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NAME="voe1216_Anm1">Für Julians Regierung haben wir an neuen Quellen:
a) den Kirchenvater und Bischof Gregor von Nazianz, auch Theologus genannt. Über das Jahr seiner Geburt schwanken die Meinungen. Nach einer Stelle bei Suidas in Verbindung mit dessen von Hieronymus (Chronik) bezeugtem Todesjahre 389, welcher die Bollandisten folgen, wäre diese schon 299 erfolgt, nach Tillemont erst 328 oder 329, nach der wohl begründeten Ansicht der Herausgeber von dessen gesamten Werken (Paris 1842 bei Paul Mellier) 325 oder 326, so daß er unter allen Umständen Julians Zeitgenosse, aber mehr oder minder älter war (Vorrede S. 81, 85 und 121).
Er schrieb nach Julians Tode zwei Reden gegen ihn, die erste unmittelbar nachher, die zweite etwas später (orat. 4 u. 5 d. n. Ausg.).
Der Haß der Kirchenhäupter wider den Abtrünnigen, das vor deren Seele tretende Gespenst der Wiederkehr diokletianischer Verfolgung ist so erklärlich als verzeihlich. Aus diesem bang verhaltenen Gefühle, das nach des Kaisers Hintritt plötzlich explodierte und zwar aus diesem allein, sind, von der Glut südlicher Leidenschaft angefacht, diese Schmähreden hervorgegangen.
Mit Entschiedenheit aber ist ein Schriftsteller als Geschichtsquelle zu verwerfen, der Constantius fortwährend den Großen nennt, der an Glanz und Ruhm alle seine Vorgänger überstrahle, Julian hingegen als ein Ungeheuer, schlimmer als Zerstörungsfluten, Feuersbrünste und Erdbeben, und als eine Pest bezeichnet, auch mit Schlangen und Drachen vergleicht. Hebt er es doch als eine besondere Wohltat des Constantius hervor, daß er Julian, das unschuldige Kind, im Jahre 337 nicht ebenfalls habe umbringen lassen. Macht er es nicht auch Julian zum Vorwurfe, daß er die Christen nicht durch offene Gewalt, sondern durch Überredung und andere Künste von ihrem Glauben habe abbringen wollen (or. 4, § 3, 20, 21 und 95, sowie 5, § 24)?
b) Des Mamertinus Danksagung für das ihm von Julian für das Jahr 362 übertragene Konsulat. Wäre Ammians Geschichte in so trefflichem Latein geschrieben, wie diese Lobrede, und besäße letztere nur einen kleinen Teil der Inhaltsfülle des ersteren – welch ein Gewinn für den Forscher! So aber enthält sie nichts als Phrasengeklingel, keinerlei Tatsachen, wenigstens keine irgendwie bestimmte und historisch brauchbare, steht daher an Quellenwert noch weit hinter Libanius zurück.
(Dagegen bietet für die germanischen Kriege dieser Zeit Huschbergs Geschichte der Alemannen und Franken, Würzburg 1840, ein gutes literarisches Hilfsmittel. Alle Quellen sind darin mit Sorgfalt benutzt, und treu, zum Teil wörtlich, in schöner Sprache wiedergegeben. Abgesehen von einzelnen Irrtümern fehlt es demselben jedoch an Kritik, namentlich an pragmatischer Auffassung. Über die Entstehung der Alemannen und Franken, die doch recht eigentlich hierher gehörte, findet sich darin kein Wort. Des Kaspar Zeuß klassisches Werk vom Jahre 1837 scheint der Verfasser, dessen Vorrede vom 28. April 1838 datiert ist, noch nicht gekannt zu haben. Zu rügen ist ferner, daß er die Nachrichten anderer Quellen, ohne Prüfung ihres Werts, mit denen Ammians verbindet und dadurch seiner Darstellung das Gepräge gleichartiger Glaubhaftigkeit in allem einzelnen beilegt, was sie doch, weil teilweise auf unzuverlässige Quellen gegründet, gar nicht hat.)
Julian ward in der zweiten Hälfte des Jahres 331 geboren, verlor seine Mutter bald nach seiner Geburt und muß zur Zeit der Ermordung seines Vaters und ganzen Hauses schon im siebenten Jahre gewesen sein. Die Leitung seiner Erziehung ward von Constantius zunächst dem Erzbischof Eusebius von Nikomedien, einem entfernten mütterlichen Verwandten, jenem bekannten Haupte der Arianer, übertragen, der im Jahre 342 starb. Nach dem siebenten Jahre ward das Kind dem Mardonius, einem in seines mütterlichen Großvaters Haus erzogenen Eunuchen und Instruktor seiner Mutter übergeben, der nach Julians Schilderung desselben im Misopogon ein weiser und trefflicher Mann gewesen sein muß. Dieser scheint ihn in die öffentlichen Schulen Nikomediens geführt zu haben. Im Jahre 345, als sich der Knabe dem Jünglingsalter näherte, ward er nebst seinem Bruder Gallus unstreitig aus politischer Rücksicht nach Macellum in Kappadokien, einem Lustschloß der alten Könige dieses Landes, unweit der Hauptstadt Cäsarea, gebracht, woselbst er unter strengster Absperrung von der Außenwelt beinah als Gefangener bis zum Jahre 351 blieb. Seines Bruders Erhebung zum Cäsar brachte ihm Erlösung.
Er durfte unter Mardonius Führung die Universität zu Konstantinopel besuchen. Strenge Instruktionen, namentlich gegen das Hören heidnischer Lehrer, regelten jedoch Studien und Leben. Seine Persönlichkeit imponierte und fesselte, der Ruf seltener Begabung lenkte die allgemeine Merksamkeit auf den jungen Mann und die daran sich knüpfende Hoffnung verbreitete sich immer weiter. Das bestimmte Constantius, ihn von der Hauptstadt weg nach Nikomedien zu senden.
Hier genoß er indes mehrerer Freiheit, die er besonders zum Aufsuchen der gefeiertesten Philosophen benutzte: zuerst des alten Aedesius in Pergamus, dann, auf dessen Rat, des Maximus in Ephesus. Mit diesem trat er in innigen Verkehr, soll auch damals die Einweihung in die eleusinischen Mysterien erlangt haben. (Eunapius, Vita Sophist, c. 4, 5 u. 6.)
In Nikomedien oder Konstantinopel sah er im Jahre 354 seinen Bruder Gallus auf dessen Reise zum Tode. Dies zog ihm Haft, Abführung an das Hoflager und Untersuchung zu, die, gegen sieben Monate dauernd, seiner vollkommen erwiesenen Schuldlosigkeit unerachtet, unheilvoll geendet haben würde, wenn nicht die Kaiserin Eusebia sein Schutzengel geworden wäre. Er ward (wahrscheinlich im Mai 365) nach Athen entlassen, von dort aber schon im Oktober wieder nach Mailand berufen und am 6. November 355 zum Cäsar ernannt. (S. Julian ad Athen, p. 497–504; Misopogon S. 80 u. folg.; Ammian Marc. XV, 2; XXII, 9; Sokrates III, 1 und Tillemont p. 914–934.)
Constantius gab ihm dreihundertundsechzig Reiter, vermutlich Kataphrakten, mit und geleitete ihn persönlich bis über Pavia hinaus. Daß er dessen Präfekt und Heermeister bindende Instruktionen gab, ja den neuen Cäsar sorgfältig beobachten ließ, dürfte die Unerfahrenheit desselben an sich entschuldigen.
Die Camarilla aber, scharfsichtig genug, in dem Aufgang eines solchen Mannes die Gefahr eignen Unterganges zu erkennen, mag alles aufgeboten haben, demselben offene und geheime Fesseln jeder Art anzulegen und die Schwierigkeiten seiner ohnehin fast verzweifelten Lage noch zu erhöhen, ja sie mag der stillen Hoffnung gelebt haben, ihn darin bald seinem Verderben zugeführt zu sehen. Wenigstens erwartete der Cäsar nichts anderes.
Was muß, als sich Julian am 2. Dezember in Turin allein sah, durch die junge Brust gegangen sein! Er schreibt darüber dem Philosophen Themistius (p. 484 s. Werke) folgendes:
»Wenn du einen kränklichen jungen Mann, der in beschränkter Zurückgezogenheit sein Haus bisher nicht verlassen, plötzlich auf den Schauplatz der olympischen Spiele stelltest, ihm zurufend: Nun zeige dich im Kampfe den versammelten Griechen, vor allen deinen Landesgenossen, für welche du wettstreiten sollst, zugleich aber auch den Barbaren, die du, damit sie dein Vaterland fürchten, in Schreck zu setzen hast – würdest du dessen Seele nicht sofort ganz niederschlagen und vor dem Kampfe mit erschütternder Furcht erfüllen?«
So aber in der Tat war Julians Lage. Über das Folgende bis nach dem Sieg bei Straßburg vergl. Dahn, die Alemannenschlacht bei Straßburg. Braunschweig 1880.
Vierundzwanzig Jahre alt, der politischen und militärischen Bildung, die sonst jeder junge Römer höhern Standes empfing, durch des Kaisers Argwohn völlig entbehrend, aller seiner Freunde, selbst Diener Nur vier seiner Sklaven und zwar seinen Arzt Oribasius, seinen Bibliothekar und zwei kleine Knaben durfte er behalten (ad Athen, p. 509). beraubt, dafür aber von Spähern und unwilligen Unterbefehlshabern sich umgeben wissend – sollte er ein schon zur Hälfte verlorenes Land mit denselben geringen Mitteln wiedergewinnen, deren Unzulänglichkeit sich bisher so schlagend bewährt hatte!
In Turin schon traf ihn die von Constantius ihm arglistig verheimlichte Hiobspost, daß nun auch das große und feste Köln von den Barbaren (Franken) erobert und zerstört worden sei.
Da ergriff ihn der Gedanke, nicht zur Erhebung, sondern zum Untergange sei er nach Gallien gesandt worden.
Aber eine große Seele beugt sich nicht. (Amm. XV, 8.)
In Vienne in der alten Provinz, wo es allein noch sicher sein mochte, nahm der Cäsar sein Hauptquartier, trat auch daselbst sein erstes Konsulat an.
Das Volk begrüßte ihn wie einen Schutzengel. (Eine alte blinde Frau rief, als ihr auf ihre Frage nach der Ursache der festlichen Freude Julians Name des Cäsars genannt wurde; prophetisch aus: »Dieser wird die Altäre der Götter wiederherstellen.« D.) Der tat Not: wie nach außen so im Innern, wo nach Mamertin c. 4 Willkür und Druck empörend hausten.
Geschäftsvoll verging der Winter, gegen dessen Ausgang Autun im Herzen Galliens von den Germanen belagert, seiner halbverfallenen Mauern und der entmutigten Besatzung unerachtet jedoch durch das eilige Zuströmen tapferer Veteranen erfolgreich verteidigt ward.
Im Juni 356 rückte Julian in das Feld und kam am 23. in Autun an. Von hier marschierte er nach langer Beratung über den sichersten Weg, nur von den Kataphrakten und Ballistariern, dem Namen einer Truppe, anscheinend einer pseudocomitatensischen Legion (s. Not. dign. Occ. p. 36) Fußvolks begleitet, über Auxerre (Autosidurum) nach Troyes (Tricassi) an der Seine in der heutigen Champagne. Fortwährend von feindlichen Haufen umschwärmt hielt er die der Zahl nach Überlegenen durch den Marsch in tiefer, dicht geschlossener, wohl gedeckter Kolonne ab, gegen welche Formierung die Germanen nicht leicht anzugreifen wagten, während er andere an geeigneten Orten leicht in die Flucht schlug, auch einige Gefangene machte, von weiterer Verfolgung aber absehen mußte. In Troyes war die Barbarenfurcht so groß, daß er selbst nur mit Mühe Eingang erlangte.
Hier fand er die Hauptarmee unter dem Magister militum Marcellus, dem nach Ursicinus noch beigegeben war. Mit dieser wandte er sich, obwohl die Richtung nach dem Niederrhein angezeigt war, plötzlich über Metz, Dieuze (decem pagos) und Sarburg nach dem obern Lauf des Stromes.
Auf diesem Marsch überfielen die Germanen an einem Regentage die aus zwei Legionen bestehende Nachhut auf Seitenpfaden so überraschend, daß letztere der Vernichtung kaum entgangen wäre, wenn nicht das Hilfsgeschrei Verstärkung herbeigerufen hätte.
Da waren Brumat, Elsasszabern, Straßburg, Selz, Speier, Worms und Mainz in den Händen der Alemannen: obwohl sie nicht die verwüsteten Städte selbst, »worin sie wie in Gräbern eingesperrt zu werden fürchteten«, sondern nur das Landgebiet besetzt hielten.
Bei dem etwas über zwei Meilen von Straßburg entfernten Brumat, das er wieder besetzte, stieß er auf einen germanischen Schlachthaufen und griff diesen in zangenförmiger Ordnung so geschickt an, daß derselbe nach Verlust von Gefangenen und Toten sein Heil in der Flucht suchen mußte. Wie vorhin die Alemannen, so überraschte er nun die Franken, indem er sich plötzlich gen Köln wandte, auf welchem Wege, außer Rigomagum (Remagen) bei Coblenz und einem Turme bei Köln, nicht ein einziger Platz mehr in römischem Besitz war. Köln besetzte und befestigte er wieder: die Könige der Franken hielten Frieden. (Ein förmlicher Friedensschluß erhellt nicht zweifellos. D.) Hierauf zog er, unstreitig erst im Herbst, über Trier in das Innere ab, um in Sens (apud Senonas) an der Yonne südöstlich von Paris Winterquartier zu nehmen. NAME="voe1216_Anm6">Tillemont (S. 804) nimmt an, Julian sei von Köln aus über Trier wieder an den Oberrhein bis gegen Basel marschiert, um die Alemannen, welche der Kaiser sowohl von Rätien aus als durch Rheinübergang angegriffen, in deren Rücken zu bedrohen. Dies gründet sich auf eine der Geschichte des Jahres 367 vor der Straßburger Schlacht angehörende Stelle Ammians XVI, 12. Auf den ersten Anblick scheint sich eine Erklärung derselben in der Annahme darzubieten, daß im Jahre 366 wirklich eine solche dreifache Operation gegen die Alemannen stattgefunden habe (quod tunc tripertito exitio premebantur), nur der Bericht in Kap. XVI, 2 oder einem besonderen Kapitel verlorengegangen sei, indem es undenkbar ist, daß der so genaue Ammian Kriegsereignisse, von denen er an einer spätern Stelle sogar Details wieder anführt, an dem betreffenden Orte übergangen habe. Dem steht aber entgegen, daß Ammian jenen Feldzug und Rheinübergang ganz ausdrücklich durch den Frieden mit Gundomad und Vadomar endigen läßt, der doch nach obigem und zwar ganz unzweifelhaft bereits im Jahre 364 geschlossen ward. Daher nimmt auch Valesius (s. die Gronovsche Ausg. S. 193 unter b) wirklich an, daß jenes spätere Anführen (XVI, 12) sich auf den Feldzug des Jahres 364 beziehe.
Dünkt auch uns dies wahrscheinlich, so ist es doch andrerseits wieder mit dem Wortlaute sowohl XVI, 2, als Kapitel 12 an mehreren Stellen unvereinbar, unter welchen die: Caesare proximo nusquam elabi permittente die entscheidendste ist, weil es im Jahre 364 noch gar keinen Cäsar in Gallien gab.
Nur so viel läßt sich mit voller Sicherheit behaupten, daß, wenn jene kombinierte Operation im Jahre 366 wirklich stattgefunden haben sollte, dies nicht erst nach Jubans Wiederabzug von Köln, sondern nur früher und zwar zu der Zeit, da er in der Nähe Straßburgs stand, geschehen sein könne. Kann derselbe nämlich vor der ersten Hälfte Juli gar nicht an den Rhein gelangt sein, so müssen die folgenden Ereignisse, die Kämpfe mit den Alemannen, die Wiederbesetzung, daher auch notdürftige Befestigung von Brumt, vor allem aber die von Köln, denselben notwendig bis in den Herbst hinein beschäftigt haben, in welcher Jahreszeit Constantius gewiß keinen Feldzug gegen die Germanen mehr unternommen haben würde.
Wenn Tillemont zum Beweise des schlechten Erfolges des Feldzugs von 356 sich auf Julians eignes Zeugnis (ad Ath, p. 510) beruft, so möchte man fast glauben, er habe dabei eine falsche lateinische Übersetzung und nicht den griechischen Text vor Augen gehabt. In ersterer sind nämlich die auf Julian bezüglichen Worte: καὶ πραχθέντος σπουδαίου offenbar irrig durch: nec ullum factum esset operae pretium wiedergegeben.
Derselbe sagt an dieser Stelle weiter nichts als: er habe in diesem Jahre unglücklich (κακω̃ς) gekriegt, weil er, der bewiesenen Tätigkeit unerachtet, während des Winterquartiers in die äußerste Gefahr geraten sei.
So Julians erster Feldzug. Kein entscheidender Sieg: aber Beweise von Tätigkeit und Geschick genug, den Mut der Seinen wieder zu beleben.
Der der Germanen jedoch war nicht gebrochen. Von der Schwäche der Besatzung durch Überläufer unterrichtet (zumal die Elitetruppen der Scutaner und Gentilen waren der Verpflegung halber in andere Orte verlegt worden), erschienen sie plötzlich vor dem gegen vierzig Meilen vom Rheine entfernten Sens.
Da bewährte sich Julian als Held: Tag und Nacht auf den Türmen und Zinnen der rasch verstärkten Mauern, knirschte er vor Zorn, mit so wenigem Volke nicht ausfallen zu dürfen.
Nach dreißig Tagen zogen die Barbaren beschämt wieder ab.
Schmählich hatte der ganz in der Nähe stehende Marcellus dem Cäsar zu Hilfe zu eilen unterlassen. (Amm. XVI, 4.) Das war doch auch Constantius zu stark: er entließ ihn des Dienstes und ernannte Severus, einen tüchtigen, in den Waffen ergrauten General zu dessen Nachfolger. (Amm. XVI, 8 u. 10.) Marcellus hoffte durch Verleumdung Julians am Hoflager Gehör zu finden, stieß aber hier auf des letzteren eilends dahin abgesandten Oberkammerherrn Euthenus, der den Verräter durch die Macht der Wahrheit entlarvte. Dieser Eutherius war Eunuch, aber ein solches Wunder von Geist und Herz, daß Ammian versichert, die ganze Geschichte kenne keinen ihm vergleichbaren »seiner Art« (d. h. Verschnittenen).
Er hatte dasselbe Amt schon unter Constans bekleidet, der zu seinem Unheile dessen Leitung nicht gefolgt war. Julian aber ließ sich von ihm zurechtweisen, so oft er, »von griechischem Leichtsinne fortgerissen« (Amm. XVI, 7), dem verständigen Manne dazu Anlaß bot.
Für das Jahr 357 ward ein gemeinschaftlicher Operationsplan mit Constantius verabredet. Barbatio, dessen Magister militum, sollte von Süden, Julian von Westen her gegen die Alemannen vorrücken. Es ist kaum denkbar, daß Barbetio in das befriedete Gebiet von Gundomad und Vadomar einzufallen befehligt war. Entweder muß daher der Durchzug, vielleicht unter zugesicherter Schonung und Entschädigung, im Wege der Verhandlung mit diesen Fürsten oder der (in keinem Falle jedoch ausgeführte) Stromübergang im Gebiete der Linzgauer in der Gegend von Schaffhausen beabsichtigt worden sein.
Während die Heere schon im Anzuge waren, drang ein verwegener Barbarenschwarm Es ist ein grober Irrtum des Valesius und Tillemonts (S. 816), daß sie das Wort Laeti für den Namen eines germanischen Volks erklären, entschuldbar für die Zeit, in der sie schrieben, worauf sich aber Huschberg, der ihnen ebenfalls folgt, nicht berufen kann, obwohl er Böckings Not. dign. allerdings noch nicht benutzen konnte., zwischen ihnen durchbrechend, bis zu dem fast dreißig Meilen vom Rheine entfernten Lyon vor, wo derselbe zwar noch zurückgewiesen wurde, jedoch reiche Beute aus der Umgegend mit fortschleppte.
