefahr entsprechend, jene Zahl auf die der Legionen (gewiß nicht: nur »Scharen« D.) beziehen zu müssen. Vergl. Bd. I, S. 311., außer den von den Alanen und Hunnen erlangten Hilfsvölkern, ging über den Arnus Zosimus sagt über den Ister, Donau: dies ist aber so sinnlos, daß wir nicht Irrtum des Verfassers, so groß auch dessen geographische Unwissenheit war, sondern den eines spätern Abschreibers annehmen können, der das vielleicht undeutliche Wort auf diese Weise ergänzte. (? D.), griff die Barbaren unerwartet an und vernichtete deren ganzes Heer dergestalt, daß beinah niemand entrann, sehr wenige ausgenommen, welche er in römischen Sold nahm.
Dies geschah, wie wir aus Orosius ersehen, bei Florenz auf den Bergen von Fiesole.
Hiernach erklären wir uns die Sache also. Stilicho, ebenso geschickter Diplomat als Feldherr, wußte die Gefahr zu teilen, indem es ihm gelang, die Führer zweier von den drei Sonderheeren von Radageis abzuziehen und auf unabhängige Gewinnung einer eignen Heimat in dem reichen Gallien hinzulenken. (Völlig unerwiesene und unwahrscheinliche Vermutungen. D.) Das war kein Verrat, sondern eine Nothilfe, in deren Hintergrund gewiß die Absicht oder doch die Hoffnung lag, nach Abwendung der dringendsten Gefahr des Augenblicks, auch jener Reichsfeinde wieder Meister werden zu können.
Dieser Abfall muß in des Radagais Rücken, dessen Heer das vorderste war, erfolgt sein. Derselbe beharrte indes bei seinem Kriegsplan, sei es, weil es zur Abänderung zu spät oder sein Mut ungebrochen war, und marschierte über den Apennin nach Florenz, was nur auf der Straße geschehen sein kann, die von der via Aemilia ab über Faventia (Faenza) dahin führte und ihm das reiche Etrurien sowie weiterhin einen sichern Weg nach Rom eröffnete. Radagais belagerte nun das vom Arno durchschnittene Florenz, wozu ein Teil seines Heeres, dessen Hauptmasse auf dem rechten Ufer lagerte, übergesetzt worden sein muß.
Diese jenseitigen Truppen mag nun Stilicho nach dem von Zosimus berichteten, in merklicher Entfernung vor Florenz erfolgten Stromübergange durch seine schnelle, den Germanen so furchtbare hunnische Reiterei, welche der uns schon bekannte Häuptling Uldes (von Orosius Uldin genannt) befehligte, überfallen, geschlagen, über den Arno zurückgeworfen und dadurch dessen ganzes linkes Ufer in seine Gewalt bekommen haben.
So war nun durch den Strom in der Fronte und durch die Berge im Rücken die Einschließung der Feinde vollendet.
Über des Radagais Ende scheinen die Chronisten und Zosimus von den Theologen wesentlich abzuweichen, da man nach jenen Vernichtung durch Kampf, nach diesen durch Aushungerung anzunehmen hat. Es ist wahr, Letztere schreiben mit Tendenz. Der Herr, sagen sie, wollte das sündliche Rom züchtigen, aber nicht durch einen Heiden Radagais, sondern durch den Christen Alarich: darum verdarb er Erstem, wie Orosius geradezu versichert, durch ein Wunder. Conterritum divinitus Radagaisum in Faesulanos montes cogit: ejusque (secundem eos, qui parcissime referunt) ducenta millia hominum inopum consilii et cibi, in arido aspero montis jugo urgente undique timore concludit. Indes sind beide Zeitgenossen und ihre Angaben so speziell, daß wir an deren Richtigkeit im Wesentlichen, d. i. von der Übertreibung abgesehen, gar nicht zweifeln können, während die allgemeinen Ausdrücke der kurzen historischen Quellen mehr auf den endlichen Erfolg: – Vernichtung, als auf deren Art und Weise zu beziehen sein dürften, was besonders von Zosimus: πανωλεθρία διέφθειρεν gilt.
Radagais suchte sich zu retten, geriet aber in römische Gefangenschaft, ward eine Zeit lang darin gehalten und dann, nach Augustin, mit seinen Söhnen getötet.
Das verlassene, schon von Hunger entkräftete Heer mit dem Trosse seiner Angehörigen fiel ganz in römische Gewalt, wobei die Menge der als Sklaven Verkauften so groß gewesen sein soll, daß der Preis bis auf ein Goldstück, damals kaum noch zwölf Mark, herabsank. 12 000 Goten aber wurden, nach Olympiodor (Bonn. Ausg. p. 450), von Stilicho in römischen Sold genommen.
Zum zweiten Male war Stilicho Roms Retter geworden.
Bald darauf trat die Wirkung seiner Politik ein. Vergl. Gibbon c. 30, Note 86. Ebenso, im Wesentlichen wenigstens, Luden I, S. 348 und Leo, Vorlesungen u. d. G. d. D. V. I, S. 278, anders Zeuß, S. 418.
Die Quellen fast insgesamt, Orosius VII, c. 38 und 40, Prosper Tiro zum zwölften Regierungsjahre des Honorius und Marcellin zum Jahre 408, beschuldigen Stilicho, daß er die Germanen zu diesem Einfall verleitet habe, und zwar, wie wenigstens der Erste und Letzte sagen, aus ehrgeiziger Absicht, um seinen Sohn Eucherius auf den Thron zu bringen.
Es liegt auf der Hand, daß letzteres Motiv ein nach des Ersteren Ermordung von seinen Feinden verbreitetes Märchen ist, von dem genau dasselbe gilt, wie von der Rufinus zur Last gelegten Aufwiegelung der Goten und Hunnen.
Noch war Stilicho faktischer Herrscher des Westreichs, mit dessen Kaiser seine Tochter vermählt war. Wie in aller Welt konnte der absichtliche Ruin einer der reichsten, damals noch unberührten Provinzen des Reichs, das gewißermaßen sein eignes war, seinem Sohne zur Thronfolge verhelfen? Strebte er in der Tat nach der Herrschaft, so konnte er, im kräftigsten Mannesalter, diese doch nur für sich selbst, gewiß aber nicht für seinen erst siebzehn- bis achtzehnjährigen Sohn Eucherius war im Jahre 389 zu Rom geboren. S. Tillemont V, 3, S. 1013. wollen. Und was er für sich zu gewinnen hoffte, das hätte er vorher planmäßig selbst zerstören sollen? So nichtig aber auch jener angebliche Beweggrund Stilichos ist, so berechtigt uns dies doch nicht, die von jenen Schriftstellern übereinstimmend bezeugte Tatsache, derselbe habe die Germanen zum Einbrüche in Gallien verleitet (? ? gewiß nicht! D.), in Zweifel zu ziehen, da wir sie oben auf so einfache als natürliche Weise erklärt zu haben glauben (anders D.). Nicht allein der historische Takt, sondern auch die Quellen begründen daher die feste Überzeugung, daß jener weltgeschichtliche Rheinübergang als eine Folge (Aber eine durchaus nicht gewollte: die durch Stilicho bewirkte Entblößung des Rheins zum Schutz Italiens erleichterte nur eben den Einbruch. D.) von des Radagais Unternehmung gegen Italien zu betrachten sei.
Unter dem Konsulate von Arcadius (VI.) und Probus, also im Januar 406, ging nach Prosper Aquitanus, dem auch Cassiodor in seiner Chronik folgt, die Masse der Vandalen und Alanen über den Rhein. In der Migneschen Ausgabe der Chronik des Prosper Aquitanus in der Pariser Patrologie T. LI, Paris 1846, heißt es unter dem Jahre Arcadio VI. et Probo Coss., d. i. 406: Vandali et Alani, trajecto Rheno, primo Kal. Januarias ingressi. Dazu wird aber bemerkt, daß in einem der Colbertschen Manuskripte und in dem Augustanischen III. Kalendas stehe. In der Mansoschen Ausgabe findet sich nach Rösler pridie Kal. Jan.
So gleichgültig hierbei die Verschiedenheit um ein oder zwei Tage ist, so wichtig wird sie doch dadurch, daß sie zugleich das Jahr bedingt, da der 1. Januar 406 und der 30. oder 31. Dezember desselben fast um ein volles Jahr auseinander liegen.
Hätten aber die Germanen wirklich auch schon am letzten oder vorletzten Tage des alten Jahres den Fuß auf gallische Erde gesetzt, so würde doch der wirkliche Einmarsch (ingressi), unter dem man doch nur ein weiteres Vordringen verstehen kann, erst im neuen Jahre erfolgt sein. Jedenfalls erscheint es natürlicher, ein solches nur durch seine Folgen wichtiges Ereignis in dem Jahre zu berichten, welchem es seiner Entwicklung und vollen Bedeutung nach angehörte.
