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Achtes Kapitel.
Kirchliches Wirken und Charakteristik des Theodosius

Weil es der Kaiser war, der dem neuen Glauben erst Freiheit und äußere Selbständigkeit verliehen hatte, konnte von einer dem Staat ebenbürtigen Kirche damals nicht die Rede sein. Ihr Leben selbst war ja nur ein kaiserliches Gnadengeschenk, daher der Erweiterung, aber auch der Beschränkung, ja selbst der Zurücknahme unterworfen, was jedwede kirchliche Anmaßung entscheidend beschränkte.

Glaubensfreiheit dagegen war dem immer noch mächtigen Heidentume gegenüber so naturnotwendig geboten, daß die Kaiser teils aus Politik und Philosophie, wie Julian der Apostat in umgekehrter Richtung, teils aus Furcht vor den Folgen sie gewährten oder gewähren mußten. Das scheinbar entgegenstehende Gesetz des Sohnes Constantins des Großen vom Jahre 341 ist, wie spätere der Art, ohne irgendwie merklichen praktischen Erfolg geblieben.

Ganz anders gestaltete sich die Sache, als im Schoße des Christentums selbst der arianische Bekenntnisstreit entbrannte.

Hier hatte der Kaiser, auf dessen Vergünstigung ja die freie Bewegung der christlichen Kirche überhaupt beruhte, keine oder doch nur eine sehr untergeordnete politische Rücksicht zu nehmen, konnte sich daher der Vorliebe für diese oder jene Partei ungehindert hingeben.

Hätte man der Kirche selbst und allein den Austrag dieses Streites überlassen, so zweifeln wir nicht, daß das rechtgläubige Bekenntnis, wenn auch in Orient erst nach längerer Spaltung, aus eigener Kraft den Sieg errungen hätte.

Die Kaiser Constantius und Valens aber nahmen in achtunddreißigjähriger Regierung Partei für das Arianische: und dadurch gelangte dasselbe, im Morgenlande wenigstens, zu fast unbestrittener Herrschaft. Diese war in solchem Umfang daher keine natürliche, aus dem Glauben des Gesamtvolkes frei erwachsene, sondern eine durch kaiserliche Willkür erst künstlich geschaffene.

Gewiß hatte daher der Nachfolger das Recht und zugleich die Pflicht freier Prüfung und Entscheidung zwischen den Parteien, da die Rechtgläubigen auch im Orient von den Gegnern nur mehr oder minder unterdrückt, nicht überzeugt worden waren.

Theodosius stammte aus dem Abendlande, wo der Arianismus nie gleich günstigen (bei den Römern D.) Boden gefunden hatte, war daher gewiß im orthodoxen Bekenntnis erzogen. Nicht aber Vorliebe für dasselbe allein, sondern auch, nachdem das Prinzip gänzlicher Nichteinmischung der damaligen Verfassung, ja selbst Auffassung, einmal nicht entsprach, eine weise Politik mußte ihn für Bevorzugung des seinigen bestimmen: und zwar um deswillen, weil sich nicht nur die Kirche im Jahre 325 zu Nikäa dafür ausgesprochen, sondern unstreitig auch die Mehrzahl der Gläubigen im Gesamtreiche (abgesehen von den Germanen D.) demselben anhing, daher auf dessen Grundlage allein die so wichtige Glaubenseinheit am leichtesten und sichersten hergestellt werden konnte.

Daher war es aus dem damaligen Standpunkte so berechtigt als weise, daß Theodosius den Arianismus zu beseitigen sich vornahm.

Gewiß bestieg derselbe mit diesem Gedanken schon (zu Anfang des Jahres 379) den Thron: gewiß ward derselbe daher nicht erst durch seine ein Jahr spätere Taufe hervorgerufen, sondern nur gekräftigt: gleichwohl aber gestattete seine hohe Klugheit nicht die sofortige Betätigung seines Vorsatzes. Bevor er einen Teil seiner Untertanen verletzte, mußte er selbst Herr in seinem europäischen Reiche, d. i. der Goten Meister sein: und als solcher fühlte er sich schon zu Anfang des Jahres 381 mit Athanarichs Unterwerfung, wenn auch erst im folgenden Jahre (s. oben) dies große Werk ganz vollendet ward. Das bald nach seiner Taufe von Theodosius, unterm 27. Februar 380 erlassene Edikt an das Volk zu Konstantinopel war nur eine empfehlende Proklamation seines eigenen Glaubens, aber kein direktes Prohibitiv-Gesetz. Unsere obige Ansicht wird übrigens namentlich auch durch Zosimus IV, 29 a. Schl. und 33 a. Schl. bestätigt.