Sofort eilte der Cäsar, ihnen auf ihren drei voraussichtlichen Wegen den Rückzug abzuschneiden, was auch auf zweien derselben, wo seine Truppen dazu verwendet waren, vollkommen gelang, indem die Eingedrungenen, unter Wiederabnahme ihrer Beute, insgesamt niedergehauen wurden. Nur auf Barbatios Seite entwich eine Schar, weil die wider sie aufgestellten beiden Tribunen, von denen der spätere Kaiser Valentinian einer war, auf jenes Verräters Befehl abberufen und noch dazu durch Dienstentlassung bestraft wurden, was er durch eine Lüge (die späterhin erwiesen wurde) bei Constantius rechtfertigte.
Die von Julian am Rhein angegriffenen Germanen bargen sich hinter gewaltigen Verhauen im Gebirg oder flohen auf Rheininseln, von wo sie Julian mit höhnendem Geschrei herausforderten. Dieser verlangte Schiffe von Barbatio, welcher einen Brückentrain bei sich führte: derselbe aber verbrannte lieber die Fahrzeuge! – Darauf ließ der Cäsar eine starke Abteilung, teils watend, teils schwimmend, wobei sie auch die Schilde mit zu Hilfe nahmen, über den Strom zur nächsten Insel setzen, woselbst sie alles Volk ohne Unterschied des Geschlechts niederstießen, zugleich auch einige Kähne fanden, mit deren Hilfe sie nun das Mordwerk auf den übrigen Inseln vollführten, um endlich mit reicher Beute, welche der Strom jedoch zum Teil fortriß, zurückzukehren. Darauf zog sich der Rest der Germanen, wahrscheinlich auch die noch auf dem linken Rheinufer weilenden (letztere wohl zur Nachtzeit), auf das rechte in das Innere zurück.
Fester Plätze zur Grenzhut bedürftig ließ Julian hierauf die Werke von Rheinzabern (Tres Tabernae) im heutigen Rheinbayern, einem gewöhnlichen Übergangspunkte der Alemannen, wieder herstellen, was schneller als erwartet gelang Die Befestigung der Alten war ungleich einfacher, als die moderne, die Demolition gewiß aber auch nicht vollständig erfolgt. und darin für ein Jahr Besatzungsproviant aufspeichern. Dieser sowie der Bedarf für das Heer auf zwanzig Tage ward durch Furagierung auf dem linksrheinischen Gebiete der Feinde ( also bereits über Jahr und Tag bewirtschaftetes Alemannengebiet auf dem linken Ufer! D.) zusammengebracht, wessen es um deswillen bedurfte, weil Barbatio die für Julians Heer bestimmten Provianttransporte unterwegs angehalten und, soweit er sie nicht selbst benutzt, verbrannt hatte!
Ob dies auf geheimen Befehl, oder aus »Geistesabwesenheit« geschehen, sagt Ammian, wisse man nicht.
Wir meinen indes, daß, wenn nicht wirkliche Gründe (mindestens scheinbare, z. B. daß der Vorrat nicht in des Feindes Hände falle) dafür vorhanden gewesen, doch nicht der Kaiser selbst, sondern nur die Camarilla, welche Julian so bitter haßte und den Magister militum, wenn er in ihrem Sinne handelte, bei ersterem zu vertreten wußte, solchen Frevel angestiftet haben dürfte.
Während der Cäsar nun bei Rheinzabern lagerte, gelang den Alemannen ein mit so viel Geschick und Schnelligkeit ausgeführter Überfall des Barbatio, daß dieser bis Augst (zwischen Basel und Rheinfelden) fliehen und den größten Teil seines Gepäcks und Trains mit Pferden und Leuten den Verfolgern überlassen mußte, worauf er das Heer schon jetzt in die Winterquartiere abführte und sich für seine Person, Julian zu verleumden, an das Hoflager begab.
Mächtig steigerte dieser Sieg den Übermut der Germanen, die an den Schilden der Fliehenden dieselben Truppen wiedererkannt hatten, welchen sie kurz vorher erlegen waren.
Unter den Alemannenkönigen ragte vor allen König Chnodomar durch Macht, Heldengeist und Körperkraft hervor. Besieger des Decentius, wie jetzt des Barbatio, auch die Seele des ganzen Krieges, vereinte er nun bei Straßburg außer seinem Neffen Serapio noch die Fürsten Suomar, Hortari, Ur, Ursicin und Vestralp, sowie die Männer aller Gaue des Gesamtvolkes (? D.) von der Gegend des heutigen Frankfurt an bis zum Bodensee. Nur Gundomad und Vadomar hielten anfangs an dem im Jahre 354 geschlossenen Frieden fest; als aber ersterer hinterlistig ermordet ward, strömte dessen von Kriegslust und Bundesgefühl ergriffenes Volk den Volksgenossen ebenfalls zu und auch das Vadomars folgte.
Nun hatte ein Überläufer von des Barbatio Truppen ausgesagt, Julians Heer sei nur 13 000 Mann stark, was den Angriff vollends entschied. Vorher aber ließen die Könige ihn durch Gesandte auffordern, das durch ihre Tapferkeit gewonnene Gebiet auf dem linken Rheinufer sofort wieder zu räumen. Diese Sprache keiner Erwiderung würdigend behielt Julian (– ziemlich treulos wie einst Julius Cäsar – D.) die Sendboten zurück und machte sich zum Entscheidungskampfe fertig.
Die nun folgende Hauptschlacht bei Straßburg ist dadurch so denkwürdig, daß es in der langen Zeit von Tacitus bis Prokopius an mehr als vierhundert Jahren die einzige ist, über welche uns ein militärisch genauer Bericht vorliegt.
Das Lager des Cäsars, der sich nach erlangter Kunde des Rheinübergangs der Germanen Straßburg schon genähert haben muß, soll am Vorabende der Schlacht noch 4 1/ 5 Meilen von dem der Alemannen entfernt gewesen sein. Mit Sonnenaufgang aufbrechend wollte er zu Schonung der Truppen (Vielmehr: zum Teil um deren Stimmung zu erproben, zum Teil um im Fall der Niederlage und des Rückzugs das befestigte Lager bald erreichen zu können. D.) gegen elf Uhr Mittags Lager schlagen und erst am Morgen darauf angreifen: stürmisch aber verlangten diese, sogleich zu kämpfen, und auch die Unterbefehlshaber rieten dazu.
Die Alemannen sollen 35 000 Libanius Or. 10, p. 274 spricht in seinem freilich sehr unklaren Berichte nur von 30 000. Mann stark gewesen sein, die Römer deren nur 13 000 gezählt haben. Letztere Angabe beruht aber lediglich auf der frühern Schätzung des Überläufers (Amm. XVI, 12), der ohnehin den Alemannen vielleicht nach Wunsch zu reden suchte. Gewiß aber hat Julian im Winter und selbst noch vor der Schlacht sein Heer möglichst zu verstärken gesucht. Wenn nun die Berichterstatter aller Zeiten die Stärke der Feinde zu erhöhen, die eigne zu vermindern pflegen, so erscheint ein so großes Mißverhältnis der gegenseitigen Streitkräfte kaum denkbar, obwohl die Alemannen sicherlich nahe doppelt so stark als die Römer gewesen sein dürften.
Der Cäsar stellte seine gesamte Reiterei auf den rechten Flügel, das Fussvolk ins Mitteltreffen und auf den linken. Letzterer scheint durch das Terrain gedeckt gewesen zu sein, da von einem für ein so viel stärkeres Heer leicht ausführbaren Angriffe gegen denselben in Flanke und Rücken nicht die Rede ist.
Die alemannische Reiterei bildete, der römischen gegenüber, den linken Flügel ihres Heeres: ihr war, nach altgermanischer Weise, leichtes Fussvolk untermischt, vor allem den unverwundbaren, aber auch fast unbeweglichen Panzerreitern furchtbar, welche es durch Verwundung der Pferde zum Sturze brachte.
Langsam rückte das römische Fussvolk an: da gewahrte der Heerfahrer Severus vor dem linken Flügel, den er führte, tiefe, mit Bewaffneten erfüllte Gräben (nach Libanius ein Bachgrund), welche die Truppe ohne Auflösung der geschlossenen Ordnung, durch deren Erhaltung die Römer allein zu siegen vermochten, nicht zu passieren im Stande gewesen wäre. Sogleich ließ er Halt machen. Der Cäsar, die Gefahr dieser Stockung erkennend, sprengte sofort im Bereiche der feindlichen Geschosse die Fronte entlang, die einzelnen Truppenkörper mit wenigen, aber kräftigen Worten anfeuernd. Schon schmettern die Drommeten und wildes Kriegsgeheul ertönt: da muß der Germanen unbändige Kampfbegier, jene Vertiefung selbst verlassend und überschreitend Siehe dagegen Dahn, die Alemannenschlacht bei Straßburg (und die Pläne der wechselnden Aufstellungen daselbst). Braunschweig 1880. (Bausteine III. Berlin 1881.), die Schlacht begonnen haben.
Allmählich gewann der linke Flügel der Römer Boden, während die Reiterei des rechten plötzlich geworfen ward, woran die Panzerreiter Schuld waren, die durch Verwundung und Fall ihres Führers Mut und Haltung verloren hatten. Blitzschnell fliegt Julian herbei, dem es auch gelingt, die Flucht zu hemmen und die wieder Formierten in die Schlacht zurückzuführen. NAME="voe1216_Anm13">Huschberg (S. 263) zeiht Ammian hier der Verhüllung der Wahrheit, weil er verschweige, daß, nach Zosimus (III, 3), ein Reiterregiment von sechshundert Mann, Julians Befehl unerachtet, nicht wieder an der Schlacht Teil nehmen wollte und deshalb zur Strafe in Weiberkleidern durch das Lager geführt worden sei, welchen Schimpf es im Feldzuge des Jahres 358 durch glänzende Bravour wieder gesühnt habe. Dies würde aber kein bloßes Verschweigen, sondern direkte Unwahrheit gewesen sein, weil Ammian S. 158 ausdrücklich sagt: reduxit omnes. Es ist jedoch höchst gewagt, Ammian durch Zosimus widerlegen zu wollen und möchten wir auch des Letztern Nachricht nicht allen Glauben absprechen, so kann doch jene Strafe durch die Flucht allein verwirkt worden und die fernere Verwendung dieser Truppe nur eine passive gewesen sein, wobei sich ihr keine Gelegenheit bot, die Schmach wiedergutzumachen. (Vgl. Dahn, die Alemannenschlacht von 357. Braunschweig 1880.) Indes ist von weiterer aktiver Verwendung derselben nicht die Rede: sie mag nur noch zur Deckung des rechten Flügels des Fußvolkes gedient haben.
Nach diesem Reitersiege warf sich der Feind mit Ungestüm auf die erste Schlachtreihe der römischen Infanterie. Lange schwankte hier der Kampf, indem besonders die Auxiliarkohorten der Braccaten und Cornuten mit größter Tapferkeit widerstanden. Schon aber begannen die Germanen mit riesiger Wut die Schildränder zu durchhauen und dadurch die feste Deckung der Römer zu durchbrechen, als die Kernscharen der Bataver in römischem Sold (geführt von ihren Königen D.) zur Verstärkung herbeieilten und die Schlacht auf diesem Punkte hielten. So war im zweiten Abschnitte derselben noch nichts entschieden, als der dritte anhub. Mit Begeisterung stürzte sich die Schar der unstreitig besser bewaffneten Volksedlen, unter der die Könige alle zu Fuß mit fochten (an der Spitze ihrer Gefolgschaften D.), auf die vorderste Schlachtreihe der Römer und durchbrach sie im ersten Anlaufe. Hinter dieser aber stellte sich ihr nun die Reserve der in tiefer und dichter Ordnung formierten Legion der Primaner entgegen, die geschicktesten Fechter des Heeres, die, sich nach Fechterart deckend, in sicherer Ruhe jede Blöße des in seiner Wut unvorsichtigen Feindes mit dem Todesstoß trafen. Daran brach sich der Angriff: neue Scharen der Germanen stiegen über die Reihen der Gefallenen: aber endlich hatten Entmutigung und Schreck sie ergriffen. Da trat plötzlich jener bei den Germanenschlachten so gewöhnliche, entscheidende Umschlag von Trotz in Verzagtheit ein (pavidi in adversis): (da der ungefüge reservelose Keil, war sein Stoß gescheitert, nicht mehr angriffsweise operieren und auch nicht einen geordneten Rückzug antreten konnte. D.).
Die Flucht begann: nur ein wildes Entrinnen, das der morddurstigen Verfolgung den leichtesten Spielraum bot: (offenbar von der jetzt auseinandergezogenen Legion im Rücken verfolgt, von den früher durchbrochenen, aber wieder gesammelten römischen Vordertreffen aufgefangen, hatten die Flüchtigen nur mehr den Sprung in den Rhein frei. D.). Die Alemannen suchten sich, ihn überschwimmend, zu retten: sehr viele derselben wurden aber teils von den nachgeschleuderten Geschossen erreicht, teils von den Fluten verschlungen.
Chnodomar eilte zu Roß einem fernen Lager am Strome Bei Tribunci und Concordia: letzteres Rochersberg oder Drusenheim? zu, wo er Kähne hatte, stieß aber auf Altwasser, von wo er sich, da sein Pferd darin versank, zu Fuß auf eine nahe bewaldete Höhe zu retten suchte. Diese ward von dem im Fluge nachsetzenden Tribunen umzingelt und jener dadurch sich zu ergeben genötigt. Seinem Beispiele folgten zweihundert seiner Gefährten (comites) und drei seiner vertrautesten Freunde, für Schmach erachtend, sich ohne ihren Führer zu retten.
Auf der Walstatt sollen, die vom Fluß verschlungenen ungerechnet, 6000 Des Zosimus Angabe von 60 000 beruht auf einem leicht möglichen Irrtum der Abschreiber, die ς' mit ξ' verwechselten. Alemannen gefunden worden, von den Römern nur zweihundertdreiundvierzig Mann und vier Stabsoffiziere geblieben sein, worin wir, wenn gleich letzterer Angabe die der Verwundeten fehlt, wieder den Bulletinstil erkennen. Indes ist der ungeheure Verlust der erstern nicht zu bezweifeln, da kein erheblich Verwundeter derselben sich zu retten vermochte, jeder derselben vielmehr von den Römern niedergestoßen oder von den Nachsetzenden zertreten ward.
Überblicken wir diese Schlacht im Ganzen, so war sie eine rein taktische, von strategischen Dispositionen vor und in dem Gefecht keine Spur. Der Krieg der Alten löste sich, wie Mommsen sagt, in eine Reihe von Duellen auf, worin der bessere Fechter notwendig siegen mußte. Dies und die weit bessere Schutz- und Trutzbewaffnung der Römer entschied, obgleich auch die der Germanen seit dem ersten Jahrhundert eine merklich bessere geworden sein mag. Bei den Römern hing alles davon ab, daß sie den festen sichern Schluß bewahrten. Vereinzelt waren sie verloren.
Julian scheint vor allem durch belebenden Heldengeist, aber auch durch Scharfblick und Allgegenwart in den gefährlichsten Momenten Kampfbegeisterung und Ordnung erhalten zu haben. (Daß er sich persönlich sehr stark ausgesetzt, erhellt aus Ammians wiederholten Angaben. D.) Allerdings war das römische Fussvolk, wohl geleitet und richtig verwendet, an sich unüberwindlich, wie viel aber dabei auf den Führer ankam, beweisen die Niederlagen und Verluste des Decentius, Arbetio und Barbatio gegen dieselben Feinde.
Das Heer rief Julian auf dem Schlachtfelde zum Augustus Sollte hier nicht die bloße Ausrufung zum Imperator gemeint sein, eine Ehrenauszeichnung, die nach damaligem Grundsatze freilich auch wohl nur dem Kaiser gewährt werden konnte? Das Heer machte sich hier also nur einer Anmaßung schuldig, während Julians Erklärung zum Augustus Hochverrat gewesen wäre. aus, was er jedoch mit scharfem Tadel zurückwies.
Den gefangenen Chnodomar übersandte er dem Kaiser, der ihn in dem »Lager der Ausländer« bei Rom unterbrachte, wo er bald darauf starb.
Diesen glänzenden Sieg schrieb Constantius, von den niedrigen Schmeichlern verblendet, seinen Anordnungen zu: ja die Berichte darüber trugen, ohne auch nur Julians Namen zu erwähnen, die kaiserlichen Siege in alle, auch die fernsten Gegenden des Reichs. (Amm. Marc. XVI, 12; Zosimus III, 3 und Libanius Or. 10, p. 274–276.)
Die Bestattung der Toten, die Entlassung der vor der Schlacht zurückbehaltenen Gesandten sowie die sichere Bergung der Gefangenen und Beute in Metz war des Cäsars nächstes Geschäft.
Ruhig blieb er hierauf längere Zeit bei Rheinzabern stehen, anscheinend um dessen Werke noch zu verstärken, hauptsächlich gewiß aber, um die Germanen sicher zu machen.
Plötzlich marschierte er gen Mainz ab und ging sofort auf einer Schiffbrücke über den Rhein, wozu er das murrende Heer nur durch die Macht und den Zauber seiner Rede zu bewegen vermochte.
Die aufgeschreckten Alemannen baten in gewohnter Weise sogleich um Frieden, drohten aber auch bald darauf mit Vertilgungskrieg, wenn er ihr Land nicht unverzüglich wieder räume.
Darauf sandte der Cäsar bei Anbruch der Nacht achthundert Mann in leichten Schiffen stromabwärts Das Gebiet der drei Fürsten, die Ammian reges immanissimi nennt, umfaßte hiernach mindestens den Kreis Starkenburg von Hessen-Darmstadt mit dem Odenwalde, erstreckte sich aber jedenfalls auch auf das rechte Mainufer, wohin Frauen und Kinder geflüchtet waren, wenn auch mutmaßlich nicht allzuweit. In ihm lag auch das munimentum Trajani, was schon alte Geographen in dem Schloß von Kronberg zwei Meilen oberhalb Frankfurt am Main auf dessen rechtem Ufer zu erkennen geglaubt haben (Baudran, Geogr. Lexicon, Paris 1670, von Tillemont zitiert. Allgem. Hist. Lexicon, Leipzig bei Fritsch 1790 s. h. v.) und auch von Huschberg angenommen wird., um am Morgen landend das feindliche Gebiet durch Feuer und Schwert zu verheeren.
Bei Sonnenaufgang sah man die Alemannen auf den gegenüberliegenden Bergen; sogleich angegriffen zogen sie sich eilig zurück.
Um dieselbe Zeit nun verkündeten hochaufwirbelnde Rauchsäulen in der Ferne, daß die gelandete Truppe ihren Verheerungszug begonnen habe. Dieses unerwartete Vordringen in ihrer Flanke schreckte die Germanen: sie gaben die festen Stellungen und Hinterhalte, die sie in den Wäldern bereitet hatten, auf und gingen eilig über den Main, ihre unstreitig sofort dahin geborgenen Familien zu schützen.
Unbehindert setzten nun die Römer ihr Vertilgungswerk fort. Reiche, nach römischer Art wohlgebaute Dörfer Aber von Alemannen erbaut: solche Stellen zeigen, daß die Germanen jetzt nicht nur als »Raubfahrer«, sondern als seßhafte Bauern dem Rheine nahe gedrungen waren und hier, dauernd römischen Vorbildern nacheifernd in Dörfern siedelnd Ackerbau trieben. D.) wurden erst geplündert, namentlich Vieh und Ernten tunlichst fortgeschafft, dann in Brand gesteckt und die hier vorgefundenen Gefangenen befreit. So rückten sie dritthalb Meilen vor, als sie an dichten Wald kamen, der nach eines Überläufers Aussage voll von Verstecken, Hinterhalten und Gefahren sein sollte. Gleichwohl furchtlos eindringend stießen sie jedoch bald auf so gewaltige Verhaue, daß sie nur mit großer Schwierigkeit und Zeitversäumnis zu umgehen gewesen wären.
Da nun nach verlaufener Herbstnachtgleiche die rauhe Jahreszeit eingetreten, und auf den Höhen schon Schnee zu sehen war, änderte der Cäsar seinen Kriegsplan und ging über den Main, eine rechts desselben von Trajan erbaute Festung wieder herzustellen, was, so wie deren Verproviantierung und Besetzung, ohne Widerstand erfolgte.