Aus diesen Gründen halten wir es selbst für den Fall, daß III. Kalendas oder prid. Kal. Jan. die richtige Lesart sein sollte, dennoch für wahrscheinlicher, daß damit die Kalenden des Januars 406, als die des Jahres 407 gemeint seien, also der fragliche Einfall zur Zeit des Überganges vom Jahre 405 zu 406 erfolgt sei. Dies wird nun vor allem auch durch Zosimus (VI, 3) bestätigt, welcher ausdrücklich sagt, daß unter dem Konsulate von Honorius (VI) und Probus, d. i. im Jahre 406, die Vandalen, Sueben und Alanen die transalpinischen Länder verheerend durchzogen und nach großem Blutvergießen selbst dem britannischen Heere furchtbar geworden seien, welches alles selbstredend nicht in den zwei letzten Tagen des Jahres 406 geschehen sein kann. Ganz unzweifelhaft auch kann das von Honorius am 17. April 406 erlassene Gesetz de tironibus (C. Theod. VII, 13, L. 16 u. 17), nach welchem nicht nur alle Freigebornen, für großen Sold, sondern auch Sklaven gegen Zusage der Freiheit zu den Waffen gerufen wurden, nur durch den Schreck jenes Einfalls veranlaßt worden sein, weil Radagais damals bereits besiegt war, Alarich aber sich noch nicht wieder erhoben hatte. Vergl. Dahn, Könige I, S. 142.
Doch haben wir hier nur die Tatsache zu erwähnen; die sich ihr anschließende Erörterung und die weitern Ereignisse in Gallien, das Hausen der Fremden und den Bürgerkrieg im Innern behalten wir dem nächsten Kapitel vor, um in diesem die Geschicke Italiens und dessen Eroberung durch die Westgoten bis zu Alarichs Tod und deren Abzug aus diesem Lande vollständig zu berichten.
Radagais war tot, aber Alarich lebte noch. Hatte Stilicho diesen, wie er zweimal gekonnt, als Feind nicht vernichten wollen, so kann dies nur in der Absicht geschehen sein, ihn sich und dem Reich als Freund zu gewinnen. Mag es auch eine Tat der Selbstsucht S. aber jetzt Dahn, Urgeschichte I, Berlin 1880, S. 342. gewesen sein, daß er, um selbst unentbehrlich zu bleiben, diesen gewaltigen Gegner entweichen ließ, so stimmte doch, nachdem dies einmal geschehen war, dessen Privatinteresse mit dem öffentlichen darin vollkommen überein, daß aus dem gefürchteten Widersacher, auf dessen bleibende Neutralität nie zu rechnen gewesen wäre, ein Bundesgenosse werde.
Dazu empfahl sich nichts besser als ein gemeinsamer Angriff gegen das Ostreich. Ganz anders Dahn, Könige V, S. 42.
Bittrer Haß und Hader trennte sofort nach des Theodosius Tode die Machthaber und faktischen Herrscher beider Reiche. Gern hätte Rufinus schon im Jahre 395 Alarich zum Einfall in das Westreich bewogen (? D.); mit diesem Hintergedanken ward derselbe an dessen Grenze in Epirus aufgestellt und zu dem Kriege des Jahres 402 wahrscheinlich heimlich aufgewiegelt. Zu offenem Ausbruche wider Stilicho, wenn auch noch nicht zu wirklichem Kampfe, war der alte Haß übrigens schon bei Gildos Aufstand gelangt. (S. Eunapius, Bonner Ausgabe Fr. 52, p. 86.)
Innerer Grund genug für Stilicho, um sich an den Feinden seiner Person, aber auch des Reiches selbst zu rächen, wozu nach Olympiodor (p. 448 der Bonn. Ausgabe) ein angeblicher Erbanspruch des Honorius auf Illyricum (d. i. die Diözesen Dakien und Makedonien) äußern Vorwand bot. Trefflich aber das Auskunftsmittel Anders Dahn, Könige V, S. 42., Alarich unschädlich zu machen, dem man das eroberte Gebiet unter dem Titel eines Beamten des Honorius überlassen, zugleich aber ihn dem Westreiche dadurch dauernd verpflichtet hätte, daß er zu seiner künftigen Verteidigung gegen das beraubte Ostrom dessen Hilfe nicht entbehren konnte.
Wann die Verabredung erfolgte, wissen wir nicht; vermutlich war bei dem vertrauten Verkehr zwischen dem römischen und gotischen Feldherrn schon während Alarichs Rückzug aus Italien eine Hindeutung darauf erfolgt. Nach des Zosimus c. 26 bestimmter Versicherung ist der Vertrag schon einige Zeit vor des Radagais Einbruch zu Ende des Jahres 404 geschlossen worden: da aber der Beginn dieses Kapitels, das Alarichs italienischen Feldzug völlig ignoriert, durchaus verworren ist, und die Verhandlung schon an den Zusammenstoß in Griechenland im Jahre 395 knüpft, glauben wir dies Zeugnis verwerfen zu müssen.
Da jedoch der Gote damals zu irgend welcher Offensivunternehmung viel zu geschwächt war und erst längerer Zeit zur Erholung und Verstärkung seiner Streitkräfte bedurfte, dünkt es uns wahrscheinlicher, daß der wirkliche, selbstredend geheime Vertrag All das ist unerwiesen, unerweislich und sehr unwahrscheinlich; s. Urgeschichte I, S. 342. erst im Jahre 406, nach des Radagais Vernichtung zum Abschluß gelangte. (39, 1.)
Auf dessen Grund ward, nach Sozomenos (IX, 4), Alarich von Honorius zum Magister militum ernannt, ein bereits für das zu erobernde Illyricum bestellter Präfectus Prätorio in der Person des Jovius vorausgeschickt und Stilichos baldige Ankunft mit dem Heere zu Beginn des Angriffs angekündigt.
Schon war dieser im Jahre 407 zum Abmarsch bereit, als das bald jedoch als falsch erwiesene Gerücht von Alarichs Tode, vor allem aber eine Verfügung des Kaisers ihn zurückhielt, der ihm die Usurpation des Constantinus und dessen Ankunft in Gallien anzeigte. (Zosim. c. 27.) So ward Alarich, der nach vollendeter Kriegsrüstung zum Losschlagen fertig war, plötzlich zurückgehalten. Das aber sich gefallen zu lassen war der Held nicht gemeint. Entschädigung für die aufgewendeten Kosten zu fordern jedenfalls berechtigt, führte er gerechte Beschwerde über den Bruch des Versprechens, ihm das östliche Illyricum erobern zu helfen, auf dessen Grund allein er sich mit Rom verbündet hatte. Diplomatische Verhandlung, die Künste Roms hierin scheuend, verschmähte er, beschloß vielmehr seine Ansprüche mit dem Schwert in der Faust geltend zu machen, und zog dazu sofort samt seinem Heere von Epirus bis Aemona (Laibach) an Italiens Grenze, von wo er seine Gesandten an Stilicho abschickte.
Inmittelst war das für Rom verhängnisvolle Jahr 408 angebrochen. In dessen Anfang, wo nicht bereits gegen Ende 407 Zosimus reiht diese Nachricht unmittelbar an die Designation der neuen Konsuln für 408 zu Anfang des Winters 407 (του̃ χειμω̃νος επιλαβόντος)., war es der klugen Serena gelungen, auch ihre zweite Tochter Thermantia mit Honorius zu vermählen, nachdem ihre erste, die Kaiserin Maria, verstorben war, und zwar, wie man sagte, noch als Jungfrau.
Am ersten Mai desselben Jahres verschied der Kaiser Arcadius und hinterließ seinen achtjährigen Sohn Theodosius II. als Nachfolger.
Noch vorher war nun Alarichs drohende Botschaft angelangt, der nach Zosimus (c. 29) zunächst für seine zwecklose Festhaltung in Illyricum wie für die Kosten des Marsches an Italiens Grenze Geldentschädigung forderte. Stilicho eilte sofort mit der Gesandtschaft nach Rom, damit von Kaiser und Senat Beschluß gefaßt werde: letzterer tritt in beiden Reichen seit des Theodosius Tode wieder hervor, weil die faktischen Herrscher es klug finden, sich in wichtigen Fällen durch dessen Namen zu decken.
Als der Senat aber in den Palast berufen ward, fand Stilicho unerwartet lebhafte Opposition. Es war, als ob ein Schatten altrömischen Geistes (Vielmehr ein Gespenst: ein Anachronismus. D.) aus dem Grabe heraufsteige. »Warum solle die freche Forderung des Barbaren nicht mit dem Schwerte zurückgewiesen werden?« Weil sie gerecht sei, antwortete Stilicho: denn in des Kaisers Interesse habe Alarich gewaffnet, auf dessen Geheiß habe er vom Krieg abstehen müssen.
Dies bewies er durch Vorlesen des kaiserlichen Schreibens, welches ihn selbst vom Aufbruch gen Illyrien zurückgehalten, indem er seine eigne Gemahlin Serena, die einem Bruche zwischen beiden Brüdern entschieden entgegen gewesen, den Widerruf veranlaßt zu haben beschuldigte.
Das schien begründet: und der Senat bewilligte Alarich als Pfand des Friedens 4000 Pfund Goldes (gegen 3 600 000 Mark unsres Geldes). Dazu stimmten viele jedoch nicht aus Überzeugung, sondern nur aus Furcht vor Stilicho, und Lampadius, durch Geburt und Würde hervorragend, rief entrüstet aus: »Das ist kein Frieden, sondern ein Pakt der Knechtschaft«, floh aber nach aufgehobener Sitzung aus Furcht vor den Folgen seines Freimuts sogleich in die nächste Kirche. (Zosimus V, c. 27–29. Olympiodor B. A., p. 448 und 449. Sozomenos IX., 4.) Olympiodor sagt p. 449: Alarich habe, während Stilicho noch gelebt, einen Kriegslohn oder Sold von vierzig Hunderten τεσσαράκοντα κεντηνάρια (ein latinisierter Ausdruck) empfangen.