Da wir hier nicht Kirchengeschichte schreiben, können wir des Kaisers kirchliches Wirken nur im Ganzen und Großen darstellen.

Am 10. Januar 381 (am Tage vor Athanarichs Ankunft in Konstantinopel) erließ er ein Gesetz (C. Theod. XVI. T. 5, 1. 6), das nicht nur allen, die das nikäische Bekenntnis nicht angenommen, daher den Arianern und allen übrigen Sekten, jede öffentliche Religionsübung und Versammlung untersagte, sondern auch die Rückgabe der von ihnen besessenen Kirchen an die Katholiken anordnete.

Schien damit die ganze Sache entschieden, so war dies doch in der Tat im Wesentlichen mehr nur ein Programm der kaiserlichen Maxime in der Kirchenfrage, dessen Ausführung zwar in Konstantinopel (bereits im November 380) und an einigen andern Orten in der Nähe der Residenz erfolgte, im größten Teile des Orients aber unterblieb, ja vielleicht kaum ernstlich versucht ward, wie wir dies aus den neunzehn verschiedenen dasselbe Ge- und Verbot wiederholenden Gesetzen de Haereticis von spätem Jahren bis zu 394 ersehen, unter denen sich sogar (XVI, T. 5, 23, 27 und 36 des Theod. Cod.) eine teilweise Rücknahme zu Gunsten der Eunomianer findet. (S. Hänel, Index leg. S. 49–58.)

Man darf aber dabei nicht vergessen, daß strenge Handhabung der Gesetze in dem unermeßlichen Reiche damals überhaupt nicht stattfand, namentlich ganz in der Hand der obersten Provinzialbehörden lag, denen ein umsichtiges Verfahren dabei gern nachgesehen, wo Unruhen zu besorgen waren, gewiß sogar zur Pflicht gemacht ward.

Daß Theodosius in jener Maßregel nicht den endlichen Austrag des Streites erblickte, vielmehr auch noch die Gemüter zu gewinnen und zu versöhnen trachtete, beweist die allgemeine Kirchenversammlung, die er deshalb noch in demselben Jahre 381 nach Konstantinopel berief, wo sie vom Mai bis Juli tagt. Diese, die zweite ökumenische, bestätigte die nikäische Glaubensformel aufs Neue, veranlaßte aber auch den uns schon bekannten Gregor von Nazianz auf das Bistum zu Konstantinopel, in das der Kaiser selbst ihn an die Stelle des Arianers Demophilos eingesetzt hatte, wieder zu verzichten, worauf ein angesehener, durch seine Persönlichkeit sich besonders empfehlender Laie, der städtische Prätor Nectarius, zu diesem hohen Amte berufen ward, wie dies in jener Zeit mehrfach stattfand.

Später noch, im Jahre 383, suchte Theodosius, wahrscheinlich aus Rücksicht auf die arianischen Goten, eine Vereinigung durch ein zu dem Ende nach Konstantinopel berufenes Konzil herbeizuführen, dem aber die Auffindung einer vermittelnden Formel, die zu gemeinschaftlicher Genehmigung geeignet gewesen wäre, auch nicht gelang.

Wie mächtig der Arianismus gerade in der Hauptstadt noch in den Gemütern gärte, beweist der Aufstand, der im Jahre 388, als der Kaiser wider Maximus ausgezogen war, daselbst ausbrach. Die falsche Nachricht, ersterer sei besiegt, erregte die Arianer zu gewalttätigem Auflauf, in welchem das Haus des Nectarius in Flammen gesetzt ward. Gleichwohl wurden die Täter auf des Arcadius dringende Fürbitte vom Kaiser begnadigt, was aus dessen übergroßer Milde, aber auch, zumal bei der langen Abwesenheit von Konstantinopel, aus einer gewissen Besorgnis vor der Stärke dieser Partei zu erklären ist.

Dies waren jedoch nur die Zuckungen eines Sterbenden; der Todesstreich hatte die einst so mächtige Sekte getroffen. Nur bei den Goten, deren Religionsfreiheit der Kaiser nicht anzutasten wagte, lebte sie unbehindert fort.

Mit noch mehr Nachdruck, aber doch auch wieder mit großer Vorsicht, verfuhr Theodosius gegen das Heidentum, vor allen gegen den Rückfall der Christen, der damals also nicht selten vorgekommen sein muß, was Tillemont durch den Reiz der noch fortdauernden Privilegien der heidnischen Priester erklärt.