Das brach den Mut der Alemannen: sie baten demütig um Frieden, den Julian um so williger auf zehn Monate gewährte, weil er noch der Zeit bedurfte, jenen Platz mit dem nötigen Verteidigungsgerät zu versehen. Da erschienen drei Könige wildesten Aussehens, welche Hilfstruppen zur Straßburger Schlacht gesandt hatten, und beschworen »nach vaterländischem Brauche« (Wäre doch diese alemannische Eidform und Eidformel erhalten! D.) nicht nur den Frieden, sondern auch das Versprechen, die Besatzung auf Verlangen mit fernerem Proviant zu versorgen.
So endete der ruhmreiche Feldzug gegen die Alemannen, noch nicht aber das Kriegswerk.
Auf dem Heimmarsche nach Rheims mit einem Umwege über Köln und Jülich traf der Magister militum Severus zwei fränkische Scharen von je sechshundert Mann. Ammiam sagt: Francorum cuneos in sexcentis velitibus, wonach, da deren zwei waren, auch jeder derselben sechshundert Mann stark gewesen sein kann, was dem Libanius p. 278, der eine Gesamtzahl von tausend angibt, näherkommt, als eine einzige zu sechshundert Mann, auch, da zwei Schanzen so lange von ihnen verteidigt wurden, wahrscheinlicher ist. Durch das rückkehrende Heer erschreckt und mutmaßlich von dem Heimweg abgeschnitten, warfen sie sich in zwei verlassene Schanzen an der Maas (von denen eine vielleicht an der Stelle des heutigen Maastricht war) und suchten sich darin möglichst zu schützen. Der Cäsar, der dies nicht dulden konnte, schritt sogleich zu deren Belagerung. Diese verzog sich aber durch die Tapferkeit der Verteidiger vierundfünfzig Tage lang bis in den Januar: ja es ward, um deren Entweichung auf dem Eise des Flusses zu verhüten, notwendig, dies alle Nächte durch den Ruderschlag auf- und abfahrender Schiffe zu brechen. Endlich mußten sich die Franken aus Hunger ergeben, worauf sie als Gefangene an den Kaiser gesandt wurden.
Nun erst nahte das zu deren Entsatz zusammengebrachte Heer ihrer Volksgenossen, das sich jedoch auf jene Nachricht eilig wieder zurückzog, worauf sich der Cäsar in das Winterquartier nach Paris Paris, Parisii oder Lutetia Parisiorum, war damals eine kleine befestigte Stadt auf der Seine-Insel, die spätere cité, zu der jedoch auch Vorstädte gehörten. Sie hatte einen Palast, Amphitheater und Thermen, von welchen letztern heute noch Reste: (près des Maturins rue de la Harpe und bei dem Musée de Cluny) zu sehen sind. begab. (Amm. XVII, 1 und 2.)
Im Jahre 358 rückte der unermüdliche Julian schon im Mai in das Feld. Dies hätte nach dem gewöhnlichen System erst im Juli geschehen können, weil um diese Zeit erst die Lieferungen aus Aquitanien, der hauptsächlichsten Proviantquelle, eingingen. (Vermutlich erst nach der dortigen frühen Ernte.) Er ließ aber von dem noch vorrätigen Getreide den Bedarf für zwanzig Tage zu Zwieback verbacken, welchen die Truppen selbst tragen mußten.
Wir kommen nun bei Ammian auf das 8. Kapitel des XVII. Buches, das nicht allein durch auffällige Kürze, zwei Feldzüge in nur sechzehn Zeilen abhandelnd, von dessen sonstiger Darstellung abweicht, sondern auch wichtige, von Julian selbst und Zosimus berichtete Ereignisse ganz unberührt läßt. Vielleicht liegt daher auch hier wieder eine wesentliche, höchst bedauerliche Verstümmelung des Textes vor.
Ammian erzählt folgendes:
Der Cäsar zog zuerst gegen die Franken, die sich, gewöhnlich Salier genannt, vor längerer Zeit (olim) in Toxandrien (das Land südlich der Waal und östlich der Schelde nach der Maas zu [im Mittelalter der Gau Tessandria D.], das heutige Nordbrabant, Antwerpen auch wohl ein Teil von belgisch Limburg) niedergelassen hatten.
In Tongern (unfern der Grenze) empfing er durch eine Gesandtschaft deren Bitte, sie in ihren Sitzen unbelästigt zu lassen. Verschiedenartige Bedingungen entgegenstellend entließ er die beschenkten Sendboten, die, bestärkt in der Meinung, er werde ihre Rückkehr am gleichen Ort erwarten (Die Fassung läßt unklar, wie weit hier die Arglist Julians ging: treulos, völkerrechtswidrig hatte er auch schon vor der Schlacht bei Straßburg gehandelt: Julius Cäsar hatte hierin das Muster aufgestellt. D.), wieder abreisten. Allein Julian ließ die Salier durch Severus, den er am Rhein hinabsandte, von dem Rückzug über den Strom abschneiden, indes er selbst sie plötzlich in der Fronte angriff. Da blieb kein Widerstand, nur noch Bitte übrig. Sie unterwarfen sich mit all den Ihrigen und wurden, unzweifelhaft nunmehr als römische Untertanen, in ihren Sitzen belassen. Daß die Salier nicht aus ihren Sitzen vertrieben, sondern nach ihrer Ergebung in denselben belassen wurden, setzen die von Julian (ad Athen, p. 614) und von Zosimus (III, 6) gebrauchten Ausdrücke außer Zweifel, wie dies auch von Tillemont (S. 833) und von Huschberg (S. 280) angenommen wird. Dies ist als deren erste bleibende und anerkannte Niederlassung in Toxandrien für die Geschichte der Folgezeit wichtig.
Darauf wandte er sich gegen die Chamaven, die weiter aufwärts am linken Rheinufer hausten: sie wurden teils niedergehauen, teils gefangen, teils in ihre Heimat zurückgetrieben und empfingen darauf, da es den Cäsar drängte, gegen die Alemannen zu ziehen, den erbetenen Frieden.
So Ammian. Aus Julian (ad Ath. p. 513) und Zosimus (III, 5) ersehen wir aber, daß ersterer damals zugleich die Schiffverbindung mit Britannien wiederherstellte. Auf dieser mochte die Getreideversorgung der Plätze des niederen Germaniens am Rheine vorher hauptsächlich beruht haben: (da der Boden hier von den Franken für ihren Bedarf bebaut und behauptet war. D.).
So lange jedoch auch das linke Ufer des Niederrheins im Besitze der Germanen war, konnte der Strom selbstredend nur mit deren Erlaubnis beschifft werden. Diese wollte Florentius um 2000 Pfund Silber erkaufen, was auch Constantius, wenn es Julian nicht für zu schimpflich halte, gestattet hatte. Darauf unternahm dieser, den Feinden nur mit Blut zu zahlen gewohnt, die vorbemerkten Feldzüge, und die Rheinschiffahrt war wieder frei. Sechshundert Diese eigene Angabe Julians ist der von Zosimus, der von 800 spricht, unbedingt vorzuziehen. Schiffe, von denen er vierhundert in zehn Monaten selbst erbauen lassen, langten glücklich im Rheine an.
Ungleich wichtiger ist eine weitere Nachricht von Zosimus, welche beinahe drei Kapitel desselben (III, 6–8) ausfüllt.
Er berichtet (III, 6): die Sachsen, die mächtigsten und tapfersten aller Germanen, hätten die zu ihnen gehörigen (μοι̃ραν σφω̃ν όντας) Chauken (wie für Quaden, was der Text sagt, zu lesen ist; s. w. u. die Rechtfertigung) gegen das römische Gebiet abgesandt. Aber die Franken, aus Furcht, den Römern gerechten Anlaß zum Kriege zu geben, hätten jene am Rheinübergange behindert. Darauf seien die Chauken den Strom hinabgefahren und hätten, an der batavischen Insel landend, die Salier, einen Teil der Franken, welche vorher von ihnen selbst erst aus ihren Sitzen dahin gedrängt worden seien, vertrieben. Diese früher ganz den Römern unterworfene Insel hätten die Salier nämlich damals innegehabt. Darauf habe der Cäsar die Chauken angegriffen, seinen Truppen aber befohlen, die Salier weder zu töten, doch am Übergang auf römisches Gebiet zu behindern, weil sie nicht als Feinde, sondern nur von den Chauken verdrängt kämen. Dies habe die auf das linke Rheinufer übergetretenen Salier bewogen, sich dem Cäsar zu unterwerfen.
Letzterer habe nun, sich gegen die Barbaren zu schützen, folgendes Mittel angewendet.
Ein durch Größe, Stärke und Mut ausgezeichneter germanischer Abenteurer, Charietto, war aus seinem Vaterland, als Mißvergnügter oder Flüchtling, nach Trier ausgewandert. Das unbehinderte Hausen seiner Landsleute dort wahrnehmend, ergriff er das Gewerbe (im Solde der Römer sie einzeln zu erlegen und D.) ihre abgeschnittnen Köpfe einzuliefern, wofür, wie wir aus anderer Quelle wissen, ein guter Lohn »Stück für Stück« gewährt wurde.
Er beschlich sie in der Nacht in den Wäldern und überfiel sie im Schlafe der Trunkenheit.
Bald fand er in Cercius (Eunapius p. 65 d. Bonn. Ausg.) einen seiner würdigen Genossen, mehrere andere schlossen sich ihm an und nun ward er als Führer von Anti-Guerrilleros seinen Volksgenossen furchtbar.
Nach Julians Ankunft stellte er sich diesem vor, ward gern angenommen, seine Schar durch Salier verstärkt und nun das Verfolgungssystem so organisiert, daß Charietto die in den Wäldern überfallenen Barbaren den vor dem Rande des Holzes aufgestellten Truppen zuzutreiben suchte, wobei denn viele Gefangene gemacht wurden.
Dadurch wurden die Quaden (d. i. Chauken), welche Zosimus, nachdem er vorher nur von Barbaren im Allgemeinen gesprochen, hier zuerst wieder nennt, auf das äußerste gebracht und zum Frieden gezwungen.
Bei dessen Abschluß verlangte Julian des Königs Sohn als Geisel, worauf ersterer mit Tränen versicherte, daß derselbe im Kriege gefallen sei. Da tritt auf des Cäsars Wink plötzlich der von Charietto gefangen genommene Beweinte in blühender Gesundheit hervor, um sich ungestört mit dem Vater zu unterhalten.
Julian, erklärend, daß er den Gefangenen behalten, etwaigen Treubruch aber niemals an diesem Schuldlosen, sondern nur an den Schuldigen strafen werde, fordert nun Nebisgasts (unstreitig dieses Jünglings) Mutter als Geisel, worauf der Friede geschlossen wird. (Zosim. III, 7 und Eunapius p. 41.)
Wir können nach den uns von Eunapius erhaltenen Fragmenten seiner Fortsetzung von des Dexippus Geschichtswerk (p. 41, 65 u. 106 d. B. A.) nicht zweifeln, daß des Zosimus 7. Kapitel aus dieser sicherlich vorzüglichen und fast gleichzeitigen Quelle entnommen ist, da Eunapius im Jahre 347 geboren ward. (S. B. Ausg. Vorr. p. XVIII.)
Erweckt dies auch für das 6. Kapitel ein gleich günstiges Vorurteil, ersehen wir ferner aus dem 3., daß zu des Zosimus Zeit noch sehr ausführliche geschichtliche und poetische Werke über Julians Leben und Taten vorhanden waren, so ist mit Sicherheit vorauszusetzen, daß derselbe allenthalben aus guten und sehr vollständigen Quellen geschöpft habe.
Was aber zuvörderst die Lesart »Chauken« für »Quaden« betrifft, welches letztere unzweifelhaft ein Fehler, sei es des Autors, dessen geographische Unkunde wir schon kennen lernten, oder des Abschreibers ist, so muß zugegeben werden, daß Zosimus zum Teil Ereignisse von dem genannten Volke berichtet, welche Ammian und Julian anscheinend, Eunapius aber mit Bestimmtheit auf die Chamaven beziehen. Deshalb halten auch andere Forscher (wie Tillemont S. 833 und Huschberg S. 276) die Lesart Chamaven statt Quaden für richtiger.
Wir aber sind (im Einverständnisse mit Zeuß, S. 382 und Ledebur, Land und Volk der Brukt. S. 67 u. 253) der Meinung, daß man hier entweder Chauken annehmen oder Zosimus ganzes 6. Kapitel für ein willkürliches Machwerk erklären müsse.
Daß die Chamaven am Niederrhein im Hamalande des Mittelalters saßen (s. d. Karte und Ledebur a. a. O. S. 63–71), daß die Franken außer den Sugambern (und Batavern D.) hauptsächlich aus Chamaven bestanden, ist nicht zu bezweifeln, ja letzteres wird durch die Peutingersche Tafel: Chamavi qui et Franci ausdrücklich bestätigt. Die »Quaden« des Zosimus aber werden von ihm ein » Teil der Sachsen« genannt, ja er läßt sie sogar vom Gesamtvolke zum Angriff auf das römische Gebiet absenden. Wenn nun die Chauken unbestritten zu den Sachsen gehörten, ja nach der Lage und Ausdehnung ihres Gebiets zwischen Elbe und Ems einen Hauptbestandteil derselben bildeten, so können es eben auch nur diese gewesen sein, welche von Zosimus irrtümlich Unstreitig war es auch leichter Κουάδοι mit Καυ̃χοι als mit Χάμαβοι zu verwechseln. als Quaden bezeichnet werden.
Die Chauken aber werden in der Peutingerschen Tafel unter dem Namen Chaci unmittelbar hinter den Chamaven aufgeführt, sie waren also bis dahin, wo sie früher nicht saßen, vorgedrungen, was wiederum mit Zosimus übereinstimmt.
Wir erklären uns obigen Widerspruch zwischen Zosimus und den übrigen Quellen auf folgende Weise.
Neben den Franken werden während Constantins des Großen Anwesenheit in Gallien in den Jahren 307–310 ausdrücklich noch die Nachbarvölker der Chamaven, Tubanten und Brukterer als Sonderstaaten aufgeführt, was selbstredend nicht ausschließt, daß ein großer Teil ihrer Angehörigen, namentlich der erstern, unter die Franken gegangen war. Auch kann (muß D.) die kurze, daher unklare Angabe der Peutingerschen Tafel: Chamavi qui et Franci füglich den Sinn haben, daß erstere, ohne als Völkerschaft zu bestehen aufgehört zu haben, zugleich einen wesentlichen Bestandteil der Franken bildeten. Waren aber die Chauken schon nach letzterer Quelle bis an die Chamaven vorgerückt, welche ja selbst Julian, Ammian und Eunapius noch als Sondervolk kennen, so waren es wohl Chauken und Chamaven, welche in das römische Gebiet eindrangen.
Jener Friede aber mag, da sich die Chauken bei der ungünstigern Wendung in ihre Sitze zurückzogen, allerdings zwischen Julian und den Chamaven allein geschlossen worden sein.
Erwägen wir nun, daß Ammian an der betreffenden Stelle sichtbar (? D.) verstümmelt, Eunapius nur in wenigen Fragmenten erhalten ist, Julian aber der Chamaven (p. 514) nur mit zwei Worten gedenkt, so ist es vollkommen erklärlich, daß von diesen Schriftstellern die Mitwirkung der Chauken in diesem Kriege nicht erwähnt wird und daraus die gänzliche Unwahrheit von des Zosimus so ausführlichem Berichte auf keine Weise zu folgern.
Wie kann man aber dem positiven Zeugnisse eines Schriftstellers, der gute Quellen hatte und im Allgemeinen Geist bekundet, das Nichtwissen anderer – offenbar unvollständiger – Quellen entgegenstellen?
Dagegen ist Zosimus, wie überhaupt So kommt er in Kap. 8 auf die neun Jahre frühere Belagerung von Nisibis, während er von Amida und dessen Einnahme hätte reden sollen, und in Kap. 9 wiederum auf Julians Erhebung zum Cäsar. Die Griechen scheinen sich überhaupt mit der offiziellen Chronologie nach den Konsulaten nicht recht befreundet zu haben., so namentlich in der S. 475 wiedergegebenen Stelle von chronologischer, auch von einiger geographischer Verwirrung nicht freizusprechen.
Das erste Vordringen der Sachsen gegen die Franken ist sicherlich Julians Ankunft in Gallien lange vorausgegangen und steht wahrscheinlich mit der Niederlassung letzterer in Toxandrien, die nach Ammian (XVII, 8) in früherer Zeit (olim), spätestens gewiß unter Magnentius, erfolgte, in Verbindung. Zu derselben Zeit, wo nicht noch früher, mag Charietto in Gallien aufgetreten sein, dem Cäsar aber sicherlich schon im Jahre 356, äußerstens 357, seine Dienste angeboten haben. Auch ist, wo Zosimus von Julian und dessen Anordnungen spricht, keinesweges überall die Anwesenheit desselben in Person vorauszusetzen.
Zu unserm Ammian zurückkehrend, erfahren wir aus Kap. 9, daß der Cäsar nach gedachtem Frieden zunächst drei zerstörte Festungen an der Maas wiederherstellte und sie mit einem Teile der Lebensmittel, welche für den täglichen Bedarf des Heeres bestimmt waren, verproviantierte.
Dieser sollte durch die Ernte der Chamaven (auf dem linksrheinischen Gebiet derselben (Also auch die Franken schon wie am Oberrhein die Alemannen als Bauerschaften seßhaft auf dem linken Ufer! D.)) ersetzt werden: da letztere aber noch nicht reif war, rief die Besorgnis eignen Mangels eine scharfe Meuterei der Truppen hervor, die ohnehin schwierig waren, weil sie, des begründetsten Anspruchs unerachtet, noch kein Geschenk erhalten hatten, was Constantius verweigerte.
Nicht ohne Mühe ward das Heer durch freundlichen Zuspruch wieder beruhigt: der Cäsar führte es jetzt über den Rhein gegen seine Hauptfeinde, die Alemannen. Dies mag etwa Anfang August und oberhalb der vorjährigen Stelle, jenseits Darmstadt nach Heidelberg zu, erfolgt sein. Zum ersten Male bewies sich hier der sonst so tüchtige Severus, der getrennt vom Cäsar operieren sollte, schwach. Statt des befohlenen entschlossenen Vorgehens blieb er, die wegkundigen Führer selbst zurückhaltend, mutlos stehen.
Nichtsdestoweniger erschien Suomar (der bei Straßburg mitgefochten), gegen den der Angriff gerichtet war, freiwillig und erhielt den demütig erbetenen Frieden gegen das Versprechen der Rückgabe der Gefangenen und regelmäßiger Getreidelieferung für den Militärbedarf, worüber er sich bei Vermeidung nachträglicher Einziehung jedesmal durch Quittungen zu legitimieren habe. Dies ward auch erfüllt.
Hierauf wandte sich der Angriff gegen den Gau des Königs Hortar, der ebenfalls bei Straßburg mit gekämpft hatte. Nestiko, ein Stabsoffizier der Scularier, und Charietto, ein Mann von wunderbarer Tüchtigkeit (mirae fortitudinis), unstreitig der von Zosimus erwähnte, beordert, einen Gefangenen zu schaffen, bemächtigten sich eines alemannischen Jünglings, der nun, um sein Leben zu retten, als Führer dienen mußte.
Der Wald war durch ungeheuere Verhaue gesperrt: doch gelang es, diese auf großen Umwegen zu umgehen und wieder Kulturland zu erreichen, wo nun die gewohnte Verwüstung mit Plündern, Sengen und Brennen, auch der noch stehenden Früchte (Also auch hier seßhafte alemannische Bauern, dicht am rechten Rheinufer. D.), Morden aller sich Widersetzenden und Abführung der Wehrlosen begann. Das brach Hortars Widerstand: er versprach eidlich, alles Verlangte zu leisten, gab aber doch statt sämtlicher Gefangenen nur wenige zurück. Dies erbitterte den Cäsar, der deshalb vier der vornehmsten Gefährten des Königs, als derselbe das gewohnte Geschenk abzuholen kam, so lange zurückbehielt, bis die Gefangenen sämtlich ausgeliefert waren. Der stets anekdotenreiche Zosimus führt an, Julian habe auf Grund einer mit vieler Mühe angefertigten Liste sämtlicher in germanische Gefangenschaft geratener römischer Untertanen die Vollständigkeit der in den Friedensschlüssen bedungenen Rückgabe aller Gefangenen kontrolliert und hiernach die Fehlenden, ihren Namen und frühern Wohnorten nach, angegeben. Dies sei den Barbaren als Wunder erschienen und habe, zumal er schwere Drohung hinzugefügt, die vollständige Herausgabe aller zur Folge gehabt. Bei dem endlichen Friedensschluß mußte nun Hortar auch noch die Anfuhr von Bauholz zur Wiederherstellung der von den Alemannen verwüsteten Städte versprechen, wogegen er, wegen Verwüstung seines Gebietes, mit Getreidelieferung verschont ward.