Dies betrachtet Tillemont (Art. 28, S. 1189) irrig als eine neue Vertragsbedingung und Vorauszahlung, während wir darunter nur die 4000 (40 mal 100) Pfund Gold erblicken, welche Alarich im Jahre 408 als Entschädigung bewilligt wurden. Diese Angabe bestätigt übrigens, daß unter dem Ausdrucke: Centenarium 100 Pfund Goldes – ungefähr 90 000 Mark unseres Geldes – verstanden wurden, wie dies auch Ducange in seinem Glossarium medii aevi unter Cent, anführt.
Abgesehen davon, daß dieser für einen in seinem eignen Interesse beschlossenen Krieg keinen Anspruch auf Lohn hatte, so spricht schon die Identität der Summe dafür, da sich die Hunderte nur auf Pfunde Goldes, nicht auf aurei oder Goldstücke beziehen, was nur 36 bis 45 000 Mark gewesen wären. Auch ist das Empfangen (έλαβε) füglich nur von der Bewilligung und ersten Anzahlung zu verstehen, an welcher letztern es Stilicho gewiß nicht fehlen ließ, so daß die vorhergehende Stelle p. 449, Z. 2, nach welcher Alarich bei Stilichos Tode das Versprochene noch nicht, d. i. nicht vollständig erhalten hatte, sich damit wohl vereinigen läßt.
Sozomenos sagt (IX, 4) nur, daß Stilicho durch ein Schreiben von Honorius zurückgehalten worden sei.
Darunter ist jedoch, selbst abgesehen von dessen Kürze und, Zosimus gegenüber, größerer Unzuverlässigkeit, wohl nur der von Letzterem Kap. 29 erwähnte Stilicho mittelbar zurückhaltende Befehl des Honorius zu verstehen und diese wiederum dieselbe, welchen Stilicho später in der Senatssitzung vorlas und seiner eigenen Gemahlin als Urheberin zuschrieb. Dies sowie der spätere Vorgang bei der Reise nach Ravenna (s. Zosimus, Kap. 30) führt uns auf die eigentümliche Wahrnehmung einer politischen Opposition zwischen Mann und Frau. Sie ist an sich sehr unwahrscheinlich, aber wir wagen doch nicht, dieselbe für ein verabredetes Spiel oder für irrige Auffassung von Zosimus zu erklären, der gerade für die Ereignisse dieser Zeit Olympiodor – eine sehr vollständige und gute Quelle – benutzt haben muß. Beide Gatten lebten seit Ende 401 gewiß meist getrennt, sie am Hofe, er im Felde. In Serenen mag das Gefühl der hohen Geburt und der verwandtschaftlichen Anhänglichkeit an beide Kaiser, ihre Vettern, gelebt haben, daher Stilichos Anschlag wider Arcadius ihr zuwider gewesen sein.
Hätte dieselbe übrigens ganz und ausschließlich als Stilichos Werkzeug am Hofe gewirkt, so würde sie nach dessen Sturz dem Tod oder mindestens der Verbannung schwerlich entgangen sein, während sie, da Honorius seine verstoßene Gemahlin ihr wieder übergeben ließ, sicherlich einer anständigen Existenz in Rom genoß, woselbst sie später aus ganz anderm Grund ihr Ende fand.
Wir kommen nun auf Stilichos Sturz, über den weiter auszuholen ist.
Als Vormund des Knaben Honorius war dessen Stellung eine völlig gesicherte gewesen. Späterhin war es weniger das schwiegerväterliche Verhältnis als der Einfluß seiner Gemahlin Serena, die, stets am Hofe gegenwärtig, tiefen politischen Geist besessen zu haben scheint, was Stilichos Macht befestigte.
Allerdings hätten dessen hohe Verdienste um das Reich, das er zweimal vor drohendem Untergange rettete, Kaiser und Volk zu dauernder, tiefer Dankbarkeit verpflichten sollen. Diese aber ist selbst in besserer Zeit eine höchst lästige Tugend: in der römischen Verderbnis dachte niemand ihrer. Dazu kam das verdächtige Benehmen gegen Alarich nach der Schlacht von Pollentia –: Grund genug, mehr das Unterlassene zu verdammen, als das glänzend Vollbrachte zu preisen.
Unstreitig stand daher der große Feldherr – und das muß er schon nach des Theodosius Tode gefühlt haben – auf einem Vulkan.
Jeder Hochgestellte – wer aber hat in Rom je höher gestanden, als Stilicho? – erschien dem Neid und Ehrgeiz der römischen Großen als ein jagdbares Wild, von dessen Erlegung nichts als die Gefahr und Schwierigkeit abhalten könne. Wahrhaft zu fürchten aber war in dieser Beziehung nur das Hofgesinde. Dieses glaubte sich unter jedem schwachen Kaiser zu einer fast legitimen Herrschaft berufen und sah sich nun unter Stilichos eiserner Faust zu einer politischen Null herabgedrückt, mag von ihm sogar im Vollgefühl seiner Macht und Verdienste zum Teil mit Geringschätzung behandelt worden sein.
Unzweifelhaft aber fühlte sich der heranwachsende Kaiser selbst, der im Jahre 408 das vierundzwanzigste Jahr erreichte, durch den übermächtigen Diener nicht selten unangenehm berührt. Das wußte denn dessen Umgebung in ihrem Interesse auszubeuten. Mag auch Serena mit aller Kunst feindliche Elemente fern zu halten gesucht haben, so dürfte ihr dies doch um so weniger gelungen sein, da ja die in der Stellung begründete Rivalität selbst vermeinte Freunde bald in Neider und Feinde Stilichos umwandeln mußte.
An Mitteln fehlte es der römischen Verleumdungskunst niemals: in diesem Fall aber lagen sie sogar näher als in vielen andern. Stilichos Abkunft aus Barbarenblut (Die Wahrheit ist: Stilicho stützte Westrom und sich selbst auf die germanischen Elemente in Heer und Reich: er fiel durch eine Reaktion des römischen Germanenhasses; s. Urgeschichte a. a. O. D.), sein merkwürdiges, unverkennbar zweideutiges Verhältnis zu Alarich, boten, wo irgend eine kaiserliche Empfindlichkeit den günstigen Augenblick dafür gewährte, willkommenen Anlaß, den Herrn wider seinen Diener aufzureizen.
Gleichwohl scheint dies, der tiefbegründeten Macht der Gewohnheit gegenüber, lang ohne wirksamen Erfolg geblieben zu sein: ja wir müssen annehmen, daß zur Zeit von des Kaisers Vermählung mit Termantia Stilichos Einfluß, wenn auch schon erschüttert, doch noch keinesweges gebrochen war.
Da fügte sich aber zweierlei zu dessen Verderben.
Unter den Hofleuten befand sich In glänzender Stellung am Hofe, sagt Zosimus (c. 32) im Allgemeinen. ein, nach Olympiodor (p. 448) von Stilicho selbst dem Kaiser empfohlener, verschmitzter Grieche vom Gestade des Pontus, Olympius, der unter der Maske christlicher Frömmigkeit und Demut arge Bosheit barg und die raffinierteste Intrige mit seltener Meisterschaft im tiefsten Geheimnis vorzubereiten und durchzuführen wußte.
Dazu kam aber auch noch bei Stilicho übermäßige, an Blindheit grenzende Sicherheit vor Ausbruch der Gefahr, wie Unentschlossenheit in deren Bekämpfung.
Nachdem mit Alarich Friede geschlossen war, eilte Stilicho, um mit dem Heer aufzubrechen Wohin, sagt Zosimus nicht. Daß er, nachdem Alarich einerseits mit dem Heere bereits bis Italien, andrerseits der Usurpator in Gallien bis in die Nähe der Alpen vorgerückt war, damals noch einen Streich gegen das Ostreich habe ausführen wollen, ist (gewiß D.) höchst unwahrscheinlich. Zunächst galt es wohl nur persönliche Verhandlung mit Alarich über das zu Beginnende., nach Ravenna. Da kreuzte ihn des Kaisers Entschluß, zur Musterung und freundlichen Begrüßung der Truppen selbst dahin zu gehen. Das soll ihm Serena, welche den Hof und sich selbst, wegen Alarichs immer noch besorglicher Nähe, nur dort hinlänglich gesichert glaubte, eingegeben haben; wir vermuten aber, daß auch dabei Olympius unter der Hand im Spiele war. Stilicho bot alles auf, den Kaiser davon abzubringen, ließ (? D.) sogar, um ihn abzuschrecken, durch Sarus die vor Ravenna versammelten Truppen zu einem Tumulte aufregen. Vergebens: Honorius beharrte – deutlicher Beweis, wie sehr schon des Feldherrn Herrschaft über ihn gesunken war.
Da durchschaute ein vertrauter Freund und Ratgeber Stilichos, Justinian, die Intrige, und drang darauf, daß er den Kaiser an seinem Vorhaben nicht behindere, weil er eine weit größere Gefahr für ihn darin erblicke, wenn sich Honorius zu den bei Pavia versammelten, Stilicho abgeneigten Truppen begebe. Des Zosimus Bericht, Kap. 30, ist hier, seinem Wortlaute nach, völlig unlogisch. Der Kaiser will nach Ravenna, Stilicho aber dies verhindern. Darauf fährt er also fort: ’Ιουστινιανὸς etc. υπὸ τη̃ς άγαν αγχινοίας φαίνεται τὰ τη̃ς οδου̃ τεκμαιρόμενος, καὶ ως αλλοτρίως έχοντες πρὸς Στιλιχω̃να οι εν τω̃ Τικήνω στρατιω̃ται του̃ βασιλέως επισημήσαντος εις τὸν έσχατον αυτὸν καταστήσουσι κίνδυνον, διετέλει τε παραινω̃ν εκστη̃ναι τὸν βασιλέα τη̃ς τοιαύτης ορμη̃ς.