Die Apostaten wurden des Rechts zu testieren und zu vererben für verlustig erklärt, so daß deren Vermögen, wenn deren Kinder nicht Christen wurden, dem Fiskus anheimfiel.

Das Verbot der heidnischen Opfer und die weiteren Maßregeln gegen diesen Kultus begannen ebenfalls erst im Jahre 381. Wie die Gesetze selbst aber hinsichtlich ihrer Tragweite und Wirkung manche Zweifel übrig lassen, so mag auch hierin die Ausführung größtenteils unterblieben sein.

Vor allem wandte sich der Kaiser gegen die Tempel, wozu eine gewisse Berechtigung darin lag, daß diese nicht von den Glaubensgenossen, sondern vom Staate oder den Stadtobrigkeiten erbaut waren und unterhalten wurden.

Durch den dazu für den Orient mit besonderem Auftrage versehenen Präfectus Prätorio Kynegus ließ er sie schließen.

Später erst scheint zur Zerstörung von Tempeln geschritten worden zu sein, die ihren Gipfelpunkt in der des unermeßlichen Serapiums zu Alexandrien fand, das als ein Weltwunder geschildert wird. Dazu gab aber nur ein blutiger Aufruhr in Alexandrien Anlaß, der über Umwandlung des Bacchustempels in eine christliche Kirche entbrannte. Nach heftigem Straßenkampfe zogen sich die Heiden in das Serapium als Festung zurück, wo sie sich, unter häufigen Ausfällen wider die Christen, in solcher Stärke und Todesverachtung behaupteten, daß die Provinzialbefehlshaber ohne höhern Befehl den Angriff nicht wagten. Da ließ der Kaiser entrüstet mit größtem Nachdruck einschreiten. Der Prachtbau und mit ihm alle übrigen Tempel der Stadt wurden im Jahre 389 oder 391 Über diesen Zweifel s. Tillemont V, 2, Note 40 zu Theodosius. von Grund aus zerstört und die Götterbilder, angeblich zum Besten der Armen, aber auch wohl in anderm Interesse, selbst dem der Privatbereicherung, eingeschmolzen.

Die Maßregel ging weiter, fand aber an vielen Orten starken Widerstand, besonders bei den Landleuten, pagani, weshalb dieses Wort zur Bezeichnung von Heiden überhaupt angewendet ward, wovon heute noch das französische payens Ebenso kommt das französische gentils von gentes d. i. Barbaren her, die Heiden waren. herkommt. So ward z. B. Marcell, Bischof von Apamea, bei dem Angriff auf einen Tempel in Aulona von dessen Verteidigern ergriffen und lebendig verbrannt.

Unstreitig blieben indes noch viele Tempel im Reich erhalten, unzweifelhaft die zu Rom, das mit besonderer Rücksicht behandelt ward.

Aber auch nur gegen Stein und Mauern, nicht gegen die Gewissen, zog der Herrscher zu Felde.

Die Statuen der Götter, vor denen nur das Opfern der Tiere, nicht das Weihrauchspenden, untersagt ward, wenigstens außerhalb der Tempel, die religiösen Feste, Spiele und andere heidnische Bräuche blieben unangetastet. Niemand vor allem ward seines Glaubens halber verfolgt oder auch nur zurückgesetzt. Bei Besetzung der Ämter entschied nur die Würdigkeit, und selbst zur höchsten Ehrenstelle des Reiches, zum Konsulat, wofür nicht einmal, wie zur Heerführung, besondere Tüchtigkeit erforderlich war, wurden eifrige Heiden, wie Prätextat Prätextat starb als designierter Konsul vor dem Amtsantritte. und Symmachus, befördert, Libanius und Themistius, welcher Letzte aber mehr wohl glaubenslos als Heide war, wenigstens mit Auszeichnung behandelt.

Im Jahre 389, wie kurz vor seinem Tode 394, versuchte Theodosius den großen Teil der römischen Senatoren, die noch Heiden waren, durch persönlichen Zuspruch zu bekehren, was ihm aber, nach des Zosimus freilich verdächtiger Versicherung (V, 59), im letzten Falle bei deren Keinem gelungen sein soll, worauf derselbe die Bestreitung sämtlicher Kosten des heidnischen Kultus aus der Staatskasse, die bis zum Jahre 394 also noch gewährt wurde, zurückgezogen habe.