Darauf ging Julian in die Winterquartiere.
Unterwerfung der noch nicht in ihrem Lande bezwungenen Alemannenfürsten war das Hauptziel des nun folgenden Feldzugs im Jahre 359, das jedoch der Cäsar, seine Feinde stets überraschend, klüglich verbarg.
In tiefstem Geheimnis sandte er zunächst Hariobaud, einen erprobten sprachkundigen Stabsoffizier (germanischer Abkunft), unter gesandtschaftlichem Vorwand an den befriedeten Hortar ab, nebenher alle Verhältnisse der anzugreifenden Staaten zu erkunden.
Er selbst marschierte zunächst an den Niederrhein, zerstörte Plätze wiederherzustellen und Speicher für das aus Britannien kommende Es ist anzunehmen, daß dessen erste Sendung im Jahre 359 erfolgte. Getreide aufzuführen. Schleunig ward dies vollführt, Castra Herculis (Doorenburg, schon auf der batavischen Insel), Quadriburgium (Qualburg, unfern Cleve), Tricesimae (Xanten), Neuss, Bonn, Andernach und Bingen (s. Dederich, G. d. Röm. in Deutschl. a. Niederrhein. Emmerich 1854, S. 165) wurden wieder besetzt. Zu diesen Bauten lieferten die Alemannenfürsten vertragsmäßig das Holz Der Text sagt: aedificiis habilia multa suis misere carpentis. Dies ist aber, was die Baumstämme betrifft, bei der großen Entfernung fast undenkbar. Wahrscheinlich wurden diese (großenteils D.) auf dem Rheine herabgeflößt. Dafür spricht auch das Herbeischleppen durch die Soldaten, dessen es bei der Anfuhr nicht bedurft hätte. und die Soldaten schleppten die größten Stämme auf den Schultern heran, handlangten auch sonst tätig bei der Arbeit. Davon schlossen sich aus Liebe zu ihrem Feldherrn selbst die Auxiliarkohorten nicht aus, obwohl sie nach ihrem Dienstvertrag von derlei Arbeiten befreit waren.
In Bingen vereinigten sich Florentius, der Praefectus Praetorio, und Lupicinius, der Severus ersetzt hatte, mit dem Cäsar. Jene wollten sogleich bei Mainz über den Rhein gehen, was aber letzterer entschieden weigerte, um nicht bei dem Marsche durch befreundetes Gebiet zu Klagen über Friedensbruch Anlaß zu geben.
Daher zog das Heer den Rhein weiter hinauf. Die nicht unterworfenen Alemannenfürsten aber verlangten drohend von Suomar, dessen Gebiet an den Rhein stieß, Abwehr des Überganges, brachten auch, da dieser seine Schwäche vorschützte, eine bedeutende Streitkraft zusammen. Mit dieser folgten sie auf ihrer Seite des Stroms dem Marsche des Cäsars, überall, wo dieser Lager schlug, selbst Halt machend und den Fluß bewachend. Da ließ Julian in einer dunkeln Nacht dreihundert Soldaten auf vierzig leichten Schiffen ohne Ruderschlag den Rhein hinabschwimmen, was, indes die Germanen sorgfältig die römischen Lagerfeuer beobachteten, unbemerkt gelang. In derselben Nacht hatte Hortar, der es mit keiner Partei verderben wollte, alle Könige, Prinzen (?) und Häuptlinge (reges, regales et regulos; richtiger wohl: mächtigen und minder mächtigen Könige D.).) zu einem Gelag, in der Nähe des Rheins, bei sich versammelt. Als diese nach Mitternacht aufbrachen, fiel die inzwischen gelandete Streifschar über sie her: doch entzog sie die Dunkelheit und die Schnelligkeit ihrer Rosse den Verfolgern, so daß nur das Gefolge zu Fuß gefangen ward. Nun aber ergriff Schreck die Alemannen: ohne die Stärke der übergegangenen Macht zu rekognoszieren, flohen sie, Familie und Habe in Sicherheit zu bringen, in das Innere.
Sogleich erfolgte der Brückenschlag und Vormarsch des Heeres, welches Hortars Gebiet mit größter Schonung durchzog, jenseits dessen im feindlichen aber der bekannten Verheerung durch Plünderung und Brand freien Lauf ließ.
Bis in die Capellatium oder Palas genannte Gegend (unstreitig der alte römische Limes), wo die Grenzsteine der Alemannen und die der Burgunder von Mittelfranken her zusammenstießen, wahrscheinlich zwischen Kocher und Jaxt im heutigen Württembergischen, also gegen fünfzehn Meilen weit vom Rheine, drang der Cäsar vor und schlug daselbst Lager.
Dort empfing er die Könige und Brüder Makrian und Hariobaud (gleiches Namens wie der erwähnte Offizier), deren Gebiet sich von jenem Grenzpunkt im Osten des Odenwaldes nach Norden zu bis an den Mittelmain erstreckte, daher die niederen Teile des heutigen württembergischen Jaxt- und Neckarkreises, so wie den badischen Unter-Rheinkreis umfaßt haben muß. (S. Zeuß, S. 310 und 311.) Ihnen folgte Vadomar aus dem Südwesten des Alemannen-Landes (dem jetzigen badischen Oberrheinkreise), der als föderiert und von Constantius empfohlen freundlichst aufgenommen ward. Letzterer suchte für die Nachbarfürsten Ur, Ursicin und Vestralp um Frieden nach, die hiernach im mittlern Baden und Württemberg bis zum Linzgau und Vadomars Bezirk hinauf gesessen haben müssen. Die Vermittlung aber ward zurückgewiesen und nur jenen Fürsten unmittelbar, da sich Angriff und Verheerung nunmehr auch gegen ihr Gebiet wandte, ebenso wie dem Makrian und Hariobaud, der erbetene Friede gewährt, nach dem sie alle Gefangene herauszugeben hatten.
Die weitern Bedingungen, welche wohl für die Hinterliegenden milder waren als für die an den Rhein grenzenden, kennen wir nicht. (Ammian XVIII, 2.)
Den Winter 359/60 verbrachte Julian ruhig in Paris, als ihn ein gefährlicher Einfall der Picten und Scoten in Britannien aufschreckte. Doch fand er rätlicher, Gallien nicht selbst zu verlassen, und nur Lupicin mit einem kleinen Corps leichter Truppen, den tapferen Herulern und Batavern, sowie zwei mösischen Kohorten In der Not. dign. occ. wird nur eine legio palatina Moesiaci seniores in Italien aufgeführt, p. 23 und 33, wogegen in der des Orients p. 102 zwei Auxiliarcohorten Moesiaci primi und secundi vorkommen. Da Ammian an gedachter Stelle ausdrücklich von leichten Truppen spricht (velitali auxilio), so müssen letztere damals in Gallien gestanden haben. dahin abzuordnen.
Bald darauf trat der oben geschilderte plötzliche Glückswechsel: Julians Erhebung zum Augustus, ein. Lange harrte er vergebens in Paris auf des Constantius Erwiderung, die erst im Spätsommer 360 angelangt sein kann. Die Entscheidung war hiernach dem Schwert anheim gestellt. Sei es nun, daß der Plan des jungen Kaisers damals überhaupt noch nicht feststand oder die Jahreszeit für dessen Ausführung bereits zu vorgerückt war –: es war nicht das neue Recht, sondern die alte Pflicht, welcher er zunächst sich zuwandte. Diejenigen Franken, welche man Attuarier nannte (Francorum, quos Attuarios vocant), hatten im Grenzgebiete geplündert. Darum fiel er, bei Xanten (Tricesimae, sonst castra vetera) über den Rhein gehend, in deren noch von keinem römischen Fürsten, wie Ammian sagt, betretenes Land Die damaligen Sitze sind mit Sicherheit nicht zu ermitteln. Nach Ammians Worten: quod strupuosa viarum difficultate arcente haben wir den der Attuarier südlich der Lippe in den Gebirgen der Ruhr, also westlich der Brukterer im vormaligen Gebiete der Usipier und Tenchterer, zu suchen. ein und brachte sie nach leichtem Siege, bei dem Viele niedergehauen oder zu Gefangenen gemacht wurden, zu einem Frieden, dessen Bedingungen er vorschrieb.
Hierauf zog er, sämtliche Grenzplätze untersuchend, wo nötig, herstellend und verstärkend, den ganzen Rhein hinauf bis Basel, von wo er über Besancon nach Vienne in sein letztes gallisches Winterquartier abging. (Ammian XX, 10.)
Vollständig war nun die Grenzwehr wiederhergestellt: alles feindliche Volk in der Nähe jenseits derselben in sechs Feldzügen mittelst vier Rheinübergängen bezwungen, befriedet und großenteils tributpflichtig gemacht.
Gallien, von dem bei Julians Antritt ein Raum von mindestens vierhundert Quadratmeilen völlig verloren, fast ein Dritteil verwüstet war, sah sich nicht allein durchaus gerettet, sondern auch für die Zukunft geschützt. (? D.) Zwanzigtausend Gefangene, wie Julian (ad Athen, p. 514) selbst angibt, wurden durch ihn befreit, ihren Familien und Gemeinden zurückgegeben. Glänzende Siege über Germanen hatten auch Probus, Julians Ahnen und sein Oheim Constantin in Gallien erfochten: so gründlich, planmäßig und vollständig aber hat des westlichen Reiches Erhaltung und der Germanen Demütigung vor und nach ihm kein Herrscher vollbracht.
Von der militärischen Wirksamkeit des Cäsars in Gallien gehen wir nun auf dessen bürgerliche über, von welcher, außer den nicht unbefangenen Lobrednern, Mamertin und Libanius, Ammian (XVI, 5, XVII, 3 und XVIII, 1) handelt.
Diese läßt sich mit den drei Worten schildern: höchste Arbeitsamkeit, Gerechtigkeit und Milde –: letztere beide aber nicht weichlichen Gemüts, sondern klar bewußten Pflichtgefühls.
Von den zwölf Stunden der Nacht (nach römischer Rechnung von sechs Uhr Abends bis sechs Uhr früh) widmete Julian vier dem Schlafe, vier den Geschäften, denen überdies fast der ganze Tag gehörte, und vier der Philosophie nebst andern Studien.
Furchtbar, wie der äußere, mag der innere Zustand Galliens im Jahre 355 gewesen sein. Wo seit dem Jahre 340 erst Constans, dann Magnentius, endlich die von des Constantius Camarilla erwählten Organe walteten, – wie arg mögen da Willkür und Druck gewesen sein. Sollen doch einzelne Städte selbst (– damals schon wie anderthalb Jahrhunderte später! – D.) die Barbarenherrschaft der römischen vorgezogen haben. Wahrlich, da tat ein reiner Wille und eine starke Hand Not: und diese wurden dem unglücklichen Lande heilbringend zu Teil.
Mit größter Sorgfalt und unbeugsamer Festigkeit überwachte und betrieb Julian die Rechtspflege, wichtigere Sachen selbst entscheidend. Als ein übereifriger Ankläger, dem es an Beweisen fehlte, ausrief: »Wann, edler Cäsar, wird es einen Schuldigen geben, wenn es genügt, zu leugnen?« erwiderte dieser: »Wann einen Unschuldigen, wenn die bloße Anklage ausreicht?« (XVIII, 5.)
Auch in Rechtssachen übte er billige Milde; den überwiesenen Entführer einer Jungfrau strafte er, statt nach Constantins Blutgesetz mit dem Tode, nur mit Landesverweisung, den sich darüber beschwerenden Eltern antwortend: »Das strenge Recht mag die Nachsicht verdammen, des Herrschers Milde aber soll über allem Gesetz stehen.«
Am segensreichsten waltete er im Steuerwesen, worüber er heftig mit Florentius, dem Praefectus Praetorio, ja selbst mit Constantius zusammenstieß. Ersterer wollte im Winter 358/9 den unstreitig wegen häufiger Uneintreibbarkeit entstandenen Fehlbetrag der Grundsteuer durch eine Erhöhung des Ausschreibens aufbringen. Dem aber widersetzte sich Julian mit größter Entschiedenheit: er wolle lieber das Leben verlieren als dies zugeben. Nicht aber durch weitern gereizten Widerspruch, sondern durch freundliches Zureden und sachkundigen Nachweis brachte er Florentius dahin, daß er endlich nicht allein nachgab, sondern Julian selbst die Steuereinziehung im zweiten Belgien ganz überließ (XVII, 3).
Allgemeine Steuernachlässe hingegen, die gewöhnlich nur den begünstigten Reichen zugute kamen, verwarf der Cäsar gänzlich. (XVI, 6, S. 89.)
So brachte der wohlwollende Mann es dahin, daß, nach Ammian a. a. O., die Abgabe für das Simplum, die bei seinem Antritte fünfundzwanzig Goldstücke (gegen dreihundert Mark) betrug, bei seinem Abgange auf sieben (kaum neunzig Mark) vermindert war, welches Zahlenverhältnis uns aber doch etwas unwahrscheinlich dünkt, so daß hier Irrtum oder Verfälschung des Textes zu vermuten sein dürfte.
Segen, Liebe und Dank war seine Ernte; die Abgaben wurden nun vor der Verfallzeit bezahlt (XVII, 3 a. Schl.), ja die Gallier brachten ihm freiwillige Geldspenden, zu deren Annahme sie ihn fast zwangen (Misopogon, p. 94).
Des Cäsars Verhältnis zu Constantius und dessen Organen ward bereits erwähnt: doch mag am Hofe der Einfluß der Kaiserin zu Julians Gunsten dem der Camarilla einigermaßen die Waage gehalten haben; im Winter 356/7 ward ihm (nach dem Schreiben ad Athen, p. 511) eine höhere Gewalt über die Heere eingeräumt, was Ammian unerwähnt läßt. Auch Marcells Abberufung und des Kaisers Schreiben wegen der Transporte aus Britannien sprechen dafür.
Fortwährend aber mußte Julian selbst über das Kleinste an den Hof berichten: fortwährend sah er sich von verleumderischen Spähern, wohin namentlich der verruchte Gaudentius gehörte (Ammian XV, 3 und XVIII, 9), umgeben.
Doch ward ihm, anscheinend wider Absicht und Willen des Kaisers (ad Athen, p. 517), in Sallust ein edler und trefflicher Mann als Ratgeber beigeordnet, mit dem er, nach der an letztern gerichteten Rede (IV, p. 243), das innigste Freundschaftsbündnis schloß, weshalb derselbe aber von Constantius wieder abberufen wurde. Dies kann jedoch nur zeitweilig geschehen sein, weil er bei Julians Abzug aus Gallien von diesem als Praefectus Praetorio dieses Reichsteils zurückgelassen wurde.
Üppig blühte die Schmähsucht am Hofe: die erklärliche Eifersucht des schwachen Kaisers auf den Ruhmesglanz des Cäsars schürend und nährend mag sie es dahin gebracht haben, daß des letztern Verspottung zum guten Tone gehörte: Bocksbart, geschwätziger Maulwurf, bepurpurter Affe, griechisches Litterätchen nannte man den Helden. (Amm. XVII, 11.)
Auch wurden in den amtlichen Rundschreiben an die Provinzen Julians Siege, ohne dessen mit einem Worte zu gedenken, dem Constantius allein zugeschrieben, was indes, bis zu gewissem Grade wenigstens, wohl dem Kanzleistile der Imperatoren, unter deren Auspicien ja alle Heerführer befehligten, zuzuschreiben sein dürfte. (Amm. XVI, 12 a. Schl.)
Im Winter 360/1 verschied zu Vienne, wahrscheinlich im Wochenbett, Helena, Julians Gemahlin. Sie hatte ihm zu Beginn der Ehe ein Kind männlichen Geschlechts geboren, das durch böswillige Verschuldung der bestochenen Hebamme umgekommen sein soll, späterhin nur Fehlgeburten gehabt.
Die römische Verleumdungssucht schrieb dies der Kaiserin Eusebia zu, welche, selbst unfruchtbar, ihr aus Neid solche Mittel habe beibringen lassen. Quaesitumque venenum per fraudem bibere illexit, ut quotiescunque concepisset, immaturum abjiceret partum. Dies wird von Ammian (XVI, 10) gegen Ende ohne kritische Bemerkung erzählt. Wenn nun Julian noch in dem nach Eusebias Tod erlassenen Schreiben an die Athener derselben mehrfach mit Liebe und Dankbarkeit gedenkt, so hat er obiges Gerücht nicht gekannt oder nicht geglaubt.
Das eheliche Verhältnis des Cäsars muß, wenn auch vielleicht, dessen Charakter nach, kein vorwiegend zärtliches, doch gewiß ein vollkommen treues und normales gewesen sein (s. ad Athen, p. 521).
Julians Erhebung zum Augustus, sein wunderbarer, mit einem Schlage das ganze europäische Reich bis zu Thrakiens Grenze gewinnender Feldzug des Jahres 361, des Constantius Tod und die legitime Thronfolge des nunmehrigen Alleinherrschers wurden bereits berichtet. Wir wenden uns nunmehr zu Julianus, dem Kaiser, über den wir in diesem Kapitel kürzer sein können, weil germanische Verhältnisse in dieser Zeit nicht weiter vorkommen. Ammian, der für den Cäsar fast nur Lob und Bewunderung hat, spricht häufig tadelnd über den Kaiser. Wir begrüßen darin freudig dessen Unbefangenheit, können demselben aber, soweit ein Urteil darüber statthaft ist, nicht allenthalben Recht geben.
Im Gefühle allgemeiner freudiger Anerkennung durch Heer und Volk eilte derselbe sofort von Naissus nach Konstantinopel; seine Reise war ein Triumphzug: vor allem das Eintreffen in der Hauptstadt (am 11. Dezember 361), deren Bevölkerung ihm großenteils schon bis zu dem dreizehn Meilen entfernter Perinth entgegengeströmt war. Banale Ehrenbezeugung huldigte jedem Gewalthaber: diesem aber waren Ruhm und Liebe vorausgezogen.
Die erste Pflicht zollte er der feierlichen Bestattung seines Vetters und Vorgängers, dessen entseelte Hülle Jovianus, der spätere Kaiser, nach Konstantinopel geleitete; zu Fuß, im Privatkleide und weinend soll Julian dem Zuge zur Gruft gefolgt sein. Ammian XXI, 16 a. Schl, und Mamertin 427: über die Details hauptsächlich Greg. v. Nazianz und Litanius. Gibbon Kap. XXII, Not. 44 und Tillemont, S. 385.
Sein nächstes Geschäft war Bestrafung der zahllosen Untaten der Camarilla und ihrer Werkzeuge. In dem Brief an Hermogenes (epist. 23) nennt er diese eine vielköpfige Hydra, welche ihren an sich nicht milden Herrn zum allerschlimmsten gemacht habe. »Doch will ich auch diese, fährt er fort, nichts Ungerechtes erdulden lassen: weil aber viele Ankläger gegen sie aufgetreten sind, habe ich einen Gerichtshof für sie bestellt.«
Dieser ward zu Chalkedon unter dem Vorsitze des neuernannten Präfekten des Orient, Secundus Sallustius (mit dem erwähnten Präfekten Galliens nicht zu verwechseln), aus den Konsuln für das Jahr 362, Mamertin und Nevitta, sowie aus den drei anwesenden Magistri militum Arbetio, Agilo und Jovinus zusammengesetzt, neben welchen die Befehlshaber der Jovianer und Herculianer als Beisitzer (praesentitus) fungieren sollten.