In dieser Stelle können sich die Worte: τη̃ς οδου̃ nur auf die Reise nach Ravenna beziehen, von der allein vorher die Rede ist, während sich der Grund der Gefahr der Reise nur auf die nach Ticinum (Pavia) beziehen kann.
Hiernach muß daher bei Zosimus entweder ein Mißverständnis seiner Quelle oder Verstümmelung des Textes vorliegen.
Unsre Ansicht ist folgende. Bei Pavia standen hauptsächlich römische Legionen, bei Ravenna fremde Truppen. Die bei erstern jederzeit herrschende Eifersucht gegen die Barbaren, die ja Gratian das Leben kostete, mag durch Olympius geschickt genährt worden sein. Darum hielt es Justinian für klüger, daß der Kaiser, wenn man ihn einmal nicht in Rom zurückhalten könne, lieber nach Ravenna gehe, als nach Pavia und am erstern Orte möglichst fest gehalten werde, worauf Stilicho aber nicht hörte.
Warum jedoch, wird man einwenden, lenkte Olympius den Kaiser nach Ravenna und nicht sofort nach Pavia, wo die Mine vorbereitet war? Mutmaßlich, weil der Versuch, durch den Aufstand eines Heeres Stilicho an der Spitze eines andern zu stürzen, immer noch ein Wagnis war, Olympius daher vielleicht auch bei dem zu Ravenna seine Umtriebe versuchen wollte. Da aber der Kaiser schließlich gar nicht nach Ravenna, sondern nach Bologna ging, also von Ariminum aus die Via Flaminia verließ und die nach der Lombardei führende Via Aemilia einschlug, so kann auch das ganze Drängen nach Ravenna nur ein Kunstgriff gewesen sein, um Stilichos Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Ziele und Zwecke der Reise abzulenken.
Seine Warnung fand kein Gehör, worauf Justinian von seines bisherigen Gönners Sache, aus Furcht, mit ihm selbst zu fallen, sich lossagte. (Zosim. V, 30.)Honorius war bereits in der Nähe von Ravenna, als er sich, vom Wege dahin ablenkend, nach Bologna begab, woselbst ihn die sichere Nachricht von des Arcadius Tod erreichte. Dahin berief er Stilicho, sowohl zur Beratung als um die Soldaten seiner Eskorte, die auf dem Marsch in Händel mit einander geraten waren, zu bestrafen. Der Feldherr kündigte ihnen an, daß der Kaiser Dezimierung befohlen, versprach ihnen aber, als sie mit Tränen um Gnade baten, Verzeihung für sie auszuwirken, welche er auch erlangte.
Darüber mit Stilicho einverstanden, daß des Arcadius Tod die Pflicht auferlege, die Herrschaft des unmündigen Theodosius II., dessen natürlicher Vormund der Oheim Honorius war, zu sichern und zu ordnen, wollte nun der Kaiser in Person nach Konstantinopel gehen: dies widerriet Stilicho auf das Dringendste, die großen Kosten, und die Gefahr, Italien zu verlassen, während von Gallien her der Rebell Constantin, von Noricum aus der immer noch unzuverlässige Alarich drohe, hervorhebend. Da erscheine das Zweckmäßigste, daß Alarich, durch ein römisches Heer verstärkt, wider Constantin nach Gallien gesandt, er selbst aber vom Kaiser mit Ordnung der orientalischen Angelegenheit beauftragt werde. Ein in seinem ersten Teile wenigstens höchst weiser Plan, der wahrscheinlich zwar die Herrschaft der Westgoten in Gallien früher als später doch geschah – aber nur als mittelbare, Roms Souveränität mehr noch als später der Fall war aufrecht erhaltende – herbeigeführt, die bald darauf folgende Eroberung Italiens und Roms selbst durch Alarich aber abgewendet haben würde.
Auch billigte der Kaiser diese Vorschläge und reiste auf dem Wege nach Mailand ab: Stilicho aber tat nichts zur Ausführung, zog nicht einmal die bei Pavia stehenden Truppen zu sich heran, aus Furcht, daß durch deren Zusammentreffen mit Honorius ein ihm feindlicher Anschlag hervorgerufen werde.
Jetzt war der Augenblick gekommen, da Olympius die längst angelegte Mine zündete. Seinem schwachen Herrn vorspiegelnd, daß Stilicho nur um deswillen nach dem Orient dränge, um den jungen Theodosius zu beseitigen und seinen eignen Sohn Eucherius auf den Thron zu erheben, führte er ihn seitab zur Armee nach Pavia (Ticinum). Hier bearbeitete er nun, unter dem Vorwande, die Kranken zu besuchen, die gewiß schon durch seine Werkzeuge vorbereiteten Gemüter der Soldaten (Und zwar waren es die Nicht-Germanen, welche gegen Stilicho und dessen Stützen, die germanischen Söldner, ohnehin erbittert, am Leichtesten gegen den »Vandalen« zu empören waren. D.), sicherlich auch das Gold dafür nicht sparend.
Am vierten Tage nach seiner Ankunft berief Honorius das Heer und forderte dasselbe zum Feldzuge wider Constantin auf. Da begann Olympius, geschickt an die geheime Abrede mahnend, zu den Truppen zu sprechen. Sofort entbrannte ein wütender Aufstand, der sich zunächst gegen die höchsten Würdenträger, Gardebefehlshaber, Präfecti Prätorio, den Magister der Offizien, Quästor u. a. m. richtete, welche unstreitig als Stilichos Anhänger bezeichnet worden waren. Sie alle wurden niedergestoßen, ja die einmal losgelassene Furie schritt zu allgemeinerem Morden und Plündern, welchem Honorius, nach abgelegtem Kaisergewande sich in Person unter die Rasenden mischend, kaum Einhalt zu tun vermochte.
Durch die Kunde entsetzt berief Stilicho sogleich alle Führer der » Barbaren« und Föderierten zu einem Kriegsrate, der einstimmig der Meinung war, die Truppen sofort gegen das » römische« Heer zu führen, um den Kaiser, den das Gerücht ebenfalls ermordet gesagt, zu rächen, oder mindestens, wenn dieser noch lebe, die Anstifter des Aufstands zu bestrafen. Als aber jenes Gerücht widerlegt ward, gab Stilicho, die schwankende Gesinnung des Kaisers gegen ihn nun erkennend, teils aus Furcht vor der militärischen Schwierigkeit dem starken Heere des Honorius gegenüber, teils aus Scheu (? D.) vor der Impietät eines Barbarenangriffs auf Römer, jenen Plan wieder auf, und beschloß nach Ravenna zu gehen. (Zosim. c. 33.)
Noch einmal bestanden, aber vergeblich, die anwesenden Generale der »fremden« (d. h. meistenteils germanischen D.) Truppen auf Vollführung ihres Rats, beschlossen aber, da sie den Feldherrn nicht zu überzeugen vermochten, des Kaisers Entscheidung zu erwarten; nur Sarus, der durch Kraft und Rang hervorragendste unter ihnen, drang noch zu einer letzten Anstrengung gewaltsam in der Nacht in Stilichos Zelt (Doch wohl vielmehr in feindlicher Absicht. D.), in dem er dessen abwehrende hunnische Leibwächter niederstoßen ließ. Gibbon (Kap. 30 vor Note 106) erblickt darin einen Mordversuch des Sarus wider Stilicho, welchem Letzterer entronnen sei; es ist jedoch, da Sarus von Zosimus kurz vorher, Kap. 30, als das vertrauteste Werkzeug Stilichos geschildert wird, derselbe auch nach dessen Tod nicht begünstigt, sondern zurückgesetzt ward (Zosimus, Kap. 36), nicht gerade sehr wahrscheinlich. (? D.)
Der Unglückliche, von seiner alten Kraft verlassen, ging nach Ravenna in sein Verderben.
Da langte von Olympius, der schon den Kaiser ganz beherrschte, ein Befehl zu Stilichos Verhaftung daselbst an, welchem dieser sich durch nächtliche Flucht in eine Kirche entzog. Mit Tagesanbruch drangen die Soldaten hinein: ihr Führer Herculian, in welchem Olympius einen »Buttler« gefunden hatte, beteuerte vor dem Bischof eidlich, daß der Kaiser nicht Stilichos Tötung, sondern nur dessen anständige Verwahrung befohlen habe: vor dem Tor aber, wohin ihm der Feldherr folgte, zog er sogleich ein zweites Rescript hervor, das Todesstrafe wegen Hochverrats über ihn verhängte.
Die anwesenden Fremdsoldaten (wohl Germanen D.) und Stilichos zahlreiche Diener und Freunde wollten ihn mit Gewalt befreien, er selbst aber hielt sie durch Vorhaltung der schreckenden Folgen für sie davon ab, und bot so gewissermaßen freiwillig sein Haupt dem Todesstreiche dar.
Also fiel am 22. Aug. 408 (Zosim. V, 34 am Schluß) der Held, der unwillkürlich an Wallenstein und dessen Ende erinnert.