Indem wir über das Nähere in obiger Beziehung vorzüglich auf Tillemonts gründliche, aber, weil nur chronologische, nicht reale, wenig übersichtliche Darstellung (in V, 2 art. 5, 8, 9, 10, 17, 19, 27, 48, 49, 51 bis 59, 64, 73, 77 und 83) verweisen, fügen wir nur noch die Bemerkung hinzu, daß es zur Lösung der mannigfachen Zweifel und Widersprüche, welche besonders durch die kirchlichen und spätern Historiker (wie z. B. Cedrenus und Zonaras) in der Sache hervorgerufen werden, einer äußerst umfänglichen kritischen Erörterung bedürfen würde, welche in keinem Falle hierher gehört.

Verpflichtet aber fühlen wir uns, einem der bedeutendsten Grundpfeiler der jungen Kirche, dem Bischof zu Mailand, Ambrosius, der mit Recht heilig gesprochen ward, einige Worte hier zu widmen.

Vornehmer Geburt, der Sohn des Präfekten von Gallien, ward er 369 im sechsunddreißigsten Jahre zum Provinzialbefehlshaber von Ligurien und Aemilien zu Mailand ernannt. Da brach im Jahre 374 über die Wahl eines neuen Bischofs ein Aufstand daselbst aus. Ambrosius eilt in die Kirche, um das Volk zu beschwichtigen, hat aber kaum zu reden begonnen, als ihn alle, sowohl Katholiken als Arianer, zum Bischof ausrufen.

Erschrocken und abgeneigt besteigt er am Morgen darauf sein Tribunal, läßt wider seine Gewohnheit Angeklagte öffentlich foltern und am Abend sogar öffentliche Dirnen in sein Haus rufen. Das Volk aber schreit: »Deine Sünde komme auf uns!« und läßt sich nicht irren.

Darauf wiederholter Fluchtversuch desselben, bis er endlich, behindert und gewaltsam zurückgeführt, dem erkannten Rufe des Herrn sich unterwirft. Nun schenkt er sein gewiß bedeutendes Vermögen, namentlich seinen Grundbesitz, den Armen und der Kirche, vorbehaltlich des lebenslänglichen Nießbrauchs seiner Schwester an letzterem, und widmet sich dem Studium der Theologie mit einem Eifer, von dem seine acht Bände füllenden Werke Zeugnis geben.

In seinem dreiundzwanzigjährigen Wirken als Bischof erwarb er sich ebenso die innigste Liebe und Verehrung seiner Herrscher, Gratian, Valentinian und Theodosius, als die schwärmerische Anhänglichkeit seiner Herde, die ihm gegen den Versuch der arianischen Justina im Jahre 386, den Katholiken die Basilika mit Gewalt zu entreißen, mit Todesverachtung beistand. Ja selbst zu den Barbaren war dessen Ruf und Bewunderung gedrungen, da die Könige der Franken, bei einem Gastmahle nach ihm fragend, auf Arbogasts Erwiderung, daß er Ambrosius kenne und von ihm geliebt werde, zu ihm sprachen: »So wirst Du siegen, weil Dich der Mann liebt, der zu der Sonne sagt: ›Stehe‹ und sie steht.« (Ambr. vita c. 30.)

Dem Usurpator Maximus scheint er sich passiv unterworfen zu haben; vor des Eugenius und Arbogasts Ankunft in Mailand aber verließ er dasselbe und zog sich in andere Städte Italiens zurück.

Den Gipfelpunkt seiner Größe bildet die unerschütterliche Standhaftigkeit, mit der er, nicht im hierarchischen oder polemischen Interesse, sondern als treuer Diener des Herrn, dem allgewaltigen Kaiser, wenn er fehlte und sündigte, und zwar vor allem bei dem sogleich zu erwähnenden thessalonischen Vorgang entgegentrat. Nur in einem Falle scheint ihn sein Eifer zu sehr fortgerissen zu haben. Theodosius hatte auf die gewalttätige Niederbrennung einer jüdischen Synagoge zu Kallinikum mit Recht befohlen, daß der dortige Bischof die Kosten des Wiederaufbaues bestreiten und die Täter, Mönche, bestraft werden sollten. Ambrosius hatte sich ohne Erfolg gegen diese Entscheidung verwendet, brachte aber den Kaiser doch später durch eine vor ihm gehaltene treffliche Rede (s. Ambr. Epist. 41) und durch die Verweigerung der Messe dahin, daß derselbe Begnadigung gewährte, wobei Ambrosius nur das Einzige zur Entschuldigung gereichen kann, daß er den Rechtsspruch selbst nicht angriff, sondern nur das Werk der Gnade, nach dem Vorbilde unsers Herrn, anrief. (S. Ambr. epist. 41 u. Vita § 22.)