Wider Eusebius den Oberkammerherrn ward einfache Lebensstrafe, wider Apodemius und Paulus, die Verruchten, der Flammentod erkannt. Dies billigt Ammian, während er die übrigen Strafurteile, namentlich das wider den Finanzminister Ursulus, der Julian als Cäsar persönliches Wohlwollen bewiesen, vor allem aber die Zuordnung Arbetios, Julians erklärten Feindes, zu jenem Gerichte (die man gerade umgekehrt als Beweis von Unparteilichkeit betrachten könnte) mehr oder minder hart tadelt. Was aber hat, fragen wir, das subjektive Verhältnis eines der fünf Richter und eines der Angeklagten zum Kaiser mit der objektiven Gerechtigkeit des Spruches zu schaffen? Scheint nicht Ammian vorauszusetzen, daß das Urteil unter der Hand doch nur vom letzteren diktiert worden sei? (Ammian XXII, 3.)
Es ist müßig, über Unerforschliches mehr zu sagen; gewiß nur, daß Julian seine Freiheit von persönlichem Verfolgungsgeiste dadurch bewährte, daß er bald darauf das spätere Anerbieten einiger, ihm das Versteck des zum Tode verurteilten Florentius, jenes frühern ihm so feindseligen Präfekten Galliens, zu verraten, mit Unwillen zurückwies. (Amm. XXII, 7, S. 294.)
Darauf wandte er sich gegen das gesamte Hofgesinde, das sein Biograph der großen Mehrzahl nach eine Lasterbande nennt, die fast mehr noch durch ihr sittenverderbendes Beispiel, als durch unmittelbaren Raub und andere Frevel geschadet habe.
Indem Julian dies Alles aber auf einmal fortgeschickt, habe er nicht, wie derselbe hinzufügt, als ein nach Wahrheit forschender Philosoph gehandelt, da er sonst die wenigen Rechtlichen darunter verschont haben würde.
Gewiß hat auch bei so übertriebener Strenge, neben Rechtsgefühl und weiser Sparsamkeit, die Eitelkeit des Philosophen mitgewirkt, der seine Verachtung alles dessen bekunden wollte, was man zum Glanze eines Hofes rechnet (Amm. XXII, 4). Als Julian zum Haarabschneiden einen Barbier fordert, erscheint ein vornehm gekleideter Herr. »Nicht einen Finanzdirektor, sondern einen Barbier habe ich bestellt«, sagt der Kaiser, fragt aber doch nach dessen Dienstgehalt und erfährt, daß er, neben einer hohen Besoldung und andern Emolumenten, täglich überdies zwanzig Portionen und ebenso viel Rationen beziehe. Indes mag die Einziehung eines so verschwenderischen Hofhalts die von Julian (nach Misopogon, p. 102) bewilligte Steuerverminderung um 1/ 5 wesentlich erleichtert haben.
In Konstantinopel zuerst sprach Julian sein bisher verheimlichtes persönliches Bekenntnis des Heidentums offen aus, scheint aber zugleich mit der förmlichen Wiederherstellung des alten Kultus allgemeine Religionsfreiheit, namentlich auch für sämtliche unter Constantius zum Teil verpönte und verfolgte christliche Glaubensparteien, verkündet zu haben. Er habe die Spaltungen befördert, meint Ammian XXII, 5 »weil er die Eintracht der Christen gefürchtet habe« (was sehr rhetorisch klingt D.).
Zugleich rief er sämtliche von Constantius verbannte Bischöfe, sowohl die rechtgläubigen als die ketzerischen, zurück und ließ ihnen sogar ihre konfiszierten Güter wieder geben. Dies dürfte, wie Sokrates (II, 1, p. 168) sagt, gewiß in der Absicht geschehen sein, durch diesen Beweis der Milde, des Constantius Härte gegenüber, Gunst und Dankbarkeit der zahlreichen Glaubensgenossen der Exilierten sich zu erwerben. Will daher der Glaubenshaß alter und neuer Zeit auch hierin nur einen planvollen Ausfluß von Julians Christenfeindschaft erblicken, so ist dem zu entgegnen, daß das religiöse Zerwürfnis der Christen unter sich, dessen Förderung er dabei im Auge gehabt haben soll, wohl mehr durch des Constantius Gewaltstreich als durch diese versöhnende Maßregel genährt worden sein dürfte.
Auch berief der Kaiser dissentierende Bischöfe mit ihren Anhängern zu sich in den Palast, um sie mit eindringlichen Worten, z. B.: »hört mich, den sogar Alemannen und Franken angehört haben«, zu unbehinderter Religionsübung in gegenseitigem Friedenhalten zu ermahnen. In der angeführten Stelle ist die von Gronov (p. 327) empfohlene Lesart: »ut civilius discordiis consepitis quisque nullo vetante religioni suae serviret intrepidus« offenbar richtiger, als die vulgäre: civilibus discordiis. (Amm. XXII, 6.)
Die Konsuln des Jahres 362, Mamertin, der bei seinem Antritte jene Lobrede hielt, und Nevitta, ein durch Verdienst bis zum Heermeister aufgestiegener Barbar (Amm. XXI, 10 a. Schl.), unstreitig Germane, ehrte der Kaiser dadurch, daß er deren Wagen bei der feierlichen Auffahrt in den Senat zu Fuß folgte, was (wie Amm XXII, 6 zu Anfang sagt) einige lobten, andre als affektiert und unwürdig tadelten. Ja, als er die an diesem Tage gewöhnliche Freilassung einiger Sklaven selbst aussprach, dadurch aber in die Rechte der Konsuln eingriff, bestrafte er, hierauf merksam gemacht, sich sofort selbst um zehn Pfund Goldes.
Sogleich begann nun auch das Zuströmen der Philosophen, für welche Julian, wie zu erwarten war, eine an Schwachheit grenzende Vorliebe bewies. Als ihm während einer Ratssitzung des Maximus Ankunft aus Asien gemeldet ward, eilte er ihm bis weit über das Vorzimmer entgegen und führte ihn nach ehrender Umarmung herein. Dieser und Crispus wurden nebst Eitanius seine vertrautesten Genossen, ein Verhältnis, was dieselben freilich höchst unphilosophisch für Eitelkeit, Wohlleben und andre profane Zwecke ausgebeutet haben mögen. Waren diese indes unstreitig mindestens geistig hochbegabte Männer, so mag der weitere Schwarm von Philosophen, Zeichendeutern, Magiern und andern dieses Schlages, die sich selbstverständlich an den Kaiser herandrängten (Eunapius in Maxim., p. 81 der auch von Tillemont zitierten Ausgabe von 1616 und Julian or. VII, p. 417 u. 418), ihm nicht selten lästig, jedenfalls dessen würdigen Ratgebern und Freunden wie dem Volke überhaupt unheimlich erschienen sein.
Ehrenwert jedoch, daß auch unter dieser Klasse mindestens ein wahrhaft weiser sich fand, nämlich Chrysanthius, der die wiederholte dringendste Einladung an den Hof ablehnte und, zum Oberpontifex für Lydien ernannt, dies Amt mit größter Milde verwaltete, im heidnischen Kultus fast keine Neuerung eintreten ließ und die Christen mit Schonung behandelte. (Eunapius in Chrys., S. 148 u. 149.)
Glücklich verliefen die ersten sechs Monate von Julians Regierung zu Konstantinopel unter treuer, tätiger Sorge für Bürgerliches und Militärisches, namentlich für die festen Plätze Thrakiens und die Grenzwehr längs der Donau. Bei voller Ruhe im Innern wie nach Außen erfreute ihn freiwillige Huldigung fremder Völker, zu denen der Ruf seiner Herrscher- und Heldentugend gedrungen war, durch ehrende Gesandtschaften. Dem Rate, die stets unzuverlässigen Goten anzugreifen, erwiderte der Kaiser: »er suche bessere Feinde; für jene genügten die galatischen Händler, die deren überall ohne Unterschied des Standes feilböten,« was auf innere Zwistigkeiten und Kriege der Goten (Auch auf die (von Jordanis freilich meist mit glücklichem Ausgang gekrönten) Kriege mit ihren Nachbarn. D.), in deren Folge die Überwundenen verkauft wurden, schließen läßt. (Amm. XXII, 7.)
In der zweiten Hälfte des Monats Mai verließ Julian seine Haupt- und Geburtsstadt, nachdem er viel für sie getan, um sich nach Antiochien zu begeben, wobei er mit tiefem Kummer das im Jahre 358 durch ein Erdbeben zerstörte Nikomedien berührte, wo er so viele Jahre seiner Jugend verbracht hatte.
Unendliche Streitigkeiten und Beschwerden mit Gerechtigkeit zu schlichten war sein Geschäft auf dieser Reise. Als ein zudringlicher Ankläger seinen Feind, einen reichen Mitbürger, des Hochverrats beschuldigte, wollte der Kaiser dies zunächst gar nicht hören, fragte aber doch endlich nach den Beweisen und als jener anführte: der Beklagte habe sich einen Purpurmantel angeschafft (was unter Constantius allerdings todeswürdig gewesen wäre), ließ er dem Kläger ein Paar Purpurschuhe geben, um sie seinem Feinde zu Vervollständigung von dessen Garderobe zu überreichen.
Als in Antiochien später die Gegner des Thalassius, den Julian als hinterlistigen Verfolger seines Bruders Gallus haßte, dies Verhältnis in ihren Streithändeln wider diesen ausbeuten wollten, erwiderte er denselben: »Allerdings hat der Genannte sich schwer gegen mich vergangen: gerade deshalb aber ziemt es euch, so lange zu schweigen, bis er mir, seinem Hauptfeinde, Genüge getan.«
Bald nachher begnadigte er denselben, worauf erst die Prozesse der andern wider ihn fortgingen.
Dem Gouvernementsrate (praesidialis) Theodot aus Hierapolis, der Constantius gebeten hatte, seiner Stadt das Haupt des Rebellen Julian zu überschicken, erklärte er: »Wohl habe ich von vielen deine Rede wider mich vernommen: du hast aber die Milde eines Herrschers nicht zu fürchten, der die Zahl seiner Feinde zu vermindern, die seiner Freunde zu vermehren strebt.« (Amm. XXII, 9 u. Kap. 14.)
Den Advokaten, die ihn unmäßig lobten, sagte er: »Ich freue mich des Lobes nur von denen, die mich auch tadeln dürfen, wenn ich fehle«, was er seinen Freunden und Ratgebern gern gestattete. Bei Verhandlung von Streitsachen pflegte er, was Ammian ungeeignet nennt, wohl nach der Religion der Parteien zu fragen: doch sei, wie derselbe Schriftsteller hinzufügt, kein Beispiel bekannt, daß er aus diesem oder irgendwelchem Grunde je vom Wege des Rechts abgewichen sei. (Amm. I. c. 10.)
In Antiochien scheint Julian Ende Juli 362 angekommen zu sein, da sich im C. J. (III, 3, 5) ein bereits am 27. Juli d. J. von da erlassenes Reskript findet.
Diese Stadt war das antike Paris des Orients: fast durchaus von Christen bewohnt: aber von solchen, »die da, wie die Schrift sagt, haben den Schein des gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie«, und »sich weder der ungeistlichen, altvettelischen Fabeln und des losen Geschwätzes entschlagen«, noch »die vergänglichen Lüste der Welt fliehen«.
Trüber Vorbedeutung war seine Ankunft am Tage des Todesfestes des Adonis, jenes Geliebten der Venus, das, wiewohl nun zugleich als Erntefest geltend, immer noch nach altem Brauche mit Klagetönen und Schmerzrufen begangen wurde.
In Antiochien setzte der Kaiser sein der Verwaltung und Rechtspflege gewidmetes Leben fort. Mit Todesstrafe wurden belegt der schon oben erwähnte Gaudentius und der Exvicar Julianus, der in Afrika für Constantius mit übertriebenem Eifer (nimius fautor) gewirkt hatte, Artemius, der mit Verbrechen beladene Militärbefehlshaber in Ägypten, und Marcellus, der Sohn des frühern Magister militum, weil er Empörung versucht hatte (ut injectans imperio manus), nachdem sie alle vorher gefesselt an das Hoflager gebracht worden waren.
Mit der Nachricht von des Artemius Tode brach sogleich die Volkswut der Alexandriner wider den nunmehr seiner Stütze beraubten arianischen Bischof Georgius aus, der, wie Ammian (XXII, 11) sagt, »uneingedenk seines Gerechtigkeit und Milde heischenden Berufs« durch Angeberei und Gewalttat (nach den orthodoxen Kirchenvätern auch durch Eigennutz und Wucher) glühenden Haß sich zugezogen hatte. Er ward nebst zwei Genossen auf die furchtbarste Weise zerfleischt, zuletzt seine Asche in das Meer geworfen. Wohl hätten ihn die Christen schützen können, wenn nicht alle von gleicher Gesinnung gegen ihn entbrannt gewesen wären. Gewiß waren es nicht allein beiden, sondern auch orthodoxe Christen, welche derselbe so grausam bedrückt und verfolgt hatte, die sich an jener Gewalttat beteiligten. Julian soll über diese Gewalttat erst sehr erzürnt gewesen sein, hat sich aber doch schließlich, nach dem noch vorhandenen Erlaß (ep. 10), auf nachdrückliche Rüge so eigenmächtiger Selbsthilfe beschränkt. (Amm. XXII, 11.)
Im Triumphe des Jubelrausches ward nun Athanasius in Alexandrien aufgenommen, wohin er, mit gewohntem Eifer waltend, bald eine Kirchenversammlung berief. Solchen Mann aber aufkommen zu lassen, war der Kaiser doch nicht gemeint, befahl ihm daher (ep. 26) die Stadt sogleich wieder zu verlassen, wies die dringende Verwendung der Alexandriner zurück (ep. 51) und bedrohte zuletzt (ep. 6) den Präfekten Ägyptens mit harter Strafe, wenn dieser Götterfeind nicht vor dem 1. Dezember 362 aus dem Lande entfernt sei, was er aber, da derselbe sich wieder in sein gewohntes Versteck zurückzog, doch nicht durchsetzen konnte.
Am 21. November dieses Jahres ging der berühmte, von Julian prächtig restaurierte Apollotempel in Daphne bei Antiochien in Flammen auf, was den Verdacht böslicher Brandstiftung wider die Christen erregte, in dessen Folge der Kaiser strenger als gewöhnlich mit peinlicher Untersuchung verfahren ließ, die christliche Hauptkirche in Antiochien schließend. (Amm. XXII, 13.)
Die berechnetste, von genauer Kenntnis der Geschichte und Lehren des Christentums zeugende Maßregel aber war der zu Anfang des Jahres 363 erlassene Befehl, den jüdischen Tempel zu Jerusalem wiederherzustellen. Groß war die dazu bestimmte Summe, groß nicht minder der Eifer der zu Förderung dieses Glaubenstriumphs herbeiströmenden Juden: aber Feuerflammen, die bei dem Grundgraben häufig hervorbrachen Metuendi globi flammarum prope fundamenta crebris assultibus erumpentes, fecere locum exustis aliquoties operantibus inaccessum: hocque modo elemento destinatius repellente, cessavit inceptum., hinderten die Ausführung, zumal Krieg und Tod des Kaisers fernere Fürsorge hemmten.
An dieser von den Kirchenvätern vielfach ausgeschmückt berichteten Tatsache ist nach Ammians Zeugnis XXVIII, 1 nicht zu zweifeln.
Gerade vor und nach dieser Zeit brachen an andern, wiewohl zum Teil entfernteren Orten Erdbeben aus. Zu Nikomedien, anderweit und zu Nikäa den 2. Dezember 362, zu Konstantinopel Ende Januar oder im Februar. (Amm. XXII, 13 u. XXIII, 1.) Überdies spricht Libanius or. 12, p. 314 von vielen dergleichen auch in Palästina während Julians Regierung. (Tillemont, S. 976.)
Wundersucht und Glaubenseifer jener Zeit haben obige Tatsache, welche Ammian nicht als Augen-, nur als Ohrenzeuge berichtet, unzweifelhaft in ihrem Geist aufgefaßt und dargestellt, woraus jedoch ein Zweifel an ihrer Existenz gewiß nicht abzuleiten ist.
Minder glücklich als der zu Konstantinopel war Julians Aufenthalt in Antiochien. Erderschütterungen, ungewöhnliche Dürre, daher Teuerung, Hungersnot und Krankheiten, endlich fast allgemeines Mißfallen seiner Person trübten denselben. Er widmete dem Mangel des Volkes die eifrigste Teilnahme, gleichwohl blieb diese eine verfehlte, daher um so mehr verkannte. Große aus der Fremde hinzugeführte und sogar billiger abgelassene Vorräte wurden von den Reichen aufgekauft; und als er zuletzt, in Diokletians Fehler verfallend, gegen den Rat der Stadtobrigkeit, mit der er sich deshalb überwarf, zu Maßregeln der Strenge und Taxen vorschritt, ward der Verkehr vollends gelähmt und das Übel noch größer.
Nicht dies allein aber, auch seine Christenfeindlichkeit, sein ganzes Wesen entfremdete ihm die Gemüter der Stadtbewohner. »Die Antiochener (sagt mit Beziehung auf Chrysostomus Fr. L. Graf z. Stolb. G. d. R. Jesu XI, Kap. CI, S. 397) jagten jedem Vergnügen nach, waren müßig, schaulustig, dem Wohlleben, der Pracht ergeben, leichtsinnig, geschwätzig, wollüstig und weichlich.« Unter diese trat nur ein strenger jugendlicher Philosoph, halb Stoiker, halb Kyniker, mit unschönem, auffallend (Absichtlich: aus theatralischer Eitelkeit, die den Philosophen auch in der Erscheinung darstellen wollte. D.) vernachlässigtem Äußeren, der, nur der Pflichterfüllung lebend, gerade alles das haßte und verwarf, was das Lebensinteresse jener bildete.
Ohne Sinn für dessen große Tugenden, desto mehr aber für dessen Äußerlichkeit und Schwächen, ergossen sie Spott und Satire »über den kleinen Bocksbärtigen, der mit so großen Schritten einher gehe«. Dies achtete der Kaiser nicht: der Mensch und Schriftsteller aber rächte sich durch die uns noch erhaltene Broschüre: der »Barthasser« (»Misopogon«), in welcher er mit Geist und witzvoller Ironie das unwürdige und ungerechte Benehmen der Antiochener geißelt (Amm. XXII, 14.)
Ernster und tiefer als alles Übrige aber erfüllte den Herrscher der Krieg gegen Persien.
Noch war vom römischen Gebiete, wie wir annehmen müssen, allerdings nichts als die Festung Bezabde verloren: die Waffenehre aber bedurfte der Sühnung und das unglückliche Mesopotamien des gesicherten, nachhaltigen Schutzes gegen so vernichtende Einfälle, wie es unter Constantius erlitten. Indes hätte der ruhmgekrönte Held, den Sapor von seinem Vorgänger wohl zu unterscheiden gewußt haben würde, füglich erst den Weg der Verhandlung und Drohung versuchen können. Aber er hatte den Siegesrausch einmal gekostet: die Leidenschaft war entbrannt: von Alexanders Vorbild verlockt, Schlachten und Kriegsdrommeten träumend, lüstete ihm nach dem stolzen Ehrennamen des » parthischen« –: kein Zweifel daher, daß nicht nur Abwehr, auch heißer Ruhmdurst dieses so unheilvoll endenden Krieges Grund war.
Noch schlagender würde dies erwiesen sein, wenn derselbe (wie Libanius p. 577 der nachstehend zu erwähnenden Rede, und Sozomenos III, 19 sagen) sogar ein Schreiben oder selbst eine Gesandtschaft von Sapor zurückgewiesen hatte, was jedoch (da beide Quellen nicht genau übereinstimmen, Ammian aber darüber ganz schweigt) zweifelhaft erscheint.
Großartig die Rüstung: obwohl er die von vielen Völkern angebotenen Hilfstruppen mit der Erklärung zurückwies, »daß Rom seinen Freunden und Bundesgenossen wohl Unterstützung zu gewähren, nicht aber dergleichen von ihnen anzunehmen pflege« –: (ein arger Anachronismus! D.).
Nur Arsakes, der König von Armenien, dessen Mitwirkung bei einem Perserkriege von höchster Wichtigkeit war, ward dringend aufgefordert, ein starkes Heer zu stellen und über dessen Verwendung weitere Anweisung zu erwarten. Auch gotische Auxilien d. i. Söldner waren angeworben.