Verschieden lautet, je nachdem er Eunapius oder Olympiodor nachschreibt, des Zosimus Urteil, da er ihn nach des Theodosius Tod (V, 1) an schamloser Bereicherungssucht Rufinus gleichstellt, nach seinem Sturz aber (V, 34) für den »maßvollsten«, d. h. wohl: rechtschaffensten μετριώτερος. aller Gewalthaber jener Zeit erklärt, da man während dessen dreiundzwanzigjähriger Amtsführung als Heerführer keine Unredlichkeit an ihm wahrgenommen habe. Die Deutung liegt nahe. Eunapius, der sein Werk vor Stilichos Tode schloß, schrieb im fernen Asien und folgte der Tagesrede im Orient, die, an sich verleumderisch, demselben insbesondere gehässig war. Olympiodor kann, obwohl aus Theben in Ägypten gebürtig, nur die Geschichte des Westreichs geschrieben haben, weil sich von den zwanzig Seiten seiner Fragmente keines auf das östliche bezieht, lebte daher wohl in ersterm und war Zeuge des öffentlichen nach dem Sturz eines großen Mannes durch einen Buben stets zur Milde gestimmten Urteils.
Gleichwohl ist Stilicho, besonders im Beginn seiner Laufhahn, von Eigennutz, dem Erbfehler aller römischen Großen, schwerlich frei gewesen. Sonder Zweifel war er auch voll Ehrgeiz und Herrschsucht, ja sein Verhalten gegen Alarich nicht ohne Selbstsucht, wenn auch mit dem politischen Gedanken, zugleich ein dem Reiche nützliches Werkzeug gegen die verhaßten und haßerfüllten Herrscher des Ostens in ihm zu gewinnen (und eine Stütze für das Reich, in einer Stütze für sich selbst D.). An Hochverrat aber hat er sicherlich nie gedacht: ja wir zweifeln nicht, daß treue Anhänglichkeit an den ihm dreifach verschwägerten Kaiser in seiner Seele lebte. Selbst seine auffallende Schwäche im Sturze beweist, daß er nicht den Willen, daher auch nicht den Mut des Verbrechens hatte. Was anders namentlich als das Gefühl römischer Ehre und Würde konnte ihn abhalten (seine Barbaren gegen Pavia zu führen oder gar D.) sich schließlich mit den ihm noch treuen Truppen in Alarichs Arme zu werfen, der ihm unzweifelhaft ergeben war?
Eine Macht von solcher Größe und Dauer hat nie der Diener eines römischen Kaisers, weder vor noch nach ihm, besessen: vielleicht aber auch keiner gleiches Verdienst. Stilicho wahrlich war ein großer Mann als Politiker und Feldherr, in letzterer Hinsicht bewundernswürdiger vielleicht noch als Stratege, besonders in der Kunst, den Feind einzuschließen, denn als Held im Kampf, obwohl auch darin, wenn wir Claudian trauen dürfen, bei Pollentia glänzend.
Selbstredend ergoß sich nach Stilichos Tode nicht nur das Gift der Verleumdung über den Gefallenen, sondern auch das furchtbare Spiel der Majestätsprozesse und Folter über dessen Anhänger und Freunde. Doch konnten selbst die härtesten Qualen nach Zosimus (c. 35) kein demselben nachteiliges Geständnis erpressen. Gleichwohl hatte die offizielle und offiziöse Stimme, jedes freie Urteil einschüchternd, Macht genug, den Glauben an dessen Schuld in die fernen Lande zu verbreiten, wo Hieronymus, Philostorgius und Orosius schrieben, wozu bei den Theologen das (wiewohl von keiner dafür angeführten Tatsache unterstützte) Gerücht, Eucherius, dessen Sohn, habe das Heidentum wieder einführen wollen, nicht wenig beigetragen haben mag. Die neuere Geschichtsforschung ist übereinstimmend gerechter. Selbst Tillemont, der sich sonst jeder kirchlichen Autorität fast blind unterwirft, ist diesmal unbefangen genug, seine Zweifel gegen letztere nicht zu unterdrücken. (S. V, 3, Art. 30, S. 1209 der Brüss. Ausg.)
Bessern Erfolg als die Untersuchung hatte die Beraubung, die auf des Kaisers Befehl sogar auf das Vermögen aller derer erstreckt werden sollte, die unter Stilichos Herrschaft Ämter (doch wohl nur höhere) erlangt hatten.
Für den Staat aber war das Unheilvollste die Entfesselung der römischen Soldateska, welche, von Haß gegen das ganze Barbarentum aufgestachelt, ihre Wut an den in den Städten gewissermaßen als Geiseln untergebrachten Familien der fremden Soldaten ausließ und diese schonungslos beraubte und mordete. Über den scheußlichen Treubruch empört rotteten sich deren Männer und Angehörige zusammen und gingen, mehr denn 30 000 an der Zahl, zu Alarich über, mit diesem gegen Rom zu ziehen.
Alarich verdammte laut, doch vielleicht nicht ohne ein gemischtes Gefühl, Stilichos Mord, wollte aber gleichwohl den mit diesem geschlossenen Vertrag halten, sandte daher Abgeordnete, welche eine mäßige Summe Geldes – wahrscheinlich den Rückstand der bedungenen Zahlung –, zugleich aber nunmehr auch die Gestellung von Geiseln (darunter den jungen Aëtius) forderten, wozu er auch seinerseits bereit sei. Unter diesen Bedingungen wollte er aus Noricum Aemona, wohin derselbe gezogen war, lag in der schmalen Spitze Pannoniens, die sich an der obern Save zwischen Noricum und Pannonien hineinschob. Von hier aus mag er sich aber über Noricum verbreitet und nur Italien verschont haben. nach Pannonien abziehen.
Da hatte sich der Kaiser zwischen Krieg oder Frieden zu entscheiden, entweder erstern, zu dessen Führung nur Sarus, Alarichs persönlicher Feind, geeignet war, mit Aufgebot aller Kraft zu beginnen oder letzteren mit so geringem Opfer zu erkaufen.
Er aber verweigerte den Frieden und tat nichts für den Krieg, indem der zum Magister der Offizien ernannte Olympius, auf den er sich einzig verließ, die vom Feinde verachtetsten Männer zu Heerführern bestellte.
Solche Gegner verlachend marschierte Alarich sogleich auf Rom, ohne seiner Frau Bruder Ataulf, der mit gotischem und hunnischem Volk im obern Pannonien stand, abzuwarten, obwohl er ihn zur Teilnahme berufen hatte. Er zog an den festen Plätzen, namentlich auch Aquileja, vorbei Gibbon meint c. 31 vor Note 4, er habe die festen Plätze, die sich ihm auf Diskretion ergaben, geplündert. Es ist aber fast undenkbar, daß sich diese nicht in eigenem Interesse verteidigt haben sollten, und des Zosimus κατατρέχει ist hier offenbar nur von verheerendem Vorüberziehen zu verstehen., zuerst den Po hinauf, überschritt diesen hinter Cremona und ging sodann auf der ämilischen Straße weiter, von Ariminum aber, um Ravenna sich nicht bekümmernd, direkt gegen Rom, ohne dabei irgendwie auf Widerstand zu stoßen, wobei er auf der letzten Strecke jedoch auch Kastelle und Städte am Wege einnahm und verheerte. Auf diesem hätte er beinahe Eucherius, der nach Ravenna gebracht werden sollte, befreit, wenn die transportierenden Eunuchen denselben nicht nach Rom zurückgeführt und daselbst befohlener Massen getötet hätten. (Zosim. 2, 37.)
Im Spätjahre 408 angelangt vor Rom, dessen Mauern unlängst hergestellt und verstärkt worden waren, zog Alarich den sichern Weg der Blockade und Aushungerung, wozu er sich vor allem des Tibers bemächtigte, dem Sturmangriff vor. Vergebens ward auf Beschluß des Senats und der kaiserlichen Schwester Placidia die unglückliche Serena, von der man Einverständnis mit Alarich fürchtete, getötet.
Der König ließ nicht ab: und die Not der Stadtbevölkerung stieg immer höher. Man griff zu den ekelhaftesten Nahrungsmitteln; das förderte die Seuche, die wiederum durch den Verwesungsgeruch der Leichname, welche nicht außerhalb der Stadt bestattet werden konnten, gesteigert wurde. Ausfälle wagte man eben so wenig als Honorius den Versuch des Entsatzes, auf den die heiße Sehnsucht der Belagerten gerichtet war.
Als Hunger und Graus den höchsten Gipfel erreicht hatten, ward Ergebung unter billigen Bedingungen angeboten, aber mit der hinzugefügten Erklärung, daß das bewaffnete und exerzierte Volk im schlimmsten Falle zum Verzweifelungskampfe bereit sei. Auf Letzteres erwiderte Alarich den Sendboten lachend: »Je dichter das Heu, je leichter das Mähen« und verlangte als Kapitulationsbedingung alles Gold und Silber, alle Sklaven barbarischer Abkunft und was sich an Hausgerät finde. Das war doch zu hart. Da nun aber auch der Gedanke, durch Rückkehr zu den alten Göttern und heidnischen Zeremonien Rettung zu suchen Ob es wahr ist, wie Zosimus sagt, daß Innocentius, der Bischof von Rom, insgeheim seine Einwilligung dazu gegeben habe, lassen wir dahingestellt sein., fehlschlug (der Senat war doch nicht gewillt, durch öffentliche Opfer auf dem Kapitol und jedem Forum der Stadt, wie dies gefordert ward, seinen Glauben zu beflecken), legte man sich wieder auf das Bitten. So ward denn endlich gegen Lieferung von 5000 Pfund Goldes, 30 000 Pfund Silbers, 3000 dergleichen Pfeffer, 4000 Stück seidener Gewänder und 3000 purpurgefärbter Felle δέρματα. Wie Gibbon c. 31 vor Note 79 und Aschbach S. 84 dies durch Tuche übersetzen können, ist nicht zu begreifen. die Aufhebung der Blockade erlangt.