Drei Jahre nach Theodosius verschied der edle Kirchenfürst. (S. Ambr. vita, die dessen Notar Paulinus für Augustinus schrieb, in Ambr. opera Venedig 1781. VII, appendix, S. 1.)

Im Jahre 387 brach in Antiochien, dessen unruhige Bevölkerung uns schon aus Julians Leben bekannt ist, auf Anlaß einer neuen oder erhöhten Auflage, die wohl durch die Kriegsrüstung wider Maximus geboten gewesen sein mag, ein heftiger Aufstand aus, bei dem nicht nur das Haus eines der Häupter der Stadt niedergebrannt, sondern auch die Bildsäulen des Kaisers, seiner Söhne und vor allem, was ihn am empfindlichsten verletzte, die seiner unlängst verstorbenen Gemahlin Flaccilla umgestürzt und durch den Schmutz der Gassen geschleift wurden.

Wütend entbrannte des Kaisers Zorn. Er entsandte sofort Cäsarius, seinen Magister der Offizien, mit dem Magister militum Hellebikus zur strengsten Untersuchung und sprach sogleich die Herabsetzung der Stadt vom Range der Metropole zu dem eines Laodicea zu unterordnenden Fleckens, Schließung der Bäder, des Circus und anderer öffentlicher Gebäude so wie auch Einziehung der Getreidelieferung aus.

In der Stadt waren sogleich Scham und Reue dem Frevel gefolgt und der Bischof Flavianus nebst Hilarius, einem Schüler des Libanius, mit der demütigen Bitte um Vergebung nach Konstantinopel abgeordnet worden.

Inmittelst hatten die kaiserlichen Kommissäre bereits ihr Blutwerk mit Folter und Einkerkerung zahlreicher, selbst der vornehmsten Personen der Stadt begonnen. Mitleid aber ergriff sie: Cäsarius eilte, die dringendsten Verwendungen der frommen Einsiedler der Umgegend mitnehmend, im Flug in nur sechs Tagen zur Hauptstadt zurück, indes Hellebikus mindestens das Los der Gefangenen erleichterte.

Schon aber hatten Flavians christlich beredte Worte des Kaisers Herz, das so leicht vom Zorn zur Milde umschlug, erweicht, so daß Cäsarius keine Schwierigkeit fand, als Segensbote mit der vollsten Vergebung für die Stadt und alle Beschuldigten zurückzukehren, wobei Theodosius sogar noch seine Aufwallung entschuldigte.

(S. Libanius or. 14, 15, 22 und 23, sowie Chrysostomus or. 2 bis 20 und Tillemont, art. 30 bis 38.)

Tragischer verlief der zweite Vorgang der Art. Botharich, der gotische Befehlshaber zu Thessalonich war im Jahre 390 von dem dortigen Volke nebst mehrern seiner Offiziere bei einem Aufstande, den die schwache Garnison nicht bewältigen konnte, um deswillen zerfleischt worden, weil er die Herausgabe eines berühmten Wagenführers verweigert hatte, den derselbe aus gerechtem Grunde gefangen gesetzt hatte.

Abermaliger, durch die ängstliche Rücksicht auf die Goten noch erhöhter Zornausbruch, in dem Theodosius sich verleiten ließ, statt der Weiterung eines Kriminalprozesses, sogleich einem seiner gotischen Heerführer die Vollziehung des Strafgerichts zu übertragen. Schon soll er darüber geschwankt haben, als er, durch Rufinus bestärkt, in dem Blutbefehle verharrte.

Dieser ward nun von den ebenfalls erbitterten Barbaren mit der empörendsten Roheit vollstreckt und das in dem Circus versammelte Volk, mindestens 7000 an der Zahl, ohne Unterschied zwischen Schuldigen und Unschuldigen, Einwohnern und Fremden, erbarmungslos niedergehauen.

Das schrie zum Himmel. Ambrosius schrieb einen erschütternden Weniger im Ausdruck als in der Sache. Ambrosius sprach gewiß besser als er schrieb, worin er gegen andere Kirchenväter, wie Tertullian, Lactantius usw. offenbar zurücksteht. Brief an den Kaiser, erklärte ihn, seiner schweren Sünde halber, für ausgeschlossen von den Wohltaten der Kirche, wies ihn sogar von der Pforte der Basilika in Mailand zurück und nahm ihn erst acht Monate später, nach öffentlicher Kirchenbuße, in die Gemeinschaft der Gläubigen wieder auf.