Am 4. März 363 verließ der Kaiser Antiochien, nachdem vorher schon die Truppen auf verschiedenen Punkten über den Euphrat gegangen waren. (Amm. XXIII, 1, 2.)
Der nun folgende höchst denkwürdige persische Krieg zerfällt in zwei Abschnitte: der Siegesmarsch von fünfundsiebzig bis achtzig Meilen von Circesium bis unter die Mauern von Ktesiphon und der aus der weitern kühnen Offensive gegen das Innere Persiens notgedrungen hervorgegangene Rückzug.
Über erstern haben wir die trefflichste Quelle in Ammian, der dem Feldzug selbst beiwohnte. Er sagt häufig: »Wir kamen, sahen«. Z. B. XXIV, 1 u. 2. Diesen hat Zosimus, der zum Teil fast wörtlich damit übereinstimmt, benutzt, zugleich aber auch eine andre, sehr spezielle, unstreitig griechische Quelle, wie aus mannigfachen Zusätzen und der verschiedenen Orthographie der Namen hervorgeht. Wir ersehen aus letzterm, daß das neidische Geschick, welches Ammians Grundtext verstümmelt hat, auch hier nicht ohne allen Einfluß geblieben ist: nicht minder aber auch, daß Zosimus allein, namentlich wegen dessen Abneigung gegen jede Zeitangabe, Ammian auf keine Weise zu ersetzen imstande ist.
Der zweite Abschnitt dieses Krieges dagegen ist in unaufklärbares Dunkel gehüllt: in Ammian mindestens eine erweisliche, lange und ganz wesentliche Lücke: Zosimus, von dem man fast annehmen muß, er habe selbst seinen Vorgänger nicht mehr vollständig vor sich gehabt, durchaus unklar, zumal dessen zahlreiche Ortsangaben, wegen unserer Unkenntnis der alten Geographie Persiens, ohne allen Wert sind. Dieser bedauerlichen Ungewißheit würde nun Libanius (or. parentalis ’Επιτάφιος επὶ ’Ιουλιανου̃), der doch, schon durch seine Freunde Maximus und Priscus, Julians Begleiter, die besten Nachrichten haben mußte, abhelfen können, wenn nicht die völlig unhistorische Manier dieses Rhetors auch ihn, namentlich für die Kriegsoperationen, fast unbrauchbar machte.
Die Details des vordringenden Siegeszuges übergehend bemerken wir nur, daß sich Julian überall als Kaiser, Feldherr, Held und Mensch groß und bewunderungswert bewies.
(In der Schlacht vor Ktesiphon zeichneten sich besonders die gotischen Hilfstruppen aus.
Auf dem Rückzug fand Julian in siegreichem Gefecht, in ungestümer Reiterlust der Verfolgung, den Heldentod. D.)
Wut und Rachedurst ergriff sein Heer: bis in die Nacht hinein dauerte die Blutarbeit. Fünfzig persische Satrapen und Große, unter ihnen die Heerführer Merenes und Nahodares mit zahlreichem Volke, blieben auf dem Platze: aber auch die Römer hatten merklichen Verlust.
Kaum war der edle Verwundete in sein Zelt gebracht, als er in dem etwas nachlassenden Schmerze Waffen und Roß forderte, in den Kampf zurückzukehren, was jedoch Kraftlosigkeit und Blutverlust hinderten. Nach der Schlacht vereinten sich die Ersten des Heeres vor dem Sterbelager. Von ergreifender Erhabenheit sind Julians Abschiedsworte, gewiß auch, obwohl er sonst von Effektberechnung nicht frei war, in diesem Augenblicke aus lauterer Seele hervorgegangen. (Ammian XXV, 3.)
Darauf verteilte er sein Privatvermögen, beklagte eines Freundes Fall, schalt die über seinen Tod Weinenden, disputierte mit Maximus und Priscus über der Seele Bestimmung und hauchte gegen Mitternacht des 26. Juni 363 im zweiunddreißigsten Lebens- und zweiten Regierungsjahre sein edles Leben aus.
Die Charakteristik des großen Mannes, die Ammians 4. Kapitel erfüllt, weiter unten versuchend wenden wir uns hier zu einer kritischen Betrachtung seines letzten, so unglücklich beendigten Feldzuges von Ktesiphon an.
Der gegen den Rat seiner Generale in der Sommerhitze unternommene Offensivmarsch in das Innere Persiens war ein großer militärischer Fehler. In der Tat war kein römischer Feldherr, selbst Trajan Nur noch südlich nach dem persischen Busen zu, wohin er die Wasserstraße hatte, drang dieser vor. Wir sind jedoch über dessen Krieg in Persien äußerst unvollständig unterrichtet. nicht, je in östlicher Richtung über Ktesiphon vorgedrungen. Nur Alexander der Große, dessen leuchtendes Vorbild eine dämonische Flamme in Julians Seele entzündete, hatte das ganze Perser-Reich durchzogen. Der Makedone aber kam vor der letzten Entscheidungsschlacht zwischen Arbela und Gaugamela von dem gebirgigen Norden her: sein Heer war, was die Verpflegung sehr erleichterte, wenig über halb so stark als das Julians, vor allem aber das Heer Sapors nicht jenes des Darius Codomanus.
Rom hatte die Perser geschult. Zahlreiche Überläufer, schon von Septimius Severus Zeit an, hatten militärische Technik unter ihnen verbreitet, Sapors fünfundzwanzigjährige Kriege und Siege gegen Constantius seine Feldherren und das Heer ausgebildet, die Römer selbst vor allen ihre Feinde das furchtbare Verteidigungsmittel der Landesverwüstung gelehrt.
Julians Unstern war das übergroße Selbstvertrauen auf seine Genialität. Dadurch hatte er bisher allerdings zahlreiche Schwierigkeiten, selbst die den mutvollsten Führern unüberwindlich scheinenden, wie einen Stromübergang vor Ktesiphon, bewältigt. Unerschöpflich an Hilfsmitteln hielt er sich jeder Fahr und Not gewachsen, gewiß, daß er siegen werde, wenn er nur schlagen könne.
Getäuscht aber hat er sich offenbar über den persischen Volksgeist. Die vollständige Verheerung ganzer Landstriche ist nicht durch bloßen Befehl, nur durch eigne selbsttätige Mitwirkung der Einwohner möglich. Freilich ward diese durch das Rache heischende römische Verwüstungssystem bis Ktesiphon, das selbst allerdings nur eine Vergeltung des persischen in Mesopotamien war, gefördert; gewiß aber hat das Volk bereitwilliger und energischer dazu getan als er voraussetzte.
Mit Unrecht dagegen tadelt Gibbon die Wahl der Jahreszeit, da die unermeßliche Vorbereitung, namentlich Bau und Ausrüstung einer so großen Flotte unmöglich drei Monate früher vollendet sein konnte, die Zeit der reifenden Saaten auch wohl der Verpflegung günstiger war, der römische Soldat endlich Sonnenglut wie Winterkälte zu tragen wußte.
Julians unbezweifelter größter Fehler war aber ein politischer, die Zurückweisung von Sapors Friedensbotschaft. In militärischer Hinsicht hat der Erfolg gegen ihn entschieden: aber doch nur halb. Den schimpflichen Frieden Jovians, auf den wir später kommen, hätte Julian nimmermehr geschlossen.
Seinem Heer erhalten würde er unstreitig, wenn auch mit schwerem Verluste, das römische Gebiet erreicht, dann noch in demselben oder spätestens im folgenden Jahre die fruchtbarsten Gegenden Mediens verwüstet, endlich, von dem Alexanderwahne geheilt, einen ehrenvollen, sühnenden Frieden geschlossen haben.
Von dem großen Feldherrn Abschied nehmend heben wir hier noch dessen eigentümliche Vorzüge heraus. Strengste Geheimhaltung seiner Pläne, selbst gegen seine Unterfeldherren, bis zum Augenblicke der Ausführung: soweit irgend möglich Überraschung der Feinde: größte Schnelligkeit in Märschen und sonstigen strategischen Operationen: Allgegenwart auf dem Marsche wie im Kampfe: vor allem aber wunderbare persönliche Einwirkung auf die Soldaten, durch Wort und Beispiel zu dem ausharrendsten Erdulden wie zur hingebendsten Tapferkeit spornend.
Kurz und tapfer war sein Lauf. Bei längerer Dauer und Sühnung des letzten Unglücks würde ihn die Geschichte den größten Feldherren aller Zeiten beigezählt haben. Schon jetzt ist er unter denen des spätem Roms nur Cäsar und Trajan nachzusetzen. (Er zählt zu jenen ewigen Jünglingen wie Achilleus und Alexander, welche die Götter – im Sieg – abrufen, bevor sie der Prosa verfallen: er ist eine Gestalt, die noch ihres Shakespeare harrt. D.) (Julians »Bild schwankt, von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, in der Geschichte.« D.) Schon die gleichzeitigen Quellen widersprechen sich lebhaft. Der bedeutendste unter den hier maßgebenden christlichen Schriftstellern würde, als Zeitgenosse, Gregor von Nazianz sein, über dessen fanatischen Parteihaß wir uns bereits in der HREF="#note322">Anm. 322 ausgesprochen haben. Strauß in der weiter unten anzuführenden Schrift hat (S. 3 zu Anf.) einen nicht einmal vollständigen Katalog seiner Schmähworte gegen Julian zusammengestellt, der ein merkwürdiges Gegenstück zu der Bewunderung bildet, welche derselbe Schriftsteller dem angeblich großen Constantius zollt.
Gregor lebte überdies in einer kleinern Stadt Kappadokiens, wo er sicherlich nur mit seinen Glaubens- und Parteigenossen verkehrte.
Die übrigen kirchlichen Schriftsteller, wie Sokrates, Sozomenos, Theodoret, Rufinus und andere gehören insgesamt einer mehr oder minder spätern Zeit an und haben sicherlich nur aus christlichen Quellen geschöpft, wie denn Ammian von deren keinem angeführt wird (s. Chiffletius, de vita Amm. a. Schl, in der Gron. Ausgabe).
Doch halten wir die beiden ersten, die nicht Geistliche, sondern byzantinische Rechtsgelehrte waren, noch für die verhältnismäßig unbefangensten. Gewiß ist es hiernach gerechtfertigt, wenn wir lediglich Julians eigene Schriften, namentlich dessen amtliche Reskripte, Ammian und Eutrop, die beide am persischen Kriege selbst teilnahmen, ersterer als protector unstreitig auch zu Antiochien in des Kaisers Nähe war, als unverdächtige Quellen anerkennen. Eutrops (über dessen Glauben man zweifelhaft ist) Charakteristik Julians, mit der Ammians völlig übereinstimmend, ist kurz, aber so trefflich, daß wir sie nachstehend beifügen:
Vir egregius et rem publicam insigniter moderaturus, si per fata licuisset: liberalibus disciplinis apprime eruditus: Graecis doctior, atque adeo, ut Latina eruditio nequaquam cum Graeca scientia conveniret: facundia ingenti et prompta, memoriae tenacissimae: in quibusdam philosopho propior: in amicos liberalis, sed minus diligens Minus diligens bezieht sich auf den Fehler, den Ammian als griechische levitas bezeichnet., quam tantum principem decuit; fuerunt enim nonnulli, qui vulnera gloriae ejus inferrent. In provinciales iustissimus, et tributorum, quatenus fieri posset, repressor: civilis in cunctos: mediocrem habens aerarii curam: gloriae avidus ac per eam animi plerumque immodici: religionis Christianae insectator, perinde tamen ut cruore abstineret. Marco Antonio non absimilis, quem etiam aemulari studebat.
Des Apostaten Haß und Verdammnis ist dreizehn jahrhundertelang beinah ein Glaubensartikel der Christenheit gewesen. Billiger und gerechter über ihn hat zuerst ein protestantischer Pietist, Gottfried Arnold, in seiner Kirchen- und Ketzerhistorie 1699, dann ein halbes Jahrhundert später Mr. de Bletrie in der gründlichen Lebensbeschreibung Julians sich ausgesprochen. Ihnen folgt der Marquis d'Argens, ein Günstling Friedrichs des Großen, in seiner Herausgabe der Défense du paganisme par l'empereur Julien, Berlin 1764, worin er doch noch kirchlicher erscheint, als man von einem Freunde Voltaires erwarten sollte.
Merkwürdig, daß später gläubige Theologen, wie A. Neander und Ullmann, billiger und wohlwollender über ihn geurteilt haben, als Historiker, wie Gibbon (Kap. XXIII) und Schlosser. Die Schrift Neanders (Leipzig 1812) ist vortrefflich, verrät aber doch hie und da, auch in der Form, die Jugendarbeit.
Später hat David Strauss, der Verfasser des Lebens Jesu, in seiner Schrift: der Romantiker auf dem Throne der Cäsaren diesen Gegenstand aufgegriffen, indem er ihn an eine damals schwebende Zeitfrage knüpfte. Wir anerkennen, abgesehen von der religiösen Richtung, dessen Geist und Gelehrsamkeit, finden aber den Gedanken, Julian vorzugsweise zum Romantiker (Das war ein schiefer auf Friedrich Wilhelm IV. zielender Ausdruck: im übrigen war Gutzkow nicht in der Lage, David Strauß zu kritisieren. D.) zu stempeln, viel zu wenig erschöpfend, um nicht Gutzkow, der in einem Aufsatze: Julian der Abtrünnige (Jahrbücher der Schillerstiftung, Dresden, R. Kunze, 1857, I, S. 74–76), jene Auffassung bekämpft, im Wesentlichen Recht zu geben, wenngleich derselbe im übrigen historische Tiefe für diese Gelegenheitsschrift gar nicht beansprucht.
Ein neueres Werk über Julian ist der vierte Teil der Histoire de l'église et de l'empire romain au IV ème siècle par Mr. Albert prince de Broglie. Paris 1859.
Es ist streng katholisch-kirchlich, aber doch mit dem Vorsatze der Unparteilichkeit geschrieben.
Indes sagt Ampère, dessen trefflicher Rezensent in der Revue des deux mondes T. XXII, S. 647 ff., S. 673, daß seine Sympathien und Antipathien den Verfasser bisweilen zu Abweichungen hiervon fortgerissen haben.
Wir erkennen mit diesem den Wert der Arbeit in Geist, Darstellung, Talent und auch fast durchaus in historischer Treue an, jedoch ist jene Rüge als eine viel zu milde zu bezeichnen. So tadelt, um nur einige Beispiele anzuführen, der Pr. de Broglie (S. 231, 2) nach Ammian (XXII, 10) Julians Neugier, daß er die vor Gericht streitenden Parteien nach ihrem Glauben gefragt habe, verschweigt aber dabei den entscheidenden Nachsatz, daß die Antwort ohne allen Einfluß auf die Gerechtigkeit des Urteils geblieben sei.
S. 287 führt er an, daß nach dem Tempelbrand in Daphne, dessen Anstiftung man den Christen zuschrieb, auf Julians Befehl die Hauptkirche zu Antiochien geschlossen und demoliert worden sei, während Ammian, der unstreitig dabei gegenwärtig war (XXII, 13), nur ersteres, nicht aber auch letzteres berichtet, der Verfasser aber weder irgend welche Quelle für seinen Zusatz angibt, noch, wenn dies eine christliche war, deren Widerspruch mit Ammian hervorhebt.
»Ein größeres Werk beginne ich, eine höhere Ordnung der Dinge tritt mir entgegen,« sagt Ammian, indem er (XV, 9) auf Julians Geschichte kommt. Bald darauf (XVI, 1):
»Der Geist einer bessern Natur hat diesen Jüngling von seiner edlen Wiege bis zum letzten Lebenshauche geleitet. In Frieden und Krieg ward so plötzlich alles durch ihn gebessert, daß er, neben Vespasians Klugheit, wie ein zweiter Titus geschätzt wurde: in glorreicher Kriegstat Trajan, in Milde Antonin, in klarer tiefer geistiger Forschung Marc Aurel vergleichbar, welchem letztern er in Sitte und Handlungen nachzueifern strebte.«
So Ammian, dessen Zeugnis Julians Gegner schlechthin verwerfen, weil der Historiker ein Heide gewesen, ohne die Vorfrage über dessen wahre Weltanschauung auch nur zu berühren, geschweige denn zur Entscheidung zu bringen.
In der Tat war dieser Enkel des edlen und weisen Constantius Chlorus von wunderbarer geistiger Begabung. Mit einem wahrhaft fabelhaften Gedächtnisse (Amm. XVI, 5; Eutrop X, 16), von welchem er in seinen Reden und Briefen fast mißbräuchliche Anwendung macht, vereinte sich in ihm eine Schnelligkeit, Schärfe und Tiefe der Auffassungskraft, wie sie nur wenigen Sterblichen zuteil geworden ist.
Indes war der seltene Mann, dem Lande seiner Geburt und Erziehung nach, mehr ein Grieche, als ein Römer (Römisch aber war sein Heldentum und seine Erfassung der »Roma aeterna« gegenüber dem Christentum: in diesem Sinne darf man ihn den »letzten Römer« nennen. D.): er zeichnete sich mehr durch den Schwung seiner Genialität, als durch die Solidität einer ruhigen und nüchternen Vernunft aus.
Sein Gemüt war durchaus rein, edel und wohlwollend. Die höchsten Herrschertugenden: strenge Gerechtigkeit (daher Erleichterung des Abgabendrucks, Schutz der Untertanen gegen Willkür, Haß der damals herrschenden Angeberei, seinen Feinden großherzig Vergeben) – übte er nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen mit Eifer und Treue, überall Milde für die Person mit grundsätzlicher Strenge verbindend.
Wie er seinen Körper durch Keuschheit, Verzicht auf Schlaf, Ertragung von Hunger, Kälte Er brachte den Pariser Winter selbst bei seinen Nachtwachen ohne alle Heizung zu. und Hitze wunderbar beherrschte, so hielt er auch den Geist in Zucht, indem er seine einzige Seligkeit, in Gedanken zu leben, die er in philosophischen Studien und Schriftstellerei fand, durch gemessene Zeiteinteilung weise beschränkte.
War nun dieser große Charakter ohne Fehler und Schwächen? Gewiß nicht.
Ammian rügt mehrfach (XVI, 7; XXII, 10 u. 11, XXV, 4) dessen griechische »levitas« – ein Mittelding zwischen Leichtsinn und Leichtfertigkeit («Leichterregbarkeit« D.) –, indem der bewegliche Geist wie das Gemüt sich den Eindrücken des Augenblicks zu schnell hingab. Temperamentsfehler sind zu beklagen: tadelnswert aber doch nur an dem, welchem es an deren Erkenntnis und tätigem Besserungsvorsatze gebricht.
Nicht so Julian, der seinen Präfekten und Freunden willig die Überwachung dieses Fehlers einräumte und deren Zurechtweisung beachtend dadurch bewies, daß ihm diese erfreulich, seine Übereilungen aber schmerzlich seien (se dolere delictis et gaudere correctione, Amm. XXII, 10). Wohl mag er jedoch in dieser Richtung, wo teils der Warner ihm nicht zur Seite stand, teils der Anreiz vielleicht zu mächtig war, immer noch bisweilen gefehlt haben, was mit dem reifern Alter unstreitig von selbst abgenommen haben würde.
Schlimmer, in der Tat aber auch der einzige wahrhafte Fleck in diesem glänzenden Lichtbilde war Julians ungemessene Eitelkeit. Bei allem, was er für edle, große Zwecke tat und duldete, bei allem, was er sprach und schrieb, dachte er zugleich an sich und – an den Effekt auf andere. Julian schrieb häufig fast nur, um durch seltene Gelehrsamkeit, wozu er den Anlaß oft bei den Haaren herbeizog, wie durch Geist zu glänzen (epist. 19 u. 24, aber auch fast die meisten andern), wie er denn z. B. in Brief 24, der lediglich die Übersendung von hundert Feigen an einen Bekannten, wahrscheinlich Philosophen, zum Zwecke hat, Aristophanes, Aristoteles, Herodot, Hippokrates, Homer, Pindar, Simonides und Theophrast anführt, und mit den Worten schließt: »Hat dieser Brief, nach deinem Urteile, die Mittelmäßigkeit erreicht, so kann er, auf dieses gestützt, andern mitgeteilt werden. Bedarf er aber noch einer fremden Hand, um zu erreichen, was er will, wer ist geschickter als du, ihn so auszuschmücken, daß man sich dessen erfreut?«
Vermag aber diese Schwäche des Menschen, die man gerade bei den kenntnis- und geistreichsten Männern so oft findet, auch wirklich einen ernsten Vorwurf gegen den Kaiser zu begründen?