Das Geforderte ward teils gewaltsam von den Reichen, teils aus den Tempelschätzen, selbst durch Einschmelzung von Götterbildern aus edlem Metall, aufgebracht. (Zosimus c. 38–41.)
Sogleich nach erfolgter Zahlung gab Alarich den Markt vor einigen Toren und die Zufuhr auf dem Tiber frei und zog mit dem Heere nach Tuscien ab, wobei aber an 40 000 Sklaven, ihren Herren entlaufend, sich ihm anschlossen. Frevel, welche einige seiner Leute durch räuberischen Angriff auf Römer, die sich verproviantierten, verübten, verbot und bestrafte er auf das Strengste. Dies geschah um Neujahr 409, als Honorius sein achtes Konsulat zu Ravenna antrat.
Noch bedurfte es des Friedens mit dem Kaiser, wofür Alarich außer Geld Sollte dies nicht bloß der Rest der Rom auferlegten Kontribution gewesen sein? auch Gestellung edler Geiseln forderte, dagegen aber ein Waffenbündnis wider alle Feinde Roms zusagte.
Honorius genehmigte zwar den Vertrag und erfüllte die Zahlung, nicht aber die Sendung von Geiseln und einiges andere.
Auch Abgeordnete des Senats richteten nichts aus, da Olympius sich fortwährend nur noch mit Verfolgung von Stilichos Anhängern beschäftigte. (Zosim. c. 42 u. 44.)
Da gefiel es Honorius, 6000 seiner tapfersten Truppen, Dalmatier, als Garnison nach Rom zu schicken, die aber, weil deren Führer Valens den einfältigen Stolz hatte, den Goten nicht ausweichen zu wollen, Alarich in die Hände fielen und bis auf etwa hundert Mann, die nebst Valens entflohen, insgesamt gefangen oder niedergehauen wurden.
Unwillig verbot der Gotenkönig nun den Römern, aus der Stadt zu gehen, worauf diese in der Angst eine neue Gesandtschaft an den Kaiser abordneten, welcher sich, unter gotischer Eskorte, der Bischof von Rom anschloß.
Um dieselbe Zeit kam Ataulf zur Vereinigung mit Alarich in Italien an, wo ihn der Kaiser durch weit überlegene Streitkräfte auf dem Marsche angreifen und ihm 1100 Goten töten ließ, während die Römer (wohl übertrieben) nur siebzehn Mann verloren haben sollen, (Zosim. c. 45.)
Welch eine Politik! Die von einem furchtbaren, aber redlichen Feinde dargebotene Friedenshand unbeugsam zurückweisen, ihn anzugreifen weder Mut noch Macht, denselben aber doch durch Neckereien reizen. Das war des Wahnsinns zu viel. Die am Hofe gewaltigen Eunuchen drangen auf des Olympius Absetzung, worauf dieser aus Furcht vor Schlimmerem nach Dalmatien entfloh.
Gegen dessen militärische Kreaturen erhob sich nun auch ein Soldatenaufstand zu Ravenna, der nur dadurch gestillt werden konnte, daß einer der von jenem ernannten Magistri militum und der Befehlshaber der Leibwachen getötet, überdies auch der Oberkammerherr Terentius (und dessen Nächster im Range) verbannt wurden. Die oberste Gewalt am Hofe ging nun auf den Präfectus Prätorio Jovius über. Zum obersten Militärbefehlshaber jenseits der Alpen mit Noricum und Rätien aber ward der durch Tapferkeit und unbestechliche Redlichkeit gleich ausgezeichnete noch heidnische Germane Generid ernannt. Dies sollte, weil kurz zuvor die Anstellung von Heiden in höhern Ämtern verboten worden war, dispensationsweise geschehen. Da derselbe aber jede persönliche Begünstigung entschieden ablehnte, sah sich der Kaiser das ganze Gesetz wieder aufzugeben genötigt. (Zosim. c. 46 u. 47. Vergl. c. 36 a. Schl.)
Nun erkannte man endlich die Notwendigkeit eines Friedensschlusses, wozu Alarich in die Nähe von Ravenna eingeladen ward.
Dieser forderte eine jährliche Geld- und Getreideleistung sowie die Überlassung von Venetien, Noricum und Dalmatien. Jovius, der römische Abgeordnete, seit längerer Zeit mit ihm persönlich bekannt, berichtete aber dem Kaiser, er hoffe billigere Bedingungen zu erlangen, wenn Alarich zum Magister militum beider Waffen ernannt würde, worauf Honorius töricht erwiderte, er wolle zwar Geld und Getreide, niemals aber Alarich oder einem seiner Landsgenossen jenen Rang bewilligen. Dies Rescript erbricht Jovius in Alarichs Gegenwart und liest es laut vor, worauf dieser, über den ihm und seinem Volke durch die Weigerung angetanen Schimpf heftig erzürnt, sofort nach Rom aufbricht.
Jovius, unstreitig vor dem Vorwurfe zu großer Willfährigkeit gegen Alarich sich fürchtend, reizt Honorius zum Krieg und zu eidlicher Bekräftigung dieses Beschlusses auf, indem er und die übrigen Würdenträger gleichen Schwur: »ewiger Krieg gegen Alarich und die Goten!« auf des Kaisers Haupt ablegen.
Indes in Ravenna zum Kriege gerüstet und dazu eine Schar von 10 000 Hunnen in Sold genommen wird, kommt Alarich von seiner Aufwallung zurück und läßt Honorius durch abgeordnete Bischöfe eröffnen, er möge doch nicht durch eigne Schuld die Stadt, welche über ein Jahrtausend lang die Welt beherrscht habe, den Barbaren zur Plünderung und den Flammen zur Verzehrung Preis geben, sondern billigen Frieden schließen.
Dafür verlange er nun nichts weiter als Noricum, kein Geld, und nur so viel an jährlichem Getreide, als er selbst genügend erachte.
Dieser edlen Mäßigung setzen nun Honorius und die Übrigen den Vorwand jenes Eidschwurs entgegen, bemerkend, wie Zosimus hinzufügt, wenn sie nur Gott geschworen, könne die göttliche Gnade vielleicht den Bruch vergeben, ein Eid auf des Kaisers Haupt aber sei unverletzlich. (Zosimus c. 48–51, womit dessen fünftes Buch schließt.)
Alarich berennt nun wiederum die Stadt, droht Erstürmung, wenn man sich nicht mit ihm wider Honorius vereinige, was zuerst verweigert, nachdem sich jener aber noch des Hafens mit allen Getreidevorräten bemächtigt hat, endlich doch in der Art bewilligt wird, daß der Senat auf dessen Geheiß im Jahr 409 (Prosper Aquit.) des Honorius Absetzung und die Erhebung des Stadtpräfekten Attalus zum Kaiser ausspricht, der nun neue Würdenträger und darunter Alarich selbst zu einem der beiden Magistri militum, dessen Schwager Ataulf aber zum Befehlshaber der Leibwache zu Pferde bestellt.
Wäre noch ein Zweifel möglich, daß der Gotenkönig von tiefer Ehrfurcht – müssen wir sagen – für Rom und römisches Wesen erfüllt war, so müßte derselbe hiernach schwinden. Er hielt sein Volk noch nicht für reif, mit diesem, worauf doch seine Kraft beruhte, an eines solchen Staates Spitze zu treten, wollte daher lieber der Diener eines Kaisers werden, der seine eigne Kreatur war, als was so ehrwürdig und groß war, zertrümmern, ohne es wieder aufbauen zu können. Vergl. aber auch Dahn, Urgeschichte I, S. 346.
Umgekehrt tauchte in Attalus, der doch eigentlich nichts als ein Werkzeug in der Hand des Goten war, sofort der ganze Römerstolz wider Barbaren auf.
Das Dringendste war, sich sofort Afrika, worauf die ganze Getreideversorgung der Stadt beruhte, zu unterwerfen, wofür Alarich ein gotisches Korps zur Verfügung stellte. Dies lehnte Attalus aber ab, sandte vielmehr nur einen neuen Gouverneur mit unzulänglicher Streitkraft dahin ab und zog nun sofort wider Honorius gen Ravenna.
Entsetzt bot dieser dem neuen Kollegen die Teilung des Reiches an, was Letzterer durch die Erklärung erwiderte, ihm nur unter Verbannung auf eine Insel und an einem Teile seines Körpers verstümmelt das Leben lassen zu wollen. Zosimus VI, 8, p. 324 d. Bonn. Ausg. erwähnt hier des Jovius, als des Attalus Abgeordneten, während Olympiodor Jovianus als des Honorius Sendboten nennt.
Schon wollte Honorius mit der Flotte nach Konstantinopel entfliehen, als die Ankunft von 4000 Mann aus dem Orient seinen Mut belebte, so daß er zuerst Nachrichten aus Afrika zu erwarten beschloß. Über die nun folgenden Ereignisse stimmen Zosimus, Sozomenos IX, 8 und Olympiodor nicht genau überein. Nach Zosimus und Olympiodor soll Jovius (oder Jovianus) dabei eine große Rolle gespielt, bald Alarich gegen Attalus aufgereizt, bald wieder für Honorius gewirkt haben. Wir beschränken uns auf das Unzweifelhafte.