Über des Theodosius Charakter haben wir von drei Zeitgenossen Urteile, und zwar:

1) von dem als Epitomator des Aurelius Victor bezeichneten Autor, der, mit dessen Regierung sein Werk schließend, unter ihm gelebt haben muß, dessen letztes Kapitel 48 sogar nur sieben Paragraphen der Geschichte, zwölf der Charakteristik dieses Herrschers widmet,

2) des Ambrosius einfache, aber erhebende Worte de obitu Theod. § 33 bis 35, endlich

3) des Zosimus vielfache Äußerungen (namentlich c. 27, 28, 29, 33 und 50), die wir, weil unzweifelhaft aus Eunapius entlehnt, ebenfalls für zeitgenössische ansehen müssen.

Unter diesen ist das des ersten nicht nur das eingehendste und bei weitem bedeutendste, sondern auch ein unbefangenes, weil dieser Schriftsteller in bezug auf das Christentum nie Abneigung oder Vorliebe äußert, während der blinde fanatische Glaubenshaß des Griechen, dem die gröbsten Schmähungen unsers Helden entfließen, wahrhaft verletzen. Sie sind meist gleicher Art, wie die Verleumdungen Constantins des Großen.

Es war ein Vorzug der römischen Staatsverfassung, daß die besten, wunderbar begabten Männer, bisweilen aus dem Volke zum Throne berufen wurden: so Trajan, M. Aurelius und Theodosius. Mit Ersterm nach Körper (denn auch das Äußere war damals sehr wichtig) und Geist vergleicht der Epitomator unsern Helden. In beiden Beziehungen war auch Constantin der Große ausgezeichnet gewesen, nur das an sich gute Gemüt in politischer Leidenschaft völlig untergegangen. Im Gemüt nun wurzelte des Theodosius höchster Vorzug: in dem christlich durchgebildeten, wahrhaft frommen Herzen, das dadurch nicht bloß zum Begleiter, sondern zum Führer seiner Regierung wurde.

Rührend sagt Ambrosius in seiner Leichenrede: »Ja, ich habe den Mann geliebt, der barmherzig, demütig in der Gewalt, reinen und zerschlagenen Herzens war.

Ich habe den Mann geliebt, der mehr auf Gründe, als auf Schmeichelei hörte, der, das Kaisergewand ablegend, in der Kirche öffentlich die Sünde beweinte, wozu die Hinterlist anderer ihn verleitet hatte. Wovon falsche Scham den Privaten zurückgehalten haben würde, davor schämte sich der Kaiser nicht – öffentliche Kirchenbuße zu tun, wie er denn auch später seinen Fehltritt zu bereuen nie aufhörte. Schloß er sich doch, um des bei einem glänzenden Siege im Bürgerkriege vergossenen Blutes halber, freiwillig vom Genusse des heiligen Mahles aus, bis er bei der Ankunft seines sehnlichst erwarteten Sohnes Im Texte ist c. 34 am Schlusse von Söhnen die Rede, was aber wohl Verderbnis eines spätern Herausgebers ist, da eben nur Honorius nach dem Siege über Eugenius im Jahre 394 zu Theodosius berufen ward. die Wiederkehr der Gnade des Herrn in sich spürte. Ich habe den Mann geliebt, der auf dem Totenbette nach mir verlangte, der im letzten Lebenshauche mehr um die Kirche als um die Gefahren der Seinigen besorgt war.«

Diese edle und reine Seele aber war nicht ohne Schwächen. Jähzorn und Mangel an Tätigkeitstrieb, der an Indolenz grenzte, waren seine Fehler. Von ersterm vernahmen wir bereits die Beweise: die Quellen (Epit. Aur. Vict. 13. Claudian de laude Serenae V. 134–139 und Ambros. epist. 51, S. 1079 d. Venet. Folio-Ausg.) bestätigen ihn mehrfach. Aber nicht aus Laune, nicht um seine Person, sondern nur um Unrecht und Frevel entbrannte jene Leidenschaft, tadelnswert sonder Zweifel in ihrer Aufwallung, aber durch Erkenntnis, Reue und Buße wieder gesühnt.