Leider beherrschte sie ihn zu sehr, um auf sein öffentliches Wirken ohne Einfluß zu bleiben. Großartig auch hier hatte er vor allem, obwohl auch um den Beifall der Gegenwart buhlend, den Nachruhm vor Augen. Er wollte als zweiter Alexander in der Geschichte glänzen: und dem hat man, wie oben bemerkt ward, ob er auch von der Verantwortlichkeit für Jovians schmachvollen Frieden freizusprechen ist, im Wesentlichen doch das unheilvolle Ende des persischen Krieges beizumessen.
Höchst ungerecht aber würde es sein, in dieser Eitelkeit etwa die Hauptquelle seiner hohen Taten finden zu wollen.
Sein Verdienst wurzelte in der großen Seele: und in deren Ausbildung durch die Philosophie. Diese war bei den Alten nicht bloß spekulativ, sondern stets zugleich auf das Praktische gerichtet, wessen sich die Namens- und Scheinphilosophen freilich häufig entbanden. »Gibt es doch, sagte der von Julian (in epist. 54) angeführte Phädo aus Elis, kaum so schlechte Anlage, welche nicht durch die Philosophie gebessert werden könnte. Denn sollte sie bloß bei einer guten Anlage nützen, hätte sie wohl nicht großen Wert.«
Daß nun Julian gerade als Zögling der Philosophie glänzen, die Erhebung des Geistes wie die Abtötung des Körpers, wozu sie führe, durch sein Beispiel verherrlichen wollte, würde, vom Motiv abgesehen, an sich nur verehrungswürdig sein, wenn er dies nicht mit offenbarer Übertreibung getan hätte.
Der Herrscher soll auch seine äußere Würde nicht vernachlässigen: er aber affektierte den Kyniker. Wenn er von sich erzählt (Freilich mit zweifelloser Übertreibung. D.), daß in seinem langen Barte Insekten (pediculi), wie die wilden Tiere im Walde, umherliefen, überdies sein Haupthaar verwildert, seine Nägel selten abgeschnitten, seine Finger voll Tintenflecke seien (Misopogon p. 57 u. 69), so hat dies etwas geradezu Widriges. Selbst in seinem Hasse des Hofgesindes und Hofgepränges und der öffentlichen Schauspiele überschritt er die verständige Grenze, während er umgekehrt in ehrendem Kultus der Philosophen, darunter es auch manche unwürdige gegeben haben mag, wohl ebenfalls zu weit ging. Aus derselben Quelle ist seine an Geschwätzigkeit grenzende Lust zu sprechen abzuleiten. Er redete geistreich und schön und liebte deshalb, auf Beifall rechnend, sich sprechen zu hören.
Über Julians Verdienst als Schriftsteller sagt Niebuhr in seinen Vorträgen über römische Geschichte (III, S. 309): »Er ist ein wahrhafter Attiker: seit Dio Chrysostomus hat Griechenland nicht einen so eleganten attischen Schriftsteller gehabt.« Wir bergen nicht, daß uns in den Reden und Briefen die schlechte Manier der Zeit etwas abstößt, setzen daher das ebenso einfache als politisch geschickte Manifest an die Athener und den Misopogon über alles andre, während wir in den »Cäsaren«, bei vielem Geiste, doch zum Teil die historische Unparteilichkeit, namentlich in dem Urteil über Constantin den Großen, vermissen.
Wir kommen nun auf Julians Apostasie.
Fassen wir den oben geschilderten Zustand des Heidentums lebendig wieder in das Auge, zerrüttet, gespalten, fast vermodert, wie er damals war. – Wie konnte, fragt man, ein scharfer Denker an die Möglichkeit der Erhaltung und Wiederbelebung desselben glauben?
Wir erwidern vorläufig: ein einfach verständiger Mann gewiß nicht: ein höchst genialer aber konnte dieser Verirrung allerdings fähig sein: (zumal bei einem mystischen Zuge und bei einem Haß und einer Verachtung gegen das Christentum, welche in Julians persönlicher Geschichte und in der Unvereinbarkeit dieser Lehre mit dem altrömischen Staat und seinen besten Tugenden voll begründet war: Philosophie und Patriotismus – Cäsarengefühl – waren die edelsten Gründe seiner Apostasie, der es – echt menschlich – an bloßen Gründen der Leidenschaft allerdings auch nicht fehlte. D.).
Wir fassen hierbei Julians doppeltes Verhältnis zum Christentume und zum Heidentume in das Auge.
»Zeige mir deinen Glauben mit deinen Werken« sagt der Apostel. Nun wohl: Constantius hatte seine Werke gezeigt: Verwerfung des Willens seines großen Vaters, Erwürgung von Julians Vater, Bruder und Geschlecht aus Herrschsucht. Mußte schon das durch solchen Mord verwaiste Kind dies fühlen, – wie viel heißer mußte es, genährt durch die engste Umgebung und den älteren Bruder, dem Knaben und Jüngling in der Seele brennen?
Aber Constantius war ja nicht das Christentum? Allerdings nicht: aber doch dessen Träger in der römischen Welt, von dessen subjektiven Untaten der Rückschluß auf den objektiven Wert seines Glaubens bei einer mit Recht empörten Leidenschaft so erklärlich als verzeihlich war.
Selbst abgesehen von dem gekrönten Christen aber, der nur ein Laie war, – durfte die jugendliche Seele nicht mindestens nach den Geistlichen, nach den Fürsten und Dienern der Kirche den Wert ihres Glaubens abmessen?
Glaubt man aber, daß ein so begabtes Kind in seinem obersten Erzieher bis zum elften Jahre, dem arianischen Haupte, Eusebius von Nikomedien, nicht den herrsch- und ehrsüchtigen Sünder erkannt, daß der blutdürstige, der bösesten Mittel sich bedienende Verfolgungsgeist der Arianer – die man doch damals für die besten Christen erklärte! – wider die Orthodoxen ihn nicht mit Abscheu, das ganze Sektenwesen jener Zeit nicht mit Widerwillen und Ekel erfüllt habe? (Und wenn die Orthodoxen die Macht hatten – brauchten sie selbe besser? D.)
Wohl hätte der fromme Sinn eines treuen wahrhaft christlichen Glaubenslehrers auch den Geist des Knaben erleuchten, dessen Herz für das Christentum erwärmen können. Ist es aber denkbar, daß Eusebius, der Metropolit, einen Mann, der solchesfalls notwendig wider ihn selbst hätte zeugen müssen, dafür ausgewählt habe? Ferner ging Julians Religionsunterricht lange mit dem in der öffentlichen Schule Hand in Hand, der, selbst von Christen (wenigstens dem Namen nach) erteilt, doch immer auf das Altertum, dessen große Dichter, Weise und Geschichte gegründet war, wofür besondere Empfänglichkeit und Vorliebe in dem Knaben und Jüngling lebte.
Daß derselbe gleichwohl im Christentume, namentlich dessen heiligen Büchern alten und neuen Testaments, bis zu seinem zwanzigsten Jahre (epist. 61) mit einer Gründlichkeit unterrichtet worden war, die, durch seltenes Gedächtnis unterstützt, von wenigen Nichttheologen unsrer Zeit erreicht werden dürfte, ersehen wir aus seiner polemischen Schrift, deren wir weiter unten gedenken werden, können aber nicht annehmen, daß er darin über das tote Wissen hinaus jemals zum lebendigen Glauben gelangt sei.
Mag es doch an letzterem überhaupt den Christen jener Zeit, selbst den eifrigen, häufig, wo nicht größtenteils gefehlt haben, wie denn in Constantins des Großen ganzem Hause kein Beispiel eines tätigen Glaubens sich findet, ja dessen Tochter Constantia und deren Gemahl, dessen Neffe und Julians Bruder, Gallus, der gleiche Erziehung und Absperrung mit ersterem genoß, bei dem strengsten Namenschristentume, verwerflicher Gemütsart waren.
So sehr aber gewiß auch Julians berechtigte Abneigung gegen die Christen auf dessen Abtrünnigkeit von Einfluß gewesen ist, so kann diese doch nur aus einem zweiten, noch wirksameren Grunde völlig erklärt werden, auf den wir nun übergehen.
Zwei Neigungen sind es, welche Julians Seele mit der Lebendigkeit, Tiefe und Energie, welche ihr überhaupt eigentümlich war, vor allem erfüllten, dem Geiste die eine, dem Gemüt die andre angehörig.
Ein wunderbares früh entwickeltes Denkvermögen verband sich in diesem Enkel zweier Kaiser mit einem regen gewaltigen Tatendrang. Dabei war ihm zugleich jedweder Weg äußerer Wirksamkeit versperrt: nicht nach außen hin auf das Praktische, nur nach seinem Innern – auf das Spekulative konnte sich daher in dem gefangenen Prinzen die Geistesleidenschaft werfen. So ward er Philosoph: so ward es, wie wir schon sagten, seine einzige Seligkeit, in Gedanken zu leben.
Wie verhielt sich nun zu dieser Richtung das Christentum?
»Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, den Verstand der Verständigen will ich verwerfen« lehrt die Schrift (1. Cor. 1, 19). Da ward, wie der Apostel hinzufügt: »der gekreuzigte Christus den Griechen eine Torheit.«
Was Wunder, daß der Schüler des weisen Sokrates, der Verehrer des göttlichen Plato sich von dem neuen Glauben abwandte.
Nationalität und Vaterlandsliebe waren die Pole, um welche sich der Seelenadel der alten Welt drehte (wie alles Heldentum der »Heiden« auch der Germanen. D.). Ihnen diente auch ihr Glaube. Roms Größe beruhte auf dem capitolinischen Jupiter: Athens Glanz und Hoheit auf der Athene: die Idee des Heldentums war in Herakles zur Gottheit geworden.
Vaterlandsbegeisterung und Heldensinn glühten in Julians Brust: das dunkle Gefühl, Alexander und Cäsar nacheifern zu können, regte sich in ihm. Demgegenüber trat nun eine Weltreligion der Demut und Selbstverleugnung, welche, wie alles Irdische, auch das Nationale völlig bei Seite setzte, Duldergröße hoch über Heldengröße erhob und nur an die Nachfolge Christi die Krone des ewigen Lebens knüpfte.
Konnte diese dem für antike Größe begeisterten Gemüte zusagen, dem jugendlichen vor allem, welches das Bewußtsein der Fähigkeit und des Berufs, seinem Vaterlande ein Retter, ja ein Mehrer von Ruhm und Macht zu werden, in sich trug?
Was Julian vom Christentume abwendete, sahen wir: seine Hinneigung zum gestorbenen Heidentum bleibt noch zu erörtern.
Wie selbst unter Christen unsrer Zeit zwischen dem Glauben des gemeinen Volkes und dem gebildeter, aber zugleich frommer Selen ein mächtiger Unterschied ist, so war dieser ungleich größer bei den Heiden jener Zeit. Wir kennen das vulgäre Heidentum meist nur aus der Mythologie und der Geschichte. Von diesem aber sagt Julian in seiner Verteidigung des Heidentums (p. 8): Man müsse gestehen, daß die Griechen unglaubliche Wundergeschichten von den Göttern erfunden haben. Diesen Fabeln müsse man aber Platos Lehre vom Weltschöpfer gegenüberstellen. Nach dieser habe der einige Schöpfer von Himmel, Erde und Meer zuerst unsichtbare unsterbliche Wesen, als Untergötter, erschaffen, und diesen alles Organische und Sterbliche auf Erden – Menschen, Tiere und Pflanzen – untergeordnet. Je einem solcher Götter sei nun eins der verschiedenen Völker, dessen Individualität gemäß, anvertraut, während sie zum Teil auch gewisse allgemeine Tätigkeiten, z. B. Krieg, Wissenschaft, Handel schützten und förderten. Man habe hiernach in den verschiedenen Göttern nur ein göttliches Wesen, das sich in ihnen offenbare, zu verehren (s. Neander S. 27 bis 31 u. w.).
Es ergibt sich hieraus, wie der Glaube damals im Dienste des Nationalgefühls stand, welches der alten Welt eben das Heiligste war.
Keineswegs aber verwarf Julian alle Mythen: er erklärte sie vielmehr, wie z. B. die der Kybele und Attys (Orat. 5), für tiefsinnige Allegorien. Das Undenkbare, meint er, hätten die Alten, nach göttlicher Anleitung, absichtlich ihren Göttergeschichten beigemischt, um durch das Widersinnige der äußern Geschichte zur Aufsuchung ihrer inneren Bedeutung zu veranlassen; während den Einfältigen das äußere Symbol genügen möge.
Für die meisten unter uns liegt Plato in der Geschichte der alten Philosophie begraben. Wie hat er aber, als er in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts im Abendlande zuerst bekannt ward, auf die damalige Christenheit gewirkt?
Auf der Kirchenversammlung zu Ferrara 1438 von einem Griechen zuerst vorgetragen, machte er so tiefen Eindruck, daß der hochgebildete Cosmo dei Medici eine eigne platonische Akademie für Auslegung des großen Denkers stiftete, dessen geist- und kenntnisvoller Vorstand Ficino sich freute, dem Könige Matthias Corvinus melden zu können, daß ein neu aufgefundener christlicher Grieche auf schlagende Weise die Übereinstimmung Platons und des Christentums in betreff der Geister nachgewiesen habe. (F. Kortum, die Gesch. des Mittelalters im Übergange zur Neuzeit, II. Th., Leipzig bei T. O. Weigel 1861, S. 39 bis 42.)
Pflegte doch später noch der berühmte Erasmus zu sagen: Heiliger Sokrates, bitte für uns.
Nicht auf verwerflichem, nicht auf unwürdigem Grunde also beruhte Julians Glaubenssystem.
Schade nur, daß er, ein Kind seiner Zeit, nicht dem reinen Plato, sondern dem Neuplatonismus huldigte, namentlich dem Wunderglauben, den dieser in seiner spätern Ausartung verbreitete, beinahe mit Leidenschaft sich hingab. Ammian sagt XXV, 4 von ihm: »Mehr abergläubisch, als ordnungsgemäßer Verehrer des Opferdienstes, ließ er unzähliges Vieh schlachten, so daß man sagte: wenn er von Persien zurrückehre, werde es an Stieren fehlen.«
An die Möglichkeit fortgesetzter übernatürlicher Offenbarung aber glaubte auch das Christentum jener Man lese nur in Tillemonts Art. XXVII die Geschichte der Visionen, welche Julians Tod zu derselben Stunde zur Kunde weit entfernter gläubiger Christen brachten. wie späterer und unserer Zeiten: es darf daher nicht die Sache an sich, sondern nur Form und Gegenstand dieser Richtung sein, welche den Christen bei Julians Anschauung verletzen kann.
Wir ersehen indes hieraus, daß in seiner Seele keineswegs der Verstand einseitig vorherrschte, daß es ihm vielmehr auch an Glaubensfähigkeit und Bedürfnis nicht fehlte: (der mystische Zug in ihm war vielmehr sehr stark. D.).
Wie sich Julians Verhältnis zum Christentume und zum Heidentume gestaltet hatte, haben wir vorstehend entwickelt, nun aber auch noch in dessen Fehlern den letzten Schlüssel zu jenem Abfalle zu suchen.
War es verzeihlich, daß die bösen Werke der Christen ihn gegen deren Glauben eingenommen hatten, während der eifrige Kultus einer Philosophie, welche jener verwarf, und die Begeisterung für nationale Größe und Heldentum ihn an den antiken Geist fesselten, so war doch sein Glaube, bis er im zwanzigsten Lebensjahre zu persönlicher Freiheit gelangte, gewiß nur erst ein schwankender.
Als er aber in das Leben trat und vermöge seiner Person eben so wie nach seiner Abstammung allgemeines Aufsehen erregte, die bedeutendsten geistesverwandten Philosophen sich an ihn herandrängten oder von ihm aufgesucht wurden, da ward es diesen, deren Glanz und Ansehen ja auf dem Heidentume beruhte, leicht, durch Lob und Schmeichelrede die Fackel der Eitelkeit in die so vorbereitete Seele zu werfen und die großartige Idee dereinstiger schöpferischer Wiederbelebung des alten Glaubens und Staatslebens in ihm zu entzünden.
(Wohl scheint dies uns heute, nach dem Erfolg, eine Unmöglichkeit. Aber mußte man damals diese Unmöglichkeit erkennen? Doch offenbar nicht: sonst hätte ein Geist wie Julian, der allerdings das Kühne liebte, sonst hätten die zahlreichen Heiden seines Anhangs diesen Gedanken nicht fassen können. Erst ein Menschenalter war das Christentum Staatsreligion geworden – aus welchen Motiven, mit welchen Schwankungen, Selbstzerfleischungen, mit welcher sittlichen Wirkung! – Sollte es unmöglich sein, es per Edikte der nächsten Vorgänger aufzuheben? D.) Zwar verwarf Julian selbst das vulgäre Heidentum und sein »persönliches Hirngespinst von Poesie, Philosophie und Aberglauben« (wie sich Strauß S. 12 ausdrückt) konnte nie zur allgemeinen Volksreligion werden. Indes faßte er seine Aufgabe doch auch noch von einer andern und zwar höchst edlen und wohlwollenden Seite auf. Er wollte das praktische Christentum kopieren: nicht nur dessen hierarchische Kirchenverfassung: sondern auch die vorgeschriebene sittliche Reinheit und Würde des geistlichen Standes, vor allem die christlichen Liebeswerke, Armen-, Kranken-, Witwen- und Waisenpflege, wie dies aus seinen eignen Briefen (besonders 49, aber auch 62, 63 und sonst) klar hervorgeht. Schreibt er doch an heidnische Priester, wie Paulus an Titus und Timotheus.
Was bei den Christen Ausfluß des Glaubens, Gebot des Herrn war, meinte er bei den Heiden aus Staatsraison und Patriotismus durchführen zu können.
Es gibt Verirrungen, die nur der höchsten Geistesgröße und Kraft möglich sind. Das Gefühl höherer Begabung erzeugt den Gedanken eines höhern Berufs: Schwierigkeiten, welche den gemeinen Verstand abschrecken, verschwinden vor dem Geiste und Willen, der alles überwältigen zu können glaubt.
Da wird so leicht Selbstbewußtsein zur Selbstverblendung.
(Verblendung aber war es, daß Julian das Volk noch eines römischen Patriotismus für fähig hielt, wie er fast nur noch ihn selbst beseelte. Er stand allein: und tragisch ist sein Werk. D.)
Julian aber ward in dieser Richtung nicht nur durch die dämonische Gewalt persönlicher Leidenschaft, mehr noch durch sein römisch-griechisches Ideal fortgerissen. Reiner und edler als Welteroberung aus Herrschsucht war die Regenerationsidee des römisch-griechischen Altertums: (aber Julian war dabei ein Feldherr ohne Heer. D.).
Daher erklärt sich, daß von einem wirklichen Prinzipienkampfe zwischen Heiden- und Christentum im Volk und Heere weder bei Julians Leben noch nach dessen Tod auch nur die geringste Spur in den Quellen sich findet.
Reaktion der erstern gegen letztere zeigte sich allerdings mehrfach: aber aus persönlichen oder lokalen Wie z. B. die blutige Rache, welche die Stadt Gaza in Palästina gegen den Nachbarort Majuma ausübte. (Soz. III, 9; Gregor v. Naz. IV, 86.) Gründen, aus Eigennutz oder Rache: von einem Enthusiasmus für das Heidentum keine Spur. Selbst die höchstgestellten Heiden, der Praefectus Praetorio des Orients Sallustius Secundus (Prinz von Broglie, S. 286), ja der Oberpriester! Chrysanthius verwarfen mild und besonnen jeden Zelotismus: (sie überließen ihn den Christen. D.).