Diese ergaben, daß Heraklian, Stilichos Mörder, den für ihn von Attalus bestimmten Ersatzmann getötet habe, worauf Attalus nichts desto weniger, zu Alarichs größtem Unwillen, einen zweiten unzulänglichen Versuch gleicher Art machte. Gleichwohl blieb der König demselben noch treu und zwang alle Städte der Provinzen Aemilia und Liguria, mit Ausnahme Bolognas, das er mehrere Tage lang vergeblich belagerte, sich zu unterwerfen.
Inmittelst hatte Heraklian durch Sperrung der Zufuhr Rom wieder in die höchste Bedrängnis versetzt. Nun erkannte die Mehrheit des Senats endlich, daß dessen Widerstand nur durch ein Gotenheer zu überwinden sei. Auch diesmal aber widersetzte sich, von Wenigen unterstützt, Attalus mit einer Hartnäckigkeit, die man, weil einem bessern Gefühle entsprungen, edel nennen könnte, wenn sie nicht zu einfältig gewesen wäre.
Da riß Alarich die Geduld; vor versammeltem Heere bei Ariminum entkleidete er im Jahre 410, anscheinend Ende Januar, Attalus des Purpurs, den er Honorius übersandte, vergönnte aber dem Abgesetzten und dessen Söhnen Schutz in seinem Heer.
Alarich, der damals, wohl schon von der ersten Kapitulation Roms her, des Kaisers Schwester Placidia gewissermaßen als Geisel, jedoch in fürstlichen Ehren, bei sich hatte, wollte fortwährend nichts anderes als einen festen Frieden, der jedoch durch einen unklar und verschieden berichteten Zwischenfall vereitelt ward. Der schon erwähnte Sarus war Alarichs und Ataulfs Todfeind; ob aus altem Hasse oder, was uns wahrscheinlicher (? D.) dünkt, weil er im ersten italienischen Kriege von Alarich zu Stilicho übergegangen war, wissen wir nicht.
Sarus hatte sich bisher mit einem mäßigen Gefolg auf eigne Faust umherziehend von Parteinahme fern gehalten, erklärte sich aber nun für Honorius, der ihn willig aufnahm, was nach Olympiodor (p. 449) Alarich auf das Heftigste wider Letztern erbitterte. (Zosim. VI, 6–13. Sozomenos IX, c. 6–9. Olympiodor, p. 449 u. 431 und Orosius VII, 42.)
Mit dieser Nachricht schließt das letzte Kapitel von des Zosimus letztem Buche, da der Rest von dessen Werk uns leider verloren ist (s. d. Vorrede der Bonner Ausg. XXVII u. XXVIII), ein um so unersetzlicherer Verlust, da gerade die Geschichte der letzten Zeit dessen Glanzpunkt ist, ja diejenige der Ereignisse vom Jahre 406 an im Wesentlichen geradezu als der beste Teil seines Werkes bezeichnet werden kann. Daß er dafür Olympiodor benutzt, ist nicht zu bezweifeln, doch haben wir unter dessen Fragmenten nur ein einziges p. 450, Z. 17, gefunden, das eine, wenn auch nicht wörtliche Übereinstimmung mit Zosimus (VI, 2) ergibt. Doch sind des Photius Extrakte aus Ersterem viel zu mangelhaft, daraus mit Sicherheit auf das Original schließen zu lassen. Auch Sozomenos übrigens muß Zosimus vor sich gehabt Nach der uns erst später zugekommenen trefflichen Abhandlung von Rosenstein über das Verhältnis zwischen Olympiodor, Zosimus und Sozomenos (Forschungen zur D. Gesch. ed. die historische Commission d. Baier. Akad. d. W., Göttingen 1861, I, 2, S. 167) ist dies in sofern nicht richtig, als auch Sozomenos aus Olympiodor geschöpft, Zosimus und Sozomenos also nur dieselbe Quelle benutzt haben., wahrscheinlich aber auch noch anderer guter Quellen nicht entbehrt haben.
Durch des Attalus Entsetzung lebte überall, wo er Anerkennung gefunden, des Honorius Herrschaft sofort wieder auf, was derselbe, nach Sozomenos (IX, 8), durch Bestätigung aller von jenem ernannten Beamten, die er zu entfernen freilich nicht die Macht hatte, erleichterte.
Erbittert und fruchtloser Unterhandlung müde zog Alarich, da der Kaiser in seinen Sümpfen unerreichbar war, zum dritten Male gegen die Hauptstadt. Davon sagt Orosius (VII, 39); »Alarich ist da, belagert das zitternde Rom, ängstigt's und bricht ein.« Näheres wissen wir nicht, gewiß nur, daß die Belagerung diesmal nicht von längerer Dauer war, die Einnahme in der Nacht, durch Sturm, aber unter Mitwirkung von Verrat im Innern, und zwar am 23. August 410 Dies gründet sich allerdings nur auf spätere Quellen, namentlich die Histor. miscella XII, die zwar für den Geschichtsforscher sonst meist wertlos, in der Chronologie aber sehr gut ist, stimmt jedoch im Allgemeinen zum Geschichtsverlaufe. Auch ist es höchst wahrscheinlich, daß die Kunde eines so denkwürdigen Tages in zahlreichen uns verlornen Quellen fortlebte. erfolgte. Daß Roms Einnahme in der Nacht erfolgte, sagt St. Hieronymus (epist. 127 ad Principiam, S. 953 der Ausgabe von Vallarsius, Verona 1734: Nocte Moab capta est, nocte cecidit ejus murus etc.); den Verrat bezeugt im Allgemeinen Sozomenos (IX, 9) und der freilich an 140 Jahre spätere Prokop (de b. Vand. I, c. 2) mit Angabe der Gerüchte darüber. Es liegt auch auf der Hand, daß die plötzliche Einnahme ohne solche Mithilfe schwer denkbar ist, obwohl die eigentliche Eroberung, nach verräterischer Eröffnung eines Eingangs, selbst abgesehen von des Orosius Ausdruck: irruptio, immer nur durch Sturm möglich war.
Das Verhalten der Goten bei der Einnahme schildern als verhältnismäßig milde und menschlich Augustin (de civit. Dei an verschiedenen Stellen), namentlich (III, 29) im Vergleich zu der Eroberung Roms durch die Gallier und durch Marius und Sulla. Augustins Hauptansicht aber erhellt aus (I, 7) desselben Werks, wo er sagt: Was an Verwüstung, Mord, Raub und Brand geschah, brachte der Kriegsgebrauch mit sich; das Neue und Unerhörte aber, die Schonung der Basiliken, worin so viele ein geheiligtes Asyl fanden, wirkte Christus.
Ebenso Orosius (VII, 39). Derselbe sagt vorher (II, 19), bei dieser Einnahme sei kaum ein Senator, weil er sich versteckt habe, umgekommen, was auch Augustin (d. C. D. III, 29) wenigstens im Wesentlichen bestätigt.
Dem Kriegsgebrauche gemäß folgte der Erstürmung die Plünderung, von der Morden und Brennen, wenn auch letzteres nur zufällig, stets unzertrennlich war. Das Gerücht mag aber die Greuel, von denen besonders Hieronymus (epist 127 ad Principiam und 128 ad Gaudentiam der Ausg. von Valesius, Verona 1734), sowie Augustin (c. 2 de Civit. Dei zu Anf. und besonders c. 12 u. 13) zeugen, sehr übertrieben haben.
Vor allem bewährte sich Alarich als Christ, befahl namentlich die Schonung aller heiligen Orte, insbesondere der Kirchen St. Peter und Paul. Als ein plündernder Gote in einem geistlichen Hause die kostbarsten Gold- und Silbergefäße entdeckte, sagt die Hüterin: »sie sind dem Apostel Petrus geweiht: nimm sie, wenn du es wagst«. Betroffen meldet derselbe dies Alarich, der sie sogleich in die Basilika zurückzubringen und alle, welche ihnen folgen, zu verschonen befiehlt. Das geschieht sogleich in feierlichem Zuge durch die ganze Stadt unter frommen Gesängen, zu denen sich Römer und Goten vereinigen, wie uns dies der Zeitgenosse Orosius (a. a. O.), wenn auch sehr ausgeschmückt, doch in der Hauptsache gewiß wahr, berichtet.
Von einem gotischen Krieger erzählt auch Sozomenos (IX, 9), daß derselbe, von böser Lust gegen eine schöne Frau entzündet, als diese lieber sterben als sich seinem Willen fügen wollte, von solcher Tugend gerührt, die Zitternde in die Kirche gebracht und zu deren Versorgung, bis sie wieder mit ihrem Manne vereint sein würde, noch sechs Goldstücke gegeben habe.
Das Abwägen der verschiedenen sich widersprechenden Quellenzeugnisse würde müßig sein, auch sind die Theologen selbst im Lobe Alarichs und der Goten nicht ganz zuverlässig, weil sie dadurch deren Christentum hervorheben wollen. Nichts indes beweist des Königs schonenden Sinn, aber auch die Subordination seines Heeres, schlagender, als daß derselbe bereits am dritten Wenn Marcellin in seiner Chronik den sechsten Tag nennt, so ist dies, abgesehen von der höhern Glaubwürdigkeit des Zeitgenossen, kein Widerspruch, erklärt sich vielmehr einfach durch den Verzug zwischen Beginn und Ende der Räumung. Tage wieder abzog. (Orosius a. a. O.)