Über den zweiten Fehler haben wir eine gute Nachricht, und zwar die einzig gute über Theodosius in Zosimus (50 a. Schl.). Nachdem er daselbst dessen ungemeine Anstrengung bei der Verfolgung von Räubern und dessen darauf erfolgte Rückkehr zu der gewohnten Lebensweise, zu Schmausereien und Vergnügungen aller Art, geschildert hat, fährt er also fort: »Wunderbar in der Tat erscheint mir an diesem Manne die Richtung nach so entgegengesetzten Seiten hin. Von Natur sorglos und träge, daher den vorbemerkten Lastern ergeben, überließ er sich, wenn nichts Unglückliches oder Furchterweckendes ihn belästigte, ganz dieser seiner Natur. Drängte aber eine Not, das Bestehende zu erschüttern drohend, so legte er die Faulheit ab, sagte dem Wohlleben Valet und kehrte zu Mannhaftigkeit, Mühseligkeit und Dulderkraft zurück. So in der Prüfung sich bewährend ward er, nachdem jede Besorgnis überstanden war, sogleich wieder ein Sklave der aus seinem Naturell fließenden Sorglosigkeit.«

In diesem Urteil liegt, bei gehässiger Übertreibung, unverkennbar auch Wahrheit. Theodosius war kein Schwelger, selbst den erlaubten Vergnügungen nicht maßlos sich hingebend, wie wir aus dem ungleich zuverlässigeren Epitomator ersehen, sicherlich aber mehr passiven als tätigen, daher aufopfernder Mühewaltung abgeneigten Naturells.

In geistiger Hinsicht war Theodosius ungemein scharfen Blicks, den Wissenschaften, wie der Epitomator sagt, nach dem höchsten Maßstabe gemessen, von mäßiger Bildung, vorzugsweise des Studiums der römischen Geschichte eifrig beflissen, wobei er nie aufhörte, die freiheitsmörderischen Untaten republikanischer Gewalthaber wie spätere Herrschsucht, vor allem aber Treulosigkeit und Undankbarkeit zu verdammen.

Derselbe bewies, sagt dieser Schriftsteller (§ 16), eine seltene Tugend darin, daß er mit der, im Zeitlaufe, besonders nach den Siegen im Bürgerkriege steigenden Macht immer besser ward.

Wie anders hierin als sein Vorgänger Constantin!

So war des Theodosius Naturanlage. Untersuchen wir nun die Leistungen des Herrschers.

Groß war seine durch fünfhundertachtundvierzig (nach Hänels Index legum) verschiedene Erlasse bewährte gesetzgeberische Tätigkeit, in der sich meist Milde, Wohlwollen und Weisheit, wo aber Gewissensrücksichten einschlugen, auch harte Strenge aussprechen, indem er z. B., neben dem Verbot der Ehe zwischen Schwägern und Schwägerinnen, auch die zwischen Geschwisterkindern, bei Strafe der Verbannung und selbst des Feuertodes untersagte, was jedoch, als der römischen Sitte widerstreitend, schon im Jahre 405 wieder aufgehoben ward.

In der Einteilung der Provinzen änderte er, unstreitig bessernd, mehreres. Die Lasten der Untertanen mag er im Drange des Bedürfnisses, besonders durch die Bürgerkriege, erhöht haben: doch werden auch Erleichterungen erwähnt, wie er denn namentlich die Strenge der so gewöhnlichen Konfikationen zu Gunsten der Kinder milderte.

Was Zosimus über unnütze Vermehrung der Ämter und sonst über ihn sagt, bedarf nicht der Widerlegung.

Nur in einer Beziehung wagen wir Theodosius nicht ganz freizusprechen. Die scheußliche Verderbnis, namentlich Raubsucht der Beamten, konnte nur durch die eifrigste und strengste Wachsamkeit des Herrschers einigermaßen gezügelt werden. Dadurch hatte sich Valens ausgezeichnet, dem freilich aber auch Spionieren Vergnügen war: und daran mag es Theodosius, bei dessen mehr beschaulichem als tätigem Naturell, wohl gefehlt haben.

Am schwersten lastet in dieser Beziehung die Erhebung und Begünstigung des Rufinus auf ihm. Diesen dürfen wir aber nicht nach Claudians Schmähungen beurteilen. Von unrechtmäßiger Bereicherung und Erpressung waren damals wenige frei, namentlich auch dessen Nebenbuhler Stilicho nicht (s. Eunapius, ed. Bon. p. 112): nur in Verstellung und Geschick, dies zu verbergen, mag Rufinus unübertroffen gewesen sein. Unstreitig aber war er ein höchst bedeutender Mann, tiefen Geistes (was auch Eunapius a. a. O. bestätigt), mochte daher dem Kaiser, als er von 388 bis 391 aus dem Orient abwesend war, für dessen Regierung unersetzlich scheinen und gerade vielleicht durch Entdeckung der Spitzbübereien anderer sich empfehlen.

Als Feldherr zeichnete sich Theodosius durch seltenen strategischen Blick aus: seine Kriegspläne waren meisterhaft, in der Ausführung zeigte er höchste Tätigkeit und blitzschnelle Entschlossenheit. Lange mit dem auf das Sorgfältigste vorbereiteten Angriffe zögernd schläferte er die Feinde ein, war aber der Augenblick gekommen, so stand er ihnen plötzlich, wie herbeigeflogen, überraschend gegenüber.