Am schlagendsten ergibt sich obige Behauptung durch die Wahl von Julians Nachfolger. Hätte damals, durch ihn angeregt und begünstigt, eine ihres Ziels bewußte heidnische Partei wirklich bestanden, so mußte sie vor allem auf einen Kaiser ihres Glaubens dringen, was ihr um so leichter sein mußte, da doch wahrscheinlich die Mehrheit, mindestens eine sehr große Anzahl der Generaloffiziere des Heers, demselben angehörte. Die Kirchenväter behaupten sogar, freilich mit offenbarer Unwahrheit, Julian habe nur Heiden um sich angestellt. Gleichwohl wird in Jovian ein Christ und sieben Monate nachher in Valentinian ein zweiter gewählt: ja die Kirchenväter behaupten sogar, Jovian habe seiner Religion halber zuerst abgelehnt, darauf aber von seinen Umgebungen die Erwiderung empfangen, daß sie ja alle wahre Christen gewesen seien, Julian aber nicht lange genug geherrscht habe, um die Lüge in den Gemütern festzustellen (Prinz von Broglie, S. 419. Derselbe Schriftsteller, dem wir nicht allenthalben beipflichten, ohne dessen Geist zu verkennen, sucht S. 297 bis 303 auszuführen, wie sich Julian selbst seinen Zeit- und Glaubensgenossen gegenüber isoliert und enttäuscht gefühlt habe).
Wir wiederholen kurz unsere Erklärung von Julians Apostasie dahin, daß die Schlechtigkeit des weltlichen Hauptes und der geistlichen Häupter der Christenheit seiner Zeit ihn gegen deren Glauben eingenommen hatte und ein erleuchteter wie frommer Unterricht, der dem hätte entgegen wirken können, ihm nicht zu Teil geworden war; daß sein Geist von der Tiefe heidnischer Philosophie, wie sein Gemüt von der nationalen Größe und dem Heroismus des Altertums ergriffen ward; daß seine Genialität und Eitelkeit endlich der in beidem wurzelnden Vorliebe für das Heidentum sich bemächtigten und ihn zu dem Glauben, dessen Regenerator werden zu können, fortrissen.
Hieran knüpft sich nun die, von den Geschichtsschreibern aller Zeiten so verschieden beantwortete Frage:
Ist Julian, seiner geistigen Verirrung wegen, nur zu beklagen oder auch, seiner daraus hervorgegangenen Regentenhandlungen halber, zu verdammen?
Wir erwidern, das Fundament alles wahren Christentums ist der Glaube. Man kann die Reinheit und Erhabenheit der christlichen Sittenlehre, wie zum Teil auch Julian getan, anerkennen, von der Religion der gebildeten und jetzt herrschenden Welt mit Pietät sprechen, ein Christ aber im wahren Sinne des Worts ist doch, wie sonst, so auch jetzt noch nur derjenige, welcher an die Grundsymbole aller christlichen Konfessionen glaubt. Der Glaube läßt sich weder erlernen noch erzwingen, ist vielmehr eine freie Gnade Gottes am Menschenherzen. Nur zu viele, hunderttausende, vielleicht Millionen, namentlich unter den gebildeteren Klassen, entbehren desselben: ja man ist in unsern Tagen so weit gegangen, ihn mit dem Fortschritte der Wissenschaft, mit einem erleuchteten Verstande geradezu für unvereinbar zu erklären. Wir beklagen dies schmerzlich, nehmen vielmehr umgekehrt an, daß das schärfste Denken, weil es die Gebiete des Denkvermögens und Glaubens streng auseinander zu halten weiß, am sichersten zum frommen Glauben führen müsse, mißbilligen aber mit größter Entschiedenheit jedwedes menschliche Verdammungsurteil, das über anders organisierte, daher glaubensleere Seelen ausgesprochen wird. (Diese schönen Worte des verehrungswürdigen Verfassers sollen hier unangetastet stehen bleiben, obzwar der Herausgeber in der Motivierung dieses Ergebnisses abweicht. D.)
Ist dies richtig, so ist Julian, der Mensch, völlig vorwurfsfrei, wenn er, des Christenglaubens entehrend, seiner persönlichen religiösen Überzeugung folgte, ja achtbar, wenn er sich durch die politischen Bedenken eines Religionswechsels nicht abhalten ließ, der in jener Zeit übrigens, wo Altes und Neues noch im Kampfe lagen, der öffentliche Geist noch mehr oder minder heidnisch war, keinesweges von schroffer Auffälligkeit sein konnte.
Tadeln darf man ihn daher deshalb nur insoweit, als persönliche Eitelkeit dabei mitwirkte, wofür die Grenze genau festzustellen unmöglich ist.
Man hat ihm aber Verstellung und Verfolgung der Christen vorgeworfen.
Es ist wahr, daß er unter Constantius seinen Glauben verbarg, ja noch nach seiner Erhebung zum Augustus am Epiphaniasfeste 361 am christlichen Gottesdienste in der Kirche zu Vienne Teil nahm.
Wir heißen das nicht recht, können aber nicht verschweigen, daß kein politischer, ja beinahe kein denkender Mann jener Zeit die Pflicht einer Aufrichtigkeit in Fällen anerkannte, wo die einfachste Klugheit sie verbot, weil man, ohne andern zu nützen, nur sich selbst dadurch geschadet hätte.
Schwerer wiegt der zweite Vorwurf, dem der Prinz von Broglie ein eignes Kapitel (p. 223 bis 412) mit der Überschrift: »Julien persecuteur« gewidmet hat.
Wir haben deshalb auf die Würdigung der Quellen (in Anm. 334) zu verweisen und können hier nur wiederholen, daß die kirchlichen, auf welche die ganze Anschuldigung gebaut ist, teils offenbare – und zwar die gröbsten – Unwahrheiten, teils Übertreibungen enthalten, teils in gehässiger Einseitigkeit Milderndes und Entscheidendes verschweigen.
Will man den Philippiken und Anklagen der Kirchenväter wider Julian einigen Glauben beimessen, so muß man zuvörderst Ammian, den doch selbst die strengsten Katholiken, wie Graf Stolberg und der Prinz von Broglie Derselbe sagt S. 226 in der Anmerkung folgendes: »Aprés les garanties d'impartialité données par Ammien M. et la franchise, qu'il met a convenir des fautes de son héros, il est juste de ne pas prêter à Julien des actes considérables, dont cet excellent témoin ne parle pas. Ammien voyait les choses du cabinet de l'empereur; les chrétiens subissaient a distance le contrecoup de ses passions et de ses volontés. De là la différence des récits. für durchaus treu, unparteiisch und wohl unterrichtet erklären, geradezu und zwar durch und durch verwerfen. Wie ist es möglich, daß ein denkender Schriftsteller an dem Verhalten seines Helden wider die Christen eine Kleinigkeit, deren wir später gedenken werden, hätte rügen können, wenn derselbe, im Widerspruch mit der (nach XXII, 5) feierlich erklärten Gewissensfreiheit, als blutdürstiger Henker Tausende um ihres Glaubens willen hätte umbringen lassen, wie dies Gregor von Nazianz Orat. 3 und Theodoret versichern? (S. Tillemont S. 974 und 975 und Broglie S. 280.)
Die kirchlichen Geschichtsschreiber aber widersprechen sich auch selbst, wie denn Gregor von Nazianz in seiner spätern Schmährede or. 4, p. 57 und 79 Julian gerade deswegen tadelt, weil er das Christentum nicht durch offene Gewalt, sondern durch allerlei Künste und Überredung habe unterdrücken wollen.
Auch finden sich in deren Erzählungen bisweilen Züge von Julian eingemischt, welche mit der sonstigen Schilderung dieses angeblich fanatischen und grausamen Christenhassers völlig unvereinbar sind.
So erzählt Theodoret (I, 3), um nur eines Beispiels zu gedenken, aus Julians letzter Zeit, wie er auf die Beschwerde eines jungen Mannes aus Beröa in Syrien, daß ihn sein Vater, wegen Abfalls vom Christentume, verstoßen und enterbt habe, letztern, die erste Magistratsperson der Stadt, zur Tafel geladen und mit den Worten: wie er, der Kaiser, ihn bei seinem Glauben lasse, so möge er als Vater auch seines Sohnes Gewissensfreiheit nicht beschränken, diesem wieder zu versöhnen gesucht habe. Als aber derselbe, unter den härtesten Ausdrücken über des Sohnes Apostasie, jede Verwendung abgelehnt, habe Julian schließlich zu letzterm gesagt: Wenn Dein Vater Dich verstößt, so werde ich an dessen Statt für Dich sorgen. Theodoret erzählt diese Geschichte natürlich nicht, um Julians Mäßigung, sondern nur um des Vaters Glaubenstreue hervorzuheben.
Nach unsrer entschiedenen Überzeugung kann man an Julians Verhalten gegen die Christen nur folgendes rügen:
Daß er sie als Widersacher seines Glaubens, ja seines Lieblingstraumes – des hergestellten alten Römerstaats – haßte, ist natürlich. Wo hat es je Glaubenskampf ohne Glaubenshaß gegeben? Eben so haßte und verwarf aber auch sein Geist und Gemüt gewalttätigen Gewissenszwang, was aus den unter seinen Briefen erhaltenen kaiserlichen Reskripten (namentlich ep. 7, 42, 43, 51 u. 52) zweifellos hervorgeht. Ob er diesem Grundsatze treu geblieben oder untreu geworden, dies allein ist daher die Frage.
Wir beantworten sie dahin, daß sich zwar keine zuverlässige Nachricht einer direkten amtlichen Verletzung desselben in den Quellen findet, Julians leichte Hingabe aber an augenblickliche Eindrücke, daher auch an seine gereizte Laune, wohl bisweilen Handlungen herbeigeführt haben mag, welche damit nicht völlig vereinbar waren. Unstreitig war jedoch in solchen Fällen gegenüber dem vorausgegangenen Verhalten der Christen auch noch eine andere Auffassung möglich: zu ( Hochverrat und D.) Majestätsbeleidigung konnte der fanatische Eifer mancher derselben für Märtyrertum nur zu leicht führen. Dahin möchten wir namentlich die vom Prinzen von Broglie S. 232 bis 235 und S. 280 angeführten Martyrien des Basilius und der Soldaten Juvencus, Maximin, Bonosus und Maximilian rechnen, welche man, zumal ersteres, das auch von Sozomenos bezeugt wird, wenn auch für verunstaltet, doch keinesweges für gänzlich erdichtet halten darf.
Daß Julian für Gewalttaten und Frevel übereifriger Beamten oder des Volkshasses wider Christen, wie die der Arethuser gegen den Bischof Marcus, der Alexandriner, Gazaer u. a. m. (ep. 10 u. Pr. von Broglie S. 171–175 u. 269), die er erst nachträglich erfuhr, keine Verantwortlichkeit trifft, liegt auf der Hand. Indes scheinen derartige Untaten doch mehr nur durch Verweis als durch wirkliche Strafe geahndet worden zu sein, was wir der Größe der Schuld, namentlich der der Arethuser und Gazaer, nicht angemessen finden: wir können ihn daher von dem Verdacht nicht freisprechen, sich im Stillen solcher Ausbrüche heidnischer Reaktion erfreut zu haben. Ist es aber als unwürdig zu bezeichnen, wenn er in dem Schreiben an die Bostrener (ep. 62) diese gewissermaßen auffordert, den Bischof Titus, der sie hinterrücks bei ihm verklagt habe, aus der Stadt zu vertreiben?
Bei allem Tadel, den er verdient, möge man doch nie vergessen, daß ihm Unterdrückung des Christentums, so weit diese ohne Anwendung unmittelbaren Zwanges tunlich war, als Herrscherpflicht erschien, und daß er sich diesem vermeintlich so hohen Berufe mit einem Eifer hingeben zu müssen glaubte, der sich bei seiner Lebhaftigkeit bis zur Leidenschaft steigerte.
Hat es aber, fragen wir, in der Geschichte überhaupt je völlig unumschränkte Herrscher gegeben, welche ihren Eifer für eine Sache, die sie für gut und recht hielten, aus philosophischer, grundsätzlicher Mäßigung, in so gemessener Schranke zu halten wußten, als dies Julian, einzelner Ausschreitungen unerachtet, im ganzen und großen unzweifelhaft auf das Bewundernswerteste getan hat? (Wie handelten Arianer oder Orthodoxe, wenn sie aus der Unterdrückung wieder zur Herrschaft gelangten? D.)
Wir müßten nicht selbst Christen sein, um nicht durch viele seiner Äußerungen, namentlich auch durch den Namen: »Galiläer«, womit er unsre Glaubensgenossen stets bezeichnet, verletzt, ja teilweise empört zu sein, dürfen aber diesem Gefühle keinen Einfluß auf das unbefangene historische Urteil einräumen.
Ammian tadelt Julian zweimal (XXII, 10 und XXV, 5) lebhaft darüber, daß er den Christen das Lehren an öffentlichen Schulen und Universitäten verboten habe.
Ist das etwas anderes, als was katholische wie protestantische Kirchen- und Staatsregierungen fortwährend getan haben und teilweise heute noch tun Obwohl im Königreich Sachsen seit 1807 konfessionelle Parität besteht, hat doch die Anstellung eines katholischen Professors, selbst der Medizin, bis zum Jahre 1848 stets Widerspruch gefunden. Zu Königsberg i. Pr. wird, den öffentlichen Blättern zufolge, über die Zulässigkeit solcher Berufung eben jetzt (1860) verhandelt. (Anmerkung der ersten Ausgabe.) – und zwar – wie wir hinzufügen, in sachgemäß beschränktem Umfange, mit Recht? ( So von Wietersheim.)
Merkwürdig beweisen hierbei alle Kirchenväter, selbst Sokrates (III, 12) und Sozomenos (V, 18) ihre Unwahrhaftigkeit, indem sie behaupten, jenes Verbot habe sich zugleich auf den Besuch öffentlicher Schulen durch christliche Jünglinge erstreckt, was dem (in ep. 42) uns vollständig erhaltenen Texte geradezu widerstreitet, auch ein naives Übersehen des Vorteils ist, den ein solcher Besuch gerade umgekehrt im heidnischen Interesse haben mußte. Die Maßregel war, weshalb auch Ammian sie so eifrig rügt, höchst unpopulär, weil es damals keine andern Unterrichtsanstalten gab, die Söhne glaubenstreuer Christen also durch dieselbe mittelbar von wissenschaftlicher Ausbildung ganz abgehalten wurden, woraus jene Schriftsteller, denen der Prinz von Broglie diesmal aber S. 216 nicht beipflichtet, eine unmittelbare Behinderung gemacht haben.
Ebensowenig darf Julian die Einziehung der den christlichen Geistlichen unter den frühern Regierungen erteilten besonderen Privilegien (s. ep. 42 z. Anf.) und Staatsunterstützungen von seinem Standpunkte aus zur Last gelegt werden: noch viel weniger aber sicherlich dasjenige, was er nach siegreicher Rückkehr aus dem persischen Kriege »mutmaßlich« in Zukunft noch getan haben »würde«, wie dies die kirchlichen Schriftsteller hervorheben! – Wohl pflegt das Glück wie jegliche Charakterrichtung so auch Verblendung und Haß zu steigern: wir sind aber dennoch überzeugt, daß Julians Philosophie und Gemüt niemals zu diokletianischer (oder gar zu christlich-fanatischer D.) Verfolgung Die neueste Darstellung der Christenverfolgungen von Dr. F. Görres in Kraus, Realenzyklopädie d. christl. Altert. III. Freiburg 1880. S. 215–288 ist musterhaft gründlich und kritisch in der Forschung, musterhaft maßvoll und objektiv in der Würdigung. herabgesunken wäre.
Wir können diesen gewissermaßen polemischen Teil gegenwärtigen Kapitels nicht schließen, ohne Julians Schrift gegen das Christentum zu gedenken, an der er bis zu seinem Tode noch gearbeitet hat. Sie soll ihrem wesentlichen Inhalte nach durch Cyrillus, den Patriarchen von Alexandrien, der in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts eine Widerlegung derselben schrieb, uns erhalten sein. Dieselbe enthält genau das nämliche, was die sogenannten Philosophen, Religionsspötter und Leugner neuerer Zeiten von Voltaire ab bis heute gegen das positive Christentum vorgebracht haben, welches Julian geradezu für bewußte listige Erdichtung erklärt. Nur richtet sich sein Angriff ganz vorzugsweise gegen das alte Testament, in welchem er mit scharfer Kritik über alles Übernatürliche, Undenkbare und sich Widersprechende darin, wie die Rede der Schlange, den babylonischen Turmbau etc. herfällt, vor allem aber an der einseitigen Parteilichkeit Jehovas für sein Volk, die mit der Allgerechtigkeit und Güte des Weltschöpfers völlig unvereinbar sei, Anstoß nimmt.
Wenn man den christlichen Standpunkt ablegt, so hat man die scharfsinnige und geistvolle Dialektik des Verfassers vollkommen anzuerkennen, ebenso aber die ungeheure Schwäche, welche darin liegt, daß er einen Maßstab auf das Christentum anwendet, nach welchem das vulgäre, ja selbst sein verklärtes Heidentum mit dessen Wunderglauben noch weniger zu bestehen vermocht haben würde.
Wir wenden uns zum Schluß.
Hätte Julian, im Gegensatze zu des Constantius verwerflichem Cäsaropapismus, nur allgemeine Glaubensfreiheit verkündet, wie für alle christlichen Parteien, so auch für das Heidentum, dem unstreitig die Mehrheit seines Volkes noch angehörte, so hätte er zwar natürlich die Verdammnis der Kirche, zugleich aber die Bewunderung der unbefangenen Nachwelt erworben.
Das tat er nun auch wohl: aber nur halb, indem er durch leidenschaftliche Parteinahme für seine subjektive Religionsanschauung jenes Prinzip vielfach verletzte und, mit gänzlicher Verkennung des Geistes und der Menschen seiner Zeit, dem Wahne nachjagte, ein neues, reineres Heidentum gründen zu können, eine Idee, die vor seinem Geiste genial, in Wirklichkeit aber unmöglich war. (Es war eine Torheit, wie sie nur ein sehr großer Mann begehen kann. D.)
Lassen wir indes diese einzige Verirrung beiseite und fragen wir:
Was ist Julian für sein Reich und sein Volk gewesen? so lautet das Urteil anders. Diesen Standpunkt nehmen, mit Recht, Ammian und Eutrop ein.
Ersterer beginnt seine fünf Seiten lange treffliche Charakteristik dieses Kaisers (XXV, 4) mit den Worten: Wenn es, wie die Gelehrten sagen, vier Haupttugenden gibt, Mäßigung und Enthaltsamkeit, Klugheit, Gerechtigkeit, sowie Tapferkeit, denen sich nebensächliche anschließen, wie Kriegskunde, Autoritätstalent, Glück und Liberalität, – so hat er diese alle im Ganzen wie im Einzelnen mit angestrengtester Sorgfalt gepflegt und geübt (intento studio coluit omnes ut singulas).
Ammians Schilderung, welche zugleich keinen von Julians Fehlern verschweigt, ist, vom Ausdruck abgesehen, ein Meisterstück. Mit ihr stimmt im Wesentlichen auch Prudentius, ein christlicher, etwa hundert Jahre späterer Dichter überein: der von Julian sagt:
Ductor fortissimus armis:
Conditor et legum celeberrimus; ore manuque Consultor patriae, sed non consultor habendae Religionis, amans ter centum millia divum. Perfidus ille Deo, sed non et perfidus orbi. |
... Tapferster Führer der Heere;
Hoch als Gesetzbegründer berühmt; mit dem Arm und dem Rate Treuer Wahrer des Vaterlands: nicht aber des Glaubens. – Ungezählte verehrend vermeinter göttlicher Wesen; Abgefallen von Gott, doch treu bis zum Tode dem Reiche. |
Der unbefangene Historiker muß mit Entschiedenheit erklären: Rom hat in dreihundertundneunzig Jahren (Trajan, den wir freilich viel weniger genau kennen, etwa ausgenommen) keinen seinen Taten und Eigenschaften nach größern Kaiser gehabt als Julian.
Nur gegen Marc Aurels Gemütsreinheit steht derselbe, soweit er jenen auch in seinen Leistungen, namentlich als Feldherr, überragt, weit zurück. Marc Aurel arbeitete nur für Pflicht und Gewissen, Julian stets zugleich für das Publikum. Jener war weise, Julian nur groß und glänzend, nicht weise.