Unzweifelhaft hat daher Gibbon vollkommen Recht, wenn er, jene Einnahme Roms mit der durch die Truppen Karls V., des römischen Kaisers und katholischen Königs, vergleichend, welche neun Monate lang verheerend darin hausten, zu Alarichs und dessen Volkes Gunsten den Schluß zieht.
Dieser marschierte hierauf verheerend und plündernd, was selbstredend nicht zu verhüten war, sogleich durch Campanien und Lucanien bis Reggio im Bruttier Lande, um von dort über Sizilien nach Afrika zu gehen. (Olympiodor, p. 452/3 und Jordanis c. 30.)
Ob er sich nur dieser für Rom unentbehrlichen Provinz bemächtigen und dann erst über die Reichsverwaltung verfügen oder sich und seinen Goten eine bleibende Heimat daselbst begründen wollte, wissen wir nicht: doch läßt der aus dem Stillschweigen der Quellen abzunehmende Umstand, daß er des Honorius Herrschaft in Rom unangetastet ließ, beinahe vermuten, daß er immer noch nicht an deren gänzlichen Umsturz dachte.
Nur aus dessen endlichem Plane jedoch, nicht aus einem andern Grunde Des Sokrates Märchen (VII, 10), er sei aus Furcht vor dem Gerücht eines Theodosius II. wider ihn gesandten Heeres entflohen, ist zu lächerlich, um Widerlegung zu verdienen., läßt sich jener Rückzug erklären, da Mangel an Lebensmitteln ihn nur die Umgegend Roms, aber nicht Italien, zu verlassen, bestimmen konnte.
In der Meerenge von Messina aber gingen die ersten Schiffe durch einen furchtbaren Sturm unter. Indem der König das Weitere berät, entreißt ihn noch im Jahre 410 (Marcell.) ein plötzlicher Tod in der Blüte seiner Jahre Aschbach sagt S. 92 im 34. Jahre, was sich aber in den angeführten Quellen nicht findet. Nach Zosimus V, 4 ernannte ihn Theodosius bei dem Zuge wider Eugenius, wozu das Heer schon im Jahre 392 formiert war, zum Führer einer Barbarenschar und 395 beanspruchte er die Würde eines Magister militum. Hiernach war er im Jahre 392 doch mindestens schon über (? D.) zwanzig, und bei seinem Tode etwa zwischen achtunddreißig und dreiundvierzig Jahre alt. dem Leben.
Ein edler und großer Mann sonder Zweifel, eines Seelenmalers als Geschichtsschreiber würdig. Germanischen Gemüts und römischer Bildung, eine eigentümliche Mischung beider Nationalitäten.
Lag seiner merkwürdigen Milde und Schonung gegen Honorius noch ein Gefühl von Ehrfurcht für des Theodosius, seines ersten Wohltäters, Haus mit zu Grunde? Oder wollte er das so künstliche als vollkommene Instrument des römischen Staates nur um deswillen nicht in die eigne Hand nehmen, weil er sich, zumal durch den Geist seines Volkes gebunden, dessen Führung nicht gewachsen glaubte, daher es lieber einer kundigeren anvertrauen als in der seinigen verderben? Andere Auffassungen, ausgehend von der innern Schwäche des trotz aller Siege heimatlosen Wandervolkes, dem das Schwert die bitter vermißte Pflugschar nicht ersetzen konnte, bei Dahn, Könige V, S. 47–50 und Urgeschichte I, S. 347.
Die Macht, ja den Zauber seiner Persönlichkeit bekunden vorzüglich der Gehorsam und die Disziplin seines Heeres, d. i. des Volkes, namentlich der Großen, die den Goten, wie wir später sehen werden, sonst nicht immer eigen war.
Bestattet wurde der König nach Jordanis (c. 50) mit reichen Schätzen in dem Bette des kleinen Flusses Busentus bei Cosenza in Kalabrien, der dazu vorher abgeleitet und nachher wieder zugelassen wurde, damit die Ruhestätte, nach Tötung der dazu verwandten Gefangenen, unerforschlich bleibe.
An Alarichs Stelle ward dessen Schwager Ataulf von den Westgoten zum König erwählt.
Unzweifelhaft brachte dieser den bereits eingetretenen oder nahen Winter 410–411 in Unteritalien zu und zog, von dem Unternehmen gegen Afrika abgeschreckt, im Jahre 411 wiederum dem Norden der Halbinsel zu. Des Jordanis Nachricht (c. 31), er habe Rom noch einmal berührt und, was bei der ersten Einnahme übrig geblieben, vollends zerstört, wird von allen Historikern verworfen, weil keine Quelle dessen gedenke. So gewiß das fragliche Kapitel im übrigen von Unwahrheiten strotzt, so haben doch jene Zweifler nicht bedacht, daß das Gotenheer auf dem Rückmarsche nach Oberitalien und Gallien Rom fast unvermeidlich (? D.) passieren mußte. Erhebliche Verwüstung aber bezweifeln wir eben so sehr, da die Chronisten einer solchen sicherlich gedacht hätten.
Vor allem erwähnt Olympiodor (p. 458) eines Berichts des Stadtpräfekten Albinus vom Jahre 414 (s. des Labbeus Not. zu Olymp., Bonn. A., p. 570), nach welchem Rom damals schon ganz wieder in den vorigen Stand hergestellt sei und das geordnete Getreidequantum, wegen gestiegener Bevölkerung, nicht mehr ausreiche Der Nachsatz, daß in einem Tage 14 000 Kinder geboren worden seien, ist so unsinnig, daß er nur durch Schreibfehler oder sonstige Verunstaltung entstanden sein kann. Selbst bei einer Zahl von hundertundvierzig würde sich noch eine Bevölkerung von zwei Millionen ergeben. Gleichwohl schreibt dies Tillemont Art. 42 S. 1266 nach, ohne die grobe Unwahrheit zu erkennen.: – Beweis genug, daß selbst unter Alarich eine wesentliche Zerstörung, deren Wirkung sich in vier Jahren nicht verwischen läßt, nicht stattgefunden haben kann.
Aus den Quellen ergibt sich für die nächste Zeit mit Sicherheit nur, daß Ataulf mit seinem Volke im Jahre 412 nach Gallien zog.
Daß derselbe vorher im Jahre 411 großenteils in Toscana gelagert und gehaust habe, können wir aus einem Rescript vom 8. Mai 413 (C. Th. XI, 28, 7) abnehmen, wodurch nicht allein Unteritalien und der Umgegend von Rom, sondern auch dieser Provinz ein bedeutender Abgabenerlaß bewilligt wurde.
Der Auszug aus Italien nach Gallien lag unzweifelhaft in des Kaisers Interesse. Daß darüber jedoch, wenn auch gewiß Verhandlungen stattfanden, ein förmlicher Vertrag abgeschlossen worden sei, ist zu bezweifeln. Vergl. Dahn, Könige V, S. 56; Urgeschichte I, S. 350. Am wirksamsten mag wohl Placidia, obwohl Ataulf sich erst zwei Jahre später mit ihr vermählte, des Bruders Interesse hierbei gefördert haben.
Geht man davon aus, daß Jordanis aus Cassiodors Lektüre das Wichtigste zwar richtig im Gedächtnis behielt, dies aber, mit den gröbsten Irrtümern untermischt, auf das Verworrenste in seinem Machwerk anbrachte, so wird obige Ansicht durch zwei Stellen desselben bekräftigt, nämlich c. 30, wo er Alarich, um ihn aus Italien zu entfernen, durch Kaiser und Senat Gallien und Spanien förmlich schenken läßt, und c. 31, wo er Ataulf aus verwandtschaftlichem Derselbe läßt c. 31 irrigerweise die Verbindung zwischen Ataulf und Placidia schon vor dem Jahre 412 zu Forum Julii in Aemilia vollziehen, wo eine Stadt dieses Namens gar nicht existierte. Andere Handschriften haben Forum Livii (Forli) nur vier Meilen von Ravenna. Vielleicht hat Jordanis in seiner Verworrenheit an eine Vermählung mit des Honorius Zustimmung gedacht. Vergl. Dahn, Könige V, S. 60. Gefühl abziehen läßt.
So war denn Italien von den Barbaren wieder befreit, die wir im nächsten Kapitel, das in der Zeitgeschichte sechs Jahre zurückgreift, jenseits der Alpen wiederfinden werden.
Noch aber haben wir in diesem einer Berührung der Hunnen mit dem Ostreiche zu gedenken, die Sozomenos (IX, 5) um die Zeit von Stilichos Tode im Jahre 408 berichtet.
Der uns schon bekannte Hunnenfürst, welcher hier Uldis genannt wird, der unter Stilicho an des Radagais Vernichtung Teil nahm, sei über die Donau gegangen und habe castra Martis in Niedermösien in der heutigen westlichen Bulgarei durch Verrat eingenommen.
Indem er darauf voll Stolz und Anmaßung mit dem Feldherrn in Thrakien über den Frieden verhandelt, sei es letzterem gelungen, einen Teil seines Volkes für Rom zu gewinnen. In dessen Folge habe sich Uldis nur mit Mühe wieder über die Donau zurückziehen können, wobei seine aus Skiren bestehende zahlreiche Nachhut teils niedergehauen, teils gefangen worden sei, von denen er, Sozomenos, selbst viele gesehen habe, die in Bithynien am Fuße des Olympos kolonisiert worden seien.