Doch gilt dies alles mehr noch vom ersten wie vom zweiten Bürgerkrieg, in dem er an Arbogast, der ein großer Feldherr und, von verbrecherischem Ehrgeize abgesehen, gewiß auch ein großer Mann war, seinen Meister fand. Als ihn dieser, die Pässe freilassend, über die Alpen hereinlockte, gleichzeitig aber auf beiden Flanken umging, war Theodosius strategisch geschlagen. Nicht durch Manövrieren oder taktische Überlegenheit im Kampfe denn auch, sondern nur durch den Zauber der Legitimität und seiner Person gewann er noch den Sieg, weil die Feinde in seinem Rücken zu ihm übergingen.

Den persönlichen Heldengeist Constantins und Julians in der Schlacht hat Theodosius nie bewiesen, der aber auch vom Feldherrn, zumal wenn er zugleich Kaiser ist, nicht gefordert werden kann.

Am größten erscheint er in der politischen Leitung des Gesamtreichs: sein Meisterwerk, sowohl militärisch als politisch, ist die Unterwerfung der Goten, ebensowohl durch die Weisheit der Idee als durch das bewunderungswürdige Geschick und die Konsequenz der Ausführung.

Wie das Reich gesunken war, als er es nach des Valens Tod antrat, wie es da stand, als er heimging, – in dieser Betrachtung liegt die ganze Kritik seiner Regierung.

Wir schließen mit den Worten Niebuhrs, dieses tiefen Kenners römischer Geschichte (s. Vorles. üb. r. G. III, S. 319): »Theodosius hatte eine Aufgabe, vor der einen schaudert. Der Name des Großen kommt ihm mit Recht zu: er führte große Dinge groß aus; er ist der letzte große Kaiser.«

Dem stimmen wir freudig bei.

Noch ist hier der Ort, einer folgeschweren Veränderung im Kriegswesen zu gedenken. Nach Vegetius (I, 20) sollen nämlich dem römischen Fußvolk aus Mangel an genügender Kraftübung die alten bis zu Gratians Zeiten, also bis zum Jahre 383 bestandenen Schutzwaffen, zuerst der Brustharnisch, dann auch der Helm so lästig geworden sein, daß es deren Ablegung verlangt, auch durchgesetzt hätte, was den Soldaten, besonders im Kampfe mit den Goten, höchst verderblich geworden sei und die Neigung zur Flucht erhöht habe. Die Nachricht ganz zu bezweifeln ist nicht möglich: doch ist dieser Schriftsteller höchst unzuverlässig und gerade in diesem Kapitel liegt so viel Verworrenes, daß wir derselben keinen unbedingten Glauben beimessen können. Wahrscheinlich hat diese Veränderung, zunächst wenigstens, nur bei dem stets weichlicheren orientalischen Heere stattgefunden, ist auch gewiß nur allmählich und kaum je ganz allgemein zur Geltung gelangt.

Insbesondere glauben wir den Eintritt dieser unverkennbaren Schwächung des römischen Kriegsvolks noch nicht in die Zeit von Theodosius vom Jahre 383 an, sondern erst in die seiner Söhne setzen zu müssen (denen dergleichen auch weit mehr zuzutrauen ist), da wesentliche Kämpfe mit den Goten, deren Vegetius dabei gedenkt, nach Gratians Tode unter Theodosius nicht mehr stattgefunden haben, vielmehr, wie wir sogleich sehen werden, erst unter Arcadius und Honorius. Die Erwähnung der Zeit Gratians kann daher, wenn sie überhaupt richtig ist, nur den Sinn haben, daß bald nach diesem die gedachte Neuerung in einzelnen Fällen sporadisch vorgekommen sei. Unsere Ansicht von der Sache wird aber auch noch mehr dadurch unterstützt, daß der Valentinian, dem Vegetius sein Werk widmet, nach der Art, in welcher die Hunnen (c. 29) darin erwähnt werden, der Erste dieses Namens, welcher vor deren Einbruche verstarb, nicht sein kann, vielmehr, da der Zweite so jugendlich endete und nie zu sonderlicher Bedeutung gelangte, unstreitig erst der Dritte Dies nimmt auch Gibbon c. XXVII, Note 125 an., der von 423 bis 455 regierte. Gewiß hat daher Vegetius in jener Stelle einer erst zu seiner Zeit im fünften Jahrhundert merklich hervorgetretenen Veränderung gedacht.


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